back"SCHOTTLANDS UNABHÄNGIGKEIT IST NICHT AUFZUHALTEN!"

DICK GAUGHAN über Politik und Folk

von Mike Kamp

Grundlegend Neues über den Künstler Dick Gaughan zu berichten wäre etwa so einfach wie Whisky nach Schottland zu importieren. Auch wenn es der eingefleischten Nicht-Trinker gerne abstreitet: Ein Musiker seines Status gehört in die Rubrik Legende. 1972 erschien seine erste (Solo-) LP mit dem Titel "No more forever" und es folgten Kollaborationen mit legendären Bands Dick Gaughanwie Boys of the Lough, Five Hand Reel oder kürzlich der Supergruppe Clan Alba. 1997 erschien nach langer Wartezeit auf dem renommierten Greentrax-Label seine aktuelle CD "Sail on", denn in erster Linie ist Dick Gaughan Solist und zwar mit einer Gesangs- und Gitarrentechnik, die unzählige Bewunderer und Nachahmer fand. Und eines ist Dick Gaughan ebenfalls: ein politisch denkender und handelnder Mensch, der die Wechselwirkung zwischen Künstler und Gesellschaft begriffen hat. Genau die richtige Person, mit der man sich über die momentane, aufregende Umbruchsituation in Schottland und ihre Auswirkungen auf Kunst und Folk unterhalten sollte. Genau das hat Mike Kamp getan.

Höflich und wohlerzogen wie ich nun einmal bin, versuchte ich, Dick Gaughan schonend beizubringen, daß ich weniger mit ihm über seine letzte CD oder die aktuelle Tournee sprechen wollte. "Ach, das ist doch eh langweilig", beruhigte er mich. Nein, was mich interessierte, war die ungewöhnliche politische Lage in Schottland und was jemand wie Dick Gaughan davon hält, der bekanntermaßen kein Blatt vor den Mund nimmt. In den 80er Jahren war er als bekennender KommunDick Gaughanist aktiv, z.B. während des großen Bergarbeiterstreiks. Ist er heute noch in irgendwelche Parteien oder Bewegungen eingebunden? "Nein, nicht wirklich aktiv. Das war während der industriellen Konflikte im letzten Jahrzehnt ganz anders. Da war ich sehr in der Gewerkschaft eingebunden, besonders während des Bergarbeiterstreiks '84/'85. Aber ich bin natürlich immer noch politisch ziemlich aktiv, was meine Musik betrifft. Diese politischen Inhalte bleiben weiterhin mein Anliegen."

Wir erinnern uns alle noch sehr gut an den erdrutschartigen Sieg der Labour Party im Frühjahr 1997. In Schottland entstand durch diese Wahl die ungewöhnliche Situation, daß sämtliche Abgeordnete entweder Labour (die meisten) oder Liberale und schottisch Nationale (einige) waren. Schottland als eine konservative Wüste, ein Zustand, der Dick den trockenen Kommentar entlockte: "Nun, das war wirklich sehr schön." Großartige Veränderungen der politischen und künstlerischen Zustände erwartet er jedoch nicht. "Die meisten von uns werden weiterhin das machen, was wir bislang getan haben. Die Labour Party hat die Positionen übernommen, die die Konservativen - auf dem Weg nach rechts geräumt haben. Erstmalig haben wir somit eine sozialdemokratische anstelle einer sozialistischen Partei. Das ist jetzt klar geworden, und damit geht man nun etwas ehrlicher um. Dadurch, daß Labour nicht mehr so tut als ob, ist natürlich Platz auf der linken Seite des politischen Spektrums entstanden, und der wird jetzt von der Scottish National Party (SNP) belegt. Diese neuen Positionierungen sind interessant."

Devolution, also die Dezentralisierung politischer Macht weg vom Zentrum Whitehall hin zu den Regionen Schottland und Wales, im föderalen Deutschland seit über 50 Jahren ein erprobtes System, löst in Großbritannien die unterschiedlichsten Befürchtungen aus, z.B. daß die Devolution erst der Anfang ist. Dick Gaughan sieht das ähnlich, wenngleich aus einer grundsätzlich anderen Perspektive als seine südlichen Nachbarn. "Ich denke, daß das schottische Parlament, was für das Jahr 2002 geplant ist, ein Versuch der Labour Party ist, die schottische Bewegung zu verwässern, weißt Du, sang- und klanglos umzuleiten. Aber ich glaube nicht, daß sich diese Bewegung umleiten läßt. Wie die meisten Leute in Schottland glaube ich, daß das Parlament, wenn es denn kommt, einfach nur ein erster Schritt in Richtung Unabhängigkeit sein wird. Das ist nicht aufzuhalten."


Mehr über Dick Gaughan im Folker! 01/98