Big Man: Susanne Kalweit beobachtete bekannte Stars Iain MacKintosh und Brian McNeill in Kellinghusen
Mutabor am 4.5. in Rudolstadt: Folker!-Autorin Judith Fischer zog es zum Fun-Punk
Festival der Spielleute: Michael Pohl ging ins Mittelalter
Mandelas Geburtstagsparty: Sabine Froese fuhr nicht nach Südafrika, sondern »nur« nach London
Europäisches Bluegrass-Treffen: Andy Glandt berichtet
Saitenzauberer »Open Strings«: von Ulli Bögershausen
Francofolies in Not: von Susanne Brenner/Gerd Heger
Die Dylan-Connection: Bericht von Jay Rutledge
Susanne Kalweit beobachtete bekannte Stars Iain MacKintosh und Brian McNeill in Kellinghusen
»Iain MacKintosh likes big men«, war der Kommentar eines Gastes, der sich offenbar an die Kombination des schmalen schottischen Sängers mit dem Schwergewicht Hamish Imlach erinnerte. Der 'big man' auf der Bühne der Kellinghusener Ulmenhofschule an diesem Abend war jedoch Brian McNeill, Multi-Instrumentalist, Sänger, Songschreiber und Showman der Extraklasse.
Iain MacKintosh hielt sich, wie es seine Art ist, stärker im Hintergrund; seine ruhige Stimme und seine leiseren Instrumente hauptsächlich Banjo und Concertina wurden von der Anlage leider auch nicht immer so zur Geltung gebracht, wie es wünschenswert gewesen wäre. Die Stimmung im vollen Saal wurde dadurch allerdings nicht beeinträchtigt. Die Zuschauer waren bereit, sich mittragen zu lassen von der Atmosphäre zwischen den beiden so unterschiedlichen Künstlern. Iain und Brian verstanden es, den Eindruck zu erwecken, als spielten sie hauptsächlich zum gegenseitigen Vergnügen!
Folker!-Autorin Judith Fischer zog es zum Fun-Punk
Nachdem ich von dem »Blockflötenpunkfolkrock« schon viel gehört hatte, wollte ich in Rudolstadt die Gelegenheit nutzen, die Lumpen vom Prenzlauer Berg kennenzulernen. Schon während der Umbaupause rückt ein bunter Haufen mit allerlei ausgefallenen Kopfbedeckungen und Frisuren an, der für drangvolle Enge vor der Bühne sorgt und den Altersdurchschnitt des Publikums merklich drückt. Da sich der Soundcheck etwas hinzieht, müssen Sänger Axel und Gitarrist Markus den Fans mehrmals gut zureden. »Es geht schneller, wenn ihr den Mann in der roten Jacke durchlaßt, das ist nämlich der Techniker!« Schließlich funktioniert alles zur Zufriedenheit der Band, die Show kann losgehen. Schon bei den ersten aussagekräftigen Titeln wie »Lisa laß mich rein« und »Abgestandnes Bier schmeckt schal« überbieten sich Sänger und Fans mit wilden Sprüngen, während Bassist Jens und der Burkhard Schlede (Ex-Drummer von Poems for Laila) für den nötigen Rhythmus sorgen. Doch die Mutaboren haben mit »Fortschrittstanz« und »Es gibt keine Liebe« auch Ironisches zu bieten. Das exotisch anmutende »Amazegenalo« ist wohl durch Axels Äthiopienreise inspiriert und hebt sich von den übrigen Fun-Punk-Nummern ab. Auch Helen an der Geige und Anita an Flöten und Saxophon bekommen während des Auftritts ausreichend Gelegenheit zu zeigen, daß sie Ihr Handwerkszeug beherrschen.
Michael Pohl ging ins Mittelalter
Folk und Fernsehen da kann nicht viel dabei herauskommen, so lautet jedenfalls das landläufige Vorurteil aus der Folkecke. Daß es jedoch rühmliche Ausnahmen gibt, bewies der Südwestfunk am 20. Juni im Rahmen seiner Sendereihe »Festival der Spielleute«. Die mittelalterliche Freudenburg, hoch über dem Mainstädtchen Freudenberg thronend, drängte sich als ideale Kulisse geradezu auf. Neben dem üblichen mittelalterlichen Schnickschnack wie örtlicher Fanfarenzug, feuerspuckende Gaukler und waghalsige Fechteinlagen sorgte allerlei mehr oder weniger unnötiges Pyromaterial für die nötige Optik. Die etwa 1.500 Zuschauer nahmen es dankend an. Lobenswert der gute, sonntagnachmittagliche Ausstrahlungstermin der TV-Aufzeichnung bei man höre und staune 150 Minuten Sendezeit. Weiter so und, Kollegen der anderen Fernsehanstalten, nehmt Euch ein Beispiel!
Sabine Froese fuhr nicht nach Südafrika, sondern »nur« nach London
»Der älteste Teenager der Welt«
so nannte Hugh Masekela seinen Präsidenten anläßlich
einer offiziellen Feier zu dessen 80. Geburtstag am 18. Juli in der Londoner
Royal Festival Hall. »Er tanzt wie ein Youngster und hat sich mit Ende
70 noch mal verliebt.« Mandela, selbst nicht in London anwesend, heiratete
an seinem Geburtstag Graca Marchel, die Witwe des ersten mosambikanischen
Präsidenten.
Der Londoner Festakt, veranstaltet vom südafrikanischen Hochkommissariat,
der Action for Southern Africa (der Nachfolgeorganisation der britischen
Anti-Apartheid-Bewegung) und einer Musikagentur, begann um 15.00 Uhr mit
Township Jazz von Brian Abrahama mit den britischen Gastmusikern Annie Whiteheart
und Andy Shannard. Vor dem Auftritt des a-capella-Ensembles Amabutho zelebrierte
der Johannesburger Multiinstrumentalist Pops Mohammed mit seinen traditionellen
Instrumenten aus verschiedenen Weltregionen eine transkulturelle
Klangsynthese.
Von Andy Glandt
Vom 22. bis 24. Mai 1998 fand in Lichtenvoorde die »European World of Bluegrass« statt. 38 Bands aus elf europäischen Ländern und den USA trafen sich zu einem in Europa noch nie dagewesenen Bluegrass-Treffen. Darunter mit den Duke Mountain Ramblers und der Fox Tower Bluegrass Band auch zwei deutsche Gruppen. Neben den Musikern waren Veranstalter, Instrumentenhersteller, Journalisten und natürlich Bluegrassfans gekommen, um die europäische Bluegrass-Szene enger zusammenzuführen. Auch Vertreter der International Bluegrass Music Association (IBMA) aus den USA, dem Bluegrass-«Mutterland«, waren anwesend. U.a. Dick Kimmel, Vorsitzender des Internationalen Komitees der IBMA, und die Herausgeber der Zeitschrift »Bluegrass Unlimited«, Pete und Kitsy Kuykendall.
Von Ulli Bögershausen
Totgesagte leben länger. Dieses Motto gilt zweifellos auch für die Gitarrenszene, insonderheit für die des »Fingerstyle«. Daß die momentan zu verzeichnende Wiederbelebung der internationalen Pickinggemeinde ganz entscheidende Impulse aus Deutschland bezieht, ist in hohem Maße das Verdienst des Osnabrücker Gitarristen Peter Finger, den die meisten nicht nur als hervorragenden Musiker sondern auch als nimmermüden Produzenten, Labelchef und Verleger kennen.
Vom 22.-24. Mai präsentierte sich Peter Finger in einer weiteren Rolle, der des Veranstalters eines der größten Gitarrenfestivals der letzten Jahre, dem »Open Strings Festival« in Osnabrück.
(13.-18.7.98)
Susanne Brenner/Gerd Heger
Seit 14 Jahren feiert La Rochelle im Juli die Francofolies, das wichtigste französische Chanson-Festival. Über 100 Künstler aus französischsprachigen Ländern, von Senegal über Belgien bis Kanada, gastieren hier. Eine einzigartige Atmosphäre und gefühlsgeladene Konzert-Feste waren bisher das Markenzeichen. Aber diesmal war die Stimmung gedrückt und das lag nicht nur am Wetter.
Kurz vor Mitternacht wird ein Star geboren. Ganz alleine steht die blonde kanadische Sängerin Sylvie Paquette vor tausenden von Menschen. Ihrer Gitarre bleibt vor Schreck erst mal der Ton weg, sie selbst verhaspelt sich bei einem Lied. Aber die Quebequer Rockmusikerin hat das gewisse Etwas. Das Publikum verzeiht und jubelt ihr zu. Sylvie Paquette hat Glück. Ihr Abend ist einer jener Abende, die das Chansonfestival an der Atlantikküste so berühmt gemacht haben, so unwiderstehlich. Das herrliche Freilichtgelände am alten Hafen, eingebettet zwischen Meer und alte Befestigungstürme, ist rappelvoll. Die überwiegend jungen Leute sind gutgelaunt. Es ist das am besten besuchte Konzert dieses Festivals. 12.000 Menschen sind gekommen, keinWunder. Headliner des Abends sind Louise Attaque, Hitparadenstürmer, über 1 Million verkaufte Alben. Und das mit einer Musik, die hierzulande kaum kleine Hallen füllt. »Nouvelle chanson réaliste« nennt sich das, was Gruppen wie Les Têtes raides, La Tordue, Louise Attaque oder auch die Mädel-Gruppe Les Elles an diesem Abend zeigen. Musik, die mal kunstvoll daherkommt, mal ein bisschen so klingt, als würden Punker eine rasend schnelle Polka tanzen. Geigen, Akkordeon, Kontrabass, Blech-Bläser: das gesamte Instrumentarium der Volksmusik wird eingesetzt. Und es klingt modernst, schnell, schräg, schrill und laut. Dazu kommen Texte, die ganz »réalistes« sind, also die Welt mit all ihren Fehlern beschreiben es aber nicht dabei belassen. Sie dichten gegen jede Art von Kälte und Krieg, gegen rechts und für die Rechte der Menschen aller Hautfarben. Mit der Betroffenheitslyrik deutscher Birkenstockschuh-Bewahrer hat das allerdings nichts zu tun. Dazu ist das Ganze viel zu poetisch und oft auch einfach spassig: ein toller Abend.
von Jay Rutledge
»Heute ist man gewohnt, in Plattenläden zu gehen und jede Art von Musik zu finden, Blues, Jazz, Country oder Folk. Man denkt, das war schon immer so. Doch damals in den 50ern und 60ern waren diese Szenen streng getrennt. Die meisten Studenten können sich nicht vorstellen, daß die Spirituals, die Joan Baez damals sang, für viele die erste Begegnung mit Spirituals überhaupt war. Ich habe dieses Seminar schon einmal in den 80er Jahren gegeben. Damals war das einfacher. Die Studenten kannten noch Peter, Paul and Mary, das Kingston Trio oder die Weavers. Man kann gar nicht genug Respekt vor den Leuten haben, die damals diese Gräben zu überwinden halfen«, erzählt Berndt Ostendorf.
Ausführliche Berichte gibt's im Folker! 5/98