back Rezensionen Lateinamerika/Südamerika/Karibik


VANESSA DA MATA
Sim

(Discograph/AL!IVE, www.alive-ag.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 45:05

Das „Ja“ ( sim ) kann man nur bekräftigen. Das dritte – erste offiziell bei uns erscheinende – Album der 32-jährigen Sängerin aus dem zentralbrasilianischen Mato Grosso sticht heraus aus den unzähligen Veröffentlichungen junger Sängerinnen dieses Musikimperiums. Wenn – mit der üblichen Künstlerin vor Strand/Meereskulisse – auch nicht optisch. Anders als etwa Maria Rita oder Bebel Gilberto schreibt da Mata das Gros ihre Songs selbst und ist in der MPB eine der gefragtesten Autorinnen. Ein waschechter Afrobeat eröffnet einen Reigen diverser Stile und Überraschungen: zum Beispiel ein hinreißendes Duett mit Ben Harper, eine latinlastigere Ballade („Meu Deus“) sowie direkt an der Basis in Kingston entstandenen Reggaetracks. Die aficionada der jamaikanischen Musik hat auch ein eigenwilliges Händchen für die Bossa Nova („Fugiu Com A Novela“). Ohrwürmer wie „Pirraça“ sind nicht zuletzt zwei pfiffigen Elektroniktüftlern, den Produzenten des Albums Mário Caldato und Alexandre Kassin zu verdanken. Und für die spezielle verführerische Kraft des Gesangs muss es in Brasilien ohnehin seit langem eine Art geheime Schule geben, die schon Sängerinnen wie Elis Regina oder Marisa Monte besuchten.

Katrin Wilke

 

VANESSA DA MATA – Sim


DIVERSE
Cuba Le Canta A Serrat – Vol. 2

(Connector Records 59848-2/in-akustik, www.in-akustik.com)
Do-CD, 24 Tracks, 111:31, mit span. Texten und span. und engl. Infos

Penélope Cruz bekam ihren Vornamen von seinem gleichnamigen Song – der katalanische Singer/Songwriter Joan Manuel Serrat genießt in Spanien Popstar-Status, gilt international als bedeutendster Hispano-Barde. Auch in Kuba, wo der große Poet aus Barcelona in vierzig Jahren wiederholt auftrat. Von dort kommt nun bereits die zweite liebe- und respektvolle musikalische „Revanche“: In 24 weiteren Variationen offenbaren kubanische Künstler ihre stilistisch diversen Perspektiven auf Serrat-Klassiker. Einer war 2005 schon bei Vol. 1 dabei: Der im Februar verstorbene, große Conguero Tata Güines hat sich diesmal mit dem jungen Sonero Coco Freeman zusammengetan. Generations- und stilübergreifende Liaisons wie diese machen Kubas Musik aus und liegen auch einigen der vorliegenden Tracks zugrunde. Lose reihen sich unterschiedlichste Lesarten von Serrat-Songs aneinander: Gediegeneren Sones folgt fetzige Timba, poetisch-sentimenalen Balladen Latinjazz. Singer/Songwriter wie Carlos Varela oder Santiago Feliu sind in guter Nachbarschaft von Síntesis, den Pionieren afrokubanischer Fusion. Ein raffiniert-erbaulicher Umweg zu Serrats Liedpoesie für Fans kubanischer Musik, denen sein Name bislang nichts sagte.

Katrin Wilke

 

DIVERSE – Cuba Le Canta A Serrat – Vol. 2


SEU JORGE
América Brasil – O Disco

(Naïve/Indigo, www.indigo.de)
11 Tracks, 59:46, keine Infos, Promo

Alle Alben des eigenwilligen Sambapoeten aus Rio sind ein Fest, auch für Nicht-Sambafans. Auch wenn im Grunde nichts neu, wiewohl diesmal panamerikanischer klingt. Der 38-jährige Singer/Songwriter und Schauspieler muss das Rad auch nicht neu erfinden, die Formel seiner ersten größeren Produktion Moro No Brasil von vor zehn Jahren nicht grundsätzlich aufgeben. Eine Formel im besten Sinne, die man sogar goutiert, wenn der Mann in Wes Andersons Film The Life Aquatic David-Bowie-Songs „brasilianisiert“. In Brasilien bereits 2007 erschienen, landet dieses dritte Soloalbum nun auch auf dem internationalen Markt. Der Carioca jongliert textlich wie musikalisch mit dem Hin und Her, dem Mit- und Gegeneinander der beiden Amerikas. Bluesharp, Rockgitarre und -schlagzeug paaren sich unbefangen mit Cavaquinho und Cuíca. Der richtige Nährboden für die ironischen Chroniken der Lebens- und Liebeslust und -unlust, hier und da auch mit Gringo-Englisch-Einsprengseln versehen. In seiner suggestiven, brüchig-melancholischen Stimme scheinen die vielen Widrigkeiten der Kindheit in den ärmsten Favelas Rios mitzuschwingen. Eine Stunde vergeht wie im Flug – ob man versteht, was Jorge da singt, oder nicht.

Katrin Wilke

 

SEU JORGE – América Brasil – O Disco


CARMEN SOUZA
Verdade

(Connecting Cultures CC 50064/Galileo MC, www.galileo-mc.de)
12 Tracks, 48:41, mit portug. bzw. kapverdisch-kreolischen und engl. Texten und engl., franz. und span. Infos

Der hohe Wiedererkennungseffekt kapverdischer Musik funktioniert bei der 1981 in Lissabon geborenen Tochter von Kapverdianern nur bedingt. Der Sängerin und Multiinstrumentalistin gelingt eine extrem wohlklingende Synthese aus Einflüssen der Elternkultur und modern weit- und weltläufigem Songwriting. Da hallt ihre ganze Sozialisation nach: der Gospelchor der Kindheit wie die diversen Funk-, Soul-, Jazzprojekte. Ihre wunderbar wohlig und verführerisch in Kreol und Englisch intonierten Lebenserfahrungen kleidet sie mit ihrem Mentor und Produzenten Theo Pas’cal, einem der besten Bassisten Portugals, einem kleinen feinen Musikerkreis sowie Gästen aus Kuba, Argentinien und Angola in raffinierte Arrangements. Es gibt kapverdische Rhythmen wie Coladeira oder Batuque, aber auch Afro-Worldjazz à la Joe Zawinul, Souzas großem Idol. War das Debütalbum Ess Ê Nha Cabo Verde gemäß dem Titel auch textlich noch deutlich den Kapverden verpflichtet, so inspirierten den Nachfolger laut Souza viel stärker persönliche Eindrücke und stilistische Einflüsse aus anderen Ecken der Welt. Toll, dass man als Zuhörer an diesem spannenden Prozess einer menschlichen und musikalischen Emanzipation teilhaben darf!

Katrin Wilke

 

CARMEN SOUZA – Verdade


BEATA SÖDERBERG & JUSTANGO
Bailata

(World Village WV498022/Harmonia Mundi, www.harmoniamundi.com)
14 Tracks, 46:53, mit Infos

TANGO CRASH
Baila Querida

(Galileo MC GMC028, www.galileo-mc.de)
12 Tracks, 43:27

Anders als in Finnland, wo er durch die kauzige lokale Mentalität eine Metamorphose zum „finnischen Tango“ durchgemacht hat, wird der argentinische Tango im Nachbarland Schweden in Reinkultur gepflegt. Der neue Superstar des Tango Nuevo heißt Beata Söderberg, eigentlich schwedische Cellistin in New York, jetzt aber wohnhaft in Buenos Aires. Die Argentinier reagierten euphorisch auf ihre Mischung aus der unverwechselbaren Klangfarbe des Cellos und den melancholischen Eigenkompositionen. Mit ihrem Ensemble Justango, bestehend aus Größen der argentinischen Tangoszene, macht sie Bailata zum dritten Pflichtkauf aus ihrem Œuvre. Ebenfalls Pflichtprogramm, in diesem Fall jedoch für die Experimentierfreudigen unter den Tangofans, ist seit Jahren das Duo Tango Crash. Als gebürtige Argentinier haben sie vermutlich das Recht, mit Sicherheit aber die Pflicht, den Tango auf ihre Art weiterzuentwickeln. Zum Tanzen nur für Avantgardisten geeignet, beschreiten Tango Crash den Weg des elektronischen Minimalismus, leihen sich den Klangteppich von Drum & Bass aus oder verarbeiten spielerisch den Flow einer Free-Jazz-Improvisation.

Chris Elstrodt

 

BEATA SÖDERBERG & JUSTANGO – Bailata

TANGO CRASH – Baila Querida

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