back Die besondere CD

Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder drei CDs, die aus der Masse herausragen:

Irland/Kanada LEAHY --> Leahy
USA DAROL ANGER --> Heritage
Afrika MARYAM MURSAL --> The Journey


Die Besondere – Irland/Kanada

LEAHY

Leahy

(Virgin CD 842955)
10 Tracks, 44:24

Es gibt musikalische Großfamilien, deren Konzerte zu besuchen ich mich nicht scheuen würde. Eine davon sind die Leahys aus Lakefield Kanada. Die vier Herren und fünf Damen im Alter zwischen 18 und 32 spielen wohl ebenfalls eine musikalische Mischung, die man als Folk-Pop bezeichnen könnte und sind kommerziell sehr erfolgreich, jedoch ist auch die Schublade Folk-Pop sehr groß und musikalisch besteht nicht der Ansatz eines Vergleiches der einen mit der anderen Großfamilie. Zwar sollen die Leahys sogar beim Musikantenstadl aufgetreten sein, dennoch wage ich, ihre Debüt-CD als "Besondere" herauszustellen. Zunächst die Fakten: LeahyDie Familie kam vor fünf Generationen aus Irland nach Kanada, bewirtschaftet nach wie vor im rauhen Klima einen Bauernhof und hat natürlich(!) auch musikalische Traditionen: Vater Leahy hatte 25 Jahre lang eine Fiddleband, und Mutter Leahy war Meisterin im Steptanz, nicht dem irischen allerdings. Vielmehr studierten die Leahys allesamt die franco-kanadische Form des Steptanzes, die ihre Wurzeln in den Holzfällercamps hat. Noch etwas lernten alle Leahys von Kindesbeinen an, nämlich Fiddle spielen. Zu besonderer Meisterschaft hat es dabei allerdings Bruder Donnell gebracht, der mit vier Jahren schon an Wettbewerben teilnahm (stets mit Erfolg, wie vermutet werden kann). Mit seinem Bruder Erin zusammen spielte er dann in Clubs und traditionellen Dance Halls auf, als beide keine Lust mehr hatten, irgendwelche Wettbewerbe zu gewinnen. Immer mehr der Geschwister gesellten sich im Laufe der Zeit dazu, und immer öfter war die "big group" für Konzerte gefragt. Kein Wunder, wenn man die Scheibe hört: Die Leahys spielen eine dynamische, elektrisierende Bastardmusik aus irischen und cape-bretonischen Tunes, Zigeunermusik, Bluegrass, Jazz und Klassik. Donnells Fiddle steht berechtigterweise im Vordergrund und wird unterstützt von Klavier, Gitarre, Mandoline, Baß und Drums. Ja sicher, das alles ist der pure Kommerz, weil äußerst mitreißend, technisch perfekt und publikumswirksam aufbereitet (man stelle sich erst noch den gemeinschaftlichen Steptanz vor!). Was aber, wenn die Leahys auch noch Spaß am gemeinschaftlichen Musizieren hätten und zufällig einfach gern eine Musik spielten, die nicht nur den intimsten Kennern irischer Feldaufnahmen gefällt (dem vielleicht überhaupt nicht!), sondern die in Kanada sogar kurz vor der Platinisierung steht und das bei einem reinen Instrumentalalbum (obwohl die Leahys
live auch Songs im Gepäck führen)! Sie sind einfach gut und Donnell Leahy ist einer der besten und vielseitigsten Fiddler, man sollte wohl besser sagen: Violinisten, die ich je gehört habe, und das waren nicht wenige. Sollten die Leahys bei Erscheinen dieses Folker! noch irgendwo in Germany zugange sein -
hingehen!

Kerstin Braun


Die Besondere – USA

DAROL ANGER

Heritage

(Six Degrees PMS 314 524 434 2)
14 Tracks; 72:44, mit Texten und Infos

Man kennt Darol Anger vor allem als Bluegrass- und Newgrass-Violinisten. Die vergangenen elf Jahre war er Mitglied des Turtle Island String Quartetts. Mit "Heritage" hat der Musiker aus Kalifornien jetzt sein erstes "Nach-TlSQ-Album" vorgelegt. Dabei hat er die bislang übliche Begleitung durch Violine, Viola und Cello eingetauscht gegen das Zusammenspiel mit einigen der anerkanntesten Instrumentalisten und Sängern der Folkrock-Bluegrass- und New-Acoustic-Szene. Das Album ist eine Reise in die Vergangenheit der amerikanischen Musiktradition. Ausgangspunkt ist auf dem Weg nach Westen das Shenandoah-Tal in Virginia. Darol AngerDer entsprechende Song wird einfühlsam interpretiert von der Kanadierin Jane Siberry. Alle Titel tragen die Handschrift von Darol Anger, der die 14 Traditionals arrangiert hat. Doch die besondere Note erhält jeder einzelne Song und jedes Instrumental durch die Qualität der Mitspieler, die der Kalifornier für sein anspruchvolles Projekt gewinnen konnte. Ob es der Gesang von John Gorka und Dar Williams in dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Liebeslied "Are You Tired Of Me, My Darling?", die Stimme von Mary-Chapin Carpenter in der alten englischen Broadside-Ballade "Pretty Polly", Willie Nelson bei der Interpretation von Stephen Fosters " Hard Times Come Again No More", Mavis Staples hingebungsvolle Fassung des aus der afro-amerikanischen Tradition stammenden "Anti-Spirituals" "Oh Death", Darol Angers Duett mit Michael Doucet in einer Cajun-Ballade aus der Zeit Napleons oder das Liebeslied aller Zeiten, "The Water Is Wide", ist, gesungen von Tim O' Brian. Jedes Stück ist ein Juwel für sich. Und die beteiligten Instrumentalisten, u.a. Jerry Douglas (Dobro); Mike Marshall (u.a. Gitarre), David Grier (Gitarre), Edgar Meyer (Baß), David Grisman (u.a. Mandoline), Barbara Higbie (u.a. Piano), Bela fleck (Banjo), Russ Barenberg (Gitarre), Todd Phillips (Baß), Sam Bush (Mandoline), John Hartford (Banjo) und Vassar Clements (Fiddle); stehen in keiner Weise zurück. Mit "Heritage" hat sich Darol Anger einen lang gehegten
Wunsch erfüllt. "Wenn man in einer Band wie Turtle Island spielt, muß man auf die Bedürfnisse aller Mitglieder Rücksicht nehmen", sagt er. Auf seinem "Solo"-Album konnte er endlich seinen eigenen Vorstellungen nachgehen. Wertung: "Thumbs up", würde der Amerikaner sagen.

Michael Kleff


Die Besondere – Afrika

MARYAM MURSAL

The Journey

(RealWorld/Virgin 8452362)
8 Tracks; 53:07 mit Infos

Peter Gabriel hat in puncto "Talente entdecken" mal wieder ein glückliches Händchen gehabt.1997 war auf RealWorid bereits das Album "New Dawn" der somalischen Band Waaberi erschienen, mit Maryam Mursal als Sängerin. Und daß diese Künstlerin das Zeug für eine internationale Karriere á la Angélique Kidjo oder Oumou Sangare hat, dürfte dieses Solowerk nachdrücklich unter Beweis stellen. Dabei ist Maryam Mursal in ihrer Heimat längst keine Unbekannte, gilt vielmehr als "die Stimme Somalias". Bereits 1966 hatte sie als Teenie in den Clubs von Mogadischu zu singen begonnen. The JourneyUnd schon damals versuchte sie - einerseits zu
Hause mit traditioneller somalischer Musik aufgewachsen, andererseits begeistert von Rock'n'Roll, Rhythm & Blues und Jazz - diese unterschiedlichen Stile zu vereinigen. Die politischen Verhältnisse in Somalia zwangen Maryam Mursal letztlich, ihr Land zu verlassen. Der dänische Photograph und Musiker Soren Kjaer Jensen hatte sie 1986 kennengelernt und "lotste" die Mutter von fünf Kindern schiießlich auf abenteuerlichen Wegen in das skandinavische Exil. Auf dem WOMAD-Festival '97 in Reading geriet das Publikum ob ihrer großartigen Stimme und Ausstrahlung ins Schwärmen. Und mit "The Journey" müßte dies Maryam Mursal - trotz der fehlenden Live-Atmosphäre - auch bei einer neugierigen CD-Hörerschaft gelingen. Das musikalische Fundament ist zwar eindeutig traditionell bzw. von der islamisch-geprägten somalischen Volksmusik inspiriert, die Arrangements sind jedoch absolut zeitgemäß, ohne gewollt "trendy" zu wirken. Ihre Band besteht ausnahmslos aus dänischen (Rock-) Musikern, spezifische Akzente setzen ihre Ex-Kollegen von Waaberi (darunter Oud-Spieler Salah Qasim) sowie dänische Sessionleute mit Akkordeon und Violine. Vieles klingt spannend neu und ungewohnt, die Melodieführung erinnert bisweilen an Raï oder ägyptisch-nubische Popmusik. Lieder wie "Lei Lei" gehen schnell ins Ohr, und bei dem über 11minütigen "Hamar" kommt selbst ein Drum & Baß-Fan auf seine Kosten. "The Journey" gehört zweifelsohne zu den neuen Meilensteinen des Afro-Pop.

Roland Schmitt


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