von Roland Schmitt
Great Big Sea ist gemeinsam mit der Oyster Band in Deutschland unterwegs. Die Tour wird präsentiert von Folker!
Great Big Sea (1993), NRA Production (1995 bei Warner Music Canada wiederveröffentlicht) Up (1996), Warner Music Canada (1997 bei Cooking Vinyl) Play (1997), Warner Music Canada (höchstwahrscheinlich 1998 bei Cooking Vinyl) |
Ich hatte Glück! Einen Tag vor Beginn der dreiwöchigen Kanada-Tournee bekam ich Sänger und Saitenspezi Alan Doyle doch noch an die Strippe. Great Big Sea? In seiner kanadischen Heimat ist das Quartett der Pub- und Folkclubszene längst entwachsen, spielt inzwischen in großen Hallen und Stadien. Hierzulande sind die Vier aus Neufundland noch Nobodies, wenngleich sie Anfang Oktober 1997 für Del Amitri den gemeinhin undankbaren "support act" besorgen mußten. Doch wenn man Alan Doyle Glauben schenken darf, so wurde Great Big Sea bei den vier Gigs vom deutschen Publikum sehr wohlwollend aufgenommen: "Wir waren wirklich sehr angenehm überrascht. Es war ja unser erster Trip nach Deutschland, und die Leute gingen richtig mit; wir lehrten sie die Refrains und sie sangen gleich mit. Und sie zeigten sich sehr interessiert an unserer Musik, fragten uns nach den Konzerten richtig aus." Was ist das Besondere an Great Big Sea? Im Prinzip verfolgen die Vier ein ähnliches Konzept wie auch die Pogues, The Men They Couldn't Hang oder die Oyster Band: Sie verknüpfen traditionelle Musikformen ihrer Heimat mit Rockelementen. Wenn man das 1997 auch in Europa (bei Cooking Vinyl erschienene) zweite Album "Up" erstmalig hört, wird man vielleicht sagen: Ja, ganz nett und flott, aber weder sonderlich neu noch weltbewegend.
Spätestens beim zweiten Hören merkt man aber, daß Great Big Sea sehr wohl eine eigene "Handschrift" entwickelt hat. Die vier smarten Jungs verzichten bewußt auf die Bierseligkeit und bisweilen zur Schau gestellte rotzige Schnoddrigkeit britischer Kollegen, schließlich stecken sie auch (noch) sehr tief drin in der Volksmusiktradition Ostkanadas, der sie Respekt zollen, trotz ihres (erfolgreichen) Bemühens, diese zeitgemäß zu interpretieren.
"Wir stammen aus einer vergleichsweise noch sehr archaischen Gegend", bestätigt Alan.
"Bei uns ist es üblich, daß Eltern und Großeltern ihre Lieder an die Kinder und Enkel weitergeben."
"Unsere musikalische Prägung wurde in der Familie vollzogen." In der Tat brauchen die Vier ihre Inspirationen nicht aus irgendwelchen Archiven zu holen. Laut Alan ist die traditionelle Folkszene auf Neufundland sehr lebendig, sind die Lieder der Fischer und Seeleute noch allgegenwärtig. "Natürlich", gibt er zu, "fuhren wir als Jugendliche auch auf Rockmusik ab. Aber die einheimischen Folksongs ließen uns eben auch nicht los."
Gegründet wurde das Quartett 1991. Da kamen in dem südlich von St. John's gelegenen Fischerdörfchen Petty Harbour Alan Doyle, Sean McCann, Bob Hallett und Darell Power zusammen, um im weitesten Sinne so etwas wie Celtic Folk" zu kreieren. Ihre Vorfahren stammen von den britischen Inseln, folglich haben die Lieder und Tänze Neufundlands ihre Wurzeln eben von dort her. Ihr Instrumentarium ist bis heute eher akustisch orientiert, der wenn man so will Great Big Sea-Sound ist stark geprägt von Halletts Akkordeon- und Fiddlespiel und den vielfältigen Saitenklängen, die mit Mandolinen, Bouzoukis und Gitarren erzeugt werden. Den rhythmischen Teppich weben Powers Baß und McCanns Percussion. Er ist ein exzellenter Bodhranspieler. Zumindest auf den Platten verstärken sie sich gelegentlich durch Gasttrommler. Das Debütalbum erschien 1993 in eigener Regie auf einem Kleinlabel, und sein Titel(-song) gab auch dem Quartett den Namen.
Mehr über The Great Big Sea im Folker! 01/98