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ÄL JAWALA
Lost In Manele

(Jawa Records, www.jawala.de)
13 Tracks, 73:20

Mit ihren neu interpretierten oder selbst geschriebenen Balkanmelodien hat die Brassband Äl Jawala zurzeit einen Wahnsinnserfolg: Beim ersten bundesweiten deutschen Weltmusikwettbewerb creole in Dortmund sahnten die in Freiburg beheimateten Musiker den ersten Preis ab: „Eine Band mit starkem Sound und großem Selbstbewusstsein, manchmal folky, manchmal funky“, lobte die Jury. Auch die Zuhörer waren begeistert: Denn den Publikumspreis griff die Band, die ihre Fans gelegentlich auch auf der Straße gewinnt, gleich auch noch mit ab. Sympathieträgerin ist auf jeden Fall Frontfrau Steffi Singer, die ihre männlichen Mitmusiker mit ihrem Altsaxofon anführt. Toll und ungewöhnlich in diesem Genre auch das Didgeridoo von Daniel Pelligrini, der sein Instrument zur im Hip-Hop bekannten „Beatbox“ umfunktionieren kann. Lost In Manele ist ein perfekt arrangierter Livemitschnitt aus dem Tollhaus in Karlsruhe. So können die Fans von Äl Jawala ein Konzertgefühl wieder erleben - und Nichtkenner auf den Geschmack kommen.

Natalie Wiesmann

 

ÄL JAWALA - Lost In Manele


AN TOR
Craic Of Dawn

(Leiselaut 2006, www.leiselaut.com)
12 Tracks, 57:34 , mit Fotos, engl./dt. Infos u. dt. Texten

Auch im vierten Jahr des Rezensierens für den Folker! lässt sich der Schreiber dieser Zeilen immer wieder gerne überraschen von der Qualität ihm bisher nicht bekannter deutscher Irish-Folk-Bands. 2003 wurden sie schon einmal im Folker! gelobt, und diesem, ihrem ersten Longplayer darf nichts Geringeres widerfahren. Rheinhessen bringt nicht nur gute Weine, sondern auch gute Musik hervor, so scheint es, denn die Gruppe An Tor aus Lörzweiler bietet eine flotte, feine, mehrstimmige, detailliert arrangierte irische Instrumentalmusik sowie schöne, gefühlvolle irische Lieder, wiederum sehr ansprechend instrumentell begleitet. Dass ein Jig auch mal mit einem leicht „eingeirischten“ Zwiefachen verbunden und ein mir bisher nur von Cara bekannter Jig, der wiederum ein wenig kontinental klingt, gespielt wird, erhöht den Hörgenuss obendrein. Das Sextett besteht aus Nils Nolte (Flute, Leadgesang), Elke Zörntlein (Fiddle, Backgroundgesang), Siggi Zörntlein (Fiddle, Viola, Backgroundgesang), Greg Ostermann (Box), Klaus Feketics (Bouzouki, 12-saitige Gitarre, Backgroundgesang) und Marcus Mertz (Westerngitarre, Nylongitarre, Piano, Backgroundgesang).

Michael A. Schmiedel

 

AN TOR - Craic Of Dawn


CASTUS ALIAS KARSTEN LIEHM
Rabengesänge

(Absolut Promotion, www.castus.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 54:56

Der Corvus-Corax-Sänger stellt sein erstes Soloalbum vor: als reines A-capella-Werk, per Overdub eingespielt. Wir hören also bis zu zweihundert Mal seine Stimme, nacheinander eingespielt und im Studio übereinander gelegt - wenn das kein Egotrip ist! So entstehen massive Chöre als Hintergrund für Bass und Rhythmus, davor eine sehr abwechslungsreiche, modulationsfähige Solostimme (man sagt mit viereinhalb Oktaven Stimmumfang - wow!). Die einzelnen Stücke klingen hochinteressant. Gesungen wird in verschiedenen Sprachen (Altenglisch, Altfranzösisch, Normannisch, Deutsch). Die Stücke sind meist mittelalterlichen Ursprungs. Besonders schick der „Schatzinsel“-Song von den fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste („Fifteen Men“). Sicher als Gesamtwerk eine beachtliche Leistung - wohlgemerkt auch musikalisch -, aber wer soll sich das komplett antun? Das ist so, als wenn man sich eine Stunde Saxofonsolos anhören muss. Am Anfang findet man es sehr interessant, aber nach einer gewissen Zeit nervt es dann doch. Aber das mag wirklich nur mein ganz persönlicher Eindruck sein. Meine Empfehlung: immer nur zwei bis drei Titel goutieren, dann ist es wirklich beeindruckend. Die drei Bonustracks sind eine nette Idee für Sänger zum Ausprobieren: Karaokeversionen, bei denen nur der Hintergrundchor zu hören ist.

Piet Pollack

 

CASTUS ALIAS KARSTEN LIEHM - Rabengesänge


DIRKS UND WIRTZ
Danza Non Danza

(Classic Concert Records/Balcon Records, www.dirks-und-wirtz.com)
14 Tracks, 45:35, mit dt. u. engl. Infos

Die klassisch ausgebildeten Gitarristen Reentko Dirks und Daniel Wirtz aus der Dresdener Kreativschmiede von Thomas Fellow (Friend ’n Fellow) fanden gleich zu Beginn ihres Studiums im Jahre 2000 zum Duo Dirks und Wirtz zusammen. Danza Non Danza ist ein Debüt, wie man es sich vielgestaltiger, bunter und aufregender kaum wünschen kann. Musikalisch ist der Bogen weit gespannt. Zwischen E- und U-Musik wird gottlob nicht unterschieden, und so fließen die Vorlieben der beiden offensichtlichen Freigeister ungehemmt in ein wunderbar entspanntes Album, das Gitarrenmusikliebhaber aller Genres ansprechen wird. Piazolla, Ralph Towner, Gismonti, Sting, Charlie Parker und selbst ein Lennon/McCartney-Klassiker wie „Eleanor Rigby“ stehen musikalisch gleichberechtigt nebeneinander, und siehe da: Es tut nicht weh. Im Gegenteil - Dirks und Wirtz gelingt es mit leichter und äußerst flinker Hand allen Titeln respekt- und phantasievoll Leben einzuhauchen. Auch die schönen Eigenkompositionen der beiden fügen sich wunderbar in ein stimmiges Gesamtkonzept. Das macht den beiden so schnell keiner nach.

Rolf Beydemüller

 

DIRKS UND WIRTZ - Danza Non Danza


MANFRED MAURENBRECHER
Glück

(Reptiphon SAT 1025-2, www.reptiphon.de)
14 Tracks, 60:57, mit Booklet als PDF-Datei und „Kommentar“ im MP3-Format auf der CD

Angenehm irreführend, dieser Titel: Glück jedenfalls ist in Maurenbrechers jüngsten Liedern der Ausnahmezustand. Die Regel sieht anders aus - die Regel in der deutschen Nach-Wende-Welt, von der Maurenbrechers Songs knapp, klar und pointiert wie gewohnt erzählen, ist der selbst fabrizierte Ausnahmezustand einer morbid-maroden Gesellschaft: die nämlich Angst hat aus Angst vor der Angst, und die hysterisch in immer neue Irrsinnsschleifen driftet. Mit „Erst brennen, dann löschen“ beginnt diese Achterbahnfahrt, vor dem (so der Titel) „Edeka“-Markt an der Ecke, und im Büro der Arbeitsagentur (in „Hemd auf, Brust raus“) zeichnet Maurenbrecher meisterhaft die zur Wahrheit verzerrten Panoramen des alltäglichen Wahnsinns in D’land. Demgegenüber feiert er still und wie nur für sich gesungen das Daheim-Sein in der Liebe („Alles hat seine Zeit“), das befreite Nichts-Tun (in „Arbeit“), die losgelöste Entspannung kurz vor den allerletzten Dingen, wenn beinahe schon alles gesagt ist (in „Glück zur Reise“). All das ist ausgereift in Stimmung und Struktur, und jeder musikalische Reiz ist klug und kompakt dosiert: das Tom-Waits-artige Solo mit Gesang, die Rock-Power, die Chanson-Poesie. Und im angeschmirgelten Zisch- und Nörgelton, der immer schon sein Markenzeichen war, bleibt Maurenbrecher auch mit dieser CD der Sonderfall des deutschsprachigen Liedes - als „Langstreckenläufer“, wie ihn der Schriftsteller Jakob Hein im Booklet würdigt, als einsamer Marathon-Mann weit vor dem Feld.

Michael Laages

 

MANFRED MAURENBRECHER - Glück


PECH & SCHWEFEL
Landrock

(Bluestone BS 03, www.bluestonemusic.de)
19 Tracks, 69:17, mit Texten

Vielleicht ist Mundartrock nicht Jedermanns Sache, obwohl BAP und andere bewiesen, dass man durchaus damit erfolgreich sein kann. Nun meldet sich nach Stefan Gerlach aus dem Erzgebirge erneut eine sächsische Band mit regionalem Kolorit zu Wort, diesmal aus der Oberlausitz. Hinter Pech & Schwefel verbirgt sich Steffen Lindner (Gesang, Gitarren, Bass, Banjo u. a.), von dem fast alle Kompositionen und Texte stammen. An der Produktion der CD war ein gutes Dutzend Musiker beteiligt. Die Liedtexte sind kleine Alltagsgeschichten vom Leben auf dem Lande, von Bier, Skat, Feuerwehr und Partnersuche, meist witzig-satirisch, mitunter aber nahe an Kitsch und Schlüpfrigkeit. So in einer Kraftwerk-Parodie: „Sie is a Madl und sie zieht sich aus / In mei’m kleen Online-Haus“, immerhin als Reggae. Ansonsten gibt’s musikalisch viele Anleihen an die Siebzigerjahre: Blues und Rock, etwas Country, Folk und sogar ein paar Latinklänge. Was dem Landrock Sympathisches verleiht, ist die treffende Selbstironie: „Mir wulln zugleich bewundert und bedauert sein.“

Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 

PECH & SCHWEFEL - Landrock


WALTRAUD RENNEBAUM & ENSEMBLE SHOSHAN
Ma’alot - Stufenlieder

(hänssler classic CD 98.292, www.shoshanim.de)
16 Tracks, 67:13, mit Infos und Texten (hebr./dt./engl.)

Erst relativ spät kam Rennebaum zum Gesang: Nach einer Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin studierte sie Horn an verschiedenen Musikhochschulen und spielte danach u. a. unter der Leitung von Herbert von Karajan. Wegen anhaltender „Nervosität“ während des Vorspielens zog sie schließlich das Singen vor, denn „durch die Erfahrung der befreienden Liebe Gottes verlor sie ihre Ängste und begann nun, Gott mit ihrer Stimme in geistlichen Liedern zu preisen“ (so auf ihrer Website). Zwischenzeitlich veröffentlichte Rennebaum sechs CDs mit hebräischen und deutschen Bibeltexten, vier davon für Erwachsene, zwei für Kinder, darauf u. a. 80 Eigenkompositionen. Das vorliegende siebte Album ist den Psalmen 120-134 gewidmet, deren gemeinsamer Faktor ist, dass sie allesamt mit dem Wort „shir ha-ma’aloth“ (hebr. „Stufenlied“) beginnen. Die Mehrzahl der Lieder stammen entweder aus ihrer eigenen Feder oder aus der ihres Ehemannes Raimund (Piano). Das Trio Shoshan (hebr. „Rose“) wird vervollständigt durch Heike Zehe (Flöte). Da die Psalmen ursprünglich gesungene Gebete waren, deren Melodien aus biblischen Vorzeiten nicht überliefert sind, muss die musikalische Umsetzung der Phantasie der Interpreten und Komponisten überlassen werden. Gerade in „Yevarechecha“ des israelischen Komponisten David Weinkranz erkennt man jedoch, dass Rennebaums Ansätze eher einem christlich-verklärten Umfeld als einem jüdisch-temperantvollen entspringen.

Matti Goldschmidt

 

WALTRAUD RENNEBAUM & ENSEMBLE SHOSHAN - Ma’alot - Stufenlieder


ERICH SCHMECKENBECHER
Erich Schmeckenbecher 2007

(Conträr 126, www.contraermusik.de)
13 Tracks, 52:46, mit Infos

Erich Schmeckenbecher, mit Zupfgeigenhansel einer der Protagonisten des Volksliedrevivals in den Siebziegerjahren, kritisiert im Volkslied-Modetrend unserer Tage zu Recht „gekünstelte Modernitäten“ ebenso wie „naive, neoromantische“ (und) „geschichtslose Heimattümelei“. Umso mutiger, dass er das schwierige Thema „Heimat“ zum Leitmotiv seiner CD gemacht hat - mit einer überraschenden Liedauswahl. Dieter Süverkrüps Umarbeitung von „Kein schöner Land“, eine gelungene Verbindung von Tradition und moderner Aufklärung, ist gewissermaßen die programmatische Eröffnung. Theodor Kramers „Andre, die das Land so sehr nicht liebten“, von Schmeckenbecher bereits 1979 vertont und eines seiner erfolgreichsten Lieder, setzt den Schlusspunkt. Dazwischen Lieder nach Texten von Claire Beyer und Horst Dillmann, von Klaus Lage, vom Sänger selbst und auch von Goethe. Ach ja, da wäre noch das Lied „Erinnerung und Vergessen“, Text: Hans Eckhart Wenzel. Nicht ohne Bitterkeit vermerkt Schmeckenbecher, es sei zum „Abschiedslied über unsere gemeinsame Freundschaft“ geworden. Andere Freundschaften haben gehalten, eindrucksvoll dokumentiert in der wunderschönen Aufnahme des magischen Volkslieds „Es dunkelt schon in der Heide“. Wenn Hannes Wader und Black (Lothar Lechleiter) dieses Lied gemeinsam mit Erich Schmeckenbecher intonieren, dann geht einem so richtig das Herz auf.

Karl-Heinz Schmieding

 

ERICH SCHMECKENBECHER - Erich Schmeckenbecher 2007


HANS SÖLLNER
Vietnam

(Trikont US-0375, www.trikont.de)
14 Tracks, 65:46

Alles geht los wie bei den lustigen Musikanten: fröhlicher Gesang zu munterem Akkordeon. Dass Hans Söllner in diesem harmlosen Gewand von „A jeda“ etwas ganz anderes transportiert, nämlich einen Aufruf kontra Habgier, sieht ihm ähnlich. Genauso wie seine gereimten Grenzüberschreitungen, etwa wenn er auf „scheißen“ „Preißen“ folgen lässt. Das sagt noch nichts über die Qualität der Texte auf „Vietnam“ aus, die einen oft ratlos zurücklassen. Worauf will er hinaus? Hat das jetzt irgendeinen Sinn? Jedenfalls kommen die Lieder oft vom Hölzchen aufs Stöckchen, mäandern hin, mäandern her, verlieren die Richtung. Oder die Richtung wird nur erkennbar, wenn der eigene Kopf so gestrickt ist, dass er dem Söllnerschen Assoziieren folgen kann. „Damaskus“ beispielsweise beginnt mit der Schilderung einer Arabienreise und endet auf einem Friedhof in Passau, wo auf einem Grab ein Springbrunnen sprudelt und der Hans sich fragt, was dazu wohl durstende Afrikaner sagen würden. Wenn er aber beim Thema bleibt, reicht der aktuelle Söllner an den von „Oiwei I“ heran, der vorigen CD, die auch musikalisch deutlich mehr zu bieten hatte. Obwohl die Band wieder dabei ist. Keine Frage, „Vietnam“ hat seine schönen Momente, so bei den schlichten Bläsersätzen in „Nordwind“ oder wenn er singt: „Edeltraud, oh Edeltraud, / Du hast a saugut’s Gras o’baut.“ Insgesamt aber klingt das wenig inspiriert.

Volker Dick

 

HANS SÖLLNER - Vietnam


WENZEL
Glaubt nie, was ich singe

(Conträr Musik, www.contraermusik.de)
16 Tracks, 54:19, mit Infos

Wenn sich Wenzels Band vom anfänglichen gefälligen 6/8-Tanzrhythmus gegen Ende des Lieds „Tausend Tode“, vor der „Abrechnung“ des Sängers mit seinen Feinden, zu einem fulminanten Rockfurioso steigert, dann bekommt man wieder einmal eindrucksvoll bestätigt: Ein Künstler wie er lässt sich mit den gängigen Liedermacherkategorien nur schwer beschreiben. Wenzel erweist sich auch auf seiner neuen CD als virtuoser Vollblutmusiker, als engagierter Poet und Chansonnier, als scharfzüngiger Satiriker in Hochform. Auch wenn ihm seine Verse gelegentlich allzu flott aus der Feder zu fließen scheinen - es ist beeindruckend, wie der Sprachjongleur und Komponist Wort und Musik spielerisch und zugleich präzise zu einer Einheit verbindet. Wenzels Lieder gehen ins Ohr: Die melancholischen, einfühlsam Liebesfreuden und Liebesweh beschwörenden ebenso wie die flammende Anklage gegen das Elend und die Bösen dieser Welt („Tausend Tode“), das den traurigen Realitäten angepasste fröhliche „Kinderlied“ („Es war einmal ein Mann“) ebenso wie der sarkastische „Globalisierungstango“. Und schließlich „Verlorener Tag“: In Songs wie diesem hat der „romantische“ Ironiker seine stärksten Momente. Wenzel hat für seine neue CD übrigens den Vierteljahrespreis 4/2007 der deutschen Schallplattenkritik in der Kategorie „Lieder“ bekommen. Und die Jury der Liederbestenliste hat zudem das Album zur CD des Jahres 2007 gewählt. Glückwunsch!

Karl-Heinz Schmieding

 

WENZEL - Glaubt nie, was ich singe

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