Dudelsack statt Geschichtsunterricht und Seifenopern auf Gälisch
Von Michael & Christian Moll
Anna Murray ist einer
der neuen, jungen Stars der schottisch-gälischen Folkmusikszene;
außerdem ist sie im gälischen Schottland gut bekannt als
Schauspielerin einer beliebten Seifenoper. |
Anna kommt von den Äußeren Hebriden im Nordwesten Schottlands, genauer gesagt von der Isle of Lewis. "Ich stamme aus einem Dorf namens Baig an der Ostküste der Insel, und wir leben direkt am Meer. Traditionell basierte das Leben dort auf Fischerei und Weberei, Schafe hüten und Gemüse anbauen und solchen Dingen. Ja, das waren die Haupterwerbsmöglichkeiten. Heutzutage ist es in der Stadt Stornoway sehr geschäftig mit vielen unterschiedlichen Jobs. Aber die Arbeitslosigkeit auf den Western Isles ist sehr hoch, ich glaube, es ist die höchste in ganz Großbritannien." Aber kommen wir zu einem erfreulicheren Thema, zur Musik. "In der Dorfgemeinschaft spielt die Musik eine sehr große Rolle, ich glaube, fast alle Leute hier singen - wenn auch nicht unbedingt auf der Bühne, sie singen oft nur zu Hause oder auf Ceilidhs." Anna ist mit der gälischen Sprache aufgewachsen, ihre ganze Familie spricht Gälisch, es ist ihre Muttersprache. Erst als sie zur Schule ging, mußte sie schnell Englisch lernen, denn das war die Hauptunterrichtssprache. Und es waren die Geschichtsstunden in der Schule in Lewis, die sie zum Dudelsackspielen gebracht haben. "Ich habe angefangen, als ich acht oder neun Jahre alt war. Wenn Du anfängst, auf dem Chanter (die Dudelsackpfeife, die zum Lernen des Dudelsackspielens benutzt wird; Anm. d. Autoren) zu spielen, brauchst Du Geschichte nicht mehr - Du mußt dann nicht mehr zum Geschichtsunterricht gehen! Deswegen fing ich also auf dem Dudelsack an, aber ich stellte bald fest, daß ich es liebte. Wir haben hier in Schottland Musikwettbewerbe, die Mods. Etwa zur selben Zeit fng ich auch an, dafür gälische Lieder zu lernen. Und seitdem habe ich immer Musik gemacht und gesungen."
- Out of the Blue |
Hauptberuflich ist Anna heute Schauspielerin - auch das hauptsächlich in ihrer Muttersprache. Sie spielt in der sehr beliebten gälischen Seifenoper "Machair" eine Hauptrolle - Machair bedeutet soviel wie sandiges, grasiges Land an der See. "Und ich präsentiere Kinderfernsehprogramme, ich bringe den Kindern bei, in Gälisch die Zeit zu lesen - alles in Gälisch: in Gälisch zählen, schreiben und so weiter - es macht wirklich viel Spaß. Die Sendung soll Kinder zwischen drei und fünf ansprechen." Das Programm wird in ganz Schottland gesehen; vor kurzem wurde es sogar nach Irland verkauft. Interessant an der Sache ist, daß die schottischen Zuschauer nicht so sehr auf den gälischsprachigen Inseln leben. "Es gibt heute mehr Gälischsprecher in Glasgow als auf den Inseln," erklärt Anna, "es ist nur, daß Du auf den Inseln das Gälische eher bemerkst, weil die Gemeinschaft kleiner ist. Aber die Mehrheit der Leute, die diese Programme sehen, wohnen im Central Belt, in der Gegend um Glasgow." Anna ist ebenfalls nach Glasgow gezogen, und es ist auch für sie erstaunlich, daß fast alle, mit denen sie zur Schule ging, nun um die Ecke in Glasgow wohnen.
Mehr über Anna Murray im Folker! 3/98