backDie Karriere begann im Lokalblatt
U R A N S A T Z :  B A Y E R I S C H !

HUNDSBUAM

»DES SPUIST HOIT!«

von Matti Goldschmidt

Es war nicht einfach, an diesem eigentlich untypischen, da viel zu warmen Januarabend die Hundsbuam zu finden. Seit über einem Jahr treffen sie sich allwöchentlich - soweit sie nicht auf Tournee sind - in ihrem festen Übungsraum im "Kunstpark Ost", dem neuesten Kult(ur)treff der Münchner Szene mit Kinos, Nachtclubs, Photostudios und anderen Yuppie-Einrichtungen auf dem ehemaligen, für den Neuankömmling absolut unübersichtlichen Firmengelände der Pfanni-Werke. Ohne viel Worte - der Berichterstatter findet kaum Beachtung - beginnen die fünf Musiker zu improvisieren, geraten in den Takt eines sogenannten Zwiefachen, die Vokalisten wechseln sich spontan ab - und schon ist die Idee zu einem neuen Stück im weiten Repertoire dieser echt bajuwarischen Band entstanden...

HundsbuamLängst ist diese Art von Musik nicht mehr neu, und man könnte Dutzende von Namen nennen, die sich aus verrauchten Alternativkneipen längst in volle Konzertsäle hineingespielt haben, wie etwa Georg Ringsgwandl, die Biermösl Blosn, Jürgen Buchners Haindling, das Duo Attwenger, die Broadlahn u. a. Diese auf dem Weg zum Populären befindliche neue Musikrichtung, die man auf neudeutsch ruhig new-alpine-wave nennen könnte, basiert auf traditioneller Musik aus dem Alpenraum, vermischt mit modernen Einflüssen der Popmusik und zeitkritischen Texten. Authentizitätsprobleme ergeben sich allerdings dann, wenn man von Kritikern als unecht oder unseriös hingestellt wird, bloß weil man einfach erfolgreich ist!

HUNDSBUAM

Hui

(BMG Lawine 74321 47599 2)
13 Tracks; 57:39, mit Texten bayrisch/engl.

"Tsching - tscheng - hoibe drei - / Millimadl, Bauern-lackl / Quetschn, Blosn., Bombardon, / Landler Polka, Kikriki... " und auf gehts zum 2. AIbum der bajuwarischen Pogo-Volx-rocker. Aber das 2. Album ist ja bekanntlich immer das schwerste, und gegenüber dem 1996er Debütalbum geht es eher schürzenjägerisch und alpinkatzenschnurrig los, was man allein schon am braven Outfit der Hundsbuam erkennen kann, die die abgerissenen Räuberklamotten und schwarzgefärbten Gesichter des 96er Promofotos gegen muttikompatibie (sic!) adrette weiße Hemderln und Krachlederne ausgetauscht haben.

HuiBaron Edinger (Schlagzeug, Schlagwerk, Geräusche, Chor), Eahmsei Emminenz (Tubas, E-Bass), der Fleischhauer Harry (Posaune, Euphonium, Saxofone, Basstrompete, Tenorhorn, Chor), Siegfried da Haglmo (Gesang, Diat. Knopfharmonikas, Geräusche) und da Streitbichi Michi (Gesang, Gitarren, Diat. Knopfharmonika) gehen auch musikalisch deutlich weniger ruppig zur Sache. Die E-Gitarre klingt meist brav und relativ unverzerrt, und die Melodien werden teilweise in endlos langen, sich kaum verändernden Wiederholschleifen boleromäßig aneinandergereiht, so daß es teils gar ziemlich nervt. Wieso werde ich insgesamt das Gefühl nicht los, daß ein cleverer Marketingstratege mitkomponiert hat und aus Versatzstücken alpiner Volksmusik, Rock, Hiphop, Rap etc. eine möglichst breitenwirksame und verkaufsfördernde Erfolgs-Weltmusikmixtur kreiert werden soll, deutlich handzahm und chartstauglich aufbereitet. Originell sind vielleicht zwei, drei Stücke, ansonsten - naja.

Die teils dadaistisch wirkenden Textcollagen in bayerischer Mundart liegen dem geneigten Hörer übrigens ausschließlich in englischer (!) Übersetzung aus der Feder des geschätzten Ken Hunt bei - man will ja schließlich auch im Ausland verstanden werden.

Ulrich Joosten

Bei den Hundsbuam hat alles vor rund fünf Jahren angefangen: Zu dritt begann man, in einem Waschkeller in Menzing, einem Münchener Stadtviertel im Nordwesten, die ersten Klänge gemeinsam einzuüben. Dazu aber müßte man vielleicht noch zwei weitere Jahre zurückgehen, denn letztlich entstammte alles einer Idee des E-Gitarristen, Bandleaders und -gründers Michi Streitbichl, ursprünglich aus Bayerisch Gmain, Raum Bad Reichenhall! Im Sommer 1991 besuchte er nämlich eine traditionell bäuerliche Hochzeit und war zum ersten Mal gefesselt von der Kraft, die er in der dort dargebotenen Tanzmusik erkannte - nach einer Rockmusikjugend nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Die Frage an einen der Musiker nach Noten, so die inzwischen zur Legende mutierte Geschichte, wurde mit einem verständnislosen "des spuist hoit!" (Das spielt man einfach) abgetan... Im Herbst 1992 besuchte Michi mehr oder weniger zufällig in München ein Konzert des oberösterreichischen Duos Attwenger (Schlagzeug, Akkordeon), das so schräg und vehement aufspielte, daß sich Michi animiert fühlte, im Selbststudium das Akkordeon zu erlernen, allerdings immer mit dem "des spuist hoit" im Hinterkopf.

HundsbuamWenn auch im Gegensatz zum Gehörten alles neu, eben anders sein sollte. In einem Amateurheimstudio stellte er einigen Freunden seine ersten 4-Spur-Tonaufnahmen vor Alle fanden diese Musik "echt geil"; Michi mußte nun einfach weitermachen. Er setzte eine Anzeige ins Lokalblatt "kurz & fündig ein echtes Forum für Musiker und als Geheimtip gehandelt für Kapitalschwache, da nichtgewerbliche Anzeigen dort kostenlos veröffentlicht werden. Offensichtlich war aber diese erste Anzeige falsch formuliert, denn es meldeten sich, so Michi wortwörtlich, "ausschließlich recht merkwürdige Menschen". Erst eine zweite Anzeige mit direktem Bezug auf das kurz zuvor im Rahmen von Tollwood abgehaltene "Schräg-Dahoam-Festival" (u.a. mit Broadlahn, Haindling, H.v. Goisern) hatte den gewünschten Erfolg. Es meldeten sich der Bassist Tim Chamerneger und kurz darauf der Schlagzeuger Baron Edinger, ein gebürtiger Hannoveraner, jedoch "in Bayern aufgewachsen" und in München als Student des Maschinenbaus hängengeblieben. Nach einer kurzen Hörkostprobe des "geilen" Demotapes entschloß man sich, zu dritt die musikalischen Ideen Michi Streitbichls auszubauen. Womit wir wieder im Menzinger Waschkeller angelangt wären!


Mehr über die Hundsbuam im Folker! 2/98