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RABIH ABOU-KHALIL
Em Português
(Enja ENJ-9520 2/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
12 Tracks, 59:30, mit portug. Texten und engl./franz. Übersetzungen
Zwei Regeln für eine lange und erfolgreiche Musikkarriere in den eher
umsatzspröden Segmenten Jazz und Weltmusik lauten: Ein guter Musiker geht
offenen Ohrs durch die Welt und scheut keine neuen Erfahrungen. Einer, der dies
immer beherzigte, ist der aus Beirut stammende Münchner Komponist und
Oudvirtuose Rabih Abou-Khalil. So zögerte er auch keinen Moment, als ihm der
Direktor des Nationaltheaters Porto die Vertonung einiger portugiesischer
Gedichte im Gestus des Fado antrug. Abou-Khalil machte sich an die Arbeit, rief
seine langjährigen Mitstreiter Luciano Biondini (Akkordeon), Michel Godard
(Tuba, Serpent, Bass) und Jarrod Cagwin (Schlagzeug, Rahmentrommel) zur
musikalischen Umsetzung herbei und engagierte für den Gesangspart den jungen
Fadosänger Ricardo Ribeiro. Letzterer ist die eigentliche Überraschung dieses
Albums, da er – obwohl strikt traditionell ausgebildet – keine
Integrationsprobleme zu haben schien, und das, obwohl Abou-Khalils komplexe und
vertrackte Kompositionen alles andere als des Fados reine Lehre sind. So ist
Em Português
ein faszinierend zeitgemäßer Mix aus Abou-Khalils libanesischen Wurzeln und dem
„portugiesischen Blues“. Und nebenher noch ein exquisites Jazzalbum.
Walter Bast
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ROBERT CARL BLANK
Soul Circus
(Analoghaus, www.analoghaus.net)
Promo-CD, 10 Tracks, 43:56
Wäre Robert Carl Blank weiblich, schwarz und Amerikaner, so wäre er vermutlich
längst ein Weltstar. Blank ist aber gebürtiger Tscheche und Wahldeutscher, und
so bleibt es bei unendlich vielen Gigs in und auf deutschen, skandinavischen
oder auch mal australischen Bars, Bühnen und Straßen. Das Ergebnis der mehr als
zehnjährigen Reisetätigkeit sind eine Stimme, die sehnsüchtige Erinnerungen an
Robert Palmer weckt, und ein Songmaterial, welches Damien Rice erblassen lassen
könnte. Robert Carl Blank begleitet sich selbst auf der akustischen Gitarre, der
Rest der Band spielt so dezent, dass man Bass, Schlagzeug und Keyboards im
Hintergrund manchmal erahnen muss. Hin und wieder kommen ein Harmonium oder eine
Bluesharp dazu. Die spärliche und behutsame Instrumentierung bewirkt, dass die
Songs eine irre Spannung erhalten, die unweigerlich zum Griff nach dem
Lautstärkeregler führt. Man wünscht jedem Song, er würde eines Tages von Pearl
Jam gecovert. Vom ersten Ton an stellt sich beim Hörer das typische Kopfnicken
mit dem bekannten Glücksgefühl ein. Der Mann macht süchtig. Gut, dass Blank noch
nicht populär ist, so kann man die Verbreitung dieser Sucht vielleicht noch
verhindern.
Chris Elstrodt
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GLOBAL TOURISTS
Urban Turban
(Van Dyck Records VDCHR 71402/Sunny-Moon Music Distribution, www.sunny-moon.com)
12 Tracks, 55:37
Es beginnt elektronisch. Man könnte meinen, es sei der Anfang eines
Perry-Rhodan-Hörbuches, eine dieser Sechzigerjahre-Science-Fiction-Geschichten,
der die krude Mischung aus Futuristischem und Vergangenem anhaftet. Die Klänge
dehnen sich und vibrieren. Dann kommt das Schlagzeug hinzu, das Rhythmus und
Tempo in die Musikmasse bringt. Es folgt die E-Gitarre und mit ihr kommt ein
Schuss Rock hinein. Den großen Auftritt hat die Bouzouki. Mitten in die
temporeichen Loops gesellt sich mediterranes Flair wie des von Nick Nikitakis
geprägten Rebetobluz. Gefunden haben sie sich die fünf Bandmitglieder an der
Hochschule für Musik Köln, ihr erstes Album
Urban Turban
lässt jugendliche Ungeduld und Entdeckerfreude spüren. Es geht vor allem um
Metaphern einer jungen, dynamischen und offenen Klangwelt, die noch viel
Potenzial hat. Global soll es sein. Und weniger wichtig als das Ziel ist der
Weg. Die Bewegung und der Moment. So wie man sich als Tourist bewegt. Manchmal
vielleicht ein wenig hektisch. Das ganze Album ist sehr dicht, es gibt selten
Pausen, die wenigen langsamen Stücke sind meditativ. Und immer wieder steht die
Melodie im Vordergrund – wenn die Bouzouki einsetzt ...
Sarah Habegger
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GUNDERMANN
Alle oder keiner – Auswahl 1
(Buschfunk 00722, www.nederossi.com oder www.buschfunk.com)
CD: 19 Tracks, 67:36; DVD: 20 Tracks, ca. 80:00; mit dt. Texten, Infos, Interviews u. v. m.
JOHAN MEIJER
Hondsdraf – Meijer zingt Gundermann
(Nederossi NOP080107/Buschfunk 18702, www.nederossi.com oder www.buschfunk.com)
17 Tracks, 68:53, mit niederl. und dt. Texten und ausführlichen Infos
Anlässlich des zehnten Todestages Gerhard Gundermanns hat der in Berlin lebende
Niederländer Johan Meijer 17 Lieder des ostdeutschen Rockpoeten in seine
Muttersprache übersetzt und in Bandbesetzung aufgenommen. Auch wenn das bei ihm
weniger nach Rock als nach Musette klingt und seine sanfte Stimme teils schwer
mit Gundis oft rauem, schnoddrigen Organ in Verbindung zu bringen ist,
entwickeln Meijers Versionen mit dem Hören eigenen Reiz. Das ein oder andere
Arrangement lässt zwar etwas die musikalische Eigenständigkeit vermissen
(„Zandloper“, „Vechten Als Mannen“, „Koude Oorlog“), wo Meijer und seine
Mitstreiter sich vom Original entfernen, entstehen aber Interpretationen, die
manchem Stück durchaus neue Seiten abgewinnen („Mijn Handen“, „Ik Teken Voor De
Vrede“, „De Vliegende Hollander“). Lobenswert auf jeden Fall die beiden sehr
aufwendigen zweisprachigen Booklets mit sämtlichen Texten und vielen weiteren
Informationen. Eine aufschlussreiche Einführung stammt dabei von dem dieser
Zeitschrift bestens bekannten Gundermann-Experten Reinhard „Pfeffi“ Ständer.
Womit wir auch schon bei Gundi selbst sind und dem laut Eigenaussage von
Buschfunk „Versuch eines Porträts in Songs und bewegten Bildern“, den der Verlag
zum Jahrestag veröffentlicht. Versuch gelungen, denn fern der Absicht eines
bloßen Best-of-Albums erlaubt
Alles oder keiner
nicht nur dem Nichtkenner einen differenzierten Blick auf Person und Werk
Gundermanns in Wort, Ton und Bild, vor allem der Teil auf DVD hat auch für
eingefleischte Fans bisher Ungekanntes oder schwer Zugängliches zu bieten.
Herauszuheben dabei die Videosequenz mit Gundis heute 16-jähriger Tochter Linda
sowie die ersten dreizehn Minuten des nicht mehr erhältlichen zweiten Teils von
Richard Engels Film
Das Ende der Eisenzeit
. Eine in mehrfacher Hinsicht vielschichtige Dokumentation eines vielschichtigen
Künstlers.
Stefan Backes
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GREGOR HILDEN
Blue In Red
(Acoustic Music Records 319.1395.2/Rough Trade, www.roughtrade.de)
11 Tracks, 54:13
Irgendwie läuft dieses Album auf zwei Ebenen. Da ist zum einen die
oberflächliche: in der Bar, dem Radio oder im Hintergrund dahinfließende Musik,
die einfach nur angenehm und entspannt swingt. Bei genauerem Hören schälen sich
dann jedoch die vielen solistischen Feinheiten und Besonderheiten heraus: ein
Trompetensolo von Christian Kappe zum Zungenschnalzen; die angenehm perlenden
Läufe von Thomas Hufschmidt am Flügel; Saxofonist Volker Winck im rhythmischen
Wechselspiel mit Gregor Hilden. Auch die Band in Stammbesetzung brilliert, etwa
wenn sich bei „Zak“ Hilden, Sascha Oeing (Bass), Horst Bergmeyer (Orgel) und
Björn Puls (Drums) Melodie und anschließende Soli weiterreichen. Bei „Trading
Time“ machen der amerikanische Gitarrist Tom Principato und Hilden ihren
individuellen Ausdruck bei gleichem Thema sehr schön hörbar: hier Principato mit
viel Twang und fordernd „motzigem“ Spiel, da Gregor Hilden mit seinem rund
akzentuierten und ästhetisch-luxuriösen Ton. Besonderer Leckerbissen –
nicht nur, aber wohl besonders für Gitarristen – ist „OD Special Blues“.
Die Überdosis, auf die der Titel anspielt, ist der hier verwendete legendäre
Verstärker Overdrive Special der Firma Dumble.
Achim Hennes
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HOOTIN’ THE BLUES
Tree Mountain Hop
(Eigenverlag HTB 1, www.hootingtheblues.de)
17 Tracks, 69:45 mit Infos
Seit zwanzig Jahren sind Hootin’ the Blues aus Münster im In- und Ausland mit
ihrem Akustikblues unterwegs. Drei Platten haben die drei Musiker bislang
veröffentlicht. Jetzt liegt das neue, vierte Album im schönen Digipack vor und
überzeugt. Das Repertoire des Trios, das gelegentlich von Gastmusikern begleitet
wird, hat sich vergrößert. Es fließen Jazz-, Country- und Ragtime-Elemente ein.
Abwechslungsreich und kraftvoll präsentieren sich Gerd Gorke –
Mundharmonika und Gesang -, Günther Leifeld-Strikkeling – verschiedene
Gitarren, Banjo, Mandoline und Gesang -, sowie Rupert Pfeiffer – Gitarren
und Gesang -, und sie können auch mit Coverversionen von Sam Cooke, Fats Waller,
Big Bill Broonzy und Willie Dixon imponieren. Eine klasse Produktion, die Lust
macht, die Jubilare live zu erleben.
Annie Sziegoleit
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CRAZY CHRIS KRAMER
Komm mit
(Blow Till Midnight Records BTM 000010/Fastball Music/SONY BMG, www.sonybmg.de)
16 Tracks, 59:08
„Die andern Kinder, die bekamen Pickel, und ich bekam den Blues“ – wenn
das stimmt, dann bekam „Crazy“ Chris Kramer den „Ungefähr mit 13“, als sein
Vater ihm die erste Mundharmonika schenkte. Zum Glück für uns, denn Kramer
entwickelte sich zu einem
der
, wenn nicht
dem
europäischen Bluesharpspieler überhaupt. Dass er den Blues außer auf der Harp
auch auf akustischer Gitarre und Dobro drauf hat, beweisen acht Alben, die
Kramer bisher solo, mit Freunden oder im legendären Duo Bluebyrds eingespielt
hat. Sein neues Album wurde erstmals – exzellent! – von einem Profi
produziert und weist eine ellenlange Gästeliste auf, die mit Rhythmusgruppe,
Keyboards und Bläsern für einen authentischen Bluessound sorgt. Doch prägend ist
und bleibt die Harp! Sie swingt und atmet und man meint die Schweißtropfen
spritzen zu hören, wenn Kramer nach einem umwerfenden Solo den Kopf zurückwirft
und mit seiner näselnden Ruhrpottstimme über Weltschmerz, eigene
Unzulänglichkeiten und Niederlagen den Blues bekommt. Stilistisch reicht das von
der langsamen Bluesrocknummer bis zum stampfenden Delta-/Swamp-Sound und gar bis
zu Bluegrass. Seine Wurzeln, den Blues, verleugnet Kramer dabei aber nie.
Ulrich Joosten
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KUMLEHN, CASIMIR, ESCAYOLA
Hier
(Wonderland Records WR 9059/Rough Trade, www.roughtrade.de)
13 Tracks, 47:44, mit dt. Infos
Jürgen Kumlehn wird vielen Gitarrenlehrern und -schülern ein Begriff sein. Sein
pädagogisches Werk ist groß und bezieht mittlerweile fast alle Spiel- und
Stilarten der akustischen wie elektrischen Gitarre mit ein. Als Sideman hat er
unter anderem Georg Danzer, Roland Kaiser, Howard Carpendale und Vicky Leandros
begleitet. Seit 2005 ist er mit Annett Louisan auf der Bühne – sein
Tourtagebuch ist in den letzten Ausgaben der Zeitschrift
Akustik Gitarre
nachzulesen. Zur Umsetzung eigener musikalischer Ideen hat er sich nun mit zwei
Kollegen zusammengetan, die ihrerseits mit allen Studio- und Bühnenwassern
gewaschen sind. Percussionist Pablo Escayola arbeitete mit Inga Rumpf, Modern
Talking [!] und James Last, Kontrabassist Olaf Casimir, mit einem
ausgesprochenen Jazzbackground, ist ebenfalls zurzeit in der Louisan-Band.
Herausgekommen ist ein sehr lebendiges und äußerst entspannt musiziertes
Trioalbum, das musikalisch kaum einzuordnen ist. Leichtgängige, melodielastige
Midtempostücke sind das Markenzeichen des sehr homogen agierenden Trios.
Kumlehn wechselt zwischen Akustik- und Jazzgitarre souverän je nach Bedarf. Ein
schönes Instrumentalalbum, das viele Freunde finden dürfte.
Rolf Beydemüller
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MADRUGÁ FLAMENCA
¡Agua!
(Mimikry Music/Galileo MC GMV 017, www.galileo-mc.de)
13 Tracks, 57:02, mit dt. Infos
Dass ein deutsches Ensemble mit dem Regio-Kulturpreis der Stiftung Pro Europa
für die „schöpferische Arbeit an einem eigenem Stil des Flamenco“ ausgezeichnet
wird, ist sicherlich ungewöhnlich genug, um Erwähnung zu finden. Das fünfköpfige
Ensemble Madrugá Flamenca um den Gitarristen Jörg Hofmann veröffentlicht mit
¡Agua!
sein drittes Album. Niemand sollte Flamenco in Gitano-Ausprägung erwarten.
Sicher, Tangos, Sevillanas, Siguiriyas, Alegrias, Bulerias – die
klassischen Tänze sind alle vertreten. Aber tatsächlich: à la Madrugá.
Wunderbare, ungewöhnliche Vokalsätze wie in „En La Verde Orilla“, gesungen und
arrangiert von Jörg Hofmann und Sängerin und Tänzerin Sybille Märklin. Ein
besonderes Element stellt die musikalische Arbeit des Querflötisten Jörg
Benzing dar. Markus Lechner, Kontrabass und Schlagzeuger Friedemann Stert
komplettieren eine außergewöhnliche Band, die ihrem Anspruch, einen eigenen
Zugang zu einem universalen Flamenco zu entwickeln mehr als gerecht wird.
Bleibt noch zu erwähnen, dass das Artwork der CD Geschmack und Liebe zum Detail
verrät. Bis ins kleinste Detail wird hier ein sehr stimmiges künstlerisches
Gesamtkonzept verfolgt. Erstaunlich.
Rolf Beydemüller
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LAS MAÑANITAS
Neo Pop Orient
(Noiseworks Records NW 304/Radar Music, www.radar-music.de)
Promo-CD, 13 Tracks, 53:38
Was eine „Surf-Beat-Country-and“ sein könnte, wird jetzt hier nicht diskutiert.
Las Mañanitas sollen angeblich eine sein. Zunächst einmal handelt es sich um ein
Quintett aus Leipzig, das unter dem Namen Leguans Welt 1999 gestartet ist und
offenbar US-amerikanische Musik mag. Deswegen war ihr erstes Album
WüstEnde
von 2004 auch von Banjos und Mandolinen durchzogen. Das aktuelle Werk
Neo Pop Orient
klingt anders. Die grundsätzliche Attitüde ist die einer rauen Beatband, die
gern die Regler hochdreht. Das beschreibt aber nicht vollständig das
musikalische Spektrum der Fünf, die auch mal den Rio Grande überschreiten und
Mariachi-Trompeten erklingen lassen. Oder einer Art Jazz frönen, um sich in
„Jazz Bar“ über elitäre Kreise improvisierender Musiker lustig zu machen. Es
gibt Akkordeon, Mandoline, Saxofon und vor allem viel Rockinstrumentarium, mit
dem auch gern andere zitiert werden: Kiss zum Beispiel oder CCR. Die Texte
stecken voller skurriler Ideen und Selbstironie, manches erinnert an Fink oder
FSK – Textblatt her! Ums kurz zu machen: Es wimmelt hier vor originellen
Nummern. Freunde deutscher Zunge und sägender Gitarren, greift zu!
Volker Dick
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LA MARMOTTE
Le Trois Hommes Noirs
(Verlag der Spielleute, www.lamarmotte.de)
12 Tracks, 51:57, mit dt. Infos und franz. Texten
Das dritte Album des hauptsächlich in Schwaben ansässigen Quartetts La Marmotte
– das erste seit Jürgen Treyz ausgeschieden ist, der aber als Gastmusiker
dabei ist, und Johannes Mayr hinzugekommen – ist insofern ungewöhnlich für
eine Bal-Folk-Band, als es sich nicht um eine reine Tanzscheibe handelt. Zwei
Balladen – obwohl in diesem Wort „Ball“ vorkommt – sind reine Zuhör-
und Genießstücke mit wunderschönem mehrstimmigem und Satzgesang, deren Texte man
mitlesen kann. Aber auch die teils traditionell französischen, teils
selbstgeschriebenen Tanzstücke mit und ohne Text kann man einfach zuhörend
genießen, denn Konstanze Kulinsky (Gesang, Drehleier, Alto-Drehleier), Christoph
Pelgen (Gesang, Schäferpfeife, Hümmelchen, Grande Bourbonnaise, Biniou Kozh,
Bombarde, Mandoline, Low Whistle), Ulli Rüdiger (Schäferpfeife, Nyckelharpa,
Gesang), Johannes Mayr (Akkordeon, Gesang) sowie die Gastmusiker Henrik Mumm
(Violoncello), Jörg Bielfeldt (Cajon, Perkussion), Gudrun Walther (Violine,
Viola) und Jürgen Treyz (Gitarre) – letzteren beiden auf diesem Wege noch
herzliche Glückwünsche zur Hochzeit! – bieten sie so mitreißend dar, dass
sie Bordunfreunden das Herz höher schlagen lassen.
Michael A. Schmiedel
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MONO & NIKITAMAN
Außer Kontrolle
(Rootdown Records RDM13051-2/Soulfood Music Distribution, www.soulfood-music.de)
Promo-CD, 16 Tracks, 59:14
Schluss mit dem Vorurteil, im Reggae gäbe es seit dem Dub keine Entwicklung
mehr. Was Mono & Nikitaman mit ihrer minimalistischen Melange aus HipHop,
Reggae und Indiesound auf ihrem dritten Album erneut zaubern, ist definitiv
unerhört und ungehört. Für Vergleiche kann man sich bestenfalls mit des
Rezensenten Lieblingsfloskel behelfen: Nicht zu beschreiben, muss man erleben.
Damit zu Vorurteil Nummer zwei, nach dem der typische Reggaekonsument Tütchen
rauchend auf der Wiese liegt. Das passt gar nicht zur frenetischen Party, die
die Fans des Duos bei jedem Gig feiern, jede Zeile mitsingend, wie einst bei den
Rodgau Monotones. Vorurteil Nummer drei: Reggae aus Deutschland ist Gentleman,
vielleicht ein bisschen Jan Delay, und das war’s. Bereits die Ohrbooten haben
mit ihren deutschen Texten und ihrem urbanen Mix die Gehörgänge geentert. Mono
& Nikitaman setzen noch einen drauf. Man wird von den Songs mitgerissen,
will sie sofort nachklampfen, träumt davon, dass die Ärzte mal wieder eine
Single wie „Schlag Alarm“ fabrizieren könnten. Eine Vitaminspritze erhalten Mono
& Nikitaman noch von den Balkan-Ska-Extremisten Russkaja, und Legende Zion
Train steuert als Zugabe noch einen Remix bei.
Chris Elstrodt
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ACHIM REICHEL
Dat Shanty Alb’m
(Tangram/Indigo 911592, www.indigo.de)
11 Track, 42:19, mit Texten und Infos
Klabautermann
(Tangram/Indigo 911612, www.indigo.de)
11 Tracks, 41:52, mit Texten und Infos
Regenballade
(Tangram/Indigo 911632, www.indigo.de)
10 Tracks, 48:10, mit Texten und Infos
Wilder Wassermann
(Tangram/Indigo 911652, www.indigo.de)
13 Tracks, 51:13, mit Texten und Infos
Mit der Veröffentlichung von
Dat Shanty Alb’m
1976 begann Achim Reichel die bis heute andauernde dritte Phase seiner
Musikerkarriere. In den Sechzigerjahren spielte er mit den Rattles und
Wonderland Beatmusik. Danach wandelte er für einige Zeit auf experimentellen
Pfaden und veröffentlichte – meist unter dem Namen A. R. & Machines
– einige Alben mit einer Art meditativer Rockimprovisation, darunter
Die grüne Reise
. Seit Mitte der Siebzigerjahre sind es dann deutsche Texte und Folklore, mit
denen sich der Hamburger beschäftigt. Reichel sieht in Shantys in gewisser Weise
Vorläufer der Rockmusik: eingängige Lieder, die aus dem Bauch heraus entstanden.
Mit ihnen entdeckte der Musiker seine kulturellen Wurzeln. Das war vor über
dreißig Jahren ein Wagnis, zumal er in Plattdeutsch sang. Es dauerte, bis
Reichel eine Plattenfirma fand, die diese Lieder veröffentlichen wollte, der
Erfolg gab ihm dann Recht. Auf dem Nachfolgealbum
Klabautermann
wagte sich der Künstler an deutsche Volkslieder. Und er vertonte wieder –
wie schon auf
Dat Shanty Alb’m
mit Joachim Ringelnatz’ „Das Lied von der Hochseekuh“ – ein Gedicht.
Dieses Mal von Christian Morgenstern. Zugleich entdeckte Reichel mit der Figur
des Klabautermanns und dem Fliegenden Holländer seine Liebe zu mythologischen
Gestalten.
Regenballade
von 1978 kann schließlich mit Recht als Meilenstein deutscher Rockmusik
betrachtet werden. Reichels Vertonung von Theodor Fontanes Gedicht „Herr von
Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ wurde nicht nur zum „Hit“, sondern fand sogar
Eingang in den Deutschunterricht. Bei der Bearbeitung der alten Dichter ließ
sich Reichel vom britischen Folkrock à la Fairport Convention inspirieren -aber
nicht ohne einen eigenen Ton zu finden. Ganz nach Reichel klingen dann auch
„Die Loreley“ und der „Erlkönig“ sowie andere Texte von Klassikern wie Goethe,
Heine, Storm und Mörike auf seinem 2002 veröffentlichten Album
Wilder Wassermann – Balladen & Mythen
. Alle vier CDs im Digipack enthalten Bonustracks. Und in den Booklets
kommentiert Achim Reichel sowohl die Entstehung des jeweiligen Albums in seinem
Zusammenhang als auch die einzelnen Lieder. Beim Träger des Weltmusikpreises
RUTH 2007 können sich manche Künstlerinnen und Künstler, die sich heute mal eben
so mit deutscher Volksmusik beschäftigen, weil es ihnen angesagt erscheint, eine
Scheibe abschneiden.
Michael Kleff
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HOLGER SAARMANN & VIVIEN ZELLER
Lieder, so deutsch wie der Wilde Westen
(Bluebird Café Berlin Records, www.bcb-records.de)
18 Tracks, 73:22, mit allen dt. und engl. Texten und vielen Erklärungen
Dieses Album verdient dreifach eine Besprechung im
Folker!
– denn es ist Folk, es ist Lied und es ist Weltmusik. Grob gesagt handelt
es sich um traditionelle Lieder der deutschen Auswanderer nach Pennsylvania/USA
Ende des 18. Jahrhunderts. Diese Lieder wurden von dem Berliner Duo Holger
Saarmann (Preisträger bei Songs an einem Sommerabend 2007) und der Folkgeigerin
und Sängerin Vivien Zeller (Malbrook) einfühlsam arrangiert und ideenreich
vorgetragen. Fast ein wenig exotisch mutet es an, dass diese umfangreiche
Liedersammlung auch zwei vertonte Gedichte von Karl May enthält. Darüber hinaus
hat Holger Saarmann eine 22-strophige [!] „Ballade des armen Webersohnes Karl
May“ verfasst – meisterhaft gedichtet – und diese absolut
professionell umgesetzt. Inhaltlich recht aufschlussreich. Und er versichert:
Alle brisanten Details sind verbürgt. Ein Album, das über das rein
Dokumentarische weit hinausgeht, indem es zwar eine Fülle wissenswerter
Informationen liefert, gleichzeitig aber auch Hörgenuss pur – jedenfalls
für die Liebhaber handgemachter Folkmusik.
Kai Engelke
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GEORG SCHROETER & MARC BREITFELDER
Live In Sweden
(Rudolphon RDP 190/New Music Distribution, www.new-music-distribution.de)
Do-CD, 14 Tracks, 91:56, mit minimalen Infos
Sind es sonst in den letzten Jahren – zumindest, wenn man Popmusik und
Jazz betrachtet – Musiker aus den nordischen Ländern, die den deutschen
bzw. europäischen Musikmarkt überschwemmen, so haben wir hier wenigstens einmal
den umgekehrten Fall. Zwei Musiker aus Deutschland, um genauer zu sein, aus
Kiel, traten an, um Schweden zu erobern. Und dem Bluesduo bestehend aus Georg
Schroeter (Piano, Gesang) und Marc Breitfelder (Harmonikas) gelang dies auch.
Mit ihren herzerfrischend geerdeten, satten Bluessongs verschafften die zwei
sich nicht nur Gehör, sondern hinterließen bleibenden Eindruck. Im Folket Hus in
Ange wurde die Musik für das vorliegende Doppelalbum im April 2007 von Kenneth
Lindholm mitgeschnitten. Wäre es lediglich die gute Soundqualität und die
„nette“ Stimmung des Abends, so würde sich vielleicht nichts sonderlich abheben
von anderen guten Livealben. Jedoch sind hier zwei Blueser am Werke, die zum
größten Teil eigene Lieder darbieten, mit Engagement, handwerklichem Können und
der nötigen Portion „Grit And Dirt“. So gelingt es Schröter und Breitfelder, den
Blues zu verbreiten und dabei das Publikum mitzureißen. Ein Hörerlebnis, bei dem
man sich richtig vor Ort fühlt. Hier geht’s ab!
Carina Prange
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JOHANNA ZEUL
Album No. 1
(Gold und Tier GUT001/Broken Silence, www.brokensilence.biz)
13 Tracks, 42:16, mit dt. Texten
Vielleicht hat sie ja tatsächlich einen Knall, wie die
Süddeutsche
schreibt. Und wenn? Dann ist es auf jeden Fall ein produktiver. Johanna Zeul
befindet sich weitab des deutschen Mainstreams der Marken Juli oder Silbermond.
Deutlich näher steht sie einigen Protagonisten aus NDW-Tagen, etwa Ideal oder
den Neonbabies. Meistens spielt sie gitarrenbetonte Krachmusik, kann aber von
jetzt auf gleich von wild auf zahm umschalten und dann mit Kleinmädchenstimme
singen. Wobei wir natürlich wissen, dass gerade darin das Subversive und
Gefährliche liegt – siehe Annett Louisan. Johanna Zeuls gitarristische
und stimmliche Wandlungsfähigkeit findet Entsprechung in einem oft
lautmalerischen Umgang mit der deutschen Sprache, die sie sich zurechtlegt, wie
es gerade musikalisch passt. Und sie schreibt wunderbare Zeilen, so in „Hey
Fremder“, dem Lied an einen Typen, der ihr gerade recht kommt: „Hey Fremder!
Dein Blick ist wie ein Kuss / Ich will nicht aufdringlich sein, aber ich muss.“
Keine Frage: Diese Frau ist ein impulsiver Vulkan, nicht nur wenn sie schreit,
auch wenn sie uns die niedliche Nena gibt. Gut, dass die unmittelbare
Produktion ihres Debütalbums das nicht wegsoftet. Johanna knallt!
Volker Dick
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