backMáire Ní Chathasaigh & Chris Newman

Keltenfolk und Zigeunerswing

von Kerstin Braun

An einem klirrend kalten Januartag im Jahr `97 braucht es eine Weile, ehe sich mir die Tore zum Dresdener Studentenclub Bärenzwinger öffnen. Im Gewölbe sind Harfe und Gitarre hochkonzentriert beim Soundcheck, danach Iädt Máire Ní Chathasaigh mich in die Garderobe ein und die beiden Meister der Kunst verwandeln sich unversehens in einen sympatischen Herrn, dem man wegen des jungenhaften Schalks sein richtiges Alter nicht abnehmen mag, und eine charmante Dame, die selbst die unerschütterlichsten Standpunkte noch mit einem strahlenden Lächeln herüberbringt. Im Nachhinein sind diese Standpunkte denn auch gar nicht so unerschütterlich, wenn auch Máire sicherlich gegen den Titel des Porträts protestieren würde:

Was heißt hier KeItenfolk! Und mit perlendem Gelächter an Chris gewandt: Oder was meinst du? Und er würde vielIeicht sagen: Och, ich find's eigentIich nicht schlecht. Auch wenn ich kein Zigeuner bin.

Nein, wahrlich nicht, auch wenn man ihn dafür halten könnte. Er stammt aus Südengland, wo er auch aufwuchs. Als sein zehn Jahre älterer Bruder zu Weihnachten eine Gitarre bekam, wollte Chris auch unbedingt eine Gitarre haben. Den Eltern sei Dank, daß er tatsächlich eine bekam, obwohl er damals erst etwa 4 Jahre alt war. Als Kind einer künstlerisch interessierten Familie prägte ihn zunächst die klassische Musik, die seine Eltern fast den ganzen Tag hörten und in der er selbst sich auch bald sehr gut auskannte, obwohl er nie klassischen Unterricht hatte. Später, als Teenager, bewunderte er natürlich die Beatles grenzenlos. Das tut er heute noch, denn seiner Meinung nach waren sie einfach Spitze.

Máire Ní Chathasaigh & Chris NewmanFast möchte man ihn als eine Art musikalisches Wunderkind betrachten, denn mit 14 hatte er seinen ersten bezahlten Gig in einem Folkclub. Was gar nicht so einfach war, denn damals herrschte in good old England noch Ordnung! "Es ging in englischen Pubs viel strenger zu als heute," meint Chris dazu, "und es war für Jugendliche unter 18 absolut verboten, ein Pub zu betreten, aber 99% der Folkclubs trafen sich in Pubs! Also blieb ich da zunächst außen vor. Aber so etwa mit 15 Jahren konnte ich mich als älter ausgeben, und damals fing ich an, die Folkclubs zu besuchen. Ich spielte in Folkclubs und mischte ein wenig in der Szene mit; so war das später auch mit Jazz, aber das war nur so für etwa drei bis vier Jahre, als ich um die 20 war." An dieser Stelle verschweigt Chris in aller Bescheidenheit seine Zusammenarbeit mit einem der ganz Großen im Jazz, auf den wir zum Ende des Porträts noch zu sprechen kommen werden. Er verschweigt ebenfalls, daß er es zu einigem Erfolg in der kommerziellen Musikszene brachte, zum Beispiel zu einer Silbernen Schallplatte als Produzent von "The Oldest Swinger In Town", den er im übrigen auch komponiert hatte. Er war dann eine Weile musikalischer Direktor für einige Fernseh- und Radiosendungen, aber davon erzählt er nichts; das kann man in Biographien nachlesen. Die Prioritäten haben sich heute verschoben - verschoben sich wohl schon damals so lange, bis er auch diese Szene verließ.

Discographie

The Living Wood, 1988 (Grren Linnet)
Out of Court, 1991 (Green Linnet)
The Carolan Album Vol. 1, 1991 (Old Bridge Music OBM02 - MC)
The Carolan Album Vol. 2 (OBM05)
The Carolan Albums (OBMCD06)
Live in the Highlands (OBMCD08)
Máire Ní Chathasaigh:
The New Strung Harp, 1985 (Temple CTP019)

Chris: Ich arbeitete mit allen möglichen Leuten zusammen. Zum Beispiel mit einem in England sehr bekannten Kabarettisten - mit ihm und der Band arbeitete ich etwa sieben Jahre lang, und das hatte natürlich nicht das Geringste mit Folkmusik zu tun. Vor etwa 10 Jahren traf ich dann Máire. Ich hatte mich schon lange für irische und schottische Musik interessiert, aber nie die Gelegenheit gehabt, diese Musik auch zu spielen. Die gemeinsame Arbeit mit Máire war natürlich eine ideale Gelegenheit für mich, mehr darüber zu erfahren.

Máire: Wir trafen uns auf einem Festival in Spanien. Ich spielte solo, und Chris war mit jemand anderem da. Aber dort spielten wir noch nicht als Duo - wir fingen damit erst ein paar Jahre später an, nämlich 1987 auf dem Cambridge Folk Festival in England. Das war unser erster Gig zusammen, fast zehn Jahre ist das jetzt her! Danach brachten wir 1988 unser erstes Album heraus und gingen im selben Jahr auch auf Tournee.


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