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BROOM BEZZUMS
Arise You Sons Of Freedom

(Steeplejack Music SJCD009, www.steeplejack.de)
12 Tracks, 52:22, mit engl. Texten und Infos

Ich glaube, so ganz ist das noch nicht bekannt im Lande, dass es ein relativ neues Duo von der großen Insel gibt, und dass die Jungs mit Vorliebe auch auf dieser Seite des Kanals touren. Ob es sich lohnt, sich die Broom Bezzums mal live anzutun, keine Ahnung, ich hatte noch nicht die Ehre. Aber die neue CD liegt vor, und die lässt vermuten, dass ein Abend in der musikalischen Gesellschaft von Mark Bloomer (Gesang, Gitarre, Mandoline, Mandola, Whistle) und Andrew Cadie (Gesang, Fiddle, Gitarre, Northumbrian Pipes, Trompete) zwar ein sehr unterhaltsamer, aber durchaus nicht inhaltsleerer werden könnte. Die Produktion ist angenehm zurückhaltend, dennoch geschmackvoll mit liebevollen kleinen Details. Das kann ungefähr so auch auf der Bühne klappen. Die Songs, meist mit einem nordenglischen Touch, bevorzugen die Broom Bezzums eher von der traditionellen Quelle. Das sind überwiegend Lieder, die deutlich machen, dass schon immer für ein besseres Morgen gekämpft wurde. Ein zeitloses Thema, wie das einzige eigene Lied, das beeindruckende „Chains Of Tyranny“ beweist. Die Instrumentals, die deutlich machen, dass die Herren ihr Handwerk beherrschen, sind meist Eigenwerk. Für die unzähligen größeren und kleineren Klubs der Republik!

Mike Kamp

 

BROOM BEZZUMS - Arise You Sons Of Freedom


DIVERSE
Gypsy Caravan - When The Road Bends ...

(468070, WorldVillage, worldvillage.com)
24 Tracks, 72:51, Infos auf Englisch

Sinti und Roma erfahren, egal wo sie leben, Diskriminierung. Nur ihre Musik findet immer mehr Anhänger im Westen. Deshalb hat Jasmine Dellals fünf Gypsy-Musikgruppen auf ihrer Tournee durch Nordamerika als The Gypsy Caravan - When the Road Bends gefilmt. Und das sind nicht irgendwelche Gruppen, sondern längst Stars in der Branche: die Taraf de Haidouks und Fanfare Ciocarlia aus Rumänien, die mazedonische Gypsy-Diva Esma Redzepova sowie der Inder Maharaja und die andalusische Band Antonio el Pipa Flamenco Co. Der Soundtrack hat einiges an Musikstilen zu bieten: vom Flamenco bis zur Blasmusik, von rumänischen Violinen bis zum indischen Folk, den Maharaja dann auch mal gelungen mit Drum-’n’-Bass-Rhythmen arrangiert („Maro Jailo Remix“). Man trifft auf Traditionals wie „Nicoleta“ oder „Djelem Djelem“, die man aus Emir Kusturicas Filmen kennt. Von der Old Lady des Gypsy-Gesangs Redzepova ist eine Aufnahme aus alten Zeiten zu hören („Romano Horo“), ein Lied, das sie selbst geschrieben hat. Insgesamt eine gelungene, spannende Mischung, die auch Lust auf den Film macht.

Natalie Wiesmann

 

DIVERSE - Gypsy Caravan - When The Road Bends ...


DIVERSE
The Imagined Village

(Real World CDR W147/EMI)
11 Tracks, 61:11

Die Vorgabe ist nachvollziehbar: Frühe englische Folksammler wie Cecil Sharp haben das Material nicht unverfälscht niedergeschrieben, sondern ihren Vorstellungen angepasst. Nichts anderes machten die Folkrocker der Siebziger und nichts anderes macht Simon Emerson, Produzent und Kopf des Afro Celt Sound System. Die populären traditionellen Songs werden in diversen Studios mit aktuellen Sounds angereichert: Dub, Club, Reggae, Jazz, Soul, Dance - was auch immer angesagt ist. „John Barleycorn“, „Cold Haily Rainy Night“ oder „Hard Times Of Old England“ usw. sind Ausgangs- und Mittelpunkt der Klangreisen. Die Interpreten haben einen Ruf als hervorragende, experimentierfreudige Folkkünstler: u. a. Martin & Eliza Carthy, The Young Coppers, Billy Bragg, Chris Wood, Nigel Eaton oder Phil Beer, aber auch Fusionkünstler wie Sheila Chandra, Benjamin Zephaniah, Sheena Mukherjee oder das erwähnte Afro Celt Sound System. Diese Mischung ist somit ein Spiegelbild der heutigen englischen Gesellschaft; sozusagen lokale Lieder mit Sitar, Dhol Drum und kräftigen Copper-Chören, ohne Platz für rechte Tümeleien und Befindlichkeiten. Genau so sieht Emerson sein Projekt, und ich halte es für ein ausgesprochen gelungenes; Klangkaskaden, die auch nach mehrfachem Hören Neues entdecken lassen. Man muss nur offene Ohren für neue Klänge haben, aber das war vor dreißig, vierzig Jahren mit dem Folkrock auch nicht anders.

Mike Kamp

 

DIVERSE - The Imagined Village


DIVERSE (Karin Jana Becker etc.)
Saravá

(Quantensprung, www.tschatscho.ch)
Do-CD, 83 Tracks, 153:35

Die Steinmandlis auf dem Cover haben etwas Esoterisches, noch mehr die Beschreibung, dass auf der Doppel-CD auch Kraftlieder zu hören sind. Doch für Fans von purem Gesang können die Volkslieder und Spirituals, die Karin Jana Beck, Barbara Mordasini Voser und Ariane Rufino dos Santos aus unterschiedlichsten Regionen der Welt gesammelt haben, eine Inspiration sein. Ad-hoc-Chöre singen mündlich überlieferte Lieder aus Südafrika, Brasilien und Schweden sowie Romalieder aus der Slowakei und ein Traditional der finnischen Samen. Die Frauen- und Männerchöre werden minimalistisch begleitet von Trommeln, Gitarren oder Geigen. Wer selbst gerne singt, kann sich an den beigelegten Texten versuchen, Akkorde laden zur Begleitung ein. Dazu kommen noch Tipps zur Aussprache, zum Beispiel für die indischen Lieder. Auch in Sprachen, die der eine oder andere mal in der Schule gelernt hat, kann nachgesungen werden: Zum Beispiel das französische anonyme „Le Soleil S’Est Levé“ - obligatorisch begleitet von einem Akkordeon - oder das mehrstimmige „The Moon She Dances“. Singen als heilende Kraft, das ist nicht esoterisch, sondern lebensnah.

Natalie Wiesmann

 

DIVERSE - Saravá


GLOBAL KRYNER
Weg

(Blanko Musik/Lawine/SONY BMG 88697164282)
13 Tracks, 49:31, mit Infos, ohne Texte

Beim ersten Hören der neuen, dritten Kryner-CD war ich zunächst skeptisch - man muss sich wohl erst an die unvermeidlichen Parallelen zur volkstümlichen Oberkrainervariante gewöhnen. Dann aber erkannte ich, dass hier von hochprofessionellen Künstlern ein Musikstil ebenso ironisiert wie zelebriert wird, den man einfach nicht komplett den Stadln dieser Welt überlassen darf. Die Idee mag nicht mehr neu sein - dass man bekannte Popsongs mit den verschiedensten Stilen herrlich durch den Kakao ziehen kann, haben Bands wie Eläkeläiset oder Hayseed Dixie zur Genüge bewiesen. Aber eben auch die Global Kryner. Wohl deshalb überwiegt auf Weg nun der Anteil an Eigenkompositionen, ganze sieben an der Zahl, bei denen die Österreicher ähnliches Gespür für Ironie und musikalische Feinheiten beweisen wie zuvor bei den reinen Coversongs. Natürlich gibt es auch „Humta“-Versionen bekannter Popsongs, wie etwa „Proud Mary“, „I Will Survive“ oder „Dschinghis Khan“. Zwei weitere Stücke entstammen zudem dem unendlichen Fundus kubanischer Musik (authentisch vorgetragen von Gastsängerin Yaqueline Castellanos). Am Ende steht außer Zweifel: Die Kryner verstehen ihr musikalisches Handwerk. Absolut. Mit einem Augenzwinkern wird „verkrainert“, was „verkrainert“ werden kann, und da steht der Band die Welt(musik) offen! Selbst wenn ich in Zukunft kein leidenschaftlicher Fan werden sollte, ziehe ich dennoch den Hut vor der Kunst der Global Kryner.

Stefan Backes

 

GLOBAL KRYNER - Weg


METTE-KATHRINE JENSEN
Øjeblikke

(GO’ Danish Folk Music,GO0307, www.mettekathrine.dk)
11 Tracks, 40:25, CD mit dän. Infos u. Texten sowie kurzer engl. Info.

Mette-Kathrine Jensen spielt Akkordeon und singt, sie arbeitet mit mehreren dänischen Gruppen zusammen und hat für diese Aufnahme etliche Kollegen und Kolleginnen ins Studio geholt, vor allem die Damen, die mit ihr bei Zenobia spielen. Aber das Hauptgewicht bei dieser CD ruht auf Frau Jensen, und das ist auch gut so. Sie entpuppt sich als wahre Teufelin am Akkordeon und hat außerdem offenbar den Schalk im Nacken, was die Titel ihrer Stücke angeht. Das erste, „Ostindiens Velkomst“, klingt wie Liederjan in frühen Jahren, nach Ostindien oder dem bespielten Schiff gleichen Namens eher nicht. Stück Nummer zwei, der „Birnenwalzer“, klingt eher irisch und wird so schnell gespielt, dass auch der versierteste Walzerkönig aufgeben müsste, der „Rote Krabben-Reel“ nun wiederum hört sich nicht wie ein Reel an, sondern wie Pariser Musette mit Klavierbegleitung. Wir sehen, diese CD bringt lauter Überraschungen, und die größte sind die Lieder. Denn singen kann Mette-Kathrine auch, und sie tut es hier eher zu wenig. Sie singt patriotische Lieder aus dem 19. Jahrhundert, in denen die Liebe zu Dänemark beschworen wird (eins stammt sogar vom dänischen Nationaldichter Hans Christian Andersen), was sie damit begründet, dass diese Lieder gar nicht so schrecklich sind, wie man meinen könnte, wenn man sie nur aus dem damaligen Zusammenhang nimmt und ihnen, musikalisch gesehen, moderne Arrangements verpasst. Was zu denken gibt, aber hier klappt es immerhin. Eine wunderbare, abwechslungsreiche CD, und das letzte Stück, „Mitternacht“, ist ganz einfach zum Heulen schön.

Gabriele Haefs

 

METTE-KATHRINE JENSEN - Øjeblikke


GEORGE LEITENBERGER
Stiller die Spur

(Nuit Blanche Recording NB 1207, www.georgeleitenberger.com)
13 Tracks, 60:42, Texte

Lieder aus dem Leben gegriffen, aus seinem wie aus fremden, singt der umtriebige George Leitenberger. Jetzt lebt er in Genf, frühere Stationen waren Berlin oder London, sein erstes Album erschien 1989, diverse Jobs und Alben folgten. Mit etwas angekratzter Stimme präsentiert er nuschelnd seine Songs. Intelligente Texte, persönlich, melancholisch, geheimnisvoll, philosophisch und auch gesellschaftskritisch, er bietet eine interessante Mischung an. Er besingt Menschen, die sich nach Jahren wieder sehen, Menschen, die ihr Leben hinterfragen, Menschen, die versuchen, dem Elend (in Afrika) zu entfliehen, und Menschen, die ein schräges Leben führen. Musikalisch vereint er Elemente von Folk, Jazz und Blues mit seinem Gitarrenspiel und das Saxofon unterstützt seine stimmungsvollen Gedankenausflüge. Es scheint eine Renaissance zu geben für textlich und musikalisch anspruchsvolle Songs, die auch politische und gesellschaftskritische Themen aufgreifen. In diesem Sinne liefert Leitenberger etwas für Gefühl und Verstand, mit Hand und Fuß für Herz, Hirn und Ohr.

Rainer Katlewski

 

GEORGE LEITENBERGER - Stiller die Spur


MA’ARÍA
Sugnari

(FolkClub Ethnosuoni ES 5364; www.folkclubethnosuoni.com)
14 Tracks plus Videotrack, 57:59, mit sizil. Texten, ital. u. engl. Kurzinfos

Gewisse Lieder muss man nicht verstehen, um sie zu begreifen. Oder anders gesagt: die von Valeria Cimò (Gesang, Tamurra-Trommeln, Tamburello) geschriebene und gesungene palermitanische Poesie mag für Nicht-Sizialianer schwierig zu verstehen sein, eindringlich und eindrücklich ist sie allemal. Mit ihrer souligen Stimme, im Duett mit Matilde Politi (Gesang, Gitarre, Akkordeon, Tamburello), schürft sie tief in der Tradition Siziliens und öffnet die Tür für die Zukunft ihrer Stadt. Palermo erwacht nach langer Agonie zu neuem Leben, zu neuer Hoffnung. Ergänzt werden die Frauen vom ungarischen Multiinstrumentalisten Lajos Zsivkov (Gitarre, Percussion). Sugnari sind vierzehn Gesänge voller Lebenskraft, nicht zuletzt dank der sparsamen, erdigen Instrumentierung. Sugnari zeigt auf, wie die vielen kulturellen Einflüsse Siziliens wie selbstverständlich in der aktuellen Musik der Insel weiterleben.

Martin Steiner

 

MA’ARÍA - Sugnari


BOBAN I MARKO MARKOVIC ORKESTAR
Go Marko Go!

(PIR2121, Piranha, www.piranha.de)
13 Tracks, 50:09

Boban Markovic ist wohl Serbiens berühmtester Trompeter. International bekannt geworden sind er und sein zwölfköpfiges Boban Markovic Orkestar durch Emir Kusturicas Vier-Stunden-Epos Underground von 1995. Mit ihren Balkanbeats prägten sie Kusturicas eigenwillige und trashige Interpretation vier Jahrzehnte jugoslawischer Geschichte stark mit. Aber die Balkan-Brass-Band produziert auf ihrem neuen Album nicht nur muntere, ungestüme Musik wie wir sie vom Underground-Soundtrack kennen, sondern auch mal schwerere, melancholischere Töne. Trompeten, Tuben und Hörner geben den Ton an, manchmal dürfen in Soloparts auch die drei Percussionisten zeigen, was sie draufhaben. Während das Orchester vor zehn Jahren noch stark an den traditionellen Balkanmelodien dran war, werden die Ausflüge in den Jazz immer hörbarer. Mit dabei Markovics Sohn, den er mit dem Titel des neuen Album Go Marko Go! anfeuert. Der Sohn spielt im Orchester Flügelhorn und Trompete. Es ist nicht vorstellbar, dass Boban, Marko und ihre Truppe die Zuhörer bei Livekonzerten nicht von den Stühlen reißen.

Natalie Wiesmann

 

BOBAN I MARKO MARKOVIC ORKESTAR - Go Marko Go!


MARIA MISGELD, OLOF MISGELD, OLLE LINDVALL
Margits Sånger

(Sjelvar SJECD24, www.sjelvar.com)
15 Tracks, 43:25, CD mit schwed. Texten

Die Margit des Titels ist Margit Finnekåsa (1904-1989), eine Sängerin aus der norwegischen Region Telemark, deren Lieder Ende der Siebzigerjahre von Knut Buen aufgenommen wurden. Maria Misgeld hat ihre Texte ins Schwedische übersetzt und arrangiert. Sie singt, wie Margit Finnekåsa das ja auch getan hat, vor allem a capella, wenn es instrumentale Begleitung gibt, dann sehr dezent und zurückhaltend, durch die Herren Lindvall (Gitarre) und Misgeld (Geige, Viola). Es wäre schön zu erfahren, woher Margit Finnekåsa ihre Lieder hatte, bei einigen sind Gewährsfrauen angegeben, ein Text stammt von Arnuf Øverland. Er besingt die Abenddämmerung, in der der Dichter sich nach seiner Liebsten sehnt. Sehnsucht nach der Liebsten ist das prägende Thema der für diese CD ausgesuchten Lieder, fast immer wird aus männlicher Sicht berichtet, entweder die Liebste weilt in der Ferne oder er hat sie nicht geheiratet, weil sie kein Geld hatte, und bereut oder er hat kein Geld und sie musste einen Reichen nehmen, Elend überall jedenfalls. Das einzige Lied, bei dem der Mann seiner Liebe sicher ist, klingt seltsamerweise viel tragischer als alle anderen. Der Höhepunkt dieser interessanten und hörenswerten CD ist dann eine Originaleinspielung mit Margit Finnekåsa, mit zittriger Greisinnenstumme und doch voller Kraft singt sie a capella mit gesanglichen Ornamenten, die den Generationen, die nach ihr kamen, offenbar verloren gegangen sind.

Gabriele Haefs

 

MARIA MISGELD, OLOF MISGELD, OLLE LINDVALL - Margits Sånger


NEIGUNGSGRUPPE SEX, GEWALT & GUTE LAUNE
Goodnight Vienna

(Trikont US-0376/Indigo, www.trost.at)
13 Tracks, 46:50 min

Vier FM4-Wien Radiomoderatoren (Christian Fuchs, Fritz Ostermayer, David Pfister, Robert Zikmund) singen hinterfotzige Wienerlieder. Was sonst im Wienerlied so gemütlich daher kommt, wird hier persifliert: in der Form schmeichelnd, im Inhalt bös. Das etwas Weinerliche, Selbstmitleidige, mitunter Morbide der traditionellen Wiener Lebensart wird von der Neigungsgruppe genüsslich aufgegriffen, gesteigert und in Songs - auch Coverversionen internationaler Popsongs (Trent Reznor, Nick Cave, Tom Waits oder Pete Doherty) - nach Heurigenart wiedergekäut. Die Klagen über vergangene oder vergebliche Lieben und Weltschmerz füllen die Popliteratur, die Neigungsgruppe bedient sich freudig an diesem Repertoire und bereichert es mit eigenen Texten. Musikalisch zurückhaltend, ja, manchmal fast behäbig, unterstreichen sie gekonnt die scheinbare Harmlosigkeit der Lieder. So viel schamlose Boshaftigkeit erfreut natürlich nur boshafte Menschen, die aber heftig. Einige der geneigten Herren sind übrigens Wiederholungstäter: Sie haben in den 90ern schon als Der Scheitel Schlager und Popsongs verfremdet gecovert.

Rainer Katlewski

 

NEIGUNGSGRUPPE SEX, GEWALT & GUTE LAUNE - Goodnight Vienna


OLD BLIND DOGS
Four On The Floor

(Compass Records/Vertical Records VERTCD083, www.mp-media.com)
12 Tracks, 57:25, mit engl. Infos u. Texten

Häufig kommen sie heutzutage leider nicht mehr nach Deutschland, die größten Erfolge feiern sie auf der anderen Seite des großen Teiches. Nachdem Jim Malcolm sich wieder für seine Solokarriere entschied, haben die OBD mit dem erfahrenen Multiinstrumentalisten Aaron Jones einen Neuzugang gefunden, dessen Klasse das Wort „Ersatz“ definitiv verbietet. Whistle und Pipes spielt weiterhin Rory Campbell, Fraser Stone sorgt für den Rhythmus, und einziger Orginal-Hund ist Fiddler Jonny Hardie. Die Musik ist natürlich überwiegend schottischen Ursprungs, aber auch bretonische und galicische Melodien werden eingearbeitet. Selbst ein gälischer Waulking Song ist dabei, der zwar nett, aber leider erstaunlich kraftlos rüberkommt und so zum schwächsten Track der CD gerät. Am anderen Ende der Skala steht die wunderbare Version von „Braw Sailin’“, die so überzeugend klingt, als wäre der Reggae eine Erfindung des schottischen Nordostens. Dazwischen weitere feine Songs und schwungvolle Instrumentals, wobei die drei letzten Tracks - allesamt von älteren Studio-CDs - live bei einem Konzert an der Michigan University aufgenommen wurden.

Auch nach fünfzehn Jahren sind die Old Blind Dogs alles andere als lahme Hunde.

Mike Kamp

 

OLD BLIND DOGS - Four On The Floor


THE RIPPLE EFFECT
Hybrids

(Golden Beams GBP-CD-1114, www.brokensilence.de)
8 Tracks, 62:25, mit engl. Infos

Wenn der große Schlagzeuger Jack de Johnette zusammen mit seinen Freunden Gary Peacock und Keith Jarrett mal gerade wieder nicht das Jazzstandardr-Repertoire neu erfindet, dann begibt er sich entweder auf die Suche nach seinen afrikanischen Wurzeln oder er steigt in Projekte ein, die ihn erstaunlich weit weg von seinem Tagesgeschäft führen. Deshalb zögerte er auch nicht lange, als der amerikanische Produzent und Toningenieur Big Al und der britische Multiinstrumentalist Ben Surman die Idee an ihn herantrugen, einige seiner Kompositionen zu remixen und mit Dance-, Drum-’n’-Bass- und Ambient-Elementen anzureichern. Herausgekommen ist eine faszinierende Klangwelt, in der elektronische Sichtweisen absolut schlüssige Symbiosen mit traditionellen Rhythmen und jazzigen Spielformen eingehen. Und um das remixte Material noch eine Spur lebendiger zu gestalten, holten sich die Protagonisten noch ein paar Koryphäen zusätzlich ins Studio. So steuert der Gambier Foday Musa Suso ein paar feine Kora-Parts bei, brilliert die Brasilianerin Marlui Miranda mit geheimnisvoller Vokalartistik und demonstriert der Vater des Mitproduzenten, die britische Freejazz-Legende John Surman, dass er noch immer zu den innovativsten Improvisatoren zählt. So könnte dieser Hybrid also ein Album werden, das von den unterschiedlichsten Musikfans goutiert wird. Und dagegen ist absolut nichts einzuwenden!

Walter Bast

 

THE RIPPLE EFFECT - Hybrids


ANA POPOVIC
Still Making History

(Delta Groove Music, inakustik EGRCD 501, www.anapopovic.com)
14 Tracks, 63:42, mit Texten

Mit ihrem insgesamt vierten Album seit 2001 hat Ana Popovic einen sehr großen Schritt getan - und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Die Stratocaster umgehängt, den Fuß auf dem Wah-Wah-Pedal und den Gesang auf der rockigen Seite des Blues - so kennt man sie, und so eröffnet sie auch mit „U Complete Me“ ihr neues Album. Doch schon mit den ersten Gesangszeilen zeigt sich, dass ihre Stimme an Variabilität gewonnen hat. Ein Eindruck, der mit jedem weiteren Stück zunimmt. Mal röhrt sie rockig oder bluesig, dann schleicht sie sich an, haucht und umschmeichelt, oft phrasiert sie wie eine Jazzsängerin. Das Paradestück in dieser Disziplin ist „Doubt Everyone But Me“ mit seinem schönen und geschmackvollen Jazzgitarrensolo. Den stilistischen Bogen schlägt sie dann weiter über bodenständigen traditionellen Blues („You Don’t Move Me“), Reggae („Between Our Worlds“) hin zum verträumten Titelstück der CD, dessen Text im Widerspruch zur besänftigenden, fast einlullenden Atmosphäre der Musik steht. Womit wir bei einer weiteren Facette der Ana Popovic angelangt sind. Großen Wert legt sie nämlich auch auf den Inhalt ihrer Songtexte, in denen sie die gesellschaftliche Situation in ihrem Geburtsland Serbien beschreibt, das soziale Unrecht in Afrika benennt und sagt, dass „wir alle“ die Verantwortung, aber auch die Möglichkeiten zur Gestaltung unserer Zukunft haben.

Achim Hennes

 

ANA POPOVIC - Still Making History


STOCKHOLM LISBOA PROJECT
Sol

(Nomis Musik NMCD04; www.stockholmlisboa.com)
16 Tracks, 58:19, mit Texten und Kurzinfos

Schweden und Portugal sind musikalisch und geographisch scheinbar Welten entfernt. Das Stockholm Lisboa Project macht aber sofort klar, dass sich ihre beschwingt melancholische Musik wunderbar ergänzt - hier die Fado-Lieder, da die instrumentalen Polska-Tänze. Beide leben von einer wohltuenden Wärme und Frische, die von allen Stücken ausgeht. Das Quartett

um Liana (Gesang), Simon Stålspets (nordische Mandola, Mundharmonika, Gesang), Luis Peixoto (portugiesische Mandoline, Bouzouki, Gesang) und Sérgio Crisostomo (Violine, Gesang) hat ihren Erstling folgerichtig Sol (Sonne) getauft. Den Schwerpunkt der CD bilden die Fados und portugiesischen Volkslieder, getragen von der klaren Stimme der Sängerin

Liana. Die letzten Stücke zeigen auf, wohin der Weg der Gruppe in Zukunft führen könnte. Der norwegische „Griffenfeldts Schottis“ überrascht mit Bluegrass-Einsprengseln. Da hüpft das Stockholm Lisboa Project mit Leichtigkeit über den Ozean. In „Antonios Vals“, einer Eigenkomposition Simon Stålspets, zu der Liana einen portugiesischen Text geschrieben hat, verweben sich schließlich die portugiesischen und schwedischen Fäden. Das Stockholm Lisboa Project überzeugt vom ersten bis zum letzten Ton. Ein äußerst hörenswertes Debütalbum.

Martin Steiner

 

STOCKHOLM LISBOA PROJECT - Sol


VINO DE LA CASA
Sigue La Ronda, Majito

(Jacovia JV-002; e-mail: jihtoquero@wanadoo.es; www.severalrecords.com)
15 Tracks, 49:23, mit spanischen Infos

Gerne gebe ich es zu: Mein bester Wein dieses Jahres war ein Ribero del Duero. Der Vino de la Casa, der Hauswein des Duero-Ufers, und der aus kastilischen Trauben hergestellte Weißwein Kantabriens verlassen die Region jedoch kaum. Genauso verhält es sich mit der dortigen Volksmusik. Noch immer tanzt man aber auf den Volksfesten Kastiliens die Ronda oder lauscht tieftraurigen Weisen wie „Dime Ramo Verde“. Die Gruppe Vino de la Casa macht uns mit einem Spanien bekannt, das wir weder von Tourismusprospekten noch CD-Geschäften her kennen. Das Quartett ist stets um musikalische Abwechslung besorgt. Wird der Gesang mal leicht sentimental, setzen Drehleier und Gaita (Dudelsack) einen Kontrast. Bemerkenswert ist auch die Vielzahl der auf Sigue La Ronda, Majito eingesetzten Instrumente: neben den üblichen Gitarren, Mandolinen, neben Akkordeon, Panderetta und Flöten spielt das um mehrere Gastmusikern ergänzte Quartett auch alte und ungewöhnliche Instrumente - wie etwa die Rabel (Rebec) oder den Contrabalde, ein übergroßes Kontrabassbanjo. Ein Glück, dass dieser erdige Vino de la Casa mit seinem runden Abgang den Weg in den Norden gefunden hat.

Martin Steiner

 

VINO DE LA CASA - Sigue La Ronda, Majito


JOHN WRIGHT
The Gypsy Life

(Twritle Music TW 105, www.johnwrightband.com)
13 Tracks, 66:22

Das Konzept scheint bewundernswert einfach: Man nehme seine Lieblingslieder, singe sie und toure damit durch die Lande. Die Sache hat nur einen Haken: Um das Konzept zu einem Erfolg zu machen, braucht man zumindest die ergreifende, zuweilen freilich zum Süßlichen tendierende Stimme eines John Wright. Und möglichst kompetente Mitstreiter wie die unnachahmliche Miranda Sykes (Bass, Gesang), Joe Broughton (Fiddle) oder Pete Abbott (Gitarre, Gesang), letzterer aus der aktuellen John Wright Band. Und neben Songwritern, die sowieso den besten Ruf haben - wie Allan Taylor, John Gorka oder die Runrig-Macdonald-Brüder -, ist es auch hilfreich, ein Qualitätstalent wie den amerikanisch-irischen Songwriter Thom Moore neu zu entdecken, der auf der CD gleich viermal auftaucht - und das völlig zu Recht. John Wright hat und kann all das. Daher ist er auch erfolgreich mit diesem Konzept. Potenzielle Nachahmer könnten herausfinden, dass das alles so einfach doch nicht ist. Würde mich nicht wundern.

Mike Kamp

 

JOHN WRIGHT - The Gypsy Life

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