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BASCO
The Crow In The Walnut Tree
(GO’ Danish Folk Music GO0708, www.gofolk.dk)
12 Tracks, 44:11, mit engl. Infos
Auch hier eine Formation von jungen Musikern, die aus anderen Gruppen bekannt
sind: Sigurd Hockings (Gitarre), Hal Parfitt-Murray und Andreas Tophøj (Geigen)
sowie Anders Ringgaard (Akkordeon, Posaune). Sie spielen hauptsächlich eigene
Kompositionen, die sie im Booklet in Form ihrer Bühnenpräsentation ziemlich
locker beschreiben. Auch wenn sie sich von keltischer und amerikanischer
Old-Time-Musik inspirieren lassen, sind ihre skandinavischen Grundlagen,
basierend auf ihrem gemeinsamen Folkmusikstudium an der Carl Nielsen Akademy in
Odense, nicht zu überhören. Vielleicht haben sie ihren eindeutigen Stil noch
nicht gefunden, vielleicht suchen sie auch keinen. Sie spielen technisch
brilliant, dennoch auch sehr emotional. Die Geigen bestimmen den Sound, manchmal
in bester Tradition melancholisch schwedisch, wie bei den anrührenden Melodien
„Flensborg Harbour“, „Hadrian’s Waltz“ und „The Cat’s Menuet“, dann wieder
leicht amerikanisch angehaucht, wie bei „Postcard“ und „Blackberry Mountain“,
die sie von dem Fiddler Bruce Molsky gelernt haben, oder keltisch, wie bei
„Coals To Newcastle“. Ein abwechslungsreiches Debütalbum von Musikern, die immer
wieder etwas anderes probieren.
Bernd Künzer
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BEOGA
The Incident
(Compass Records 7 4499 2/Sunny Moon Music Distribution, www.sunny-moon.com)
11 Tracks, 41:25, mit ausführlichen Infos
Der Nachfolger von Beogas
Mischief
hat es sicherlich schwer – gilt es doch, das wirklich als Meisterleistung
zu bezeichnende Album von 2007 zu toppen. Auch auf
Incident
stellt sich die Band ein zu einem erneuten Angriff auf übliche Hörgewohnheiten.
Erneut zeigen die fünf ihre arrangiertechnischen Talente, ihren Spaß an
Ausflügen in andere Musikstile, diesmal in Richtung New Age, Mainstreamjazz,
Pop und Reggae. Das mit Gastsänger Joe Echo eingesungene „On The Way“ ist
hitverdächtig. Niamh Dunne kommt nicht so gut weg, da sie vorwiegend zu
„Fremd“-Material verdonnert ist. Ihr „Strange Things“ fällt sehr aus dem
Rahmen. Am überzeugendsten singt sie die melancholische Schlussballade.
Insgesamt befindet sich die Band natürlich auf extrem hohem spieltechnischem
Niveau, jedoch fehlt den vielen eingestreuten Versatzthemen der innere
emotionale Zusammenhang. Statt Fusionen mit dem Hauptthema der Band, der
irischen Musik, einzugehen, bleiben viele der eingebauten musikalischen Zitate
eher als Fremdkörper stehen, sind die Übergänge in ratternde furiose Reels
nicht ganz so elegant und organisch. Dennoch inspirierte und inspirierende
Musik – Akkordeonfans aufgepasst!
Johannes Schiefner
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CLAUDIA BOMBARDELLA ENSEMBLE
Un Mondo Fra Le Mani
(Radici Music Records RMR-121, www.radicimusic.com)
17 Tracks, 71:49, mit ital. und engl. Texten und Infos
Die toskanische Multiinstrumentalistin trägt tatsächlich die Welt in den Händen
–
un mondo fra le mani
. Sie singt auf diesem Album neben verschiedensten italienischen Mundarten auf
Armenisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und in einem norwegischen
Dialekt. Daneben spielt sie Klarinette, Baritonsaxofon und Akkordeon und
komponiert nicht zum ersten Mal eine Sammlung von Songs, die weit über dem
weltmusikalischen Durchschnittsniveau liegt. Auf
Un Mondo Fra Le Mani
verbindet sie wie gewohnt italienische Volksmusik, Klassik, polyphonen
Sakralgesang und Klänge aller Himmelsrichtungen zu einer lebendigen, warmen,
hochkreativen Musik. Sie wird dabei kongenial von ihren langjährigen
musikalischen Begleitern an Geige, Cello, Mandoline, Bouzouki,
Chitarra Battente
, Tamburin und Kontrabass begleitet. Claudia Bombardella und ihr Ensemble haben
wieder einmal eine Perle erschaffen, die auch nach intensivem Anhören nichts von
ihrer Faszination einbüßt. Wie immer bei Radici Music genügt auch die Aufmachung
der CD höchsten Ansprüchen.
Martin Steiner
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BROOM BEZZUMS
Under The Rug
(Steeplejack Music SJCD011/H’Art Musik Vertrieb, www.hart.de)
12 Tracks, 50:02, mit engl. Infos und Texten
Andrew Cadies und Mark Bloomers Zweitling ist eigentlich wie ihr Debüt:
traditionelle – oder traditionell klingende – Songs aus England und
ebensolche Tunes auf Fiddle, Gitarre, Northumbrian Pipes, Mandoline, Mandola und
Whistle. Immer noch in Deutschland ansässig, bevorzugen die Nordengländer weiter
den sympathisch geradlinigen traditionellen Sound, der Anleihen aus anderen
Genres oder Kulturen nicht benötigt und doch nicht ausgrenzend klingt. Da ist
schon ihr unaufgeregter politischer Anspruch vor, siehe etwa das eindrucksvolle
„This Happy Marriage“. Einziger, aber wichtiger und deutlich hörbarer
Unterschied zum Vorgängeralbum: Die Broom Beezums sind selbstbewusster geworden.
Im Umgang mit ihrem Material souveräner und erfreulich unverkrampfter, auch in
den Arrangements. Vielleicht ein Ergebnis der immer zahlreicheren Konzerte. Auch
der Rezensent hat die Broom Beezums mittlerweile live erlebt und kann
bestätigen: Die Jungs bringen die Lieder und Melodien auf der Bühne problemlos
so überzeugend rüber wie auf dem Album. Zwar zählen sie immer noch nicht zu den
Lautsprechern der Szene, aber das wird sie nicht davon abhalten, laufend neue
Fans zu gewinnen. Dies tolle Album wird dabei helfen.
Mike Kamp
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CELARDA
Wood
(Eigenverlag, www.celarda.de)
12 Tracks, 62:03, mit engl. und dt. Infos
Das Album beginnt ganz sacht und sanft, transportiert aber zugleich eine feine,
doch spürbare Spannung. Ein Cello-Bordun. Einzelne Gitarrenzupfer ragen wie
Berge aus einer Ebene vor ihm hervor, Flötentöne durchziehen ihn wie Flüsse. Es
könnte sehr gut der Soundtrack zu einem Abenteuerfilm werden, dessen Held eine
geheimnisvolle Landschaft durchwandert. Dann übernimmt eine Harfe das Thema, als
sei unser Held auf seinem Weg einer Elfe begegnet. Keltisch inspiriert nennt das
Jenaer Trio seine Musik, doch zieht sich dieser mystisch-märchenhafte Duktus
keineswegs durch das ganze Album. Daneben wird der Hörer durch unerwartete
Kontraste zwischen Melodien und Arrangements überrascht, die sich sehr nahe an
irischen und schottischen Traditionen orientieren und solchen, die allerhand
verschiedene Einflusse aufweisen bis hin zu einer Bossa Nova zum Text „Only Our
Rivers“ von Mickey MacConnell. Für dieses Zauberwerk verantwortlich zeichnen
Lisa Eberhardt (Vocals, Cello), Katharina Loborius (Vocals, Fiddle, Whistles,
Flute), Marco Schmidt (Vocals, Guitar, Accordeon, Bodhrán) und vier Gastmusiker
an Nyckelharpa, Saxofon, Perkussion und Soundeffektinstrumenten.
Michael A. Schmiedel
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DIVERSE
Under One Sky
(Navigator Records NAVIGATOR 3/Rough Trade, www.navigatorrecords.co.uk)
7 Tracks, 63:30, mit engl. Infos
Eigentlich dürfte diese Rezension nicht unter „Diverse“ laufen, sondern unter
„John McCusker & Freunde“. Der ungemein kreative Schotte ist als Musiker und
Produzent über alle Maßen gefragt und hat daher mehr Freunde als der gemeine
Myspace-Nutzer. 12 davon hat er sich für diese Produktion ausgesucht, zu
gleichen Teilen aus England und Schottland, McCuskers persönliche „Both Sides
the Tweed“ sozusagen. Und wenn man Größen wie John Tams, Iain MacDonald, Andy
Cutting oder Julie Fowlis ins Studio holt und unter McCuskers Regie überwiegend
mit McCusker-Melodien ausstattet, zu denen sie zum Teil eigene Texte beisteuern
– besonders gut natürlich John Tams -, was kann man dann erwarten? Einfach
nur wunderschöne, harmonische, warme Musik, die dem Rezensenten bei den extremen
Minustemperaturen im Januar mehr als willkommen war. Der Fiddler ist einfach
selbst im großen schottischen Talentschuppen eine Ausnahmeerscheinung, das Album
nachhaltig zu empfehlen. Übrigens: Dass diese Truppe im letzten Jahr auf der
Insel auch auf Tour ging und wir hier überhaupt nichts davon mitbekommen haben,
das ist ja schon normal. Hat vielleicht Rudolstadt 2009 noch ein wenig Platz?
Hallo?
Mike Kamp
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DOLPHIN BOY
Vertical Variations Vol. 1
(Vertical Records VERTCD087, www.verticalrecords.co.uk)
10 Tracks, 48:21, mit knappen engl. Infos
Das Leben ist Veränderung – gerade auch im Folk, der dem Alltag ja
besonders nah sein sollte. Also gaben die Verantwortlichen bei Vertical Records
ihren an sich schon experimentell fortschrittlichen Labelkatalog in die Hände
des Edinburgher DJs Dolphin Boy, der zwei Hände voll Stücke durch seine Mixer
zog – und das Ergebnis gibt allen Beteiligten Recht: den Schöpfern der
Vorlagen wie Sängerin Roisin Elsafty, deren intensive Gesänge in Dolphins
Downtempo-Bearbeitung zu entspannt groovenden Strudeln erwachsen; dem
Mixmeister, der daneben auch dem Uptempo-Reeling von John McSherrys & Donal
O’Connors „Sean Maguire’s“ ein gleichermaßen zurückhaltend zeitgemäßes
Remixgewand angepasst hat und allen anderen Kandidaten perfekt sitzende weitere
Modelle. Und die Machern beim Label, die offenbar verstanden haben, dass
überzeugende Neuerungen den Originalen nicht das Wasser abgraben, haben sowieso
gewonnen: Auch neue Generationen mit ganz anderen Vorstellungen von Musik und
völlig unterschiedlichen Hörgewohnheiten werden auf diese Weise schmerzfrei auf
die Quellen angespitzt – je mehr sich die Dinge ändern, desto gleicher
bleiben sie (siehe auch Aidan O’Rourke unter „Europa“ und Harem Scarem im
„Kurzschluss“) ...
Christian Beck
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DUQUENDE
Live In Cirque D’Hiver Paris
(Flamenco Records FR001CD/Galileo MC, www.galileo-mc.de)
7 Tracks, 51:47
CHICUELO
Diapasión
(Flamenco Records FR002CD/Galileo MC, www.galileo-mc.de)
10 Tracks, 52:55
Diese beiden Alben passen nicht nur zusammen, weil sie gemeinsam beim kürzlich
gegründeten Label Flamenco Records erschienen. Den Flamencogitarristen Juan
Gómez „Chicuelo“ und den Flamencosänger Juan Rafael Cortés Santiago „Duquende“
verbindet eine langjährige künstlerische Partnerschaft. Immer wieder touren die
beiden Vertreter des modernen Flamenco durch die Welt und treffen sich darüber
hinaus zu gemeinsamen Aufnahmen, die zum Allerfeinsten gehören, was der
zeitgenössische Flamenco zu bieten hat. Der in Barcelona geborene Duquende steht
seit seinem achten Lebensjahr auf der Bühne und hat mittlerweile mit dem Who’s
who der spanischen Flamencoszene zusammengearbeitet. Die blinde Verständigung,
die konzentrierte Energie und der hohe Grad an virtuoser Präsenz sind natürlich
am leichtesten im Rahmen einer Live-Performance zu vermitteln. Umso
erfreulicher, dass man sich entschlossen hat den Mitschnitt des Abends im
Pariser Cirque d’Hiver vom 17. Juni 2005 zu veröffentlichen. Stimme, Gitarre,
Cajon (Isaac del Rubio) – mehr braucht es nicht um ein großes Publikum zur
Raserei zu treiben. Wesentlich üppiger ist da die Instrumentierung auf Chicuelos
zweitem Soloalbum
Diapasión
: Bläser, Violine, Sänger, Palmas, Mandola etc. – gespielt von einem
entsprechend großen Aufgebot an Musikern. Am berührendsten – weil es so
pur ist – vielleicht das abschließende Gitarrensolo „Alahambra“, eine
ebenso tiefe wie virtuose Granaina. Die beiden Alben sind im Doppelpack zu
empfehlen.
Rolf Beydemüller
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MICK FLANNERY
White Lies
(EMI Music Ireland CDWL 1, http://emimusic.co.uk/)
11 Tracks, 38:45
Der irische Songwriter Mick Flannery überraschte 2005 mit
Evening Train
, einer musikalisch-literarischen Kurzgeschichte mit tragischem Ausgang in elf
Kapiteln, den Songs. Das Album erschien zunächst im Eigenverlag, machte in der
Fachwelt aber einen so großen Eindruck, dass EMI Ireland es 2007
wiederveröffentlichte. Der Major kümmert sich nun auch um das neue Album, das
dem Vorgänger musikalisch durchaus das Wasser reichen kann. Lediglich die
Geschichten der Songs sind dünner, allerdings war
Evening Train
in dieser Hinsicht auch schwer zu toppen.
White Lies
beschäftigt sich nun vornehmlich mit Mann/Frau-Beziehungen. Das ist nichts
wirklich Neues, wenngleich der 25-Jährige es versteht, den Songs einen Touch
von Tiefe zu geben. Das liegt wohl vor allem an seiner Stimme, die ihn einige
Jahre älter macht und unglaublich „cool“ klingt, ein bisschen wie die von Bob
Dylan. Melancholisch klingt sie auch, ein bisschen wie die von Leonard Cohen.
Mick Flannery könnte ein ganz Großer werden, das Zeug dazu hat er. Dafür sollte
er textlich wohl eher an
Evening Train
anknüpfen –
White Lies
ist am Markt zu verwechselbar. Und sich nur musikalisch abzuheben, könnte
langfristig zu wenig sein.
Markus Dehm
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SOFIA JANNOK
Assogattis – By The Embers
(Caprice Records CAP21801/Double Moon Records/Sunny Moon Music Distribution, www.sunny-moon.com)
11 Tracks, 37:52, mit Texten
Neben der übermächtigen Mari Boine mit samischem Yoik zu bestehen, dürfte
schwierig sein. Sofia Jannok ist das Wagnis eingegangen, und der Erfolg gibt ihr
Recht. Wie das große Vorbild aus Norwegen verwendet auch die Schwedin Jannok den
Yoik nicht in seiner ursprünglichen, für Hörer mit normalen Hörgewohnheiten
schwer zu erfassenden Form als archetypischer Beschreibung von Naturphänomenen,
sondern eher als gesangliche Eigenart, vergleichbar höchstens dem bayerischen
Jodler. Ihren Gesangsstil bettet sie in einen gefälligen Mix aus Pop und Jazz,
sodass
Assogatis
ausgesprochen gut hörbar ist, wie man es von skandinavischen Kolleginnen wie
Silje Nergaard kennt, ein Rezept, das auch die finnische Samin Angelin Tytöt
bereits vor Jahren erfolgreich angewendet hat. Elemente jazziger Pianobarmusik
geben
Assogatis
aber einen charmanten Anstrich von Eleganz, der sich von den eher rustikalen,
bodenständigen Werken ihrer samischen Kolleginnen abhebt. Die ewigen Weiten am
Nordkap zeigen sich sozusagen im Abendkleid. Ganz neue, breitere Hörerschichten
tun sich der samischen Musik dadurch auf – was sich für Sofia Jannok nach
einem Riesenerfolg auf der WOMEX denn nun auch international abzeichnet.
Chris Elstrodt
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KAL
Radio Romanista
(Asphalt Tango Records ATR 2009/Indigo, www.indigo.de
14 Tracks, 44:38
Bereits zum Debüt der Gypsyband Kal vor drei Jahren ging ein Raunen durch die
Szene. Gelang es dem serbischen Projekt um Dragan Ristic doch, die Traditionen
der Vorväter in ein urbanes Gewand zu kleiden, das weder aufgesetzt noch
abgestanden war, sondern frisch und voller Leichtigkeit Einflüsse aus Jazz,
Down- und Uptempobeats, Rock und elektronischen Klängen ins Heute zu
transformieren verstand. Mit diesem Erfolgsrezept tourte die kleine Band dann
augenblicklich um die ganze Welt, sodass sie erst jetzt ihr zweites Album
vorlegt. 14 Songs in gewohntem Rock-’n’-Roma-Stil, mal spritzig, mal
gypsytypisch sentimental klagend. Und nicht nur musikalische Substanz habe das
Album, wie die Band unterstreicht. Schließlich sei kaum ein Volk mit mehr
Klischees und Vorurteilen behaftet als das der Sinti und Roma. „Wenn ihr von mir
Musik erwartet, weil ich eben eine Roma bin, wundert euch nicht, wenn an diese
Musik Botschaften geknüpft sind“, heißt es zur Veröffentlichung des Albums.
Leider dürften sich die Texte hierzulande nur in ihren wenigen englischen Teilen
erschließen, doch musikalisch hat das Album das Potenzial, die Balkanpartys auch
dieses Jahr wieder weltweit zum Grooven zu bringen.
Claudia Frenzel
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LEVELLERS
Letters From The Underground
(Skycap CAP 057/Rough Trade, www.roughtrade.de)
11 Tracks, 35:38, mit engl. Texten
Es ist erstaunlich! Gute zwanzig Jahre gibt es diese Band aus Brighton schon und
ihre Power, Wut und Leidenschaft scheint unendlich. Die Levellers schrieben nie
einfach ein paar nette Songs und sie schwenken auch jetzt nicht auf Friede,
Freude, Eierkuchen. Die sechs Herren hauen uns Wahrheiten wie „We’re complicit
in our negligence of all those holocausts“ hart um die Ohren, da ist es erst
einmal zweitrangig, ob man den Holocaust im Plural benutzen sollte. Immer noch
höchst (gesellschafts-)politisch, packen die Levellers ihre Statements in nicht
gerade unattraktive Melodien. Rock und Punk sind die hauptsächlichen Einflüsse,
aber auch die Folkvorliebe zieht sich nicht nur wegen Fiddle und Mandoline,
sondern auch wegen der Strukturen durch die meisten Stücke. Und der Produzent
ist in der Szene ebenfalls kein Unbekannter: Sean Lakeman aus der Grafschaft
Devon. Generell jedoch redet den Levellers keiner rein: Eigene Songs im eigenen
Studio auf eigenem Label – das ist die optimale künstlerische Kontrolle.
Von dieser Sorte Musiker können wir gar nicht genug haben.
Mike Kamp
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MISSINCAT
Back On My Feet
(Revolver Distribution Service RDSCD005/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
12 Tracks, 33:36, Booklet mit Texten
Ein Soundtrack für den Frühling! Caterina Barbieri ist MissinCat. Die in Berlin
lebende Italienerin hat ihre Band Vertigini verlassen, um ihr Soloprojekt
voranzutreiben. Das erste Album
Back On My Feet
ist im Februar erschienen. Sie hat alle Texte selbst geschrieben, auf Englisch,
alle Musik selbst komponiert, und nachdem sie als Vorband von Amy Winehouse
positive Kritiken ernten konnte, ging sie ins Studio, um ihre Stücke selbst zu
produzieren. Als Vorbilder nennt sie unter anderem Fiona Apple, Elliott Smith,
Cat Stevens, Sigur Ros und Susanne Vega. Cat Power und Kimya Dawson kann man
aber auch heraushören. Es geht um Persönliches, um Gefühle, denen MissinCat vor
allem durch Schlichtheit Tiefe verleiht. Überhaupt ist ihr Motto „Weniger ist
mehr“ – und so sind die meisten Stücke vor allem für ihre Stimme und ihre
Gitarre arrangiert. Ein Glockenspiel gibt es dazu und ein Cello, sowie natürlich
Perkussion. Aber sie erfüllen vor allem eine Aufgabe: einen sanften Klangteppich
legen. Das ganze Album ist eingängig, vielleicht auch ein bisschen naiv, aber
keinesfalls oberflächlich.
Sarah Habegger
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PETE MORTON
Casa Abierta – Ten Songs In Different Tongues, Volume One
(Further Records FRCD002, www.petemorton.com)
10 Tracks, 45:59, mit engl. Infos und originalsprachl./engl. Texten
Tolle Idee, und dem Titel entsprechend darf mit Fortsetzung gerechnet werden.
Der englische Singer/Songwriter singt traditionelle oder zeitgenössische Lieder
in Sprachen wie Spanisch, Persisch, Französisch oder Swaheli. Das ist
bemerkenswert, wenn man die verständliche Faulheit der Engländer beim Lernen von
Fremdsprachen kennt. Warum sollten sie auch, Englisch spricht doch eh jeder.
Etwas anders ist der Fall bei Pete Morton gelagert, dem sind die Lieder
angeblich bei seinen Reisen in den Schoß gefallen, sie haben ihn trotz fremder
Sprache sofort angesprochen. Aus unserem Land hat es das plattdeutsche „Dat du
mien Leevsten büst“ in sein Herz geschafft. Und was Morton mit seiner kräftigen
Stimme und einer abwechslungsreichen, aber dezenten Begleitung erreicht, sind
eine erstaunlich hohe Glaubwürdigkeit und ein sehr persönlicher Stempel, den er
den Liedern aufdrückt. Und nie ohne das Morton’sche Augenzwinkern: Sein
bekanntestes Stück „Another Train“, ist auch vertreten – aber in
walisischer Übersetzung als „TrenArall“. Wer noch bei der Kaufentscheidung
schwankt: Zwei englische Pfund vom Preis des Albums gehen an den Gambian Schools
Trust. Das Geld ist so oder so gut angelegt.
Mike Kamp
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ONE BAR TOWN
Steal, Nick & Borrow
(Viking Wreck Chords VW128/NMD New Music Distribution, www.new-music-distribution.de)
13 Tracks, 50:48
Fünf Jahre hat die deutsch-dänische Americana-Referenzklasse warten lassen, doch
das bange Hoffen wurde belohnt: One Bar Town sind auf ihrem vierten Album
Steal, Nick & Borrow
immer noch eine gelungene Schnittstelle zwischen Country und Rock. Neu ist ein
ungewohnter Mainstreameinschlag. Viele Songs haben Hitpotenzial, im Einzelfall
ist sogar das Etikett „Pop“ zutreffend. Das bedeutet eine besonders gute
Hörbarkeit der Songs – vom Kommerz sind die Jungs um Kent Nielsen aber
weiterhin Lichtjahre entfernt. Die Songtexte – auf die man im Booklet
leider verzichtete – sind niederschmetternd. Sollte auch nur die Hälfte
der Lieder über Alkohol, Gewalt und gebrochene Herzen aufgrund persönlicher
Erfahrungen entstanden sein, wäre es ein Wunder, dass die Band heute noch lebt.
Der Kontrast ist atemberaubend: Die Musik, leicht hörbar wie noch nie,
wundervoll swingend und gute Laune verbreitend, verbindet sich mit Lyrics, die
wie ein Faustschlag im Magen wirken und nur allzu sehr an die eigenen Wunden
erinnern. Soll man dazu lachen und tanzen oder verbittert in der Ecke sitzen und
den Verlauf der Welt verfluchen? Empfehlung:
Steal, Nick & Borrow
noch mal hören. Und noch mal. Und noch mal.
Chris Elstrodt
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AIDAN O’ROURKE
An Tobar
(Navigator Records NAVIGATOR 24/Rough Trade, www.navigatorrecords.co.uk)
5 Tracks, 42:03
CATRIONA McKAY
Starfish
(Glimster Records glimcd 02, www.catrionamckay.co.uk)
10 Tracks, 45:33, mit engl. Infos
Aidan O’Rourke und Catriona McKay haben vieles gemeinsam. Beide zählen zu den
jungen, innovativen, schottischen Musikern, beide beherrschen ihr Instrument mit
traumhafter Sicherheit, er die Fiddle, sie die Harfe, speziell nach ihrer
Vorstellung angefertigt. Beide haben die traditionelle Musik sozusagen von der
Pike auf erlernt, komponieren heute auf dieser Grundlage neue Melodien. Und
beide haben ihr jeweils erstes Album in Eigenregie aufgenommen. Er spielt unter
anderem bei Lau, sie unter anderem bei Fiddlers Bid und auch auf O’Rourkes
Album. Überhaupt haben sich beide die Dienste profilierter Kollegen gesichert.
Blendende Voraussetzungen also für Lobeshymnen aus der Feder des Rezensenten.
Und warum kommt dann die Musik des einen Albums nur ein wenig, und die des
anderen gar nicht an ihn ran? Womöglich wegen der weiteren Gemeinsamkeiten:
Beide Alben sind rein instrumental, die Musik, na ja, sagen wir mal innovativ,
beide arbeiten stark mit Jazzelementen. Catriona McKays Musik besitzt noch am
ehesten das, was wir im Folk unter Struktur verstehen, und siehe da, zum Teil
kann man der Dame tatsächlich folgen. Oder liegt es daran, dass sie mir mit den
Infos zu jedem Stück einen kleinen Kompass an die Hand gibt? Aber auch bei ihr
fragt man sich gelegentlich – bei O’Rourke fast immer: Was will mir die
Künstlerin, was will mir der Künstler damit sagen? Am musikalischen Können
kann’s nicht liegen, Hörerinnen mit anders justierten Ohren werden womöglich
deutlich begeisterter sein. Sie sollten aber auch offen für musikalische
Unkonventionalitäten vieler Arten sein.
Mike Kamp
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SYLVARNES/VANGEN
Kong Ring
(Sylvarnes Forlag SFSPCD 072, www.roarvangen.com)
11 Tracks, 42:21, mit knappen engl. und norw. Infos
Die beiden Norweger verbinden auf diesem reinen Instrumentalalbum sehr Altes und
sehr Neues. Odd Sylvarnes Lund spielt Bockshorn, genauer ein aus einem solchen
gefertigtes Blasinstrument, zweifellos eines der ältesten Instrumente der
Menschheit überhaupt; außerdem spielt er diverse Flöten und Mundorgel. Roar
Vangen begleitet ihn auf sechs- und zwölfsaitiger sowie elektrischer Gitarre.
Die elf Stücke greifen eine Vielfalt von Einflüssen auf, das Bockshorn klingt
ein wenig wie eine Klarinette, vor allem aber einsam – selbst bei der
fröhlichsten Polska. Unter eher nichtssagenden Titeln wie „Frei“ oder „Rund und
rund“ verstecken sich melancholische Partien, militärische Wecksignale,
Passagen, die sich an französische Musette anzulehnen scheinen. Norwegens
bekanntester Komponist Edvard Grieg ist mit „In der Halle des Bergkönigs“ ebenso
vertreten wie eine Klangfolge, die geradezu sakral und choralhaft wirkt. Das
alles aber mit dem ganz eigenen Klang des uralten Bockshorns, ein Album also,
auf dem ungeheuer viel los ist, ein ganz besonderes Hörerlebnis und durch die
Reichhaltigkeit der verarbeiteten Einflüsse nicht nur etwas für eingefleischte
Fans norwegischer traditioneller Musik.
Gabriele Haefs
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TRIO THG
Tungen Ud Ad Vinduet
(GO’ Danish Folk Music GO0808, www.gofolk.dk)
10 Tracks, 36:28, mit kurzem Info
Die dänischen Folkmusiker werden vom rührigen Label GO’ unterstützt, in immer
wieder neuen Formationen die Möglichkeiten der traditionellen Musik auszutesten.
Die Zunge aus dem Fenster, die sich einem beim Öffnen des Digipacks
entgegenstreckt, ist ein Pendant zur spielerischen Einstellung dieser drei
Musiker aus der jungen dänischen Folkszene, die unter anderem in den Gruppen
Zar, Habbadám und Basco spielen: Andreas Tophøj, Sigurd Hockings und Michael
Graubæk. In einer minimalen, aber idealen Besetzung mit zwei Geigen und Gitarre
haben sie sich auf ihrem Debüt speziell die traditionellen dänischen, keltischen
und englischen Fiddlestile vorgenommen. Das Album enthält vier eigene und sechs
traditionelle Melodien. Das geht vom dissonanten Schabernack in „Rubjerg“
(„Mittelohrentzündung“) bis zu „Thomsens Slædetur“, etwas über einen Grönländer
auf dänischem Glatteis. „5/8/Tag Doctor" (Danke Dr. H. Haugaard) ist eine
Verbeugung vor ihrem berühmten Lehrmeister, dessen Stil sie ziemlich beeinflusst
hat. Die lustigen Verpackungen sollen aber bei allem Übermut und aller
gelegentlichen Schnelligkeit nicht über die virtuose, mitreißende Spielweise des
Trios hinwegtäuschen.
Bernd Künzer
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