Laß das Leben fliegen
- Lutz Kirchenwitz
Folklorum Einsiedel -
Jürgen Brehme
Gedenken an Gerhard Gundermann
- Pfeffi Ständer
10 Jahre Internationales Folk Festival
Hallein, 3.-6. September 1998 - Judith Fischer
3. Folkfest Cottbus - Pfeffi
Ständer
Die Augsburger Folkrocker The Seer
machten im Münchner Schlachthof Station - Judith Fischer
Das Gedenk-Konzert für Victor Jara in Dortmund besuchte Lutz Kirchenwitz
Selten sind die Biographie eines Künstlers und die politische Geschichte eines Landes so eng miteinander verknüpft wie im Falle von Victor Jara und Chile. Jara kam aus einer armen Landarbeiterfamilie. Der Kampf gegen Ungerechtigkeit, Not und soziales Elend war Hauptanliegen seiner Kunst. Er wurde »Chiles wichtigster Volkssänger« (Violeta Parra) und identifizierte sich voll und ganz mit dem Programm der Unidad Popular. Als am 11. September 1973 das Militär gegen die Allende-Regierung putschte, um »das Krebsgeschwür des Marxismus auszumerzen«, war Victor Jara eines der ersten Opfer. Er wurde im Nationalstadion von Santiago gefoltert und bestialisch ermordet.
Nach 1973 war sein Name in Chile tabu. Seine Musik und die aller anderen Künstler der Neuen Chilenischen Liedbewegung war lange Zeit verboten. Das änderte sich erst mit der schrittweisen Rückkehr zur Demokratie. Man begann, Victor-Jara-Festivals durchzuführen. Als 1991 im Stadion von Santiago ein Konzert mit mehr als 700 Mitwirkenden aus allen Bereichen der chilenischen Musik stattfand, mit dem man das Stadion von Gewalt und Terror »reinigen« wollte, entstand die Idee, eine Victor-Jara-Stiftung zu gründen. 1993 war es so weit. Joan Jara, die Witwe Victors, ihre beiden Töchter Manuela und Amanda und die Gruppe Inti Illimani gehörten zu den Gründern. Die Stiftung ist seitdem bemüht, das künstlerische und politische Vermächtnis Victor Jaras zu bewahren und es insbesondere der chilenischen Jugend zu vermitteln. Man hat ein Archiv eingerichtet und 1996 ein Buch mit allen Liedern Victor Jaras herausgegeben.
In den 70er Jahren gab es in vielen Ländern Solidaritätsaktionen für Chile. U.a. fand 1974 ein Konzert in der Essener Grugahalle statt, bei dem Franz-Josef Degenhardt, Floh de Cologne, Inti Illimani u.a. auftraten. Die Erinnerung an diese Veranstaltung, deren Mitschnitt kürzlich in der Reihe `pläne'-Archiv als CD erschien, brachte den `pläne'-Verlag auf die Idee, ein Konzert anläßlich des 25. Jahrestags der Ermordung Victor Jaras durchzuführen. Die Jara-Stiftung unterstützte das Vorhaben, und so fand am 11. September in der Dortmunder Westfalenhalle die Veranstaltung »Deja la Vida volar/Laß das Leben fliegen« statt. Mitwirkende waren Inti Illimani, Oscar Andrade, Maria Farantouri, Petros Pandis, Hamid Baroudi und Hannes Wader. Joan Jara, die sehr gern teilgenommen hätte, es aber für notwendig hielt, an diesem wichtigen Tag in Chile zu sein, sandte eine Grußbotschaft.
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Kulturen der Nationen in einer einzigartigen Spiellandschaft bestaunte Jürgen Brehme
Haben Sie sich wieder vor der Bühne Ihres Stars gedrängt? Und sich zwischendurch durch eine Stadt treiben lassen? Vielleicht Bratwurst gegessen oder gar nicht gewußt, was in den Konzertpausen tun?
Sie waren nicht auf Folklorum, dem östlichsten Festival Deutschlands, 400m von der Neiße (Grenzfluß nach Polen) entfernt. Dies findet auf einem Waldgebiet statt, das von Geheimgängen durchzogen ist, über welchen Rutschberge thronen; das von Labyrinthen umgeben ist und einen Tierpark beherbergt, zu dessen Inneren es einen Durchgang gibt, den nur Kinder finden. Hier waren Riesen, die Bäume ausgerupft und verkehrt herum in den Sand gesteckt haben, damit man Baumhäuser, Cafés oder eine Eis-Insel drauf bauen kann. Hier brät man sich sein Essen selber an einem der Dutzend Lagerfeuer, die das gesamte Festival über brennen. Bis ein von Kindern während des Festivals gebauter Turm zum feurigen Abschluß jedes Lagerfeuer überstrahlt.
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Nicht nur Gundis Seilschaft überraschte unseren Mitarbeiter Pfeffi Ständer
Auf der Freilichtbühne Berlin-Weißensee fand am 12. September das Gedenkkonzert für den kürzlich verstorbenen Liedermacher Gerhard Gundermann statt (Folker! berichtete in der letzten Ausgabe!). Wer eine Trauerfeier erwartete, wurde eines Besseen belehrt: Ein dreieinhalbstündiges Konzert beeindruckte 3500 Zuschauer (hunderte mußten noch draußen bleiben) durch Spielfreude, teilweise sogar Fröhlichkeit. Herausragend dabei Gundis »Seilschaft«, die die Gäste des Abends begleitete, welche hauptsächlich Gundermann-Titel vortrugen. Aber die Seilschaft sang auch selbst, teils unter Mithilfe des Publikums. Unterstützung erhielt sie von den Silly-Musikern (bekannte ostberliner Rockband.-Red.) und von JAMS um Jo Meyer. Gerade bei den folkigen Songs wie »Wenn ich'n Räuber wär« tanzte das Publikum heftig mit, sofern das im überfüllten Raum möglich war.
Zu den Prominenten zählten Gerhard Schöne, Bettina Wegner, Pension Volkmann, Tobias Morgenstern und Petra Kelling. Verblüffend der Auftritt von Aurora Lakasa, gebürtige Spanierin und einst DDR-Schlagerstern, die Leon Giecos »Solo le Pido a Dios« (bei Gundi als »So wird es Tag« gespielt) perfekt vortrug und Begeisterung enrtete. Beeindruckend auch die »Brigade Feuerstein«, Gundis Band der achtziger Jahre. Lobenswert, daß auch junge Leute mit ihren Gundermann-Versionen ins Programm kamen: Perkussionsband »Rakatak« und das Liedtheater eines Treptower Gymnasiums.
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Judith Fischer fuhr für uns nach Österreich
Die Halleiner Folk-Initiative veranstaltete dieses Jahr zum zehnten Mal das Internationale Folk-Festival. Auch dieses Jahr wurde das Festival vom sprichwörtlichen »Schnürlregen« und herbstlichen Temperaturen begleitet. Unerschrockene Folks ließen sich nicht davon abhalten, auf der Wiese beim Festzelt am Gamp-Eichenhain zu campen.
Man watet einträchtig drei Tage im Schlamm und auch das eine oder andere unter Wasser stehende Zelt tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Alte Bekannte werden mit großem Hallo begrüßt und neue Bekanntschaften geschlossen. Das Programm bietet die bewährte Mischung aus Lokalmatadoren und Gruppen aus ganz Europa, alten Hasen und Nachwuchsbands. Folker!-Lesern dürften Deishovida und TFF-Besuchern das Trio Schlüsselbund schon ein Begriff sein.
Im Gegenzug erhalten die Preisträger des Österreichischen Folk-Förderpreises eine Einladung nach Rudolstadt. Dieses Jahr machte die Wiener Formation Pasaport das Rennen, die orientalische und westliche Elemente miteinander kombinieren. Am Freitag Abend konnte man Moderator Colin Wilkie, inzwischen schon eine Halleiner Institution, bei einem musikalischen tête à tête mit »Österreichs Paradegitarristen« Peter Ratzenbeck live bewundern. Ein weiterer Höhepunkt war der Auftritt des englischen Duos Show of Hands.
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Reinhard Pfeffi Ständer war im August beim »Wacholder«-Folkfest
Zum dritten Male hatten Wacholder und Freunde zum Folkfest in die Energiestadt eingeladen. Während voriges Jahr noch deutschsprachige Folkmusik im Vordergrund stand, lag der Schwerpunkt diesmal mehr beim Internationalen. Polen war dabei mit zwei Gruppen vertreten, White Garden und Syrbacy, wobei letztere durch Witz und Spielfreude besonders auffielen. Gleiches trifft auch auf das Duo Garlic und Onion (Jena) zu, die Irish Folk auf deftige Weise boten, im Gegensatz zu Mr. Wiggly oder Low Budget. Eine interessante Klangfarbe brachte Hora Colora aus Berlin ein, etwas jazzig und mit Stücken verschiedenster, vor allem östlicher Musikkulturen. Gruppen wie Schnafftl Ufftschik und Transsylvanians sind hinlänglich bekannt und begeisterten erwartungsgemäß.
Die erwarteten Höhepunkte kamen zum Samstag abend. Die Hallenser Mittelalterrocker stellten Bewährtes und Titel der neuen CD »Schockschwerenot« vor, solider Barock'n Roll. Von den Fans umjubelt, präsentierten »In Extremo« anschließend eine heftige, pyromanische Show mit Galgen, Feuerschluckern, Dudelsäcken und einer musikalischen Mischung aus Mittelalter und Metal. Musikalisch fand ich freilich »Horch« um Längen besser.
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Judith Fischer war dabei
Der Schlachthof ist für einen Wochentag gut gefüllt. Florian Ast und Florenstein eröffnen die Show mit einem Ländler, der kurz darauf in rockige Gitarrenriffs übergeht. Etwa eine Stunde bieten die Schweizer humorvolle und nachdenkliche Songs mit deutschen und »schwyzertüüschen« Texten, wobei sie auch vor Parodien deutscher Schlager (Marmor, Stein und Eisen bricht) nicht halt machen. Die Schweizer Fangemeinde unterstützt sie dabei nach Kräften, während sich das »eingeborene« Münchner Publikum noch etwas zurückhält. Für The Seer dagegen ist das Konzert fast ein Heimspiel. Das harmonische Zusammenspiel und die Spielfreude der fünf Augsburger sorgen innerhalb kürzester Zeit für Partystimmung im Saal und lassen vergessen, daß die Flötentöne dabei vom Keyboard kommen. Von Zugeständnissen an den Zeitgeist, wie es manche CD-Kritiken vermuten lassen (»Was vorher eine reine Folkie-Band war, die Wollsocken und Birkenstocksandalen zum Mithüpfen bewegen konnte, schafft nun auch Raum für die Kids der 90er Jahre« , so das Magazin »live in concert« ) ist nichts zu merken. Live gelingt es The Seer jedenfalls, Folk-Instrumente wie Mandoline, Geige und Akkordeon mit eingängigen, hitparadentauglichen Songs wie »Please«, der Single-Auskopplung des dritten Albums »Liquid«, und Experimenten mit Drumloops zu verbinden. Typische Folkrocktitel wie »The Storytellers night« kommen bei dem buntgemischten Publikum nach wie vor gut an. Zu den Höhepunkten der Show zählt es, wenn sich Schlagzeuger Michael Sigg hinter seiner Schießbude hervorwagt, und Peter Seipt das Keyboard mit dem Akkordeon vertauscht. Oder wenn Jo Corda bei »The Ferryman« als Schwarzer Fährmann und Totengeiger in einer Person auftritt. Nur widerwillig werden The Seer nach drei Zugaben schließlich entlassen.
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