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A FILETTA
Bracanà
(Deda DED 45410004/Harmonia Mundi, www.harmoniamundi.com)
14 Tracks, 51:27, mit Originaltexten u. franz./ital. Infos
A Filetta – zu Deutsch „Farn“ – zählt seit drei Jahrzehnten zu den
herausragenden Ensembles der korsischen Musikszene. Im Prinzip ist das Septett
um Gründer Jean-Claude Aquaviva der Gegenentwurf zu I Muvrini, der international
erfolgreichsten Band der „Insel der Schönheit“. Während jene sich – ganz
bewusst – immer weiter in Richtung Mainstream-Ethnopop bewegt hat, ist A
Filetta noch archaischer, noch strikter in der Umsetzung und Interpretation
neuer und traditioneller polyfoner Gesänge geworden. Instrumente sind gänzlich
verschwunden, die Macht der unvergleichlichen Männerstimmen ist das Maß aller
Dinge. Fast alle Kompositionen stammen von Aquaviva, die „schweren“, bitteren,
bewegenden Texte – korsisch, lateinisch oder, neu, georgisch – haben
sehr unterschiedliche Urheber: Einige wenige sind traditionell oder der
christlichen Liturgie („Dies Irae“, „Benedictus“) entnommen, andere
zeitgenössisch (eine Meditation Primo Levis) oder antik (Auszug aus einem Epos’
Senecas). Ergreifend und wahrlich schmerzlich das letzte Stück „Treblinka“.
Diese Form höchster Vokalkunst ist nichts zum Nebenbeihören, aber ein
unvergleichliches Hörerlebnis!
Roland Schmitt
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AMPIABA
Going Back To Aného
(Eigenverlag LJCD001/Morerecords, www.myspace.com/ampiaba)
10 Tracks, 38:18
Ampiaba sind vor allem Judith Sodji aus Togo und Lasse Javala aus Finnland.
Going Back To Aného
ist ihr erstes Album – ein außergewöhnliches. Der Mix aus
westafrikanischer Weltmusik und finnischem Blues-Swing erstaunt nicht nur, weil
Judith Sodjis Gesang unsauber und direkt ist, sondern auch weil Gitarre,
Marimba, Orgel, Congas und Saxofon miteinander spielen, als sei es genau so
schon immer gedacht gewesen. Kennengelernt haben sich Sodji und Javala in
Benin, sie heirateten und gingen gemeinsam in Javalas Heimatland. Sie arbeiten
gemeinsam an ihren Stücken, meistens ist jedoch Judith Sodji für die Texte und
Lasse Javala für die Musik zuständig. Sodjis Sprache ist hauptsächlich Mina,
manchmal auch Französisch. Leider wurde auf ein Booklet verzichtet, sodass die
erzählten Geschichten von der gemeinen europäischen Bevölkerung nur dann
verstanden werden können, wenn ausnahmsweise Javala auf Englisch singt. Zum
Beispiel in „Sodabi“, bei dem es sich um ein sehr starkes alkoholisches Getränk
– „as strong as a hero can be“ – handeln muss, denn es hindert den
Erzähler an seinen Plänen, sich mit eigenem Land selbständig zu machen. Die
Spielfreude erreicht den Hörer aber auch ohne Texte.
Sarah Habegger
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BANDABARDÒ
Ottavio
(OTRlive OTR 30/ZYX, www.zyx.de)
14 Tracks, 47:16, mit Texten + DVD mit Infos über die CD
Bandabardò-CDs zeichnen sich durch viel Liebe zum Detail aus, sowohl was die
aufwendigen Verpackungen und Booklets angeht, als auch die Musik. Dieses Mal
entführt uns das Musikerkollektiv in ein magisches Theater, wo die Band die
Geschichte von Ottavio aufführt – von der Geburt bis zur Widergeburt.
Ottavio, der Liebende der Commedia dell’Arte, ist ein Wunschkind. Freudengesänge
auf Italienisch, Neapolitanisch und Französisch dringen als erstes an seine
Ohren. Im Hintergrund spielt die Band wie zu Hochzeiten des Italopops der
Fünfziger- und Sechzigerjahre. Doch Ottavio muss später auch schwierige Zeiten
überstehen. „La Mauvaise Réputation“, ein Lied aus der Feder von Georges
Brassens, zeigt, was einen erwartet, wenn man nicht den Weg der Mehrheit geht.
Bandabardò wären aber nicht die fröhlichen Weltverbesserer mit Tiefgang, würden
sie ihrem
Ottavio
nicht zum Happyend verhelfen. Bis ihr Held das große Liebesglück findet,
präsentieren uns die Zeremonienmeister eine Revue nostalgisch angehauchter
Musik, vom Chanson über Italopop und -rock bis zum Western Swing. All diese
Beigaben hat das Sextett mit feiner Klinge und einem guten Gespür für die
richtigen Zutaten angerichtet.
Martin Steiner
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BELLOWHEAD
Matachin
(Navigator Records NAVIGATOR17X/Rough Trade, www.roughtrade.de)
13 Tracks, 52:03, mit engl. Infos u. Texten
Das ist der Zweitling der zehn Herren und einen Dame aus England mit den zwanzig
Instrumenten und den ungewöhnlichen traditionellen Songs. Im Gegensatz zum Debüt
findet der Rezensent bei einigen Tracks allerdings keinen richtigen Zugang.
Woran kann das liegen? Vielleicht sind ein paar Stücke überarrangiert –
manchmal kann es des Guten auch zu viel sein. Ein Beispiel sind die ersten
beiden Songs, von denen der Shanty „Roll Her Down The Bay“ kaum mehr als solcher
rüberkommt. Wenn Bellowhead jedoch in voller, stimmiger Fahrt sind –
„Whiskey Is The Life Of Man“ ist ein Beispiel dafür -, dann hält sie nichts und
niemand auf. Und es gilt durchgehend: Bellowhead sind vielschichtig, vielseitig
und sicherlich einzigartig. Zwei der Songs stammen übrigens aus dem Schaffen des
verstorbenen Peter Bellamy. Nicht von ungefähr, denn dessen exzentrischer
Gesangsstil diente Sänger Jon Boden als Inspiration, wobei sich Boden auf diesem
Album stimmlich deutlich zurücknimmt. Durchweg ist bei der Band auch ein
unterschwelliger Humor zu verspüren, musikalisch ebenso wie textlich bei den
Kommentaren. Offensichtlich nehmen Bellowhead sich und die Szene nicht allzu
ernst – und das ist gut so!
Mike Kamp
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THE BOTHY BAND
The Bothy Band
(Mulligan Records/Compass Records LUN CD3002/Green Linnet, www.greenlinnet.com)
14 Tracks, 47:43, mit Liner Notes von P. J. Curtis
MATT MOLLOY/PAUL BRADY/TOMMY PEOPLES
Molloy, Brady, Peoples
(Mulligan Records/Compass Records LUN CD3017/Green Linnet, www.greenlinnet.com)
15 Tracks, 35:57, mit original Liner Notes von Tony McMahon
KEVIN BURKE
If The Cap Fits
(Mulligan Records/Compass Records LUN CD3021/Green Linnet, www.greenlinnet.com)
8 Tracks, 38:51, mit neuen ausführlichen Liner Notes von Earle Hitchner
MARTIN O’CONNOR
The Connaughtman’s Rambles
(Mulligan Records/Compass Records LUN CD3027/Green Linnet, www.greenlinnet.com)
12 Tracks, 39:13, mit spärlichen Infos
Erfreulicherweise finden sich mehrere, zum Teil neu gemasterte
CD-Wiederveröffentlichungen des Mulligan-Labels aus den Siebzigerjahren ein. Ein
Meilenstein in der Geschichte des Revivals traditioneller irischer Musik war die
Bothy Band. Das bis heute unerreichte Lead-Instrumentalisten-Trio Paddy Keenan
(Uilleann Pipes), Matt Molloy (Concert Flute) & Tommy Peoples (Fiddle)
setzte sich zusammen mit dem 2007 verstorbenen Micheál O’Dhomhnaill (Gitarre,
Gesang), dessen Schwester Triona (Clavinet, Gesang) und Donal Lunny (Bouzouki)
mit dem Banddebüt
The Bothy Band
von 1975 großartig in Szene. Zwischen tiefer Melancholie und höchster
Lebensfreude changierten die furiosen, groovigen Instrumentals und die
spannungsreich arrangierten Balladen in gälischer Sprache. Mit dieser Mixtur
kreierte die Band eine völlig neue, mitreißende Musik, die ihr weltweit
historische Bedeutung und lebenslangen Ruhm einbrachte. Die Einheit von irischer
Identität, emotionaler Dichte, Finesse, Virtuosität und Tempo muss angesichts
des hörbaren Herzbluts und der sprühenden Musikbegeisterung der Bothy Band bis
heute als unerreicht angesehen werden.
Eine zweite Perle dieser Ära ist die von Matt Molloy und Tommy Peoples
eingespielte Sessionaufnahme, die zeigte, dass Flute und Fiddle zusammen mehr
sind als die Summe zweier Melodieinstrumente. Gegenseitiger musikalischer
Respekt, fantasievolles und variationsreiches Spiel sowie makellose Tune-Auswahl
erwiesen sich ebenfalls als eine wunderbare Mischung. Als Gitarrist war Paul
Brady geladen, dessen Impromptufähigkeiten in Sachen Gitarrenbegleitung damals
auf mehreren Produktionen zu hören waren. Der in England aufgewachsene Geiger
Kevin Burke löste Tommy Peoples bei der Bothy Band ab und spielte 1978 sein
zweites Soloalbum mit Unterstützung der damals ersten Liga irischer Musiker
ein.
If The Cap Fits
präsentiert Kevins markantes, swingendes Fiddlespiel, dessen Wurzeln in der
schnellen Musik des Countys Sligo und dem schönen Ton des Countys Clare liegen,
die vertretenen Tunes erlangten nachhaltige Popularität. Last not least Martin
O’Connor – auch er gründet seinen legendären Ruf auf die frühe Mitwirkung
in einer angesagten Band der Siebzigerjahre, in seinem Fall De Danann. Sein
Solodebüt lässt seine überschäumende, hoch verzierte Stilistik hören.
Interessant für Fans des irischen Button Accordeons.
Johannes Schiefner
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CANKISOU
Lé La
(Indies Scope Records MAM425-2, www.indies.eu)
Promo-CD, 11 Tracks, 49:16
Auch wenn der Name nicht so klingt – Cankisou kommen aus Tschechien. Dort
sind die sieben Herren wohl auch recht angesagt und als Partygaranten bekannt.
Ihre wilde Mischung aus groovenden und rockenden Worldsounds, die mal etwas nach
Australien klingen, mal nach dem arabischen Kulturkreis, mal nach afrikanischen
und indischen Einflüssen, bedient sich aber vor allem einer großen Portion
Balkanklänge und entspannt rollendem Rock. Auch leicht jazzige Töne schlagen
Cankisou an. Ihre globalen Inspirationen verdankt die Band ausgedehnten Reisen,
die Instrumentierung des vorliegenden vierten Originalalbums reicht von
Didgeridoo und Djembe über Yabbara, Darbuka, Jinagovi, Yarin, Flöten und
Percussion bis hin zu Saxofon, Mandolinen, Bass und Schlagzeug. Die Mischung,
die damit angerührt wird, ist gleichzeitig gewöhnungsbedürftig und lässt einen
auch wieder nicht los. Mal mischen sich Ethnoklänge und Rock schon fast zu
klischeehaft, dann überraschen Soundcollagen und Grooves, die Kopf und Beine
gleichermaßen fordern. Mit
Lé La
frönen Cankisou der Sprache und Kultur eines Fantasievolks und sie tun das mit
viel Freude und etwas Augenzwinkern – ein spannender Soundcocktail.
Claudia Frenzel
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MARY COUGHLAN
The House Of Ill Repute
(Westpark Music 87169/Indigo, www.indigo.de)
13 Tracks; 48:07; mit ausführlichen Infos und Texten
Das erste Mal lief Mary Coughlan dem Rezensenten in den späten Achtzigerjahren
über den Weg, als sie mit
Tired & Emotional
ihren Durchbruch feierte. Mit dem ihr eigenen merkwürdig spröden Charme konnte
sie sich jahrelang auf dem Level einer Insider-Kultpersönlichkeit halten. Ihr
vorliegendes neues Werk ist dagegen ein deutlicher musikalischer
Entwicklungsschritt. Coughlans rauchgeschwängerter Alt klingt prägnant und geht
unter die Haut. Da stehen an Tom Waits erinnernde Trash-Arrangements neben
schmeichelhaften Streichersätzen. Die Songauswahl enthält bemerkenswerte
Remakes verschiedener Komponisten, es kommen unter anderem sogar die Herren
Leiber & Stoller zu Wort, die man sonst eher aus der Rock-’n’-Roll-Ära
kennt. Ihre Ballade „Tango“, der Ausklang des Albums, ist ein wahres Kleinod.
Die Begleitmusikanten an Piano, Drums, Gitarre und Kontrabass liefern eine
solide, wohlgerundet klingende Grundlage – hier muss vor allem Produzent
Eric Visser, bekannt von der niederländischen Formation Flairck, hoch gelobt
werden. Er hat es verstanden, hochwertigste Arrangements zu schreiben, einige
sehr gute eigene Songs beizusteuern und alles musikalisch kongenial umzusetzen.
Sehr schön!
Johannes Schiefner
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KRIS DREVER/JOHN McCUSKER/RODDY WOOMBLE
Before The Ruin
(Navigator Records NAVIGATOR1/Rough Trade, www.roughtrade.de)
10 Tracks, 45:05, mit engl. Texten
JOHN McCUSKER
Yella Hoose/Goodnight Ginger
(Navigator Records NAVIGATOR7DCD/Rough Trade, www.roughtrade.de)
11 Tracks/12 Tracks, 52:03/51:17, mit engl. Infos
Für ein Supertrio startet
Before The Ruin
überraschend behäbig-swingend. Ja, Supertrio! Zumindest im schottischen Maßstab
muss der abgenutzte Superlativ erlaubt sein, wenn ein ehemaliger
Battlefield-Multiinstrumentalist (McCusker), ein aktueller Saitenchampion mit
Lau (Drever) und ein Indiepopsänger (Woomble) sich zusammentun. Und der
Einstieg täuscht denn auch. Hier sind drei Künstler, die auf einer Wellenlänge
arbeiten und das mit durchgängiger Koautorenschaft beweisen. Das Resultat passt
manchmal auf die großen Bühnen, ein, zwei mal sogar in die Charts, dann
wiederum auch in die Intimität eines kleinen Klubs. Die Zutaten: Folk,
vornehmlich McCuskers Domäne – nicht umsonst wurden seine zwei
bisherigen, ziemlich traditionellen Soloalben von 2000 und 2003 bei der
Gelegenheit auch gleich remixt und wiederaufgelegt -, dazu Pop, Indie oder Rock
der Steeleye-Span-Richtung. Hinzu kommen dem Status der Musiker entsprechend
illustre Gäste von Capercaillie bis Phil Cunningham. Aber der musikalische
Bastard funktioniert, es klingt gut, es passt, durchgehend modern mit tiefen
Wurzeln in der schottischen Tradition. Was will man mehr?
Mike Kamp
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KUMMERBUBEN
Liebi und anderi Verbräche
(Chop 071001, www.chop.ch)
15 Tracks, 56:57, mit Texten
Lange Zeit durfte man nicht offen dazu stehen, Schweizer Volksmusik zu hören.
„Das ist Musik für Ewiggestrige, Musik aus den Sümpfen der Rechtskonservativen“,
bekam man zu hören. Seit einigen Jahren versuchen Jazz- und Folkmusiker
inzwischen einer städtischen Bevölkerung die Schweizer Volksmusik näher zu
bringen. Bei jungen Musikhörern stößt der akademische, bewahrende Ansatz der
Musiker aber selten auf offene Ohren. Mehr Glück dürfte nun den Berner
Kummerbuben beschert sein. Endlich tönt eine Schweizer Volksmusikband frisch und
frech. Versetzt mit Ska, rumpelnden Polkas und einem guten Schuss Punk wirken
diese Lieder, als wären sie nicht von vorgestern, sondern direkt von dieser
jungen Band geschrieben. Simon Jäggis Stimme mahnt nicht nur an Tom Waits, vor
seinem Einstieg bei den Kummerbuben mimte er den Meister mit der heiseren Stimme
auch in einer Waits-Coverband. Seine Kumpels an Akkordeon, Bläsern, Gitarren,
Bass und Drums lassen die Volkslieder dampfen, überzeugen aber auch bei ruhigen
Stücken. Die Kummerbuben haben die Schweizer Volksmusik endlich vollständig
entstaubt. Dafür gebührt ihnen Dank.
Martin Steiner
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JUAN DE LERIDA
Quimeras
(Le Chant du Monde/Harmonia Mundi, www.hamoniamundi.com)
12 Tracks, 56:24, mit frz./engl./span. Infos
Der Franzose Juan de Lerida stammt aus einer Familie spanischer Emigranten, die
ihre Heimat zur Zeit des Franco-Regimes verließen. Musikalisch lässt der
vierzigjährige Flamencogitarrist auf seinem ersten Album keinen Zweifel daran
aufkommen, wo sein Herz zu Hause ist. Aber nicht nur Aragon ist hörbar, auch die
Begegnung mit der Musik eines weiten Europa ist präsent. Der Autodidakt –
man mag es kaum glauben – überrascht mit einer Originalität, die einen
stets wachen und lernfreudigen Geist vermuten lässt. Um Juan de Lerida schart
sich – im Flamenco ja nicht selten – eine Art Familienunternehmen:
Die meisten Mitmusiker sind mit ihm verwandt. „Spannend“ und „virtuos“ sind
Vokabeln, die der speziellen Fusion dieses kreativen Kopfes nur annähernd
gerecht werden. „Musik beschreibt mich besser als ich Musik beschreiben kann“,
sagt Juan de Lerida. Nehmen wir ihn beim Wort und schenken ihm Gehör. Das ist
gut verbrachte Zeit.
Rolf Beydemüller
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MIKAEL MARIN & MIA GUSTAFSSON
Mot Hagsätra
(Dimma Sweden DIS003, www.dimmaswe.com)
18 Tracks, 54:54, mit schwed./engl. Infos
Da haben sich zwei gefunden, im Leben und musikalisch, die sich fantastisch
ergänzen, aber auch gegenseitig herausfordern. Bei ihrem begeisternden Auftritt
in Korrö 2007 wurden sie zu ihrem ersten gemeinsamen Album als Duo animiert. Mia
Gustafsson (Geige) spielt unter anderem in den Gruppen n:id und Mattias Pérez
Trio, Mikael Marin (fünfsaitige Viola) unter anderem bei Väsen und Timber. Das
Album enthält neun Eigenkompositionen und neun traditionelle in eigenen
Arrangements. Melancholische Melodien wie „Gröna Visan“ und „Lasses Fina“ (nach
Lasse Sörlin, Jämtland) wechseln sich ab mit fröhlichen wie „Cajunvals“ –
siehe auch Youtube – und besonders dynamischen wie „Åkerbystålet“. Auch
eine Melodie aus einer deutschen Notensammlung aus dem 17. Jahrhundert ist dabei
(„Serra“). Zu allen Stücken gibt es – nette, wenn auch nicht essenzielle
Beigaben – kurze Erklärungen auf Schwedisch und Englisch: „Mot Hagsätra“
beschreibt eine U-Bahn-Fahrt bis zur Endstation in diesem Stadtteil im Süden
Stockholms. Das Zusammenspiel von Geige und Viola – meist als zweite
Stimme – ist von außergewöhnlicher Schönheit und Kraft. Selten gibt es so
viele so hinreißend gespielte Melodien auf einem Album.
Bernd Künzer
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MALINKY
Flower & Iron
(Greentrax Recordings CDTRAX330/Fenn Music Service, www.fenn-music.de)
12 Tracks, 58:40, mit engl. Texten u. Infos
MARK DUNLOP
Islands On The Moon
(Greentrax Recordings CDTRAX307/Fenn Music Service, www.fenn-music.de)
11 Tracks, 51:40, mit engl. Infos u. Texten
Das schottisch-irisch-nordenglische Quintett Malinky geht nicht aus Gewohnheit
ins Studio. Es muss schon den Drang verspüren. Das kann dauern, aber dann lohnt
es sich. Diesmal besonders, denn auf dem neuen Album hören wir die
wahrscheinlich besten Malinky aller Zeiten. Eine der raren Liedgruppen, gesegnet
mit drei außergewöhnlichen Stimmen: Fiona Hunter, die Verführerin; Steve Byrne,
mit so viel Soul in der Kehle; und Mark Dunlop, das nordirische Stimmkraftpaket.
Kein Wunder, dass letzterer gerade auch ein Soloalbum veröffentlicht hat,
produziert von Bandkollege Byrne: sparsam instrumentiert, natürlich Schwerpunkt
nordirische Lieder – überzeugend! Das Erstaunliche bei Malinky jedoch ist,
dass sie mit jedweden schottischen Instrumentalzauberern mithalten könnten, wenn
sie wollten. Kein Wunder bei einem Saitenrhythmustalent wie Dave Wood und dem
Fiddler James Vass, dessen Einsatz in jeder Hinsicht auf den Punkt ist. Als sei
Fiona Hunters Cello alleine nicht schon außergewöhnlich genug. „Drunken Drunk“
ist ein sehr gutes Beispiel für instrumentelle Exzellenz. Malinky – lange
mögen sie weiter so musizieren und besonders singen, als eine ganz spezielle
Band aus Schottland.
Mike Kamp
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TOM MCCONVILLE
Tommy On Song
(Tomcat Music TCCD07, www.tomcatmusic.com)
13 Tracks, 54:50, mit engl. Infos
Der Meisterfiddler und Sänger McConville aus Geordieland = Newcastle hat
mittlerweile dank Venne und zwei Touren auch in Deutschland einen guten Namen.
Das kann durch das neue Album nur zementiert werden. Das Konzept ist bekannt:
Songs, traditionell oder von Größen wie Allan Taylor oder Phil Ochs, und vor
allem die Tunes aus dem englischen und keltischen Bereich, alt und neu, immer
mit dem Augenmerk auf Stimmigkeit und hohe Qualität bei der Interpretation.
Bereits beim Einstieg wird das eindrucksvoll dokumentiert – erst der
Mark-Knopfler-Song „Why Aye Man“ mit Referenzen auf den River Tyne und das
Touren durch Deutschland, daran anschließend die druckvolle irische Tune
„Donegal Tinker“. Für diese Passagen hat McConville erneut die beiden richtigen
Leute an Bord: den Saitenspezi Aaron Jones und die Flötenfrau Claire Mann. Und
wenn der Irischstämmige mit dem für ihn typischen „Lilt“ – mit „Swing“ nur
unzureichend übersetzt – im Gesang einsteigt, geht nicht nur Keltenfans
das Herz auf. Sagen wir’s mal so:
Vintage McConville
! Je älter, desto besser.
Mike Kamp
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MUSICA NUDA
55/21
(Blue Note 509992137732 7/EMI, www.emi.de)
17 Tracks, 55:19, mit Texten
Die seltenen Augenblicke, in denen man sich beim ersten Hören eines Albums
begeistert an den Kopf fasst, haben wir oft dem Jazzlabel Blue Note zu
verdanken. Die aufregende Neuentdeckung Musica Nuda wurde von Blue Note France
verpflichtet. In Italien treffen eine Sängerin und ein Kontrabassist auf
seltsame Weise aufeinander: Petra Magoni plant eine Konzerttour mit einem
befreundeten Gitarristen. Dieser wird einen Tag vor Beginn der Tour krank.
Anstatt die Tour abzusagen, fragt sie den Bassisten der Gruppe Avion Travel,
Ferruccio Spinetti, ob er einspringen kann ... Der Rest ist Legende. Mittlerweile
brachte es das Duo unter dem Namen Musica Nuda zu mehreren Alben, einer DVD und
nun zu einem Majordeal. Warum aus der improvisierten Notlösung eine feste Größe
wurde, wird jedem nach dem ersten Durchlauf von
55/21
klar. Musica Nuda heißt in diesem Fall nicht „spärlich und spröde“, sondern
„seht mal, was wir alles aus einem Bass und einer Stimme herausholen können“.
Da wird es experimentell („Crocodail“), traditionell italienisch („Fronne“)
oder hoffnungslos romantisch („Io So Che Ti Amero“). Das Duo kann sogar „While
My Guitar Gently Weeps“ covern, ohne eine Spur peinlich zu wirken.
Chris Elstrodt
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NEGRITA
Dema Tu
(Iris Music IRIS 3001990/Harmonia Mundi, www.harmoniamundi.com)
12 Tracks, 53:37, mit franz./engl. Infos
Gleich die ersten Töne des Albums geben einen starken Eindruck von der großen,
facettenreichen Stimme dieser Romasängerin. Die Songs der Französin mit
spanischen Wurzeln sind von einer speziellen Gefühlsintensität. In Musik
gemünzte wechselvolle Lebenserfahrungen, etwa ein Autounfall, der sie ein Bein
kostete. Das erfährt man aus den Liner Notes, während im Verborgenen bleibt,
auch im Internet, woher sie stammt oder wo sie heute lebt. Negrita, die schon
als Youngster mit ihrem Bruder Boï Platten bei einem Majorlabel veröffentlichte,
scheint zu Hause unter den Roma Starstatus zu genießen. Künstlerisch durch alle
Niederungen gegangen, setzt sie ihre gesanglichen Kapazitäten mehr oder weniger
stilsicher ein: von Romaweisen über Flamenco und Gypsy-Rumba bis hin zu Salsa
und Kitschballaden. Letztere sind auf dem Album kaum zu finden. Die durchweg mit
ihrem Gitarristen Souno verfassten, mit (Flamenco-)Gitarre und Geige gestalteten
Songs tendieren zur eher getragenen Gangart, hier und da wird es balkanesk
flotter. Mit erhobenem Haupt würdevoll zelebrierte Klagelieder, in denen es um
Leid und Freud junger Romafrauen geht, um Mutterliebe oder um den Ehemann mit
amourösem Doppelleben ...
Katrin Wilke
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PHENOMDEN
Gangdalang
(One Ton ot-022-CD/One Nation/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
14 Tracks, 55:01, mit schweiz. Texten u. engl. Infos
Hopp Schwyz! Nach dem Zweitling als Phenom Melody ist Dennis Furrer aus Wiedikon
wieder zurück bei der Persona, mit der er vor vier Jahren debütierte. Gleich
geblieben ist die phänomenale Passform seines Schwyzerdütschs auf den
aufgeräumten Musterbastard aus Roots und Dancehall Reggae, den seine Band auf
Gangdalang
mit souveräner Lockerheit vorlegt. Dass sie deutlich unterschiedlich klingen,
das jamaikanische Patois der Originatoren und der Dialekt aus dem Alpenländle,
kann man sehr gut in „Vill Lüüt“ hören, wo Rebellion the Recaller aus Gambia
täuschend die Vorbilder imitiert und Phenomden mit seiner Variante munter
gegenhält. Aber der Charakter der Veranstaltung bleibt all den krachenden
„chrs“ zum Trotz der gleiche. Vielleicht ein bisschen freundlicher als bei
vielen der Kollegen: zivilisiert ist der Alltag, von dem erzählt wird,
unspektakulär; politische Korrektheit ergibt sich aus der wortreichen Hommage
an die „Chugle“, auf der wir leben, ohne dass sie groß gefordert werden müsste,
von selbst; und der Rest ist vor allem das alte Lied vom Jungen, der ein
Mädchen trifft und so weiter, wie überall sonst auf der Welt – wenn man
vom außergewöhnlichen Zungenschlag mal absieht ...
Christian Beck
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TITI ROBIN
Kali Sultana
(Naïve WN145166/Indigo, www.indigo.de)
Promo-Do-CD, 31 Tracks, 87:02
Titi Robin ist die Seele des Gipsy. Ob er zur Gitarre, Oud oder Bouzouki greift,
jederzeit ist er in der Lage, diese Sehnsucht zu erzeugen, die an Lagerfeuer und
verlassene Heimat erinnert, aber auch innere Ruhe und eine Art glücklicher
Schwermut erzeugt. Nach dreißig Jahren auf der Bühne und zahllosen
Plattenproduktionen veröffentlicht Robin nun einen weiteren Höhepunkt seiner
Laufbahn.
Kali Sultana
ist ein echtes Doppelalbum, komponiert wie ein Schauspiel. Es gibt Prolog,
Epilog, Intermezzo und sieben Akte. Und wie im Theater gibt es auch eine Pause,
nämlich beim Wechsel von CD eins auf CD zwei. Die zweite Hälfte öffnet mit
einem neuen Bühnenbild, in dem die Hauptdarstellerin als Sängerin auftritt.
Jede Hälfte steht für sich selbst, hat einen individuellen Stil, Charakter.
Zusammen werden sie zu einer harmonischen Einheit, zum großen Ganzen. Für
dessen Schönheit, auf die sich auch die eingangs erwähnte Sehnsucht richtet,
hat Titi Robin einen Namen: Kali Sultana, die schwarze Königin. Sie ist mehr
als eine Frau – sie ist der Motor, der den rastlosen Musiker antreibt auf
der Suche nach dem perfekten Ideal. Die Göttin der Kunst kann grausam oder
besänftigend sein, wer sich auf sie einlässt wie Robin, den verlässt sie nie.
Um den kümmert sie sich persönlich. Wie weit das geht, beweist eine sagenhaft
klare Frauenstimme auf dem instrumentalen Album. Maria Robin, Titis Tochter,
ist ihr ebenfalls bereits verfallen.
Chris Elstrodt
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SOUTHERN TENANT FOLK UNION
Revivals, Rituals & Union Songs
(Ugly Nephew Records UNR011/Cargo Records, www.cargo-records.de)
11 Tracks, 39:33, mit engl. Texten
Manchmal geschieht es, dass man das Album einer unbekannten Band einlegt und
gleich der erste Song so viele Sympathiepunkte gewinnt, dass der Rest es nicht
mehr rausreißen muss. Bleiben bei diesem Sextett aus London auch selbst die
übrigen zehn Stücke auf ansprechendem Niveau, so klingt der Opener „Never Got
The Best Of Me“ doch in jedem Fall lange nach – mit seinem prägnanten
Chorus, je einem Banjo- und Mandolinensolo und trotz der Instrumentierung von
der Ausstrahlung her doch eher ein Folk- denn ein Bluegrasssong. Zu Herzen
gehende Melodien gehören zu den Stärken der Briten. In ihren traurigen Balladen
erzählen sie Geschichten vom Abschied, der Hoffnung auf bessere Zeiten und
zerfallener Liebe, etwa in „Her Love’s Gone Cold“, wo es bitter-ironisch heißt:
„I dance to bluegrass, she twists to soul/I am alone, her love’s gone cold“. Das
passt zu dem Motto, das die Band auf ihrer Myspaceseite formuliert: „Gleefully
Uplifting Bluegrass Melancholy“, also „fröhlich-erbauliche
Bluegrass-Melancholie“. Dazu nutzt sie genretypisches Instrumentarium wie Fiddle
und Kontrabass und ordnet sich zwischen den Polen Stanley Brothers und Gillian
Welch ein. Musik zum Liebhaben.
Volker Dick
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NICK WOODLAND
Cult Factory Vol. 1 – Authentic Heads
(Blues Beacon BLU-1037 2/Enja/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
12 Tracks, 47:10, mit Texten
Seit vielen Jahren ist Nick Woodland als „Chefgitarrist“ im Gefolge des
bayerischen Poeten und Sängers Georg Ringsgwandl unterwegs, und dieses
Engagement lässt ihm die Zeit und Freiheit, in schöner Regelmäßigkeit eigene
Projekte zu verwirklichen. Sein neuestes Werk ist eine ausgefeilte
Studioproduktion, bei der er eine Vielzahl von Saiteninstrumenten wie Gitarre,
Mandoline, elektrische Sitar und Bass spielt und dazu singt, während sein
Koproduzent Manfred Mildenberger Schlagzeug, Percussion, Orgel und Piano
beisteuert. Der äußerlich kauzig bis spleenig wirkende Brite glänzt als Texter
mit pointiertem Witz und er versteht es, mit knappen, dürren Worten Stimmungen
und Situationen zu beschreiben. Seine Musik ist im britischen Blues und Rock der
Sechzigerjahre verwurzelt. Als ausgefuchster und virtuoser Gitarrist spielt er
mit verschiedenen Stilen, klingt hier einmal wie die frühen Dire Straits, dort
folgt ein irischer Folksong oder ein akustischer Slide Blues. Viel Mühe und
Sorgfalt wurde auch beim Mischen und Mastern der Stücke aufgewendet – das
Album klingt einfach toll: rund, warm und dabei an keiner Stelle künstlich oder
überproduziert.
Achim Hennes
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