Rein deutsch-anglophiles Weihnachten 2006, aufbereitet für 2007 - so muss
es aus Folker!-Termingründen leider immer sein. Schlimm ist das
nicht, bei Weihnachten gibt es keinen Schnee von gestern (wobei Weihnachten
2006 im Rheinland eh absolut schneefrei war). Beginnen wir also - wie’s sich
gehört - satirisch. WORTFRONT legen mit Penetrant
besinnlich (Extraplatte EX 724-2/Sunny Moon, 12 Tracks
plus Bonus, 38:20) ziemlich früh in ihrer Laufbahn eine Weihnachts-CD
vor, die aber wie gehabt skurril, ironisch und „gehiphopt“ ausfällt, wobei
das Fest eigentlich nur als Aufhänger für die jeweiligen Geschichten dient.
- Intentionsmäßig in eine ähnliche Richtung geht SUSANNE WEINHÖPPEL
mit SMS aus Bethlehem (Kip Records Kip 6033, 12 Tracks,
56:14). Zwar nervt ihre hohe Stimme mich ein wenig, aber sie beweist zum
einen, dass auch die Harfe zur Satire passt, und zum anderen sind ihre von
Achim Höppner vorgelesenen beiden Weihnachtsgeschichten (zeitlich ein
Drittel der CD) einfach nur goldig. - Kinder kennen keine Satire und
entsprechend ist die CD Was ist los im Winterwald ...? (Ratz Records
15, www.rainerwenzel.de, 13 Tracks, 35:45) vom Kinderliedermacher
RAINER WENZEL eine ziemlich gradlinige „musikalische Winterreise“,
wie der Untertitel klarmacht. Weihnachten wird daher kaum erwähnt, es geht
um die Winterzeit. Viel gesangliche Kinderbeteiligung und eine folkrockige
Begleitung. - In Österreich wird das Fest traditioneller gefeiert, zumindest
was die beiden CDs betrifft, die die Vereinigung Volkskultur
Niederösterreich herausgegeben hat. Scheibbser Kugeln (HeiVo CD
59, 30 Tracks, 54:17), aus eben jenem Ort Scheibbs, dokumentiert nicht
zum ersten Male die überwältigende musikalische Vielfalt eines einzigen
Dorfes, hier mit dem Fest als Mittelpunkt. Lieder zur Weihnacht
(ORF-NÖ-CD 020, www.volkskulturnoe.at, 25 Tracks, 56:15) ist
geographisch weiter gefasst: Niederösterreich vom Waldviertel bis nach St.
Pölten, aber thematisch und musikalisch ähnlich der ersten CD. Gesang,
Bläser, Hackbrett, Harmonika oder Blockflöte, alles trägt zu konventioneller
Musik bei, wo erfreulicherweise dennoch Sacharin weitestgehend außen vor
bleibt. - Apropos Blockflöte, auf dem Instrument ist VOLKER LEISS
nicht erst seit heute als Meister bekannt, zumal wenn es um die eher
folkloristische Richtung geht. Die Winter-CD (Boulevard
Records BLD CD 556, www.hammer-musik.de, 11 Tracks, 36:54) hat er vor
allem mit HANS-ROLF WATERKAMP eingespielt, der neben der
Gitarrenarbeit auch dreimal singend eingreift. Das ist festlich ohne
Zuckerguss, so klingt sogar „Stille Nacht“ ganz schlicht, wenn auch ohne
Text. - Die Harfe dort, wo wir sie lieben: in der Folkmusik. Die Harfenistin
und Sängerin NADIA BIRKENSTOCK und Freunde präsentieren mit
Winter Tales (Laika Records 3510218.2/ Rough Trade,
www.laika-records.com, 17 Tracks, 54:30) eine
festlich-fragil-folkloristische CD mit Winter- und Weihnachtsliedern
hauptsächlich aus England. Nicht ganz verwunderlich daher, dass auch das
Ehepaar von Weiß (Morris Open) zu den Freunden zählt. - Bluegrass kann ich
gut ab, Weihnachten eigentlich auch, aber die Kombination ist nicht mein
Ding. Auf Beautiful Star - A Christmas Collection (Rounder
11661-0575-2/ inakustik, 12 Tracks, 35:47) packEN die Mandolinistin und
Sängerin RHONDA VINCENT und eine Reihe kompetenter Studiomusiker noch
ein wenig Swing hinzu, aber für viele Stücke gilt: zu glatt, zu süß,
wahrscheinlich einfach zu amerikanisch. - Da ist doch der Fiddle-Zauberer
ASHLEY MACISAAC mit der kanadischen Produktion A Cape Breton
Christmas (Linus Entertainment/ZYX, www.linusentertainment.com, 10
Tracks, 38:52) um einige Stufen rustikaler. Das oft erwähnte und noch
viel öfter zersungene „Stille Nacht“ auf Gälisch und jede Menge
Weihnachts-Jigs-’n’-Reels. Das ist doch schon eher mein Fest. - Es war mir
bekannt, dass sich der ehemalige Deep-Purple-Gitarrist Ritchie Blackmore
gemeinsam mit Partnerin Candice Night seit ca. zehn Jahren unter dem
Namen BLACKMORE’S NIGHT ein wenig dem Mittelalter zugewandt hat. Was
ich nicht wusste war, dass das Resultat mit orchestralen Arrangements eine
dezent mittelalterliche Version von Abba ist. Zu hören auf Winter
Carols (AFM Records, www.afm-records.de, 12 Tracks, Promo-CD mit
Auszügen). - Wer richtige Carols oder gar Wassails hören will, der ist
mit Holy Heathen And The Old Green Man (Topic Records TSCD562,
www.topicrecords.co.uk, 17 Tracks, 59:45) besser bedient.
WATERSON:CARTHY zeigen, unterstützt von einigen Bläsern und dem
Vokaltrio The Devil’s Interval, wie Weihnachts- und Winterlieder klingen
sollten. Solo gesungene Lieder oder hingebungsvolle A-capella-Stücke, das
ist die gewohnte Qualität der englischen Könner.
Da sag’ ich doch gerne: Merry Christmas!
Mike Kamp
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