KEYVAN CHEMIRANI/PANDIT ANINDO CHATTERJEE
Battements Au Coeur De L’Orient/Batement In Orient Heart
(Accord Croises AC 121/Harmonia Mundi, www.harmoniamundi.com)
9 Tracks, 65:30, mit 30-seitiger Textbeilage in engl./franz.
Orient meint im Allgemeinen Osten und im Besonderen den Nahen und Fernen Osten.
Keyvan Chemirani ist ein moderner iranischer Percussionist, der in Südfrankreich
aufwuchs und sich der Handtrommel Zarb widmet, sich aber auch schon früh für das
Spiel des indischen Tablavirtuosen Pandit Anindo Chatterjee begeisterte. Die
beiden Musiker stehen für eine neuerliche Form des Musikaustauschs von Persern
und Hindus, der vor vierhundert Jahren seinen Höhepunkt erreicht haben soll
– so die informative Beilage. Diese Synthese hat nichts Artifizielles, und
auch der indische Percussionist stellt fest: „Wir verfügen über gemeinsame
rhythmische Strukturen in unseren Wurzeln.“ Dennoch ist dies kein
Percussionalbum. Es zeigt vielmehr wie Rhythmen eine Melodie strukturieren.
Nicht nur das Percussionduo aus Tabla und Zarb bewegt sich in unverhoffter Nähe.
So werden die beiden nicht etwa von einem iranischen Kniegeiger auf der
Kamantscha begleitet, sondern vom griechischen Lyraspieler Sokratis Sinopoulos.
Ken (Kenneth) Zuckerman, der gebürtige Amerikaner, der in jahrzehntelanger Übung
zum Meister der lautenähnlichen Sarod wurde, und die ungekünstelte Altstimme von
Keyvan Chemiranis Schwester Maryam runden dieses äußert stilvolle Album ab.
Wieder einmal zeigt sich Accords Croises als hochinspiriertes Label.
Birger Gesthuisen
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DIVERSE
Shabbat Night Fever
(Fly Fast Records/Lieblingslied Records, Al!ive, www.alive-ag.de)
CD: 20 Tracks, 78:15; Buch: 102 Seiten: engl. und dt. mit Szene- und Bandporträts sowie den ins Engl. übersetzten Lyrics von 6 Songs
Wenn Claudia Frenzel nicht die Redaktion der „Neuen Szene!“ beim
Folker!
macht und Katrin Werlich sich nicht darum bemüht, dass ihr wegen zu vielen
Anzeigen kein Platz mehr dafür bleibt, machen sie zusammen selbst aktiv in
Kultur. So waren sie in diesem Jahr heftig bei ILanD engagiert, einem Projekt,
das anlässlich des sechzigsten Jahrestags der Gründung Israels junge Musiker
von dort und aus Deutschland zusammenführte. Wo sie schon einmal dabei waren,
stellten sie vorliegendes Huckepackalbum mit Buch zusammen, das einen Überblick
über die junge Klubmusikszene Israels gibt. Da tönt viel HipHop, Reggae und
Funk; Jazz, Afrobeat, Disco, House, Electro und Two Step machen den Hörern
Beine; Punk- und Rockelemente steuern Härte bei; Lateinamerika, der
Mittelmeerraum, Osteuropa, der Balkan, Arabien und der Orient vermischen sich
zu Weltmusik; und Dub, TripHop, Dope Beats, Chillout und Easy Listening sorgen
für Entspannung zwischendurch und danach. Das ist ganz wie überall sonst in den
urbanen Partyzentren der Welt. Und manchmal – mit dem vielen Hebräisch
und den Elementen jüdischer Folklore, die mal stärker, mal schwächer Eingang
finden in diese häufig außerordentlich eingängigen Produktionen für die Klubs
des jungen Israel – auch ein bisschen anders ...
Christian Beck
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SA DINGDING
Alive
(Wrasse Records WRASS 213/Harmonia Mundi, www.harmoniamundi.com)
10 Tracks, 44:33, mit Texten in Mandarin, Sanskrit, Tibetisch
Die junge Chinesin mit dem zungenfreundlichen Namen gefällt sich in der
Medienaufmerksamkeit, die ihr im Westen zuteil wird, auch wenn ihr die ständigen
Fragen nach Chinas Tibetpolitik sichtlich auf den Zeiger gehen. Ihr Schaffen
jedenfalls ragt selbst aus dem sonst für Überraschungen immer guten
Weltmusikzirkus heraus: Alte chinesische Weisen mit ordentlich Elektronik
durchgeschüttelt und mit betörender Stimme inszeniert – für so etwas gibt
es zu Recht gleich eine hohe Platzierung in den World Music Charts Europe und
einen BBC-Award. Als hätte Bill Laswell einen besonders guten Tag erwischt
– hat er selten – sind die Grooves fett, ohne aufdringlich zu sein.
Die Abmischung nutzt geschickt den Stereoeffekt aus und ist filmreif, ohne dass
es dazu eines Filmes bedarf. Der entsteht von alleine. Selbst die uralte
chinesische Trommelkunst, die einen zentralen Platz einnimmt, kommt aus dem
Rechner, ohne dass man es hört – was eine Glanzleistung für sich ist.
Lediglich das eine oder andere Intro wirkt etwas aufgesetzt, was jedoch den
Hörgenuss nicht wesentlich beeinträchtigt. Kenntnisse der chinesischen Sprache
sind entbehrlich, denn auf Textinhalte kommt es Sa Dingding nur nebenbei an, sie
singt u. a. in Sanskrit und einer bedeutungslosen, selbsterfundenen phonetischen
Sprache. Es wäre schön, wenn mit diesem Album Asien endlich seinen Platz in der
Weltmusik findet: urbane, moderne Sounds, die alte Traditionen neu entfachen. Sa
Dingding ist der lebende Beweis dafür, dass China auch ohne Abzukupfern beste
Chancen auf dem Weltmarkt hat, wenn es sich nur auf die eigene Kultur besinnt.
Und sie schafft es, diese für westliche Ohren so schwierige Kultur schmackhaft
zu machen, ohne dass es nach Anbiederung klingt. Alle Daumen hoch!
Luigi Lauer
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