|
17 HIPPIES
El Dorado
(Hipster Records 2009 HIP013/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 47:05
Ein staubiger Platz in Siebenbürgen: Romamusiker spielen zum Fest. Man möchte
sich den Tanzenden anschließen, mit ihnen immer neue Kreise ziehen – oder eine
Bar in Paris: Eine Sängerin haucht ihre Empfindungen ins Mikrofon und lässt die
Männer schmelzen. Die Berliner 17 Hippies finden das
El Dorado
überall auf der Welt, oft im Osten – in der Türkei, in Rumänien, auf dem
Balkan. Die dreizehnköpfige Truppe verwebt die Fülle an Migrantenklängen mit
dem Klang ihrer Stadt, spielt auf zum Film im Kopf. Sind wir am Bosporus, in
Moldawien, Louisiana? Hören wir ein englisches Kinderlied? Sind wir in
Rumänien? Wer sich in den Rhythmen der Welt auskennt, wird bei ihrer
Lokalisierung doch ins Schwitzen kommen. Aber das spielt keine Rolle. Die 17
Hippies spielen Salonmusik und Schlager vom Feinsten. Die federleichte,
mexikanisch klingende Ballade „Adieu“ etwa bringt auch Hasser leichter Muse zum
hemmungslosen Weinen.
El Dorado
ist vielsprachig gesungenes Gefühlskino. Anders als die spanischen Eroberer auf
der Suche nach dem Gold reißen die 17 Hippies nicht immer gleich ihren gesamten
Schatz an Tönen an sich. Da ist immer Platz für luftige, entschlackte Melodien.
Auch wenn die Band richtig loslegt.
Martin Steiner
| 
|
|
HANJO BUTSCHEIDT
Leech
(Neuland Musik 20081, www.hanjo-butscheidt.de)
12 Tracks, 43:45, mit Texten
Ooch, wat es dat dann? Klingt wie die Stimme der kölschen Band Huusmeister,
begleitet von Lecker Sachen oder den Mahones. Und in der Tat: Der Kölner
Liedermacher Hanjo Butscheidt betrat für die Produktion seines neuen Albums
buchstäblich Neuland. Notgedrungen. Nachdem seine langjährige Gruppe Huusmeister
trotz guter Resonanz und positiver Kritiken letztlich am wirtschaftlichen
Misserfolg zerbrach, machte sich Butscheidt auf, wieder mehr solistisch mit
seiner Gitarre aufzutreten. Für sein neues Soloalbum ließ er sich von
Lecker-Sachen-Mastermind Markus Brachtendorf (div. Instrumente) und Elise
Schirrmacher (Geige) begleiten, holte den Perkussionisten Knut Jexzen dazu.
Herausgekommen ist ein modernes und musikalisch sehr abwechslungsreiches
Klangbild, das die Mundarttexte fernab jeglicher Karnevalsseligkeit sehr schön
untermalt, vom quirlig-beschwingten „Driss am Schoh“ mit Mandolinenriffs und
Tin-Whistle-Intro bis zum melancholischen, dezent instrumentierten „Heimwih“,
das die kölsche Seele zum Schmelzen bringen dürfte. Man fragt sich zwar, wie
Butscheidt diese Songs auf der Bühne bringen wird, aber
Leech
(„Licht“) ist ein mutiger und sehr gelungener Neuanfang.
Ulrich Joosten
| 
|
|
GINGER
Drifted
(Leiselaut, www.leiselaut.com)
10 Tracks, 43:01, mit engl. Infos
Wer ohne Vorbereitung in dieses Album hört, mag es zunächst für irische Musik
halten, oder auch für balkanische, um sich später des Irischen sicherer zu
werden, bald darauf aber zu meinen, er habe eine schwedische Aufnahme aufgelegt.
Die Hauptwurzeln der Musik des Flötisten Nils Nolte und des Gitarristen und
Bouzoukispielers Klaus Feketics aus dem Rhein-Main-Gebiet liegen tatsächlich in
Irland, aber wie viele Iren selber machen sie Ausflüge in andere Provenienzen,
so auch nach Galicien, über den Nordatlantik und auch deutlich in den Jazz
hinein. Unterstützt werden sie dabei von Marcus Metz (Gitarre), Richard Carter
(Piano), Klaus Ebling (Knopf- und Pianoakkordeon), Steffen Stephan (Trompete),
Mara Ladebeck (Cello) und Eva Giovanni (Violine). Das Ergebnis klingt wie bei
Michael McGoldrick und Konsorten, als könne es gar nicht anders klingen, als sei
es in Jahrhunderten gewachsen und nicht im Treibhaus des postmodernen
Deutschland gezüchtet worden. Blickt man zum Beispiel auf die Vita Noltes, so
sieht man, dass die Musik individualbiografisch aber doch ihre Zeit zum Wachsen
hatte und so, wenn auch nicht ethnisch, so doch persönlich sehr authentisch ist.
Ein Hochgenuss!
Michael A. Schmiedel
| 
|
|
HANDSTREYCH
30 Jahre
(Trend Records TCD-0200872/www.trend-records.com)
19 Tracks, 64:51, mit Texten und Infos
Die alten Wölfe heulen noch! Sie heulen Wut, sie heulen gut. Manchmal heulen sie
theatralisch, übertreibend, doch immer überzeugend. Vor nunmehr dreißig Jahren
fanden sich Reno Rebscher und Ulrich Kind in Freiburg zum Duo zusammen. Es war
von Beginn an ein spannendes, von Reibung geprägtes Verhältnis, das der aus der
damaligen DDR geflohene Liedermacher Kind und der vom Westen geprägte
Darmstädter Rebscher pflegten. Höchst politische Lieder entstanden durch die
Jahrzehnte, zunächst – wen wundert’s – besonders gegen den Gebrauch von
Atomkraft. Später dominierten sozialkritische Lieder,
topical songs
das Programm. Georges Brassens und Boris Vian sind Vorbilder, die das Duo zu
sehr gelungenen Übertragungen ins Deutsche anregten. Davon sind neben ihren
eigenen Liedern einige, teils mit aktualisierten Texten, auf dem Jubiläumsalbum
enthalten. Ja, sie heulen gut, die alten Wölfe. Und sie begleiten ihr Geheul
auf verdammt kompetent gepickten Akustikgitarren, die sie gelegentlich von
Gastmusikern mit Geige, Bratsche, Querflöte, Bass, Mandoline und Cello
anreichern lassen, immer in hörenswerten und textdienlichen Arrangements. Eine
schöne, repräsentative Auswahl alter und ganz neuer Songs.
Ulrich Joosten
| 
|
|
HELIUM VOLA
Für Euch, die Ihr liebt
(Chrom Records CRO 901 AP/Indigo, www.indigo.de)
Promo-Do-CD, 24 Tracks, 114:20
Ernst Horn, bekannt von Deine Lakaien und bis 2003 bei Qntal, ist Mastermind des
Projekts Helium Vola. Hier verbindet er seit 2001 mittelalterliche Texte mit
elektronischer Avantgarde und Vokalmusik. Diesmal in Form eines
Konzept-Doppelalbums, dessen erster Teil Liebeslieder verschiedener Epochen
enthält: „Maienzeit“, „In so hoher swebender wunne“ oder das eher ironische
„Friendly Fire“ mit Elektro-Clash-Sounds. Teil zwei beschreibt die
„Nächstenliebe in ihrem Bezug zur oft ernüchternden düsteren Realität“ (Helium
Vola) mit Titeln wie dem „Moorsoldatenlied“, dem Youngbloods-Cover „Darkness,
Darkness“ oder „Ray Gun“ mit atonalen House-Klängen. Beide Teile korrelieren zum
Teil in der Songauswahl, so ist Track 9 jeweils die Vertonung eines
Petrarca-Sonetts. Die beim Debüt noch unmotiviert wirkenden elektronischen
Spielereien und Effekte sind nun strukturierter, werden in ihrer Expressivität
aber Geschmackssache bleiben. Beeindruckt bin ich nach wie vor vom Gesang Sabine
Lutzenbergers, die hier von verschiedenen Opern- und Konzertsolisten sowie dem
Sänger der slowenischen Band Silence, Boris Benko, unterstützt wird. Eine
spannende Songsammlung, auf der es viel zu entdecken gibt.
Piet Pollack
| 
|
|
HISS
Zeugen des Verfalls
(www.wintrup.de)
14 Tracks, 49:20, mit dt. und span. Texten
Freunde, was heißt schon Vernunft: In hundert Jahren sind wir alle tot! Also
versuchen wir es mal trotz widriger Umstände mit Lebenslust, Stefan Hiss samt
Band liefern uns den Soundtrack dazu – etwa im Titelstück ihres sechsten Albums:
„Ein früher Tod erfreut die Erben / Ein guter Whisky wärmt den Bauch / Und es
ist ehrenvoll zu sterben / Im Kampfe um das Recht auf Rausch.“ Die Parole „Maß
halten“ scheint an den Herren Michael Roth (Harfe, Gesang), Thomas Grollmus
(Gitarre, Gesang), Volker Schuh (Bass), Patch Pacher (Schlagzeug, Gesang) und
Hiss selbst (Akkordeon, Gesang) vorbeizurauschen. Ihre Lebern mögen also nicht
mehr vom Besten sein, aber musikalisch und textlich befinden sie sich voll auf
der Höhe. Die Mixtur aus Polka, Musette, Reggae, Tex-Mex und Balkan klingt
mitreißend und eine Kopie des Albums fürs Auto drängt sich auf. Besser noch der
Besuch eines Livekonzerts der Ruth-Gewinner von 2004, die bestechend einfache
und doch qualitätsvolle Texte präsentieren. Wer mag, darf sich an Element of
Crime erinnert fühlen, wobei die Hiss- und Roth-Lyrics einen volksliedhaft
direkteren Ton anschlagen. Kein Zweifel: Diese fünf verwegenen Burschen aus dem
deutschen Südwesten liegen ganz weit vorn – mit Leib und Seele.
Volker Dick
| 
|
|
MANFRED LEUCHTER & IAN MELROSE
Vís-à-vis
(Acoustic Music Records 319.1401.2/Rough Trade, www.roughtrade.de)
13 Tracks, 57:03, mit dt. und engl. Infos
Im Booklet findet man die von Angesicht zu Angesicht agierenden Künstler im
launigen Zwiegespräch – ein kleiner Vorgeschmack auf den Geist dieser
Produktion. Akkordeon, akustische Gitarre und Low Whistle – eine seltene
Begegnung. Musikalisch ist der Horizont, den Ian Melrose und Manfred Leuchter
hier aufspannen, von erhabener Weite. Natürlich nimmt das keltische Erbe einen
besonderen Raum ein – in „Reels On Wheels“ ist dann auch Melroses Duopartnerin
Kerstin Blodig an Bodhrán und als Sängerin zu hören. Die überschäumende
Musikalität und Spielfreude des Duos ist von den ersten Tönen an ansteckend. Die
Reise führt in den Orient – „Koca Kavak“, ein tief bewegendes Thema aus
Anatolien – über Frankreich in die Wüste Marokkos und schließlich nach
Deutschland. Bachs „Goldbergvariationen“ für Akkordeon solo [!] werden zum
Ausgangspunkt für eine wunderbare Melrose-Komposition. Das Album endet, man höre
und staune, mit einem Hannes-Wader-Klassiker – zumindest der Text ist von ihm:
„Heute hier, morgen dort“. Ja, und auch den verlegen die beiden in die große,
weite Welt – als wär’s ein Klassiker aus den afrikanischen Savannen. Musik, die
weiß, wie man den Hörer berührt.
Rolf Beydemüller
| 
|
|
ROGER MATURA
Follow Me Down To Chesil Bay
(Ozella OZ 024 CD, www.ozellamusic.com)
18 Tracks, 77:01
Das neue Album von Roger Matura erschließt sich nicht beim ersten Hören. Alles
klingt zunächst irgendwie gewöhnlich und wie schon mal da gewesen. Lässt man
sich auf
Follow Me Down To Chesil Bay
jedoch ein, entdeckt man ein Zauberreich, geht auf eine Traumreise durch die
eigenen Sehnsüchte. Die Songs sind gleichzeitig spirituell und bodenständig.
Sie sind augenzwinkernd ernsthaft, erzählen verträumt große Geschichten von
kleinen Leuten. Man fiebert bei jedem Hören geradezu den neuen Entdeckungen
entgegen, die einem bisher verborgen geblieben sind – ein Spiegel der Welt, die
ihre Schönheit auch oft erst nach langer Zeit offenbart, obwohl die Landschaft
oder Begegnungen, die man täglich erlebt, doch gleich geblieben sind. Und wie
der Inhalt zur Entdeckungsreise wird, so auch der Rahmen. Matura spielt selbst
ein Dutzend Instrumente und hat zusätzlich noch 16 andere Musiker eingeladen,
die meist filigran ganz im Hintergrund agieren. War das eine Sitar? Dort eine
Piccolo? Wer sich die Zeit nimmt, dieses Album zu entdecken, wird Ruhe finden,
vielleicht sogar ein bisschen Glück. Auf jeden Fall aber hochwillkommene
Gefühle und das Bewusstsein, mit etwas Besonderem beschenkt worden zu sein.
Chris Elstrodt
| 
|
|
ACHIM REICHEL
Melancholie und Sturmflut
(Tangram 918712/Indigo, www.indigo.de)
11 Tracks/1 Bonustrack, 51:23, mit dt. Texten
Wahre Liebe
(Tangram 918802/Indigo, www.indigo.de)
12 Tracks/1 Bonustrack, 59:47, mit dt. Texten
Oh Ha!
(Tangram 918852/Indigo, www.indigo.de)
12 Tracks/1 Bonustrack, 55:23, mit dt. Texten
Entspann dich
(Tangram 918882/Indigo, www.indigo.de)
12 Tracks/1 Bonustrack, 59:15, mit dt. Texten
Achim Reichel setzt die Reihe der Wiederveröffentlichungen seiner Frühwerke mit
vier weiteren zwischen 1991 und 1999 erschienenen Alben fort. Auf
Melancholie und Sturmflut
finden sich mit „Kuddel Daddel Du“, „Aloha heja he“ und „Rolltreppe“ drei der
bekanntesten Lieder, mit denen Reichel den schmalen Grat zwischen kommerziellem
Pop und Schlager beschritt. Als Bonustrack gibt es eine Livefassung von „Auf
der Rolltreppe“, aufgenommen Anfang 1992 bei einer TV-Produktion für den
WDR-Rockpalast. Auch die anderen drei CDs beinhalten als zusätzlichen Track
jeweils einen Albumtitel in einer Liverversion. Auf
Wahre Liebe
findet sich – maritime Themen ziehen sich ja wie ein roter Faden durch alle
Reichel-Platten – mit „Kuddel’s Revolution“ eine Fortsetzung der Geschichte um
den einst von Ringelnatz erfundenen Kuttel Daddeldu. Auch auf
Oh Ha!
begibt sich der Ex-Rattle aufs Wasser und wird dabei mit „Exxon Valdez“ über
die Tankerkatastrophe 1989 an der Küste vor Alaska sogar politisch.
Entspann dich
enthält mit „Die Entwicklung der Menschheit“ von Erich Kästner die einzige
literarische Vorlage, die Achim Reichel auf diesen vier Alben seinerzeit
bearbeitet hat. Leider war er bei der Produktion dieser
Wiederveröffentlichungen nicht in Schreiblaune. Denn im Unterschied zur
Neuauflage von
Dat Shanty Alb’m
,
Klabautermann
,
Regenballade
und
Wilder Wassermann
– siehe
Folker!
Heft 5/2008 – gibt es in den Booklets keinen Kommentar zur Entstehung der
jeweiligen Alben in seinem Zusammenhang oder auch zu einzelnen Liedern. Wer die
Scheiben bereits hat, muss sich die jetzt vorliegenden neuen Versionen nur
wegen der Bonustracks nicht zulegen. Zur Vervollständigung einer
Reichel-Sammlung kann man sie jedoch ohne Einschränkung empfehlen.
Michael Kleff
| 



|
|
CÉLINE RUDOLPH
Metamorflores
(Enja ENJ-9535 2/Edel, www.edel.de)
11 Tracks, 50:07, mit port. Texten und engl. Infos
Zwei Jahre nach ihrem ersten Brasilien-Ausflug
Brazaventure
begibt sich die gestandene vierzigjährige Jazzsängerin wieder in dieses
musikalisch so reiche Imperium. Erneut mit der Schützenhilfe des renommierten,
vor allem für Gilberto Gil tätigen Produzenten Rodolfo Stroeter entstand ein
äußerst anmutiges, leichtfüßiges und doch intensives Werk, das auch neben den
Alben der namhaften brasilianischen Vokalistinnen eine gute Figur macht, und
für das die Berlinerin auch gute Geister wie Brasiliens Perkussions-Übervater
Naná Vasconcelos, Sängerin Marlui Miranda und Trompeter Till Brönner ins Studio
locken konnte. Eröffnet wird mit einem zurückgelehnten „Here Comes The Sun“,
das wohl auch seinem Autor George Harrison behagt hätte. Das Gros der Songs
wird auf Portugiesisch intoniert oder aber in célinischer Phantasiesprache, die
bisweilen an die spleenigen Vokalspielereien einer Maria João denken lassen.
Rudolph zieht diverse stilistische Register der MPB und covert auch einen ihrer
wichtigen aktuellen Vertreter: Mit Lenines ultimativem Liebesendlied „A Medida
Da Paixão“, das auch Rudolph sehr bewegend, gar nicht sehr anders als das
Original gerät, klingt ein wunderbar rundes Album aus.
Katrin Wilke
| 
|
|
SCHEIN
Wir sind der Funk
(Red Farm Records 4711-0815-20/Rough Trade, www.roughtrade.de)
Promo-CD, 14 Tracks, 52:05
Selbstbewusst treten sie auf, die Jungs aus Freising, die auch auf ihrem dritten
Album eine Kreuzung aus Funk und Deutschrock präsentieren, die durchaus
Mainstreampotenzial hat. Gleich der Opener „Schein für mich“ ist reine
Selbstbespiegelung. Und dass die Betonung im Titelsong auf dem „Wir“ liegt, ist
auch nicht schwer zu erraten. Die nächsten Verwandten der acht Bayern mit der
erstaunlich durchschlagskräftigen Bläserabteilung befinden sich am anderen Ende
der Republik: Fast vermisst man das norddeutsche Genuschel à la Jan Delay oder
Udo Lindenberg zu den fast durchweg schnell und souverän durchgepeitschten
Stücken. Und deren Witz. Hübsch immerhin der Text von „Club der Verlierer“: „Wir
sind nicht vom selben Stern. Wir sind nicht mal aus derselben Ecke. Das ist der
Club der Verlierer. Und du kommst hier nicht rein.“ Das musikalische Niveau ist
hoch, und es besteht kein Zweifel daran, dass sich das bassgetragene Gebräu gut
in druckvolle Livekonzerte übertragen lässt. Da dürften auch die
Schweinerockriffs und das Refraingegröle dem sensibleren Hörer weniger auf die
Nerven gehen. Einzige wirkliche Schwachstelle: der Gesang. Frontmann Georg hört
sich immer noch nach Schülerband an.
Gunnar Geller
| 
|
|
RUSTY STONE
Live & Alone
(Rev Stone Music CDTC 0016, www.rusty-stone.com)
8 Tracks, 27:08, mit dt. Infos
Seit mehr als dreißig Jahren ist Rusty Stone als Gitarrist und Sänger in Europa
unterwegs, solo oder mit seiner 1984 gegründeten Band The Case. Die vorliegende
Minialbum wurde als Liveaufnahme im Vorprogramm von Joan Armatrading
mitgeschnitten und ist seine erste, längst überfällige Soloveröffentlichung. Bis
auf den Titel „Stones In My Passway“ von Robert Johnson hat der Münchner Musiker
alle Stücke selbst komponiert. Der Blues zieht sich wie ein roter Faden durchs
Programm, „Coming Home“ und „Gypsy Dream“ bieten alles, was der Hörer von
zeitgenössischem Blues erwarten kann. Obwohl Autodidakt, überzeugt Rusty Stone
mit seinen Fähigkeiten auf allen akustischen und elektrischen
Saiteninstrumenten. Auch eine Mundharmonika kommt kurz zum Einsatz. Als Sänger
besticht er in der Sparte Blues, Folk und Rockblues mit seiner Dynamik und dem
natürlichen Timbre. Nach sieben Alben und einer DVD mit Band verdient er sich
auch mit diesem Solotonträger einen guten Platz im Bluesregal. Übrigens wird
bald das neue Studioalbum von The Case erscheinen und die weite Spannbreite des
Musikers zeigen. Hier geht ein Mann seinen Weg.
Annie Sziegoleit
| 
|
|
STOPPOK
Auf Zeche
(Grundsound GS0023/Indigo, www.indigo.de)
CD, 15 Tracks, 72:56, mit knappen dt. Infos, plus DVD, 128:42, plus viele Boni
Was Stefan Stoppok in deutschen Landen relativ einzigartig macht, ist der Mix
gleich verschiedener Talente und Trümpfe – mehr als eins, wenn überhaupt, haben
ja alleine schon nur die Wenigsten. Stoppok hat die Songs! Von denen gab er auf
Zeche einen repräsentativen Querschnitt, zahlreiche Bernie-Conrads-Asse
inklusive. Er ist leidenschaftlicher Rocker und hochversierter Gitarrist! Man
höre und bestaune seine Version von Peter Greens „Oh Well“ oder sein Solo in „Du
brauchst Personal“ – das in Berlin auf der Tour allerdings noch viel, viel
besser war. Stoppok hat den Drummer! Benny Greb – was für ein Vollblut. Er hat
ein Händchen fürs Publikum. Humor. Stil. Und er ist Profi – womöglich das
einzige Manko. Denn auch bei Stoppok scheint manches mit den Jahren doch sehr
routiniert, kühl kalkuliert. Entwarnung gibt ein Blick in die DVD mit acht
zusätzlichen Songs und dem üblichen Bonusmaterial. Da kann man dem Star mehr als
einmal ansehen: So professionell er auf der Bühne in die Seiten haut und dem
Publikum Puderzucker und so weiter – so offensichtlich fühlt er sich noch immer
wie Falschgeld, wenn er schlaue Interviews für die Ewigkeit geben soll oder im
Vorbeigehen cool tun wie wesentlich Glattere. Gut so ...
Christian Beck
| 
|
|
ULMAN
Electroakustika
(Westpark Music Westpark 87174/Indigo, www.indigo.de)
11 Tracks, 48:28
Das neue Album von Ulman klingt wie, wie, wie ... Ulman. Vergleiche sind zu dem
neuen Meisterwerk nicht mehr zu finden.
Elektroakustika
kann genau von einer Band dieser Welt vollbracht worden sein – den Ulmännern.
Damit gibt es neben den Dissidenten nun eine zweite deutsche Band mit
unverwechselbarem Profil. Nach den bisherigen Alben, die insbesondere wegen der
Virtuosität der Musiker und der originellen Kompositionen hervorstachen, wird
Electroakustika
zum selbst erteilten Ritterschlag und überzeugt als musikalischer Meilenstein
in jeder Hinsicht. Jeder einzelne Track ist schlichtweg sensationell, egal ob
die skandinavischen Einflüsse mit Drum-&-Bass-Percussion verschmelzen oder
auf dem „Modal Scale“ der alte Jimi Hendrix als headbangender Folkmusiker
enttarnt wird. Jeder Track ist hochmodern und zeigt auf einmalige Weise, wie
man traditionelle Instrumente und Melodien in diesem Jahrtausend einzusetzen,
ja quasi zu transformieren hat. Ein Album für Erwachsene, für Jazzer und für
Hi-Fi-Enthusiasten, für Folkies sowieso. Wenn es jemals ein deutsches Album
verdient hat, aus der Weltmusiknische auszubrechen und genreübergreifend zu
begeistern, dann dieses.
Chris Elstrodt
| 
|
|
THE VILLAINS
Slow Train
(Esox Music EXOX005CD/Al!ve AG, www.alive-ag.de)
13 Tracks, 55:05, mit Texten
Was für eine Band! Die akustische deutsche Version von Pearl Jam legt mit
Slow Train
ihr zweites Album vor und man fragt sich, warum The Villains nicht Headliner
bei Rock am Ring oder wenigstens in Rudolstadt sind. Zwischen den Stühlen und
doch überall zu Hause, so wird
Slow Train
nicht nur zum Albumtitel, sondern zur perfekten Beschreibung dieses
ungewöhnlichen Quartetts. Die Kompositionen könnten aus der Feder jeder
erstklassigen Grungeband geflossen sein und entwickeln doch auch ohne
Stromgitarren enorme Kraft. Was Nirvana damals mit ihrem Unplugged-Konzert
begonnen haben, führen The Villains zur Meisterschaft, nur überspringen sie die
elektrifizierte Version und bringen die Songs gleich direkt und rau akustisch.
Ihre Stärke liegt dabei in langsamen, leicht melancholischen Liedern mal in
Englisch und mal mit deutschen Texten, die man sofort mitsingen oder zumindest
bei einem Glas guten Whisky konsumieren möchte. Ein guter Schuss klassischer
Americana rundet das Album ab und öffnet es auch für die Ohren der Zielgruppe
älterer Jahrgänge. Entdeckt wurde die Band von Subway-to-Sally-Vorzeigeschild
Eric Fish, der sich als Gastsänger auch auf einem Song verewigt hat.
Chris Elstrodt
| 
|
|
ZWIELICHT
Zeitlos
(Otter Records, www.zwielicht-band.de)
12 Tracks, 48:39, mit dt. Texten
Sehr angenehm, mal wieder eine Mittelaltergruppe zu hören, die richtig gut
mehrstimmig singen kann und trotzdem rockt. Zur Band gehören sieben Musiker aus
Regensburg, die seit 2007 zusammenspielen. Sie gewannen in ihrem ersten
Auftrittsjahr zwei Nachwuchswettbewerbe und traten schon bei größeren Festivals
auf. Schandmaul gehört sicher zu ihren Vorbildern, aber die Arrangements und der
Gesamteindruck sind durchaus eigenständig. Zu hören sind vorwiegend
Midtempo-Nummern und Balladen, die durch die häufigen Breaks innerhalb eines
Songs auffallen. Erst getragen, mit Flöten, Harfe, Geige oder Fagott. Dann die
eher schaumgebremsten E-Gitarren mit Schlagzeug, die trotzdem die melodische
Struktur nicht zerhacken. Plötzlich Gesang, ein- und mehrstimmig, mit sehr gut
verständlichen Texten. Auch wenn ein Titel „Zwielichtige Gestalten“ heißt,
beginnt er mit einem schönen Kanon. Und erst, wenn man mal genauer ins Booklet
schaut, stellt man fest, dass alle Texte und Melodien von Oliver Fischer und
Benedikt Dreher geschrieben sind – im mittelalterlichen Duktus und mit
einprägsamen Melodien. Ein sehr gelungenes Debüt!
Piet Pollack
| 
|