back Rezensionen Nordamerika


THE BASEBALL PROJECT
Vol. 1: Frozen Ropes And Dying Quails

(Yep Roc Records/Blue Rose Records BLU DP0451/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
13 Tracks, 44:44, mit engl. Texten und Infos

Zwei Alt.-Rock-Hochkaräter, die mit der Frau des einen und einem veritablen Superstar ein ganzes Album über Fußball machen – das wär’s! Amerika, du hast’s mal wieder besser: Die Hochkaräter sind Gitarrist und Sänger Steve Wynn und Scott McCaughey (The Minus 5 und seit Mitte der Neunziger praktisch als Keyboarder bei R.E.M.), die Frau ist Wynns Linda Pitmon am Schlagzeug, der Superstar ist McCaugheys R.E.M.-Chef Peter Buck an weiteren Gitarren, und der Fußball ist Baseball. Eine Sache, die wie unser Nationalsport echtere Zeiten gesehen hat, aber es gibt ja hüben wie drüben kein Entkommen. Vor Freaks wie „Ted Fuckin’ Williams“ nicht, der vor jedem Schlag schrie „Ich bin Ted Fuckin’ Williams und ich bin der größte Hitter im Baseball“. Vor den Benachteiligungen und Schmähungen nicht, denen natürlich auch hier Afroamerikaner wie Satchel Page und Jackie Robinson ausgesetzt waren, aber auch Weiße wie „The Yankee Flipper“ Black Jack McDowell, der sich mit einem astreinen Stinkefinger revanchierte. Heute spielt auch er Alternative Rock mit seiner Band Stickfigure. So was wünscht man sich auch hierzulande – auch wenn er niemals so packend, kurzweilig und herzwärmend wie dieses Projekt sein kann ...

Christian Beck

 

THE BASEBALL PROJECT – Vol. 1: Frozen Ropes And Dying Quails


BRIAN BENDER & THE WORLD BEATNIKS
Urban Jungle

(Face the Music, www.brianbender.com)
9 Tracks, 63:42, mit Infos

BRIAN BENDER & LITTLE SHOP OF HORAS
Eyn Welt

(Face the Music, www.brianbender.com)
11 Tracks, 65:05, mit Infos

Den Posaunisten Brian Bender aus Massachusetts könnte man fast einen Tausendsassa nennen. Nicht nur greift er mitunter auch zur Trompete, spielt Keyboards oder alle möglichen Percussionintrumente – schon alleine die Namen der Formationen aufzuführen, in denen er bis dato mitwirkte, würde wohl die gesamte Rezensionslänge einnehmen. So spielt er nicht nur Klezmer, sondern auch Reggae (Riddim Makers), Blues (Beans & Rice) oder Dixie (Gumbo Jumbo Dixieland Band), um nur einiges weniges genannt zu haben. Sein erstes mit Charles Neville (Saxofon, The Neville Brothers), Eric Krasno (Gitarre), Adam Deitch (Schlagzeug) und anderen unter eigenem Namen veröffentlichtes Album, Urban Jungle , ist wie der Name bereits verraten mag eine Mixtur aus allem, wofür Bender steht. Acht Titel sind von ihm selbst komponiert, einschließlich „Hebraish“, das einzige Klezmerstück, mit orientalischen Anleihen. Ganz anders das zweite Album Eyn Welt , das deutlich die traditionellen Bereiche Südosteuropas und den Klezmer berührt, hier interessanterweise mit einem Hauch Swing versetzt. Der „Kleine Horaladen“, eine Reminiszenz an den Film (1960) und das daraus entstandene Musical (1982) „A Little Shop Of Horrors“ besteht neben Neville unter anderem aus Alicia Svigal (Violine, „Jimi Hendrix der Klezmerfiddel“, so Bender) und dem unermüdlichen Frank London (Trompete, Klezmatics). Weltmusik mit mehr als einem Hauch Jüdischem, Swing-Klezmer vom Besten.

Matti Goldschmidt

 

BRIAN BENDER & THE WORLD BEATNIKS – Urban Jungle

BRIAN BENDER & LITTLE SHOP OF HORAS – Eyn Welt


THE CROOKED JADES
Shining Darkness

(Jade Note Music CJ008, www.crookedjades.com)
Promo-CD, 19 Tracks, 58:45

Werden im Bluegrass, mit dem die Band mitunter flirtet, manchmal zu viele Töne erzeugt, so muss man bei den Crooked Jades davor doch keine Angst haben – im Gegenteil: Die Band aus San Francisco kommt oft mit wenig aus, beschränkt sich zeitweise auf melancholische Klangmalerei mit Hilfe akustischer Instrumente. Dazu gehören Ukulele, Banjo, Fiddle, Slidegitarre, selbst Exotisches wie die vietnamesische Zither Bau. Mal klingen die Ergebnisse schräg, dann wieder wie Harmonie in Reinkultur. Mal spielen die Jades zu sechst, dann wieder nur zu zweit. Blues, Folksongs, weltmusikalische Anleihen, zwischendrin ein guter alter Dreier oder ein Song mit ordentlich Drive: Die Bandbreite kann sich hören lassen. Doch rückt dieser Kosmos nur langsam näher, entwickelt sich allmählich, wirkt erst fremd, spröde, entrückt, jenseitig. Kommt die Band tatsächlich aus einer anderen Zeit? Trägt sie deshalb das Etikett „Old Time Music“? Aber alte Lieder aus den Bergen klingen anders. Manches fließt hier still dahin, da ist die Musik kaum in Bewegung. Andererseits steht einige Male Leah Abramson mit ihrer schönen Folkstimme im Mittelpunkt: Das ist sie dann, die alte Zeit. Die neue kommt von selbst.

Volker Dick

 

THE CROOKED JADES – Shining Darkness


THE DONKEYS
Living On The Other Side

(Dead Oceans DOC014/Cargo Records, www.cargo-records.de)
10 Tracks, 43:16

Sonne, Strand und Surfin’ California fallen einem bei dieser Band gleich als erstes ein. Sind sicher stets mit die ersten Assoziationen, wenn auch nur der Hauch einer Slidegitarre zu hören ist und eine Orgel verspielt in Melodien schwelgt. Dabei haben die vier Jungs aus San Diego noch mehr zu bieten. Willkommen zurück in den Gefilden des entspannten Surfrocks mit einem Touch Countryfeeling, einer Prise Easy Listening und hohem Chillfaktor. Die Gitarre stimmt entspannte Töne an, dezentes Schlagzeug bringt uns alles andere als ins Schwitzen, eine Stimme, die uns sanft einlullt, eine Hammondorgel, die uns ein bisschen in die Vergangenheit versetzt ... die Siebziger und Achtziger sind wohl doch noch näher als man manchmal denkt. Und trotzdem, so ganz ernst können es die Herren nicht meinen – manchmal geht ein guter Reim dann doch vor. Ab in die Hängematte, die Softdrinks gemixt, in den Tag geträumt. Und bloß keine schnellen Bewegungen, aber die sind bei dieser Musik ohnehin nur schwer möglich. Dafür sind The Donkeys viel zu entspannt ...

Claudia Frenzel

 

THE DONKEYS – Living On The Other Side


DR. JOHN AND THE LOWER 911
City That Care Forgot

(Cooking Vinyl COOKCD468-CDR/Indigo, www.indigo.de)
Promo-CD, 13 Tracks, 55:44

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ – Friedrich Hölderlins Aphorismen-Gassenhauer trifft auf das vorliegende Album gleich doppelt und dreifach zu. Zum einen bezüglich New Orleans nach Hurrikan Katrina, das unter anderem mit Benefizunterstützung ihres musikalischen Botschafters Nummer eins, Dr. John, gerade wieder aufgebaut wird. Und zum anderen auch auf den Dr. selbst, der mit dem Zorn, den das Katastrophen-Mismanagement seiner Regierung bei ihm entfacht hat, auch einen musikalischen Biss zurückgewann, der ihm vor dem Tauchgang der City That Care Forgot nach all den Jahren auch schon mal abgegangen war. Ausschließlich neue Songs zum Thema Katrina hat er für sein zweites Album danach eingespielt, die Titel sagen alles: „Time For A Change“, „Promises, Promises“, „Stripped Away“, „Land Grab“, „My People Need A Second Line“. The Lower 911, die ihn bereits zum dritten Mal begleiten, spielen muskulös und funky, Eric Clapton steuert Gitarren bei, so bissig wie lange nicht – neues Leben, das man spüren kann, überall. Nur bei Willie Nelson nicht (siehe dazu auch im Kurzschluss Willie Nelson). Der scheint die Gefahr an jeder Ecke seiner Karriere einfach nicht zu spüren ...

Christian Beck

 

DR. JOHN AND THE LOWER 911 – City That Care Forgot


RUTHIE FOSTER
The Phenomenal Ruthie Foster

(Proper Records PRPCD040/Rough Trade, www.roughtrade.de)
Promo-CD, 11 Tracks, 44:50

Dieser Planet scheint gesegnet zu sein mit Talenten. Wie sonst könnte man sich erklären, noch nie von der schwarzen Sängerin Ruthie Foster gehört zu haben? Blues- oder Soulspezialisten mögen sie kennen, aber sonst? Das Cover kündigt die Künstlerin aus Austin, Texas als „die Phänomenale“ an – klingt nach stinkendem Eigenlob und Überheblichkeit. Dem Vernehmen nach ist sie aber ein äußerst umgänglicher und gar nicht abgehobener Mensch. Und selbst wenn sie es wäre: Sie könnte es sich leisten. Denn dieser Stimme fehlt es an nichts: Intensität, Intimität, Kraft – alles da. Ob sie den A-capella-Blues „People Grinnin' In Your Face“ singt, die Soulballade „Fruits Of My Labor“ zum Besten gibt oder das funky „Heal Yourself“ interpretiert, sie wirkt immer überzeugend. Dazu weiß sie mit George Sluppick (Schlagzeug), Glenn Fukunaga (Bass) und Anthony Farrell (Keyboards) drei Klassemusiker an ihrer Seite. Ruthies Stimme muss auch große Vergleiche nicht fürchten – Aretha Franklin wäre zu nennen oder Chaka Khan. Vielleicht fehlt ihr das letzte Quäntchen Eigenständigkeit oder einfach Glück, um ganz oben zu landen. Mit diesem Album aber ist ihr ein klassisches Soulalbum im besten Sinne gelungen.

Volker Dick

 

RUTHIE FOSTER – The Phenomenal Ruthie Foster


G. LOVE & SPECIAL SAUCE
Superhero Brother

(Brushfire Records 0602517767461/Universal Music, www.universal-music.de)
12 Tracks, 45:20, mit engl. Infos

Gute Geschichte, ein bisschen traurig einerseits, aber andererseits auch ganz schön: 1999 ließ Garrett „G. Love“ Dutton einen unbekannten Surfer namens Jack Johnson auf seinem Album Philadelphonic Gitarre spielen und ein bisschen mitsingen – und heute ist der weiß der Teufel wie viele Nummern größer als er selbst und hat ihn auf seinem Brushfire-Label unter Vertrag. Musikalisch scheint das keinen rechten Sinn zu machen, ist Dutton mit seinem hochmodernen Cut-up aus Blues und HipHop, dem er mit seinen beiden seit 15 Jahren an seiner Seite groovenden Liebe-mit-Soße-Spezis auch auf Superhero Brother noch genau wie damals frönt, doch seit seinem Erscheinen auf der Bildfläche eine ungleich visionärere Figur: schweißtreibend funky, ausgeprägter Latino-Touch neuerdings, dabei ganz entspannt, aber mächtig mitreißend. Das Geld fließt trotzdem breiter zu den Allgemeinverträglichen mit den sanften Liedern wie dem Labelchef. Macht aber nix, die beiden sind Freunde, Johnson nimmt Dutton heutzutage im Vorprogramm mit auf Tour und trägt auf diese Weise ohne seine Gitarre weiter dazu bei, dass diese hochmusikalische Rootsvariante für die Zukunft so viele Hörer findet, wie sie verdient ...

Christian Beck

 

G. LOVE & SPECIAL SAUCE – Superhero Brother


TIM O’BRIEN
Chameleon

(Proper American PRPACD007/Rough Trade, www.roughtrade.de)
16 Tracks, 54:19

Banjo, Bouzouki, Fiddle, Gitarre, Mandola und Mandoline setzt Tim O’Brien aus West Virginia auf diesem Album als Ein-Mann-Band ein. Chameleon ist der Nachfolger von Fiddler’s Green , für das das frühere Mitglied der Bluegrassband Hot Rize 2006 einen Grammy in der Kategorie „Best Traditional Folk Album“ bekam. O’Brien beherrscht seine Instrumente nicht nur technisch, der brillante Musiker versteht sie auch mit ungewöhnlicher Ausdrucksstärke zu spielen. Zugleich stellt der Amerikaner seine Qualitäten als Songwriter unter Beweis. Die Themen reichen von kleinen Alltagsbeobachtungen bis zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. In „Megna’s“ erinnert sich O’Brien an einen Früchteverkäufer, der in den Straßen seines Stadtviertels lautstark seine Waren anpreist. „Get Out There And Dance“ kommt einer Aufforderung nach dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ gleich. Und in Songs wie „This World Was Made For Everyone“ oder „World Of Trouble“ macht der vielseitige Künstler mit seiner Kritik an den politischen Verhältnissen aus seinem Herzen keine Mördergrube. Ein wunderschönes Album, auf dem sich Tim O’Brien stilsicher im weiten Feld der Americana von Folk bis Country bewegt.

Michael Kleff

 

TIM O’BRIEN – Chameleon


EDDIE TURNER
Rise

(Northernblues Music NBM0027/New Music Distribution, www.new-music-distribution.de)
12 Tracks, 43:37

EDDIE TURNER
The Turner Diaries

(Northernblues Music NBM0036/New Music Distribution, www.new-music-distribution.de)

Bereits 2005 veröffentlicht, bei uns über den regulären Vertrieb allerdings erst jetzt erhältlich, ist das Debütalbum Rise des Gitarristen und Sängers Eddie Turner aus Chicago. Und dieses Debüt ist für den Rezensenten eines der ungewöhnlichsten Alben seit langer Zeit. Eddie Turner ist ein echter Bluesmusiker – im Gegensatz zu den Rockgitarristen, die durch Attitüde oder Gestus lediglich vorgeben, Blues zu spielen. Diese Unterscheidung ist zunächst einmal wichtig, weil bei dem, was dann auf dem Album geschieht, die traditionellen Grenzen des Blues ganz gehörig erweitert werden. Die Gitarrensounds werden komprimiert bis es klingt wie die oft zitierte „jaulende Katze“, durch Loop-Programmierung in psychedelische Sphären geschickt, mittendrin dann eine Sequenz von akustischer Slidegitarre oder eine entrückt traumhafte Version von Jimi Hendrix’ „The Wind Cries Mary“. Neben dem fantastischen „I’m Tore Down“ und dem hypnothischen „I’m A Man, I’m A Man“ treten die akustischen Elemente auf dem Nachfolgealbum The Turner Diaries dann etwas zurück. Von der grundsätzlichen Ausrichtung sind dessen Songs härter geraten. Auch hier lauscht man jedoch gebannt, ist voller Erwartung auf die Besonderheiten und Einfälle des nächsten Stücks.

Achim Hennes

 

EDDIE TURNER – Rise

EDDIE TURNER – The Turner Diaries

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