back Orchestre National de Barbès

Von Karen Pfundt

Orchestre National de BarbèsSchon wenn die Rasselbande auf die Bühne zieht, ist klar: dies hier ist nicht irgend eine im Studiokeller ausgedachte Formation. Die französisch-maghrebinischen Musiker vom »Orchestre National de Barbès« haben den »esprit de fête«, der jedes ihrer Konzerte zu einer fröhlichen Reise durch tausendundeinen Stil macht. Karen Pfundt ist – nicht nur beim Tanz- und Folkfest in Rudolstadt – mitgegangen.

Das erste Mal habe ich das Orchestre National de Barbès – kurz ONB – vor drei Jahren in einem stilvollen alten Spiegelzelt in der französischen Festivalstadt Bourges gesehen. Da wurde, jeweils passend zur Musik, ein komplettes Menu an kleinen Tischchen gereicht – in diesem Falle Taboulé, Couscous und anschließend die herrlich fettriefenden Süßigkeiten, begleitet von einem Minztee. Eigentlich ein teurer Spaß für ein zahlungskräftiges und damit auch eher gesetzteres Publikum der französischen Mittelklasse. Doch das Wunder geschah: Die Musiker spielten ihre Melange aus allen möglichen nordafrikanischen und sonstigen Stilen derart mitreißend, daß es Madame Dupont nebst Ehemann nicht auf den Stühlen und am Teller hielt – und etwa in der Mitte des zweiten Ganges hatte sich das festliche Mahl in eine wilde Tanzparty verwandelt, bei der die angefutterten Pfunde sofort in orientalisierende Bauchtanzbewegungen umgesetzt wurden. Zum Glück gab es zwischendurch auch mal sanftere Balladen, sonst wäre das Couscous vollends kalt geworden. Dieses Konzert beim wichtigsten französischen Musikfestival war ein wichtiger Schritt in der Erfolgsgeschichte des Orchestre National de Barbès, das heute größte Säle in Ekstase versetzt. Verfolgen wir diese Geschichte noch ein Stückchen weiter zurück.

Orchestre National de BarbèsBarbès ist ein Stück Nordafrika mitten in Paris, am Fuße des Zuckergußmonstrums Sacré Coeur, nahe der Metrostation Barbès-Rochechouart, wo auch Tati sein größtes Billigkaufhaus betreibt. In den kleinen Seitengassen des großen Boulevard findet man arabische Boutiquen mit Raubkopien von Kassetten, Couscous-Restaurants, verräucherte Kneipen, in denen Dominosteine auf dem Tisch klicken, während die Fernseher mit Satellitenschüsseln orientalische Musik verbreiten. Barbès ist für Paris, was Brixton für London und Kreuzberg für Berlin ist – je nach Betrachtungsweise ein Schmelztiegel oder ein Ghetto. Für viele Einwanderer vom afrikanischen Kontinent ist Barbès schlicht »le bled«, das Dorf – die Heimat. »Barbès ist größer als Paris, es ist bekannt in Algerien, in Marokko, in Mali und im Senegal. Es ist eine Welt. Es ist der Mikrokosmos im Makrokosmos«, so Kamel Tenfiche vom ONB.

Aktuelle CD:

Orchestre National de Barbès:

»En concert« (Virgin 7243 8 44009 2)

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