back Rezensionen EUROPA


AHILEA
Café Svetlana

(Essay Recordings AY CD 20/Indigo, www.indigo.de)
Promo-CD, 17 Tracks, 59:42

Anschnallen, diese Scheibe ist heiß! Sie wirft neues Licht auf die agile Balkan-Clubszene, die maßgeblich von Musikern und DJs wie Shantel aus Frankurt/Main begründet wurde. Er und sein Label zeichnen auch für die Veröffentlichung des Debüts des mazedonischen DJs und Produzenten DJ Ahilea verantwortlich. Das Album strotzt nur so vor frischen und einfallsreichen Balkangrooves, die zwanglos über die Grenzen schauen. Ahilea mixt traditionelle Klänge mit Jazz, Funk, Reggae, Electronics und Breakbeats bis hin zu urbanem Indie-Rock. Rembetiko, türkische oder mazedonische Motive, Romalieder, Klarinetten, schluchzende Geigen würzen die in die Beine gehenden Beats. Dabei hält Ahilea eine spannende Balance zwischen Tradition und Clubsounds. Zahlreiche Gastmusiker von Österreich, Mazedonien, Serbien bis hin nach Griechenland oder in die Ukraine haben ihn dabei unterstützt. Sein Geld verdiente der in Wien lebende DJ lange Zeit auf der anderen Seite der Regler, nämlich als Tontechniker für Bands wie die Wiener Tschuschenkapelle. Enttäuscht vom Sound der lokalen Balkanparties beschloss er mit Tontechniker Kollegen Zoran selbst Hand an die Plattenteller zu legen. Glücklicherweise.

Claudia Frenzel

 

AHILEA – Café Svetlana


CALAN
Bling

(Sain Records SCD2577, www.sainwales.com)
14 Tracks, 49:09

Das ist sie also, die große Hoffnung der walisischen Folkszene! Fünf Teenager, die auf dem Cover so schnodderig und cool rüberkommen, dass sich ihre Alterskollegen gewiss mit ihnen identifizieren können. Speziell die drei weiblichen Gruppenmitglieder könnten in irgendwelchen gecasteten Popbands spielen, wenn sie nicht so seltsame Instrumente wie Harfe oder Akkordeon zur Schau stellen würden. Und wenn man sich das Album anhört, dann ist das einfach schmissig und gekonnt gespielte traditionelle walisische Musik, zweimal auch mit Gesang. Neben den genannten Instrumenten werden noch Gitarre, Mandoline, Whistle, Pipes und Fiddle eingesetzt, letztere auch gern doppelt. Doch, doch, die können schon was und der jugendliche Schwung kommt auch gut rüber. Live haben sie mich musikalisch ebenfalls bereits überzeugt. Auf der Bühne geben sie sich allerdings nicht besonders cool, sondern einfach nur nett. Eigentlich ist das Album nach 11 Stücken zu Ende, aber die Plattenfirma hat drei Stücke noch mal ziemlich konventionell mit Bass und Drums abgemischt, wahrscheinlich mit Blick auf einen möglichen Radioeinsatz. Ein guter Start, die Zeit wird zeigen, ob Calan die Hoffnungen, zu denen sie Anlass geben, erfüllen können. Das Zeug dazu haben sie.

Mike Kamp

 

CALAN – Bling


LIZ CARROLL & JOHN DOYLE
Double Play

(Compass Records CD 7 4502 2/Sunny Moon Music Distribution, www.sunny-moon.com)
13 Tracks, 55:41, mit Infos

Eine neuerliche Tour de Force einer der musikalischen Traumpartnerschaften zwischen Irish Fiddle und Gitarre. Bei Liz Carroll hat man das Gefühl, dass ihr quasi alltäglich neue Melodien und Hooklines einfallen, so reichhaltig und vielfältig erweitert sich das Repertoire ihrer Kompositionen in kurzer Zeit, so dass auch diese Produktion mit Verve neue Tunes aus eigener Feder präsentiert. Dass Liz mit der Interpretation von Traditionals nicht minder überzeugen kann, zeigt sie einmal mehr bei „The Black Rogue“. Eine Meisterleistung in Arrangement und Paraphrasierung einer so einfachen, alten Melodie! John Doyle befleißigt sich zunehmend als Komponist von neotraditionellem Material, steuert einige eher selten gehörte Songs aus dem angloirischen Dunstkreis mit angenehmem Vocaltimbre bei, so die wunderschöne Ballade „A Pound A Week Rise“ des nordenglischen Songwriters Ed Pickford. Außerdem lässt John ein Feuerwerk an komplexen Grooves hören und streut auch in höchstem Tempo lässig seine solistischen Passagen ein – Gitarristen werden vor Neid erblassen. Ein reifes, rundes Werk, ein Muss vor allem für Liebhaber der Irish Fiddle und John Doyles einzigartiger Rhythmik.

Johannes Schiefner

 

LIZ CARROLL & JOHN DOYLE – Double Play


CARA DILLON
Hill Of Thieves

(Charcoal Records CHARCD 002/Rough Trade, www.roughtrade.de)
11 Tracks, 45:07, mit Infos und Texten

Anders als bei After The Morning zeigt sich Cara Dillon, eine der Perlen des nordirischen Gesangs, nunmehr von einer traditionelleren Seite. Die hier vertretenen Balladen und Songs sind durchweg reiner Folk, die Instrumentierung ein Stück weniger poppig. Wir hören feine, von Ehemann Sam Lakeman kompakt in Szene gesetzte Arrangements, die hochroutiniert Piano, akustische Gitarre, Kontrabass und Perkussion zu einem anspruchsvollen, aber gefälligen Klanggebäude zusammenfügen, über dem Dillons liebliche Stimme brillieren kann. Die Songauswahl hätte etwas innovativer sein können, handelt es sich doch in der Mehrzahl um vielfach gesungene und veröffentlichte Lieder aus der angloirischen Tradition. Dafür werden wir mit überraschenden Neuinterpretationen belohnt, die durchaus spannend sind, zum Beispiel einer interessanten Version des seinerzeit von der Copper Family popularisierten „Spencer The Rover“. Wohltuend reihen sich im Übrigen zahlreiche virtuose junge Gastmusiker ein, unter anderem James O’Grady (Uillleann Pipes), Zoë Conway (Fiddle), Brian Finnegan (Whistle) und James Fagan (Bouzouki). Und der Titeltrack zu Beginn des Albums ist in der Tat ein Knaller! Sehr hörenswert!

Johannes Schiefner

 

CARA DILLON – Hill Of Thieves


KAMIL ERDEM QUARTET
Odd Tango

(AK Müzik AK807-2/Lotz Of Music, www.lotzofmusic.com)
8 Tracks, 44:05, mit technischen Angaben

Kamil Erdem ist ein türkischer Bassist und Bandleader, der in der türkischen Musiklandschaft markante Akzente setzt. Bei uns muss man ihn leider noch vorstellen. Vor dreißig Jahren begann Kamil Erdem E-Bass zu spielen. Wenig später begleitete er Okay Temiz. Der erdrückenden Bekanntheit des türkischen Perkussionisten entkam er durch die Gründung des Quartetts Asia Minor, das die kompositorische Strenge der klassischen türkischen Musik mit Jazz vereinte. Nun debütiert das Kamil Erdem Quartet mit dem schottischen Perkussionisten Alan Purves, dem Berliner Flötisten Mark Alban Lotz und dem türkischen Oudspieler Fatih Ahiskali auf einem großartigen Album. Die Befreiung von den stilistischen Fesseln der türkischen Klassik wirkt sich wohltuend aus auf das Spiel der vier ausgezeichneten Solisten. Die Perkussion lässt dem Bandleader Raum für melodiöse Ausflüge und ein überraschend angenehmer Hauch von Pop- und Rockstilistiken verleiht dem Ganzen eine luftige Leichtigkeit. Kamil Erdem wirft kurze Zitate aus der türkischen Klassik und aus türkischen Tangotraditionen ein, Orientalismen kommen vom deutschen Flötisten. Erstaunlich ist der volle Klang angesichts von drei weitgehend solistisch gespielten Instrumenten.

Birger Gesthuisen

 

KAMIL ERDEM QUARTET – Odd Tango


MICK FITZGERALD
Damage Limitation

(Mogg Records MOGG2/Claddagh, www.claddaghrecords.com)
11 Tracks, 43:53, mit engl. Infos

„Ein unterschätzter Songwriter aus Dublin“ – so das korrekte Urteil über Mick Fitzgerald, das man neben Infos über seine Tätigkeit als Schauspieler oder in Bands wie den Wild Geese im Internet findet. Die Rezensentin, die das Schaffen des Mannes seit fast dreißig Jahren persönlich begleitet, hofft, dass sich das mit der Unterschätzung mit diesem Album ändert. Es ist Fitzgeralds erstes seit sechs Jahren, enthält nur selbstgeschriebene Lieder, der Künstler singt und spielt Gitarre, und auf dem Cover macht er ein sehr ernstes Gesicht. Manche der Lieder sind auch ernst, es geht um vertane Chancen in Liebe und Leben, aber auch seinem Hang, aktuelle Zustände satirisch aufs Korn zu nehmen, lässt Fitzgerald, etwa im sehr Dublinesischen „Is That Yourself That’s In It“, weiter freien Lauf. Auch Balladen im traditionellen Stil schreibt er weiterhin, hier „The Ballad Of Will Jonson“, der im bürgerlichen Leben nix wird und so sein Glück als Straßenräuber versucht, oder „Amid Ships“, das auf einem Gefangenenschiff nach Australien spielt. Unterstützt wird er von Hochkarätern wie Bridget Heffernan von den Fallen Angels (Backing Vocals) oder Joe Savino, ebenfalls Schauspieler, der Klavier spielt und bei „Will Jonson“ mitsingt.

Gabriele Haefs

 

MICK FITZGERALD – Damage Limitation


HEIDI HAPPY
Flowers, Birds And Home

(Little Jig LJ-118/Al!ve AG, www.alive-ag.de)
Promo-CD, 18 Tracks, 48:49

Nach dem vielgelobten Debüt Back Together hat Heidi Happy nun Flowers, Birds And Home nachgelegt. Das Songwriteralbum mit Jazzelementen und leichtem Souleinschlag hört sich durchdacht arrangiert an, ist aber kein Konzeptalbum. Priska Zemp, wie Heidi Happy im bürgerlichen Leben heißt, kommt aus der Schweiz, hat alle Stücke selbst komponiert und arrangiert sowie die Texte selbst geschrieben. Sogar das Huhn auf dem Cover stammt aus ihrer Feder. Sie präsentiert mit Flowers, Birds And Home eine bemerkenswerte musikalische Mischung aus gefühlvollen Melodien, jazzigen Brüchen und poppigen Elementen. Heidi Happys warm-rauchige Stimme zieht sich als roter Faden durch die 49 Minuten. Eine wichtige Rolle spielen außerdem – Zemp selbst hat einige Jahre Cellounterricht erhalten – Streicher und Bläser, die klassisch eingesetzt werden. Das Album beginnt beispielsweise mit einer zweiminütigen, nennen wir es: Ouvertüre. Auch wenn die Orchesterinstrumente als Klangteppich dienen, bleiben sie diesem Stil treu. Die Bausteine hat Heidi Happy handwerklich solide aufeinandergestapelt. Es ist dabei kein prunkvoller Palast entstanden, sondern ein einfaches aber sehr einladendes Wohnhaus mit offenen Türen.

Sarah Habegger

 

HEIDI HAPPY – Flowers, Birds And Home


THE MCCALMANS
Coming Home – Live

(Greeentrax Recordings CDTRAX 336/FMS, www.fenn-music.de)
14 Tracks, 54:15, mit engl. Texten

Schon gehört? Ende 2010 geht Ian McCalman in Rente. Nach dann 46 Jahren und bislang 27 Alben bedeutet das auch das freiwillige Ende einer schottischen Institution, und selbst die Plattenfirma ist sich unsicher, ob es sich bei dem vorliegenden Album nicht vielleicht schon um das Abschiedswerk des Trios handelt. Sollte es so sein, dann wäre es ein passender Schlusspunkt, weil es die Macs so zeigt, wie sie nach all den Jahrzehnten immer noch hundertprozentig zu überzeugen wissen: auf der Bühne – mit humorvollen, sentimentalen oder deutlich politischen Songs, den berühmten Dreierharmonien und launigen Ansagen. Oder wie Ian selber sagt: „Yes, I’m a bad person, but I’m having fun.“ Aufgenommen wurden die Songs in Schottland und Dänemark, seit Langem so etwas wie die zweite Heimat der Macs. Traditionelle Lieder sind die Ausnahme, Hauptschreiber ist mit fünf Nummern Ian himself, aber auch Nick Keir hat zwei Stücke beigetragen, und der Rest stammt von Meistern wie Shel Silverstein oder Stan Rogers. McCalmans-Fans kaufen das Album ungehört, zu Recht! Und wer die Macs noch nie gehört hat, dem bleibt eh nur noch die Abschiedstour im nächsten Jahr – oder eben diese CD.

Mike Kamp

 

THE MCCALMANS – Coming Home – Live


TONY MCMANUS
The Maker’s Mark

(Greentrax Recordings CDTRAX 331/FMS, www.fenn-music.de)
15 Tracks, 54:12, mit engl. Infos

Das ist doch der Traum fast jedes ernsthaften Fingerpickers: 15 Melodien hauptsächlich – aber beileibe nicht nur – aus dem keltischen Bereich gilt es einzuspielen, und ein enthusiastischer Gitarrenhändler stellt sicher, dass bei jedem Stück eine andere, der Natur der Melodie entsprechende Gitarre bereitsteht. Genau dieser Traum ist für den in Nordamerika lebenden Schotten Tony McManus in Erfüllung gegangen – mit 15 Instrumenten, die alle eines gemein haben: Sie stammen, von den besten – und teuersten – Gitarrenbauern der Welt. Wobei die Kriterien für die Auswahl wahrscheinlich streng subjektiv waren. Das Resultat der Bemühungen ist ein völlig individueller Klang – The Maker’s Mark – bei jedem der Stücke. Und wer schon einmal von Tony MacManus’ unglaublichen Fingerpicking-Fähigkeiten gehört hat, der kann sich vorstellen: Dieses Album ist ein Hammer! Für Gitarren- ebenso wie für Kelten-Freaks.

Mike Kamp

 

TONY MCMANUS – The Maker’s Mark


ANJA PRÆST MIKKELSEN
Hemmeligheden/The Secret

(GO’ Danish Folk Music GO1408, www.gofolk.dk)
16 Tracks, 48:05, Digipak, mit dän. und engl. Infos

Die (Bass-)Klarinettistin Anja Præst Mikkelsen von der Gruppe Phønix hat seit 1992 ihre Lieblingskompositionen für dieses erste Album unter eigenem Namen gesammelt. Alle sind verbunden mit kleinen Ereignissen aus ihrem persönlichen Umfeld. Eine hat sie dem Mitbegründer von Phønix (1990), Lars Folkmann, gewidmet, andere ihrem Sohn Anton und ihren Eltern. Zu der von ihr gespielten Klarinette begleiten sie abwechselnd viele exzellente Musiker der jungen dänischen Szene mit Akkordeon, Geige, Gitarre, Piano, Flügelhorn, Trompete, Posaune, Cello, Percussion, Bass und Gesang. Die kleinen ansprechenden Melodien wurden auf eine filigrane transparente Spielweise hin arrangiert. Die Bandbreite ist groß, einiges klingt jazzig, wie „Rundtom“, anderes feierlich, wie der langsame Marsch zur Konfirmation von Kusine Laura. Es ist keine Powermusik, auch wenn der Jubiläumshopsa für ihren Vater in rasendem Tempo gespielt wird. Man kann sich vorstellen, dass die Melodien in dieser Spielweise auch Kindern gefallen, was aber nicht heißt, dass es sich um Kinderlieder handelt. Man spürt die Seele von Anja Præst, die dieses Album mit ihrem Geheimnis verknüpft hat: „Was man tun will, kann man auch tun.“

Bernd Künzer

 

ANJA PRÆST MIKKELSEN – Hemmeligheden/The Secret


VAN MORRISON
Astral Weeks Live At The Hollywood Bowl

(Blue Note 50999 6 93423 2 5/EMI, www.emimusic.de)
10 Tracks, 71:23, mit engl. Texten und Infos

Die Standard-Hyperventilation des Großteils der auf Superlative geeichten Medienwelt ist unangemessen. Niemand braucht eine komplette Live-Neueinspielung eines legendären Rockalbums außer dem kleinen Kreis wehrloser Hardcorefans. Für die ist, was Van Morrison mit Band und Orchester an zwei Abenden vergangenen November in der Hollywood Bowl einspielte, natürlich eine schöne Sache. Variationen des Originals: ein verändertes Tracklisting, längere Versionen, Morrisons Stimme deutlich voller, gereifter als vierzig Jahre zuvor. Aber ergeben derlei Nebensächlichkeiten per se einen Mehrwert? Was ist mit dem Mangel an Stringenz, den ausimprovisierte Versionen perfekter Originale mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sich bringen – so auch hier, etwa in den exzessiven Scat-Einlagen des berüchtigten Iren, die den Originalen keineswegs zwangsläufig zu mehr Klasse verhelfen. Ein Rockalbum ist keine Sinfonie, geschweige denn Oper. Es ist für werktreue Wiederaufführungen nicht wirklich geeignet. Und deshalb wird diese Neueinspielung auch sehr schnell als das in die Geschichte eingehen, was sie ist: eine möglicherweise nette Fußnote im Werk eines Sängers von Weltrang für Leute, die alles haben müssen ...

Christian Beck

 

VAN MORRISON – Astral Weeks Live At The Hollywood Bowl


NO BLUES
Lumen

(Continental Record Services CRS/Continental Europe CECD 29/In-akustik, www.in-akustik.com)
11 Tracks + Hidden Track, ca. 45:00, mit engl. Infos

In kürzester Zeit haben sich No Blues in Holland ein äußerst gemütliches Plätzchen zwischen den musikalischen Kulturen geschaffen. Hauptträger des luxuriösen Diwans, den sie seit 2004 mit nun insgesamt drei Alben aufgepolstert haben, sind ein leichtfüßiger akustischer Americana-Kern und eine satte Lage arabischer Harmonien und Gesänge. Ein schwerblütiges Blues-Element und ein luftig durchlässiger Touch Arabica. Es verweben die beiden Traditionen gesanglich zu ihrer „100 % Pure Blend Arabicana“, wie sie das Ergebnis nennen: Bandleader Ad van Meurs, der einen prägnanten Schuss erdig-handfesten anglo-amerikanischen Folk/Blues beisteuert, und der aus Galiläa stammende Haytham Safia, der diesen um die guttural hallozinogene Luftgeistigkeit des arabischen Taqsim ergänzt. Dazu kommen mit Bassistin Anne-Maarten van Heuvelen und Dudukspielerin Raphaela Danksagmüller zwei Gastsängerinnen und ein kompletter Cast jeglichen nötigen Begleitinstrumentariums. Was sie hochinspiriert zusammen einspielten, ist erneut oft federleicht melodiös, immer ansteckend groovy, dazu auf mannigfaltig weitere Weise bunt, schillernd, aufregend, lebendig. Ein helles Licht im Dunkel des Clashs der Kulturen ...

Christian Beck

 

NO BLUES – Lumen


PAUL O’BRIEN
Sacred Lines

(Eigenverlag 54634/Encora, www.encora.de)
12 Tracks, 52:15, mit engl. Infos

Plastic

(Eigenverlag 54635/Encora, www.encora.de))
11 Tracks, 45:04, mit engl. Texten

Der in Irland geborene und in England aufgewachsene Paul O’Brien lebt seit einigen Jahren in der Provinz British Columbia in Kanada. Alle drei Kulturen haben in der Musik des Songwriters ihre Spuren hinterlassen. Und die verschiedenen Ausprägungen keltischer Klänge haften allen seinen Songs unüberhörbar an, selbst wenn O’Brien hier und da Ausflüge in Folkpopgefilde unternimmt. Seine Texte setzen sich mit historischen Ereignissen und Personen ebenso auseinander wie mit ganz persönlichen Dingen. „Sacred Lines“, der Titelsong seines ersten, in Kanada aufgenommenen Albums, handelt von auf längst vergangene Zeiten zurückgehenden Gefühlen wie Hoffnung und Stolz. In „Madrona“ geht es um die Legende, die kanadische Ureinwohner über den sogenannten Erdbeerbaum erzählen, der in der Gegend von O’Briens Haus auf Vancouver Island wächst. Im Titelsong von Plastic beschäftigt er sich mit der Identität eines Menschen mit zwei Staatsbürgerschaften. „For My Mary“ erzählt die Geschichte von Thomas Highgate aus Kent, der als erster britischer Soldat im Ersten Weltkrieg wegen Fahnenflucht erschossen wurde. Etwas für Freunde keltisch und von Texten geprägter Folkmusik.

Michael Kleff

 

PAUL O’BRIEN – Sacred Lines

PAUL O’BRIEN – Plastic


PICOTAGE
Je N’Irai Plus Aux Champs

(FolkClub Ethnosuoni ES 5376, www.folkclubethnosuoni.com)
12 Tracks, 54:55, mit franz. u. ital. Infos und Texten

Erinnert sich noch jemand an Bands wie La Bamboche oder Le Claque Galoche? Ich gestehe, ich hatte deren bisweilen „schwerblütige“, von Drehleier und Musette – „klassische“ französische Sackpfeife – geprägte Wiederbelebung der (zentral-)französischen Volksmusik doch irgendwie vermisst. In die Lücke stößt das Sextett um den Dudelsackspieler und Arrangeurs Gabriele Coltri. Die – womöglich italienische – Truppe ist bemerkenswerterweise vor allem in Italien angesagt! Den Leadgesang bestreiten Nadia Marolli und Marie Antonazzo, die bisweilen auch als Solosängerinnen auftreten. Sie verleihen Picotage – zu Deutsch: „Aufpicken“ – mit ihren kraftvollen Stimmen auf dem nunmehr vierten Album auch das gewisse Etwas. Neben den Drehleierspielern Marc Novara und Walter Rizzo (ex La Piva dal Canèr) setzt Organist Daniele Caldarini mit seiner Hammond noch typische Prog-Rock-Akzente. Nicht von ungefähr taucht unter den vorwiegend traditionellen Stücken – Hauptquelle das Liederbuch Chansons populaires du Nivernais et du Morvan – ein der „Canterbury Scene“ zuzurechnendes Instrumental von Richard Sinclair (ex Caravan) auf. Mag die Musik auch etwas antiquiert wirken, so geht sie doch richtig unter die Haut!

Roland Schmitt

 

PICOTAGE – Je N’Irai Plus Aux Champs


SMOKE
Routes

(Echo Beach/Indigo, www.indigo.de)
17 Tracks, 62:32, mit engl. Texten und Infos

Dass amtlicher Reggae aus Italien kommt, macht Sinn (siehe auch Kurzrezension zu Franziska). Schon seit Bob Marley zählen die Chaoten auf dem Apennin und nördlich davon zu den begeistertsten Rot-Gelb-Grünen weltweit. Alessandro Soresini, Gianluca Pelosi, Marco Zaghi und ihr südfrikanischer Sänger Séan Daniel Martin pflegen einen satten Roots Reggae, der sich betont an dessen großer Zeit in den Siebzigerjahren orientiert, dabei aber nicht die neuen Produktionsstandards ignoriert. Wenn es etwa in „Island“ erst langsam über ein Bluesintro zur Sache geht, der „Skankin’ Riddim“ dann kaum schwerer, ruhiger und hypnotischer sein könnte, dazu in süßestem Max-Romeo-Engelsgesang reinster Liebesschmalz geträllert wird und drei kleine Italiener im Hintergrund jubilieren – dann kommt dabei das Beste zusammen, was der Reggae in mittlerweile vier Jahrzehnten vorgelegt – und teils leider auch wieder weitgehend vergessen – hat: unwiderstehlich schwere Herzschlagrhythmen, eine umwerfende Popsensibiltät, die perfekte Mischung zwischen schweren Themen und total leichter Muse, alte Seele, neue Technik. Es ist hier nicht alles Gold, was die Zähne zeigt – aber diese Straßen führen nicht ins Nichts ...

Christian Beck

 

SMOKE – Routes


SUDEN AIKA
Armas

(Laika Records LAIKA 3510249.2, www.laika-records.com)
12 Tracks, 50:15, mit finn und engl. Texten

Suden Aika sind vier finnische Sängerinnen, die seit fünf Jahren zusammen singen. Alle verfügen über reichlich Erfahrung, unter anderem sogar bei Hedningarna. Alle vier lieben den A-capella-Gesang, lassen ihre Stimmen aber auch diskret von Instrumenten begleiten. Alles andere wäre auch ärgerlich, schließlich haben sie mit Liisa Matveinen eine ausgewiesene Kantelekünstlerin in ihrer Mitte. Die anderen Damen dagegen zeigen eine Vorliebe für allerlei Flöten und Trommeln. Der Name der Gruppe, „Zeit des Wolfes“, könnte auf Vorliebe für Esoterisches hinweisen, aber tatsächlich orientieren sie sich an den eher handfesten finnischen Traditionen, vor allem am finnischen Nationalepos, dem Kalevala . In dem Wölfe in der Tat eine große Rolle spielen. Der Albumtitel dagegen, „Geliebter“, zeigt, dass es in den ausnahmslos traditionellen, in einigen Fällen jedoch von einzelnen Bandmitgliedern erweiterten oder überarbeiteten Texten nicht nur um mythische Tiere und alte Überlieferungen geht. Liebeslieder, die Natur, Sagengestalten, die in allen europäischen Traditionen eine große Rolle spielen, wie die Frau vom Meer, sie alle finden wir in den Liedern von Suden Aika. Vokalmusik vom Feinsten.

Gabriele Haefs

 

SUDEN AIKA – Armas


ALLAN TAYLOR
Leaving At Dawn

(Stockfisch Records SFR 357.4057.2/In-akustik, www.In-akustik.com)
12 Tracks, 57:49, mit engl. Infos und Texten

Kälte, Unterwegssein, Rotwein, Regen, Poesie, weichgezeichnete Felder, etwas geht zu Ende, die Nacht, Entfernung, Reminiszenzen, Einsamkeit, Abschied, Romantik – und vor allem, die Straße. Das sind einige der Textzutaten dieses Albums, das ist generell ein Teil des Stoffes, aus dem Allan Taylor wieder und wieder seine Lieder wirkt, ohne dass sie je abgenutzt klingen würden. So auch auf dem neuen Album, was jedoch so neu gar nicht klingt. Eher wie ein alter Freund, dessen Präsenz immer wieder Wärme und Gewissheit ausstrahlt. Lieder, die mit jedem Hören an Distanz verlieren. Nicht neu ist auch der kompromisslos exquisite Aufnahmestandard Günter Paulers – mit entsprechendem Gerät lässt sich SACD-Qualität erzeugen –, der als Produzent, und das ist vielleicht doch etwas ungewohnt, etwas mehr Arrangement zugelassen hat als üblich. Ein würdiges Album in einer langen Reihe von kleinen Meisterwerken.

Mike Kamp

 

ALLAN TAYLOR – Leaving At Dawn


TOM THEUNS
Songs From The River

(Homerecords.be 444650, www.homercords.be)
12 Tracks, 40:37, mit Texten

Zwei Monate war Tom Theuns auf einem alten Lastkahn quer durch Belgien unterwegs, gab Konzerte hier und da, genoss die Einsamkeit und schrieb die Stücke zu seinem Soloalbum Songs From The River . Theuns singt und spielt Gitarre, gelegentlich ist noch etwas Perkussion dazugemischt. Das klingt spartanisch, dennoch ist Theuns ein vollklingendes und abwechslungsreiches Album gelungen. Theuns, der mit der belgischen Folkband Ambrozijn bekannt wurde, ist ein begnadeter Gitarrist, das ist vom starken Einstieg bis zum Ende des Albums zu hören. Dabei wechselt er die Gitarren und die Stile wie andere ihre Gastmusiker. Auch seine Stimme trägt. Doch um auch hier Abwechslung zu bieten, wird sie manchmal arg mit Echo-Mätzchen verfremdet. Nicht alles auf diesem Album ist folkig, der Höhepunkt aber schon: eine Gitarrenversion des Blowzabella-Titels „Glass Island“.

Christian Rath

 

TOM THEUNS – Songs From The River


UKRAINIANS
Diaspora

(Zirka Records 038CD14/New Music Distribution, www.new-music-distribution.de)
15 Tracks, 52:27, mit Infos

Was gibt es Schöneres als einen lange vermissten Schatz plötzlich wiederzufinden? Wie die Ukrainians. War die osteuropäische Alternative zur Oysterband Anfang der Neunzigerjahre regelmäßig in deutschen Landen zu sehen und hatte mit Kultura und Vorony Klassikeralben am Start, wurde es später ruhig um die Band und sie galt als verschollen. Erst mit dem Live-Erlebnis von 2007 wurde man wieder aufmerksam. Und nun, sieben Jahren nach dem letzten Studioalbum, veröffentlichten die Ukrainians Diaspora , ein Album über Migration. Als hätte es keine Wartezeit gegeben, setzt die Ausnahmeband an, wo sie vor Jahren aufgehört hat. Schweißtreibende Rhythmen, die selbst Bandscheibengeschädigte zum Pogotanzen treiben, Energie und Spielfreude wie in den ersten Tagen und rotzfrecher Folkpunk, der allen Epigonen das Wasser der Verzweiflung in die Augen treibt. Wer je ein Album von den Ukrainians liebte, wird Diaspora vergöttern. Dass es mit „Children of the Revolution“ einen T.-Rex-Coversong gibt, der an Ironie und Aktualität dem legendären Smith-Cover der Band gleichkommt, ist dann fast schon Nebensache. Dieser Pflichtkauf für Freunde heftigerer Folkklänge ruft nach einer Liveumsetzung!

Chris Elstrodt

 

UKRAINIANS – Diaspora


YAN CAILLASSE
Un Chien De Ma Chienne

(Caillasse Theatre CD 04942/Broken Silence, www.brokensilence.biz)
14 Tracks, 47:16

Französische Rockmusik mit folkiger Geige – mit dieser Mischung wurde einst Louise Attaque zur beliebtesten Band Frankreichs. Ähnliches versucht jetzt die Pariser Gruppe Yan Caillasse. Herausragende Musiker sind Yann Siptrott (Gesang), Grégoire Butaeyé (Elektro-Geige und Akkordeon) und Lionel Fouchet (elektrische und akustische Gitarre), ein Schlagzeuger und ein Bassist kommen hinzu. Die fünfköpfige Band wurde 2002 gegründet und veröffentlichte 2007 in Frankreich ihr erstes Album Un Chien De Ma Chienne , das jetzt auch in Deutschland herauskommt. Der Sound ist fast durchgängig rockig, aber halbwegs abwechslungsreich, oft wird ein Offbeat benutzt, manchmal sogar ein 3/4-Takt. Kein umwerfendes, aber ein gutes Album, das Lust macht, die Band live zu sehen. Im April gab es immerhin erste Deutschlandkonzerte in Frankfurt/Main, Hamburg, Halle und Bremen. Und wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich im Mai in Frankreich bereits das zweite Album kaufen.

Christian Rath

 

YAN CAILLASSE – Un Chien De Ma Chienne

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