back Rezensionen NORDAMERIKA


JONATHA BROOKE
The Works

(Bad Dog Records BDR 60808, www.jonathabrooke.com)
13 Tracks, 47:50, mit engl. Texten u. Infos

„So when you’re giving millions to Belgian, Pole, and Serb / Remember my beautiful lady, madonna on the curb“ – alles drin in Woody Guthries Texten: Mitmenschlichkeit, Sozialkritik, Weltpolitik. Der eine oder andere schräge Aspekt – Amerika zuerst! – dazu. Und offenbar selbst das ewig Weibliche, wie das erste volle Album neuvertonter Guthrie-Originaltexte von Frauenhand nun zeigt, dass Singer/Songwriterin Jonatha Brooke aus Illinois gerade vorgelegt hat. Sie hat aus den rund 2.500 Texten, die in der Woody Guthrie Foundation auf ihre musikalische Wiedererschließung warten, vor allem persönlich private gepickt, Betrachtungen des Lebens, der Liebe, der Lust. Die goss sie mit dem Mixer der Superstars, Bob Clearmountain, und einer erstklassigen Band sowie hochkarätigen Gästen wie Keb’ Mo’, Greg Leisz und Mitchell Froom in ein rundum gefälliges Album klassischen amerikanischen Singer/Songwriter-Folkpops. Der vermag in seinen zaghaft überschwänglicheren Momenten („More True Lovers Than One“, Duett mit Eric Bazilian) ebenso zu berühren wie in den besonders besinnlichen („New Star“). Manchmal wünscht man sich alles ein bisschen kantiger – aber dafür gibt’s ja die Welt, dem es entsprang ...

Christian Beck

 

JONATHA BROOKE – The Works


ERIC CARLSON
The Ship In The Sky

(Canyon Kitchen Records, www.myspace.com/theshipinthesky)
Promo-CD, 10 Tracks, 44:06

Santa Fe – da denken wir an staubige Straßen, blaue Bohnen, harte Kerle. Und dann kommt mit diesem Eric Carlson ein Typ daher, der so ganz anders wirkt und eine behutsame Mischung aus Folk und Bluegrass präsentiert. Außerdem ziehen sich Lieder über Schiffe und Seefahrt als roter Faden durch sein Album, obwohl er doch in dieser wüsten Landschaft des nördlichen New Mexico lebt. Aber halt! Carlson stammt nicht von dort, sondern aus Neuengland und mag so manches mitgebracht haben. Oder liegen Wüste und Meer mental gar nicht so weit auseinander? Carlson sieht tatsächlich keinen Gegensatz, und in „Across The Canyon“ singt er seiner Wahlheimat ein Loblied, verziert von schmachtender Fiddle. Eröffnet wird das Album aus Eigenkompositionen und traditionellen Stücken mit dem Bob-Dylan-Klassiker „When The Ship Comes In“, gekleidet in ein gefälliges, luftiges Gewand. Überhaupt bevorzugt der Mann mit der sanften Stimme die entspannte Gangart, was zeitweise zu zahm wirkt. Alle Protagonisten an Gitarre, Violine, Mandoline, Bass und Dobro stammen aus der lokalen Musikszene Santa Fes, in die hineinzuschnuppern hier Gelegenheit gegeben wird. Durch die Wüste mit Carlson – ach, nett isses insgesamt schon ...

Volker Dick

 

ERIC CARLSON – The Ship In The Sky


DIVERSE
Rich Man’s War – New Blues & Roots Songs Of Peace And Protest

(Ruf Records RUF 1144/in-akustik, www.in-akustik.com)
12 Tracks, 51:59, mit knappen engl. Infos

Man könnte meinen, nach der Wahl Barack Obamas zum nächsten US-Präsidenten komme Rich Man’s War zu spät. Doch der Kampf für ein „anderes“ Amerika ist mit Obamas Sieg nicht gewonnen. Die zwölf hier zusammengestellten Songs – es hätten ruhig mehr sein können – sind daher auch eine Mahnung für den neuen Präsidenten, seine Versprechen nicht zu vergessen, in denen von grundsätzlichem Wandel die Rede war. Die musikalische Besonderheit des Samplers ist, dass er sich – abgesehen von zwei Ausflügen in Bluegrassgefilde mit Norman und Nancy Blake sowie in politische (Folk-)Satire mit Roy Zimmerman – um Musik aus dem Bluesgenre dreht. Und das verbindet man nicht sofort mit Protestsongs. Hier jedoch ziehen Bob Brozman, Candye Kane, Eddy „The Chief“ Clearwater und Doug McLoud und andere eine ernüchternde Bilanz der vergangenen Jahre, verbunden mit der Forderung nach Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Etwas Wasser allerdings muss doch in den Wein dieser schönen und aktuellen Zusammenstellung gegossen werden: Ein Booklet mit praktisch null Informationen über die beteiligten Künstlerinnen und Künstler und ohne Texte ist angesichts der Thematik und dem damit verbundenen Anspruch eine Zumutung.

Michael Kleff

 

DIVERSE – Rich Man’s War


DIVERSE
Roll Your Moneymaker – Early Black Rock ’n’ Roll 1948-1958

(Trikont US-0392/Indigo, www.indigo.de)
24 Tracks, 62:03, mit ausführlichen dt./engl. Infos

Ein Knaller nach dem anderen! Großartige Songs der Gründerväter und -mütter der Popmusik: energiegeladen, roh, voller sexueller Anspielungen, Tresenwitze und sonstigen Unkorrektheiten. „Kiss me right and I feel a glow / But if there isn’t any glow, you have to go“, ordnet Ruth Brown an. Joe Tex albert in einer Parodie auf „Fever“ herum. „You Give Me Pneumonia“, klagt er, während Ike Turner wegen Unterkühlung zum Arzt muss: „Your kisses freezes my blood, causes my heart to stopp.“ Auch alle anderen großen Namen sind dabei: Chuck Berry, Etta James, Bo Diddley, Rufus Thomas, Howlin’ Wolf. Doch wurden die wohlbekannten Titel, die keiner von uns mehr hören mag, erfreulicherweise konsequent weggelassen. Stattdessen holt Jonathan Fischer Songs aus der Versenkung hervor, die dort völlig unbegreiflicher- und unverdienterweise Jahrzehnte verschwunden waren. Musikalisch ist das alles erfreulich abwechslungsreich, statt ständigem Klaviergeklimper und immergleichen Saxofonsoli im Boogierhytmus kann man sich auch mal an ausgelassenem Orgelgejaule (Bill Davis Trio) oder irrsinnigem Tempo (Magic Sam) erfreuen. Für Kenner des Rhythm and Blues ein Muss, für Neulinge eine geeignete Einstiegsdroge.

Gunnar Geller

 

DIVERSE – Roll Your Moneymaker


BOB DYLAN
The Bootleg Series 8: Tell Tale Signs – Rare And Unreleased 1989-2006

(Columbia 88697357952/Sony BMG, www.sonybmg.de)
Do-CD, 27 Tracks, 137:06, mit ausführlichen engl. Infos

Niemand variiert wie Bob Dylan sein Material im Entstehen wie danach. Tell Tale Signs zeigt dies erneut mit Alternativversionen, Outtakes, Livetakes und einigen versprengten Veröffentlichungen der Zeit von Oh Mercy bis Modern Times - etliches davon in dieser Form, einiges bisher gänzlich unveröffentlicht. Unverzichtbar ist Dylans letzter großer Song, „’Cross The Green Mountain“ aus dem Soundtrack zu Gods And Generals , grandios die Interpretation von Robert Johnsons „32-20 Blues“ – so griffig und packend wie die gesamte World Gone Wrong , auf die er es nicht schaffte. Etwas weniger essenziell zwei weitere Soundtrackbeiträge und vier bisher unveröffentlichte Dylan-Originale, für Geringere wohl sichere Meisterwerke, für Dylan eher Fingerübungen. Erhellend die vom Produzenten unbeeinträchtigten Demos und Alternativtakes der Daniel-Lanois-Alben Oh Mercy und Time Out Of Mind , simpler als die bisher bekannten Versionen, echter. Und sehr unschön die Vermarktung mit Doppel- und Dreieralbum – letzteres für rund hundert Euro! Der Höhepunkt der gesamten Veröffentlichung, das Traditional „Duncan And Brady“ in kraftvoll-fetter David-Bromberg-Produktion plus ein weiterer toller World-Gone-Wrong- Outtake natürlich auf Scheibe 3 ...

Christian Beck

 

BOB DYLAN – The Bootleg Series 8


ARLO GUTHRIE WITH THE DILLARDS
32¢ Postage Due

(Rising Son Records RSR 1127, www.risingsonrecords.com)
13 Tracks, 46:13

Wer Arlo Guthries versprengte Interpretationen der Songs seines Vaters Woody kennt, hat sich dieses Album schon immer gewünscht. Es gibt von Arlo und Familie zwar das Kinderliederalbum Woody’s 20 Grow Big Songs , aber die Klassiker von „Do Re Mi“ bis „Pastures Of Plenty“ gab es bislang nur auf diverse Platten verstreut. Als vor etwa zehn Jahren die US-Post eine Woody-Sondermarke herausbrachte, nahm das Arlo zum Anlass, die Lücke mit den ausgebufften Dillards im Studio zu schließen. Dass sie viel Spaß dabei hatten, hört man den Aufnahmen an – dass diese überhaupt erscheinen konnten, ist neuen technischen Entwicklungen zu danken, die eine Auswertung der seinerzeit nicht korrekt synchronisierten A-Dat-Aufnahmegeräte jetzt doch noch erlauben. Das resultierende Album hat eher Live- denn Studiocharakter. Die Klangtransparenz lässt gelegentlich zu wünschen übrig, aber dafür kommen die unbändige Spielfreude und der Spaß rüber, den die Musiker im Studio hatten. Wer Arlos Son Of The Wind mit Aufnahmen alter Cowboy-Songs mochte, der wird den Countrycharakter mit Bluegrasseinschlag von 32¢ Postage Due lieben – zumal dieser bestens zu den Melodien passt, die Woody gerne besagten Genres entlieh.

Ulrich Joosten

 

ARLO GUTHRIE WITH THE DILLARDS – 32¢ Postage Due


ROD MACDONALD
This One

(Brambus Records 200840-2/H'Art Musik Vertrieb, www.hart.de)
16 Tracks, 65:45, mit engl. Texten

Der Sechzigjährige war nie ein politischer Aktivist, aber immer ein kritischer Beobachter der Umwelt. Seine Eindrücke drückt er einfühlsam, aber auch mit angemessenem Biss aus. Auf This One finden sich neben neuen Songs auch ältere Titel – von Produzent und Gitarrist J. P. Bowersock in ein einheitliches Konzept gebracht und begleitet von seinem langjährigen Bassisten Mark Dann, Gary Burke (Schlagzeug) und Bowersock sowie Gästen wie Jay Ungar (Geige), Ruth Ungar Merenda, Tracy Grammer und Penny Nichols, die für den feinen Harmoniegesang sorgen. Auf diesem musikalischen Teppich, der mal in Richtung Folk, mal in Richtung Country läuft, aber auch Platz für Rock und Pop hat, „erzählt“ MacDonald mit weicher, aber dennoch eindringlicher Stimme, seine Geschichten. Über Florida, wo man sich im Rhythmus des Regens lieben kann („Days Of Rain“), über den Herbst und den aufkommenden Winter („The Coming Of The Snow“), über die Geschichte der USA („White Buffalo“) und in „Stop The War“ auch über die Notwendigkeit, mit sich selbst Frieden zu schließen als Voraussetzung für Frieden in der Welt. Der Song von 1982 hat von seiner Aussagekraft nichts verloren. Singer/Songwriterkunst auf höchstem Niveau.

Michael Kleff

 

ROD MACDONALD – This One


TAJ MAHAL
Maestro

(Kan-du Records/Heads up International HUCD3164/in-akustik. www.in-akustik.com)
12 Tracks, 57:30, mit engl. Infos

Mein lieber Herr Bluesgesangsverein, marschiert „Scratch My Back“ zu Beginn dieses Albums ebenso muskulös wie entspannt in medias res! Nicht immer war der vor 67 Jahren in Harlem geborene Fels der „Black Music“ in den letzten Jahren so gut in Form wie im Moment. Und das, obwohl die Grundanlage Maestros – Gäste im Dutzend, alle Arten, wechselnd – eine normalerweise keineswegs günstige ist. Trotzdem haut es hin, die einzelnen Stücke wie das Gesamtbild, und der Höhepunkte sind nicht wirklich wenige dabei: abgedrehter Chicago Blues haargenau wie von Fleetwood Mac zu seligen Blue-Horizon-Zeiten mit der besten Band der Welt, Los Lobos („TV Mama“); flirrende Westafricana mit Toumani Diabaté und seiner Kora sowie Angélique Kidjo („Zanzibar“); satter Reggae von Ziggy Marley und Band („Black Man, Brown Man“) ebenso wie von Mahals eigener Phantom Blues Band mit Jack Johnson („Further On Down The Road“); entspannter funky New Orleans Gumbo mit einem New Orleans Social Club um Ivan Neville an der B3 („Hello Josephine“) und so weiter. Und wenn die Gäste sich mal nicht so in den Vordergrund drängen, legt ihr Gastgeber kurzerhand selbst ein paar Nummern hin, dass einem Hören und Sehen vergeht ...

Christian Beck

 

TAJ MAHAL – Maestro


KATY MOFFAT
Fewer Things

(Zeppelin Records ZCD001, www.katymoffatt.com)
11 Tracks, 41:31

Katy Moffatt könnte zur Gruppe jener Musiker gehören, die irgendwo in Malibu am Pool eines überdimensionierten Bungalows liegen und angenehm von dem leben, was ihnen einige Jahre erfolgreichen Schaffens unter dem Dach eines Majorlabels eingebracht haben. Ende der Siebzigerjahre war sie bei einem solchen Major unter Vertrag und auf dem besten Weg so etwas wie ein Country-Popstar zu werden. Doch dann besann sich die Texanerin auf das, was sie eigentlich immer singen wollte: Kurzgeschichten mit Tiefgang. Diese interpretiert sie mit bewundernswerter Leidenschaft und in einem ganz und gar unverwechselbaren Stil. Fewer Things heißt ihr neues Album, ihr siebzehntes! Es ist eine ruhige Angelegenheit, Lieder die zum Zuhören und Nachdenken auffordern, dargeboten von einer Katy Moffatt, deren Stimme stellenweise etwas müde klingt, nicht mehr ganz so kraftstrotzend, doch kein bisschen weniger gut – vielleicht sogar interessanter denn je. Fünf der elf Songs hat sie in Zusammenarbeit mit Kollegen selbst geschrieben, die übrigen fügen sich geschmackvoll in das Werk ein. Der Gitarrist Andrew Hardin zeichnete als Produzent des Longplayers verantwortlich, den man derzeit nur über die Katy-Moffatt-Website beziehen kann.

Markus Dehm

 

KATY MOFFAT – Fewer Things


LUCINDA WILLIAMS
Little Honey

(Lost Highway/Universal 06025 1774173, www.universal-music.de)
Promo-CD, 13 Tracks

Erstmals in ihrer über dreißigjährigen Karriere mit nun gerade mal neun Studioalben hat Lucinda Williams nur ein gutes Jahr für ein neues Album gebraucht. Es ist ein Album mit einigen Facetten. Da sind die nahezu statisch in der Luft stehenden Meditationen vom Schlage „Knowing“, „Rarity“, auch „Little Rock Star“ – gut so: Sie sind nicht nur ihr Markenzeichen, sondern auch ihr Alleinstellungsmerkmal. Niemand klagt bei allem Schmerz so zart und so verletzlich, weckt beim Hörer so unwiderstehlich Mitgefühl. Da ist Country, ja Country-Kabarett wie das, wenn auch gewollt, so doch immer noch ziemlich alberne „Jailhouse-Tears“-Duett mit Elvis Costello – platteste Gute-Frau/Böser-Mann-Klischees, gähn. Und da sind die Rocker, inklusive AC/DC-Cover „It’s A Long Way To The Top“. Erfreulich, dass die 55-Jährige – offenbar zur Abwechslung auch noch einmal stabil liiert, mit ihrem neuen Manager, Gott hilf ihr – auch noch einmal Lust bekommen hat, in die Saiten zu hauen und zu röhren wie ein brünftiger Hirsch. Allein – das können viele andere auch. Woran man sieht, dass die Vielfalt auch ein Zeichen für Unentschiedenheit, ja, Indifferenz zu sein scheint. Weniger ist manchmal eben tatsächlich mehr ...

Christian Beck

 

LUCINDA WILLIAMS – Little Honey

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