backFFP7. Deutscher Folkförderpreis in Rudolstadt

Die Plazierung: Alpenjazz vor Bordunfolk und Harfensolist

ein Bericht von Piet Pollack

Rudolstadt im Sommer ist immer eine Reise wert, für Folkies allerdings nur an den »Drei Tollen Tagen« am ersten Juliwochenende. Auch 1998 gehörte der Samstagabend wieder dem Folkförderpreis.

Die Atmosphäre der Bühne am Neumarkt hat schon etwas anderes als der weitläufige Markt, die gemütlichen Innenhöfe oder der Güntherbrunnen mit seinen ständigen Fußgängerströmen. Die Bühne steht zentral, zwischen höheren Häusern eingezwängt – das Publikum hat wesentlich mehr Konzertstimmung und Konzentriertheit, denke ich, als an anderen Orten. Noch dazu, wenn die Technik so exzellent arbeitet wie am Samstag nachmittag beim Allan-Taylor-Konzert oder beim Folkförderpreis einige Stunden später. Und auch das Wetter spielte 1998 mit – nix mit Hagel wie im 96er Jahr oder wie schon oft mit den Extremen: Regenschauer oder pralle Hitze. Diesmal stimmte alles: Wetter, Atmosphäre und Musik.

Der Juryvorsitzende, Rainer Prüss, erläuterte zum allgemeinen Verständnis: »Ausgeschrieben
wird der Preis von PROFOLK, dem Dachverband für Lied, Folk und Weltmusik. Klingt irgendwie
ganz großartig, sind alles Mucker, Musiker, Veranstalter, die mit Folk zu tun haben und
Ethnomusik. Und vom Folker!, der Folkzeitschrift sowie dem Tanz & und Folkfestival Rudolstadt.
Natürlich mit finanzieller Unterstützung vom MDR, der die Produktion der CD bezahlt. Jungs,
dafür seid Ihr richtig prima! Wir hoffen die drei Preisträger werden herumgereicht in Europa. Wir
erinnern hier an die Preisträger des letzten Jahres, »Schlüsselbund« aus Neustrelitz. Ganz
Schweden ist in Begeisterung über deren Nyckelharpa-Musik. Das ist es, was der Folkförderpreis
erreichen will. Daß man aufmerksam wird. Daß man merkt, daß in Deutschland eine lebendige
Folkszene existiert.«

Wie 1996 (Passpartout, 2.Platz) war die Kelten-Bordun-Fraktion wieder mit einem Vertreter dabei, den »Rolling Drones«. Der Name charakterisiert schon irgendwie den Bandsound, der aus dynamischer tanzbarer Instrumentalmusik besteht. Anlaß für den Gruppennamen war aber eher der Bezug zu den doppelt so alten Rocker-Rentnern. Das gibt die Gruppe beim Interview auch freimütig zu.

Rolling DronesIhr bringt die Bordune zum Rollen. Charakterisiert kurz Eure Musik!

Rolling Drones: Tanzbar, aber nicht unbedingt. Wir kommen zwar von der Tanzstrecke, wollen da aber nicht unbedingt bleiben. Der Bandname ist – neben dem Wortspiel – schon irgendwie programmatisch.

Der Juryvorsitzende, Rainer Prüss, äußerte sich in seiner Laudatio wie folgt: »Bordune hielt ich früher für ziemlich nervig. Ständig diese penetranten Dauertöne, wo nichts passiert. Aber es gibt doch die eine oder andere Gruppe, die aus diesen Dauertönen richtig prima was machen kann. Die Rolling Drones auf dem 2. Platz! Das kann man noch live hören – ist lagerfeuertauglich. Das finde ich wichtig! In die gleiche Kategorie der Livetauglichkeit gehört der Mann mit den ganzen Eierschneidern auf der Bühne, diesen Harfen. Micha Dümpelmann, der 3. Preis geht an Dich!«

FOLKER! unterhielt sich mit ihm:
Micha DümpelmannMicha, der Kick zum Harfinisten kam bei Dir recht spät. Welche Stationen gab es vorher?

Micha Dümpelmann: Ich komme vom Schlagzeug, richtig ordentlich gelernt. Alles andere habe ich mir »unordentlich« beigebracht. Ich habe Rock, ein bißchen Pop und Jazz gemacht. Viel Studioarbeiten, auch als Perkussionist. Über den Jazz kam ich zum Improvisieren, was mich später zur Musiktherapie hinzog. Das habe ich dann studiert, bin also gelernter Krankenpfleger und studierter Musiktherapeut. Im langen Harfenprogramm sind auch therapeutische Elemente als Erläuterungen dabei, z.B. aus afrikanischer Musik. Ich war und bin an verschiedenen Projekten beteiligt. Ganz wichtig war für mich das Vokalensemble Inner Voice 1988, wo 7 MusiktherapeutInnen beteiligt waren. Die haben Obertongesang gemacht, viel für das Radio produziert, die Gruppe wurde recht bekannt. Aus dieser Zeit stammt der Unterricht im Obertongesang, den ich immer noch gebe. Das paßt für mich aber nicht in das Harfenprogramm, da habe ich ein anderes Ziel. Einige Projekte hießen »Kugelklänge« (mit Inner Voice), »Begegnung mit der Stille« (mit Inge Kritzer) oder die »Zauberspiegel«-Performance. Es war alles zeitlich begrenzt, wie auch meine letzte Band Menage a Trois in Freiburg. Die hat sich leider vor 14 Tagen aufgelöst.«

Kontaktadressen:

Rolling Drones:
Drones
c/o Johannes Mayr
Lindenstr.27
57539 Breitscheidt
Tel. 02682-1091

Kerberbrothers Alpenfusion:
Kerberbrothers Alpenfusion
c/o Andreas Kerber
Harbatshofen 60
88167 Stiefenhofen
Tel. 08384-821130

Micha Dümpelmann:
Micha Dümpelmann
Am Sommerberg 8
79252 Stegen-Eschbach
Tel. 07661-981330

Ganz neu ist die Alpenmusik beim DFFP (oder DFF? Das gab's als Fernsehsender im Osten schon mal.) Der Einstieg der Demokassette läßt Schreckliches erwarten und man fragt sich, was die Jury mit dieser Auswahl wohl bezweckt hat. Ist das der Quotenkandidat aus Bayern? Oder hat der unaufhaltsame Boom von Alpenrock, traditioneller Alpenmusik und kommerzieller Moik-Dudelei auch in der Jury seine Anhänger gefunden? Doch schon nach den ersten Takten schleichen sich schräge, gezogene oder bluesige Töne ein. Und beim ersten Break ist Schluß mit Lustig – die Gemütlichkeit ist zu Ende. Freie Jazzimprovisationen bestimmen den Sound. Eine Musik der harten Wechsel, aber überaus gekonnt und witzig. Selbst wer sonst nicht so auf Bläser- und Zithermusik steht, staunt, was alles daraus zu machen ist. Es ist schon ein vertrackter Humor, der solche Arrangements, Tempowechsel und Soli entstehen läßt. Sogar das obligatorische Jodeln kann schräg klingen, nein!

FOLKER! unterhielt sich mit den »Kerberbrothers«, und zwar den Brüdern Andreas, Markus und Martin Kerber sowie dem Basser Tiny Schmauch. Letzterer ist übrigens, nebenbei gesagt, Leiter der Allgäuer Jazz Initiative.

KerberbrothersIm Werbeblatt firmiert Ihr unter »a nuis feelin – alpine & transglobal Ethno«. Was darf man erwarten?

Kerberbrothers: Es ist ein Zusammenschluß aus unserer musikalischen Herkunft und dem, was wir später gelernt haben. Wir kommen aus einer alten Volksmusikfamilie. Die Kerbers sind im Allgäu bekannt für ihre traditionelle Musik. Seit Jahrzehnten gibt es Konzerte, sie füllen auch größere Hallen in Kempten. Studiert haben wir unsere Instrumente klassisch, richtig mit Hochschulabschluß. Wir haben dann als reine Jazzband gespielt. Später wurden diese Einflüsse einfach zusammengemixt. Es gab auch einen Bedarf. Anfragen kamen, ob wir Jazz und Volksmusik nicht auch kombinieren könnten. Es ist ein Konzept der Gegenüberstellung von Musikrichtungen.

Rainer Prüss als Jurysprecher kommentierte bei der Preisverkündung kurz und trocken: »Der
1.Preis. Wir haben viel Spaß gehabt. Da ist Guildo Horn ein Scheißdreck dagegen. Der 1. Preis
geht an die Kerberbrothers.« Für den Folker! begründete er die Juryentscheidung ausführlicher.


Mehr über die Preisträger im Folker! 6/98


Deutscher Folkförderpreis 1999

Zum 8. Mal schreiben PROFOLK (Verband für Lied, Folk und Weltmusik), das Tanz&FolkFest Rudolstadt, das Musikmagazin Folker! und der MDR Kultur einen Förderpreis aus. Die Ausschreibung richtet sich an Gruppen bzw. Einzelinterpreten aus den Bereichen Traditionelles, Experimentelles, Folk-Jazz, Folk-Rock und ethnische Musik. Es gelten sowohl für die Teilnehmer als auch für die musikalischen Formen keine ethnischen Begrenzungen, die Bewerber sollten jedoch ihren Wohnsitz in Deutschland haben.

Eingereicht werden müssen ein Tonträger mit 3 Titeln, ca. 15 bis 20 min und Titelliste (Titel, Urheber, Dauer, eingesetzte Instrumente) und eine Kurzbeschreibung der Gruppe oder Solisten (Name, Alter, Instrumente, musikalische Ausbildung, musikalisches Konzept, bereits erworbene Preise, Diskografie).

Als Anreiz gibt es ein ganzes Paket von Fördermaßnahmen:

Die drei interessantesten Bewerber werden zur Endausscheidung zum Tanz&FolkFest 1999 nach Rudolstadt eingeladen. Nach einem öffentlichen Konzert von jeweils 30 min wählt die Jury den ersten Preisträger und die Plazierten aus.

Im Vorfeld wird von den für die Endausscheidung nominierten drei Gruppen/Solisten eine Sampler-CD mit je drei Titeln produziert. Diese CD erscheint zum Endausscheid in Rudolstadt und dient der öffentlichkeitswirksamen Darstellung der Preisträger in den Print-, Hörfunk- und Fernsehmedien. Und der erste Preisträger eröffnet die Abschlußveranstaltung des Tanz&FolkFestes 1999 und er erhält automatisch eine Einladung für das Festival im folgenden Jahr. Außerdem nimmt er im Austausch mit dem Österreichischen Folkförderpreis an einem Festival in Österreich teil. Ein Titel von ihm wird auf dem PROFOLK-Sampler des Jahres 2000 veröffentlicht. Alle drei Preisträger werden vom Musikmagazin Folker! porträtiert und von PROFOLK in Konzertempfehlungen Veranstaltern angeboten.

NACHWUCHS-PREIS

Für den Folknachwuchs bis 22 Jahre wird außerdem ein Sonderpreis vergeben, der mit einem Zertifikat, einer Dauerkarte zum Tanz&FolkFest 1999 und einem Auftritt wahrend des Festivals verbunden ist.

Folker! veröffentlicht die Juryliste 1999:

Vorsitz Rainer Prüss (Musiker, Designer)
Vertreterin PROFOLK Ulrike Zoller-Hickey (Hörfunkredakteurin)
Vertreter Tanz&FolkFest Peter Finger (Musiker, Verleger, Labelinhaber)
Vertreter Folker! Ulrich Joosten (Mitherausgeber, Redakteur)
Vertreter MDR Kultur Jo Meyer (Musiker, Hörfunkjournalist)

Bewerbungsschluß ist der 1. Februar 1999 (Poststempel)!

DFF-Geschaftsstelle – Liane Fürst
Rathausstraße 9, 10178 Berlin
Tel. & Fax: 030-2472 1875
e-mail: DFFKontor@aol.com


Folker! wünscht allen Teilnehmern viel Glück!