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CASSARD
Pengobilo

(Klangwelten Records KW 20037/Sunny Moon Music Distribution, www.sunny-moon.com)
14 Tracks, 59:32, mit dt. Texten und Infos

Es gibt eine Sorte von Alben „der besonderen Art“: nur für den Feierabend! Man kommt nach einem langen stressigen Arbeitstag nach Hause, legt therapeutisch diese Musik auf. Sie beruhigt, macht den Kopf frei und sorgt einfach rundherum für ein positives Gefühl. Aus dem Folkbereich war vor einigen Jahren Laways Windgesang ein solches Album – und die neue Produktion von Johannes Mayr (Akkordeon, Schlüsselfidel, Orgel, Gesang) und Christoph Pelgen (Gesang, Dudelsäcke, Mandoline, Mandola, Bombarde, Low Whistle) hat nun ähnliche Qualitäten: wunderbare Melodien in wohlklingenden Instrumentenkombinationen, die man ruhig auch laut hören kann, denn die Abmischung ist hervorragend. Keine überhetzten Highspeednummern, sondern durchdachte Arrangements mit vielen feinen Nuancen. Da wären beispielsweise die rhythmische Arbeit des Akkordeons im Hintergrund oder der fantastische Zusammenklang von Orgel (Kirche Steinmauern) und Dudelsack. Diese gewisse innere Ruhe, Inspiration und Abgeklärtheit, die in der Musik zu spüren ist – etwas, was nie Langeweile aufkommen lässt. Die Gastmusiker Rüdiger Oppermann, Jørgen W. Lang und Murat Caskun unterstützen die „traditionelle Musik von morgen“ wirkungsvoll.

Piet Pollack

 

CASSARD – Pengobilo


COCONAMI
Coconami

(Trikont US-0385/Indigo, www.indigo.de)
14 Tracks, 47:07, mit engl. und dt. Infos

Ja, ja, es klingt mächtig nach billigem Vergnügen, nach Billy Mo und Tirolerhut, wenn zwei Menschen aus Japan in München aufschlagen und dann bayerische Musik interpretieren – noch dazu mit Instrumenten wie Ukulele und Kalimba. Doch Saitenmann Miyaji und Sängerin Nami tun dies mit so viel Eigenständigkeit und Charme, dass es zwar lustig ist, aber gleichzeitig auch musikalisch fesselnd. So erhält das „Isarmärchen“, ein Loblied auf München, ein ganz neues Kleid. Und der Gefahr des Kitsches begegnen die beiden mit leicht schrägen Klängen aus dem Computer. Zweimal singt auch ein echter Bayer, der Schuster Ferdl, Patron eines bayerisch-japanischen Wirtshauses. Klingt dann aber eher nach Tom Waits als nach CSU-Parteitag. Wer meint, damit sei es der Exotik genug, irrt: Coconami lieben auch die Ramones, von denen sich drei Songs auf dem Album befinden. Vor allem „Blitzkrieg Bop“ erhält im reduzierten akustischen Klanggewand einen derart einschmeichelnden Charakter, dass man’s immer wieder hören will. Es ist wirklich bezaubernd, wie die Japaner die Essenz eines Lieds herausarbeiten. Scheußlich am Album ist nur das Cover – aber vielleicht handelt es sich dabei ja um japanischen Humor.

Volker Dick

 

COCONAMI – Coconami


INDIGO MASALA
Big Gods & Little Animals

(Jigit Records JiCD 1039, www.indigo-masala.de)
11 Tracks, 56:50

Wenn man zwei indische traditionelle Musiker mit einem Cello mischt – was ist das Ergebnis? Vermutlich die heißeste Platte des Jahres. Gut, einer der indischen Musiker ist eigentlich Deutscher und die Cellistin hat neben ihrer klassischen Ausbildung auch Tage als Punkrockerin gesehen – aber so unerwartet weit weg vom New-Age-Regal? Möglich macht es Be, manchen noch bekannt als Markus Brachtendorf, der sich nach der unverzeihlichen Auflösung von Lecker Sachen der Aufgabe verschrieben hat, mit hauseigenem Label und Studio außergewöhnlichen Talenten auf den Weg zu helfen – wie Indigo Masala zum Beispiel. Die Sounds klingen gleichzeitig ungewöhnlich und vertraut, natürlich deutlich indisch, gut tanzbar, aber nicht nach den Dissidenten. Man weiß nicht, ob man meditieren oder loszappeln soll. Irgendwo zwischen Eigenkomposition, altem indischen Volksgut und hochmodernen Arrangements findet sich ein spezielles Bauchgefühl, welches gleichzeitig beruhigt und anstachelt. Indigo Masala waren die Sensation bei der Creole 2006, sind für den Vierteljahrespreis der deutschen Schallplattenkritik nominiert und selbst Deutschlandradio Kultur – traditionell zurückhaltend – nennt die Band „spektakulär“. Kaufen!

Chris Elstrodt

 

INDIGO MASALA – Big Gods - Little Animals


LARKIN
Ab in’ Pub!

(Kitchen Records KI-009.2, www.larkin-music.de)
13 Tracks, 42:22, mit dt. Texten und Infos

Deutsche Irish-Folk-Bands im Kielwasser der Dubliners und der Pogues gibt es viele. Manche übersetzen auch mal ein Lied ins Deutsche, aber ein abzüglich der vier Instrumentals ganzes Album deutschsprachiger irischer Songs ist noch immer ungewöhnlich. Die vier Berliner Attila Radna (Gesang, Violine, Gitarre, Bodhrán), Stefan Hübscher (Gitarre, Mandoline, Mandola, Bouzouki, E-Gitarre, Gesang), René Flächsenhaar (Bass) und Joe Budinsky (Percussion) liefern mit Unterstützung der Gäste Steffen Zeller (Akkordeon, Gesang), Marc Ian (Whistles, Uilleann Pipes), Sander van Flint (Querflöte) und Walter Fritsch (Schäferpfeife) aber genau das. Dabei übersetzen sie nicht eins zu eins, sondern dichten entlang der Originaltexte neu und bringen auch ganz eigene Texte hinzu, sodass der Vergleich zur Countryrezeption von Truck Stop und Co. nahe liegt. Das Klischee vom sauf- und rauffreudigen Iren wird fleißig bedient: „Ein Hoch auf unsern Irish Pub, ein Hoch auf Bier und Wein, wir hau’n dem Wirt den Kopf vom Hals, schenkt er uns nichts mehr ein.“ Besser als der an Deutsch- und Mittelalterrock erinnernde Gesang ist aber eindeutig der Klang der Instrumente. Sehr originell!

Michael A. Schmiedel

 

LARKIN – Ab in’ Pub!


LUFTMENTSCHN
Gruselett

(Eigenverlag, www.luftmentschn.de)
12 Tracks, 47:25, mit Texten

„Sie verschmelzen Elemente z. B. aus der alpenländischen Folklore mit Klezmer, lassen Tango auf einen Beduinen treffen oder zelebrieren Musikakrobatik vom Feinsten ...“, schrieb Ulrich Joosten im Folker! 3/2006 zum letzten Album der Oberbayern, um seine Rezension mit „Absolut großartig!“ zu beschließen. All das gilt auch für Gruselett . Diesmal schürfen sie in den morbiden, schlammfeuchten Abgründen unseres Daseins – und wirken trotzdem luftig frisch. Das „Wiegenlied ab 18!“, wo ein Mann seine Frauen Stück für Stück umbringt, würde bei anderen Musikern wohl schiefgehen. Das Quartett tönt dabei höchstens wohltuend schräg. Die Luftmentschn sind aber nur am Rande Textmentschn, sie sind vor allem Instrumentalmentschn mit einer unbändigen Spielfreude. Mit Akkordeon, Kontrabass, Gitarren, Violine, Salterio, Santur, Ziach und Gesang mischen sie obige Ingredienzien zu einem genüsslichen Mahl mit gefährlich beflügelnden Nebenwirkungen. Die Beduinen sind auf Gruselett nicht vertreten, dafür könnte man bei „Narrische Schwammerl“ meinen, Frank Zappa wohne einem exorzistischen Ritual im Alpenraum bei. Beim Hören dieses Albums wird schnell klar, warum die Luftmentschn sich mit dem Beelzebub an einen Tisch gesetzt haben: Dia saan teiflisch guat!

Martin Steiner

 

LUFTMENTSCHN – Gruselett


PHRASENMÄHER
Ode an die Leude

(Flowfish Records FF0011/Broken Silence, www.broken-silence.de)
12 Tracks, 42:57, mit deutschen Texten und Infos

„Phrasenmäher ist eine Rockband, die Folk als Popmusik versteht“, sagt Lenne Kafka, Bassist und Sänger der Gruppe aus Hildesheim, und Bruder Jannis, Sänger, Keyboarder und Songschreiber dieser erfrischend anderen Formation spricht von „freier Bewegung in verschiedenen Genres“. Das betrifft sowohl die reichlich abgedrehten Texte als auch die musikalisch ungewöhnlich vielseitigen, vor Ideen sprühenden Kompositionen. „Im wilden Westen wäre Phrasenmäher wahrscheinlich der coole Mann hinterm Klavier gewesen“, mutmaßt Drummer Tom Tomtom. Wie auch immer: Wer Lust auf neue Texte und Töne abseits der ausgetretenen Pfade hat, der sollte mit Phrasenmäher bestens bedient sein.

Kai Engelke

 

PHRASENMÄHER – Ode an die Leude


SISTERS
Gender Riots

(Echo Beach 066/Indigo, www.indigo.de)
12 Tracks, 44:13

Früher hießen sie Sisters Keepers, in Anlehnung an Brothers Keepers. Im Jahr 2001 hatten sich afrodeutsche Musikerinnen und Musiker zusammengeschlossen, nachdem in Dessau der Mosambikaner Alberto Adriano zu Tode geprügelt worden war. Brothers Keepers standen dabei mit Xavier Naidoo, Afrob, Sammy Deluxe und anderen im Vordergrund. Jetzt haben sich die sieben Schwestern emanzipiert. Mit HipHop, Soul und Funk, mal auf Englisch, mal auf Deutsch, geht es um das Leben als Frau, die Frage nach Selbstbestimmung und auch weiterhin um Rassismus. In der Kombination der drei Kategorien „ethnischer Hintergrund“, „Klasse“ und „Geschlecht“ wird hier eine besonders brisante Mischung deutlich. Das ist Realpolitik, direkt aus dem Leben gegriffen. Und weil ihnen das politische Engagement wichtig ist, haben die sieben Frauen mit afrodeutschem Hintergrund Sisters e. V. gegründet und touren mit der Bundeszentrale für politische Bildung durch die Schulen des Landes. Für das Goethe-Institut reisten sie durch Italien. Sie wollen Vorbilder vor allem für junge Frauen sein. In einem taz -Interview fassten sie es zusammen: Sie wollen nicht warten, bis sich etwas ändert – sie wollen es selbst in die Hand nehmen.

Sarah Habegger

 

SISTERS – Gender Riots


WUIDE WACHL
Babbalababb!

(MundArtAgeh 307.0046.2/BSC Music/Rough Trade, www.roughtrade.de)
15 Tracks, 44:19, mit dt. Infos

„Scheiße, Scheiße muss i blärrn / a wenn’s d’Leid ned so gern hern / Scheiße, scheiße is mei Lehm / und leider völlig unbequem.“ Seit Ende 2001 nimmt der „wilde, aber harmlose Großstadt-Kleinkriminelle“ – so eine mögliche Übersetzung – südlich der Weißwurstgrenze kein Blatt vor den Mund. Die Wurzeln reichen zumindest bis zu Sparifankal und Dullijöh zurück, wo sowohl die Wachl-Gründer Carl-Ludwig Reichert und Stefan Liedtke als auch Ulrich Bassenge, der kurz darauf ebenfalls wieder zu ihnen stieß, bereits seit Jahrzehnten aktiv waren. Noch viel älter sind die langen Traditionen subversiver bayerischer Mundartvolkskunst und des amerikanischen Blues, welche die zum Quintett angewachsene Gruppe in ihren mit leichter Hand wie nebenher gegrantelten Vignetten verquickt, als gehörten sie schon immer zusammen. Zum Beispiel im eingangs zitierten „Dangg“ Florida-Rolfs an die sozialhilfsneidischen Bild -Leser, die ihn zusammen mit ihrem Leib- und Magen-Organ ins hiesige Prekariat zurückbombten. Akustische Saiten- und Blasinstrumente, eine Violine, eine Orgel, dazu viel Witz, einige Gelassenheit und den Dialekt von direkt vor der Tür – mehr braucht’s nicht für die unterhaltsame fortlaufende Kommentierung des Alltags, echten Folk, ein Unikat von Rang.

Christian Beck

 

WUIDE WACHL – Babbalababb!

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