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DIVERSE
American Folk & Country Music Festival
(Bear Family BCD 16849 BK, www.bear-family.de)
2-CD-Box (12”-Format), 41 Tracks, 107:41, mit 76-seitigem gebundenem Buch (dt./engl.)
Das müssen damals, im Jahr 1966, wahrlich ungewohnte Klänge für deutsche
Ohren gewesen sein. Mit den Stanley Brothers (mit Carter Stanley, der wenige
Monate später starb), der Banjolegende Roscoe Holcomb, den New Lost City
Ramblers, Cyp Landreneau’s Cajun Band und Cousin Emmy brachen urwüchsige
Klänge aus den Bergen und Sümpfen des ländlichen Südens der USA über Europa
herein. Stationen der dreiwöchigen von Lippmann & Rau veranstalteten
Tournee – ein Ergebnis des Erfolgs der American Folk Blues Festivals
in Europa in den Jahren zuvor – waren neben Deutschland noch Dänemark,
Schweden und die Schweiz. Die vorliegenden Aufnahmen entstanden beim Konzert
am 17. März 1966 in Bremen. „Die Einfachheit der Melodien und der
Vortragsweise konnten nicht immer überzeugen“, hieß es in einer
Konzertkritik. Das Publikum erwartete weißen Blues, was es bekam, und was
hier – mit einführenden Worten von John Cohen, Mike Seeger und Carter
Stanley als Ansager – dokumentiert wird, war, wie Fritz Rau sagt, das
„Gegenstück zum Blues“, das den proletarischen Ursprung der Countrymusik
zeigte. Neben authentischen Erinnerungen von Cohen, Seeger und Tracy Schwarz
enthält das Begleitbuch auch viele Originalfotos von Cohen und von Fans.
Darunter Bear-Family-Chef Richard Weize.
Michael Kleff
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JOE ELY
Happy Songs From Rattlesnake Gulch – Pearls From The Vault Volume XX
(Rock’em Records RERCD 1/Rounder/in-akustik, www.in-akustik.com)
11 Tracks, 49:24, mit sämtlichen Songtexten
Silver City – Pearls From The Vault Volume 1
(Rock’em Records RERCD 2/Rounder/in-akustik, www.in-akustik.com)
10 Tracks, 40:49
Rattlesnake Gulch – die „Klapperschlangenschlucht“ – ist ein
Mountain-Biker-Paradies im Eldorado Canyon State Park, Colorado. Die Kulisse
lässt Pedal Steels und Fiddles vermuten, aber Joe Ely lässt auf dem einen
seiner beiden aktuellen Studioalben nur einmal ein Akkordeon beim Cajun
Waltz „Little Blossom“ ran, sonst geht es rockig zu. Die Gitarren bedienen
neben Ely selbst und Rob Gjersoe auch bewährte Greifer wie David Grissom und
Mitch Watkins. Einige Themen sind gleichermaßen hart: Bei „Baby Needs A New
Pair Of Shoes“ geht es elektrisiert und mit Bläsern verstärkt um New
Orleans’ Katrina-Opfer – die Ohnmacht der Bittsteller ist spürbar.
„Sue Me Sue“ erinnert an „She’s A Woman“ von den Fab Four, extrem tanzbar
wie Butch Hancocks treibendes „Firewater“. Elys sonst durchweg eigene Songs
handeln wieder von Abenteurern, die sich quer durch die Staaten
hocharbeiten, betrachten Profispieler, erzählen vom Reichtum – so wie
Old Joe das beschreibt, bleibt nichts Erstrebenswertes. Textlicher Höhepunkt
ist sicher „Miss Bonnie And Mister Clyde“: Mister Ely quatscht die beiden im
Auto Sitzenden an, empfiehlt den Raub eines Goldtransports, der Ausgang wird
nicht verraten. Musikalisch wirken am intensivsten der siedende
12-Bar-„July-Blues“ und das vom bestechend einfachen Wechselbass Gary
Hermans getragene „Up A Tree“, das von Mariachi-Trompeten verziert wird.
Wer Ely eher folkig-countryesk mag, wendet sich Silver City zu,
dabei bleibt die Qualität des Gebotenen unbestritten. Auf dem Cover schaut
der blutjunge Joe eher drein wie Dustin Hoffman als nordamerikanischer
Ureinwohner. Die Songs gehören zu Elys frühesten – aufgenommen hat er
sie jedoch erst 2006 mit seinem langjährigen Gefährten Joel Guzman. Sparsam
instrumentiert mit schönen Westerngitarrenklängen, Bass, Mundharmonika,
Percussion und Guzmans Akkordeon, ist dies der Folkkontrast zu den rockigen
Happy Songs From Rattlesnake Gulch. Elys ewige Sehnsucht, unterwegs
zu sein, zieht sich durch all diese schönen Nummern, die Traditionals zu
sein scheinen, allen voran der bewegende Country Waltz „Time For Travelin’“
– man ahnt schon durch die herzzerreißende Melodie, dass Joe nur wegen
Lorraine nach Atlanta kam, aber weiterziehen muss. Im Titelstück tröstet Ely
seine Liebste, er müsse nun einmal vom Land in die Stadt – erst danach
kann er zurück. Doch für wie lange? Warum das so ist, wird in „Santa
Rosa/St. Augustine“ klar – er liebt allein schon das Röhren der
Motoren, verzehrt sich nach dem Geruch verbrennenden Benzins. „Past &
Present“: Mal ist er der Cowboy, der sich in den „Badlands“ von Südwesttexas
1852 eine Braut nimmt, „warm wie die Morgensonne“, mal beobachtet er die
Jets vom „Cloister Mountain“ aus. Die Romantik und Eleganz dieser Songs
erschließt sich übrigens auch dem, der kaum Englisch kennt oder nicht auf
Texte hört.
Uli Twelker
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THE MANNISH BOYS
Big Plans
(Delta Groove Productions DGPCD116/in-akustik, www.in-akustik.com)
15 Tracks, 57:37
Wie eine All-Star-Band des traditionellen Chicago und Westcoast Blues
liest sich das Line-up der Mannish Boys. Doch damit nicht genug, haben sich
die neun Musiker der Stammbesetzung noch zusätzlicher Verstärkung durch
nicht minder bekannte Größen der amerikanischen Bluesszene versichert. Was
sehr schnell zu einem „zu viel“ an Talent geraten kann, gelingt hier ganz
vortrefflich: In lockerer und entspannter Atmosphäre wird musiziert, Alt und
Jung reichen sich das Gesangsmikrofon oder den Gitarrenstecker weiter. Finis
Tasby, Johnny Dyer und Rob Rio sind dabei, an den Gitarren spielen aus der
jungen Generation Kirk „Eli“ Fletcher oder Frank Goldwasser und aus der
alten Schule Jody Williams, die Stücke wechseln zwischen Akustik- oder
E-Bass-Begleitung, erhalten zusätzliche Akzente durch Harp oder Saxofon, und
als Konstante trommelt Richard „Big Foot“ Innes, den nichts, aber auch
wirklich nichts aus der Ruhe bringen kann. Produzent Randy Chortkoff, der
auf zwei Stücken selbst mitwirkt, bewies auch bei der Aufnahme und
Abmischung des Albums sicheren Geschmack, denn auch hier ist nichts überhöht
oder nachträglich geschönt worden – was bei der Klasse aller
beteiligten Musiker auch wirklich nicht nötig gewesen wäre.
Achim Hennes
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KEVIN MEISEL & THE RAGGED GLORIES
Cruising For Paradise
(Brambus Records 200726-2/H’Art Musik Vertrieb, www.hart.de)
12 Tracks, 52:15
Stilistisch noch eine Schippe draufgelegt seit dem Vorgängeralbum auf
seine damals schon abwechslungsreiche Americana-Variante hat Bandleader
Meisel: Gitarrist Alex Anest (siehe auch Alex and Naomi Anest in den
Kurzkritiken) hat zu den üblichen Roots als Produzent nun auch noch
ordentlich Beat, Pop und sogar Psychedelia hinzugefügt – was der Sache
bestens bekommt! Da jingel-jangeln Gitarren in Folkrockchori wie von den
Byrds, tanken sich Melodien durch Akkordfolgen, die auch zehn britische
Bands in den Sechzigern zusammen nicht abwechslungsreicher und opulenter
hinbekommen hätten, erzeugen Keyboardklänge wie aus dem Mellotron diese
außerirdisch weggetretenen Stimmungsnebel, als stünde man unter dem Einfluss
ganz besonders eigenartiger Substanzen. Dann wieder wird pfeilgeradeaus
gerockt als gälte es, Cowpunk und die Folgen neu zu erfinden, und mit
mitreißender Leichtfüßigkeit überhaupt so druckvoll Richtung Paradies
gecruist wie man es von der gern leicht trübsinnigen Alternativeseite her,
von der auch Meisel ursprünglich kommt, gar nicht oft hört. Jetzt bloß nicht
abheben vor lauter Überschwang und schierer Lust am Musizieren,
Herrschaften! Noch seid ihr nicht ganz angekommen – oder doch ...?
Christian Beck
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CHARLIE MONROE
I’m Old Kentucky Bound – His Recordings 1938-1956
(Bear Family Records BCD 16808, www.bear-family.de)
4 CD-Box, 110 Tracks, 245:14, mit 60-seitigem Begleitheft
Bill kennt jeder, aber Charlie Monroe? Dabei gehörte auch der ältere
Bruder des Bluegrass-Vaters zu den prominenten Vertretern des Genres. Als
Monroe Brothers hatten beide gemeinsam in den Neunzehnhundertdreißigerjahren
Erfolge gefeiert, sich dann aber getrennt. Charlie stand zwar in Bills
Schatten, wusste aber dennoch seine Talente als Songschreiber, Sänger und
Gitarrist einzusetzen. Und er ging immer wieder ins Studio, um die Stücke
festzuhalten, viele davon mit den Kentucky Pardners. Mancher Hit war
darunter, vor allem sein „Bringing In The Georgia Mail“. Nun liegen erstmals
sämtliche Aufnahmen auf CD vor, die Charlie Monroe zwischen 1938 und 1956
für Bluebird, RCA Victor und Decca vorgelegt hat. Die Spezialisten von Bear
Family Records haben die Originalbänder oder alternativ die besten
verfügbaren Kopien überspielt und den Klang behutsam restauriert. Darüber
hinaus enthält die 4-CD-Box sieben bislang unveröffentlichte Einspielungen
und erstmals zu hörende Livemitschnitte, die Mike Seeger in den Jahren ’55
und ’56 fertigte. Das 60-seitige Begleitheft im LP-Format enthält die
umfangreiche Biografie Monroes, zahlreiche historische Fotos und eine genau
Diskografie. Kurzum: alles über Charlie.
Volker Dick
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LE VENT DU NORD
Dans Les Airs
(Borealis BCD 189/New Music Distribution, www.new-music-distribution.de)
11 Tracks, 41:06, mit Texten und Infos
Eine der besten – wenn nicht die beste – frankokanadische
Bands, die es in knapp zweieinhalb Jahren von Null an die Spitze geschafft
hat. Mit ihrem Debütalbum kassierten Le Vent du Nord 2004 gleich locker
einen Juno Award und mit dem Zweitling im Jahr darauf den Canadian Folk
Music Award. Nun legen sie Album Nummer drei vor. Und obwohl mit jeder neuen
Veröffentlichung eine Person im Line-up wechselte, klingt die Band
unverwechselbar und wie aus einem Guss. In der dritten Besetzung fügt sich
Réjean Brunet (diat. Akkordeon, Piano, Bass, Gesang) nahtlos für Benoit
Bourque in die Band ein. Auch Dans Les Airs wird die Fans der Band
nicht enttäuschen: volltönende Gesangssätze (oft im call and
response; beim Favoriten des Rezensenten „Le Vieux Cheval“ gar ganz a
capella), aber auch Sologesänge der vier Bandmitglieder, jeder Einzelne für
sich schon ein ausgezeichneter Sänger. Dazu das traditionelle rhythmische
Foot Tapping, geschmackvolle Violinen-Drehleier-Kombinationen (wobei
die Leier etwas mehr im Hintergrund spielt und dafür das Piano in den
Vordergrund rückt), mitreißendes Akkordeon und großartiges Gitarrenpicking.
Zwar kann sich der Rezensent des Eindruck nicht erwehren, dass der Nordwind
diesmal nicht ganz so ungestüm weht wie auf den vorigen Alben. Dafür aber
klingt er ausgefeilter in den Arrangements – insgesamt ein
überragendes Album!
Ulrich Joosten
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