|
ALAMAAILMAN VASARAT
Maahan
(NN 011, Nordic-Notes, www.nordic-notes.de)
11 Tracks, 39:49
Die „Hämmer der Unterwelt”, so die deutsche Übersetzung des finnischen
Bandnamens, erhielten auf dem TFF 2007 den Jahrespreis der verrückten Finnen
und waren mehr als ein würdiger Ersatz für ihren erkrankten Landeskollegen.
Die Band besteht aus Saxophon, Tuba, Cello und Posaune, also das klassische
Instrumentarium einer Punkband. Folkpunk wäre auch die einzig richtige
Bezeichnung, wenn dieser Begriff nicht vor 20 Jahren schon verdorben worden
wäre. Also haben sich die Kritiker auf „Ethno-Brass-Punk“ eingeschossen,
hilft ihnen aber auch nicht weiter. Maahan ist also ein typisches
finnisches Album der Sorte „Das habe ich ja noch nie gehört“, was bis
Rudolstadt allerdings nur die Deutschen sagen konnten. In den USA oder Japan
sorgen Alamaailman Vasarat nämlich schon seit drei Alben für Verwirrung und
eine achtbare Platzierung in den Weltmusikcharts. Die Kompositionen
behandeln typisch finnisch verträumte Themen wie Massenmord im Zirkus,
Menschenfressende römische Zombies oder einen asiatischen Bauern, dessen
Reisfeld zerbombt wird. Das alles klingt wie ein finnischer Film, und
tatsächlich, die Titelmelodie zum Werwolf-Anime Elukka findet sich
ebenfalls auf diesem Album. Wer Apocalyptica zu langweilig und Kafka zu
fröhlich findet, hat mit Maahan jedenfalls ein sicheres Rezept gegen
die Winterdepression.
Chris Elstrodt
| 
|
|
BEDA
Freakpop
(Acoustic Music Records 319.1382.2/Rough Trade)
12 Tracks, 61:57
Ein eigenes Genre ist Freakpop wohl noch nicht, aber es ist tatsächlich
sehr eigenwillig, was der junge Mann auf den sechs Saiten seiner klassischen
Gitarre unter gelegentlichem Einsatz der Stimme auf seinem Debüt zum Besten
gibt. Gekonnt und rotzfrech sprengt der österreichische Newcomer überkommene
Hörgewohnheiten. Alleine der namengebende Opener mit seinen gut zehn Minuten
sprengt locker den Rahmen dessen, was man dem Konsumenten üblicherweise
zumuten würde. In hochkonzentrierter Form sind dort jedoch bereits viele
Facetten dieses ganz und gar erstaunlichen Multitalentes zu bewundern.
Ausgefeilte Spieltechnik, musikalische Reife, Sinn für Dramatik und Komik,
all das verbindet sich in Peter „Beda“ Mayers Musik zu einem Klangkosmos,
der bisweilen wohl tatsächlich „freakig“ genannt werden muss. Aber der Blick
auf Cover und Innenphotos führt dann auch auf falsche Fährten, denn der
junge Mann ist durchaus ernst zu nehmen. Viele der Kompositionen haben die
Tiefe eines Egberto Gismonti, Agustín Barrios Mangoré oder Ralph Towner.
Überraschende akustische Phänomene setzt der Österreicher gekonnt zwischen
klassische, folkloristische und eben „freak“-poppige Elemente. Diesem
Riesentalent eine große Karriere vorauszusagen, bedarf keiner Prophetie.
Rolf Beydemüller
| 
|
|
BEOGA
Mischief
(Compass Records 7 4457 2/Sunny Moon, www.beogamusic.com)
12 Tracks, 40:58, mit Infos
Beogas Debüt-CD von 2004 hinterließ bei mir mangels genereller
Begeisterung für das Akkordeon - die Band hat gleich zwei davon [!],
gespielt von den Nordiren Damien McNee und Seán Óg Graham - eher
zwiespältige Gefühle. Ich musste schon damals allerdings zugeben, dass das
traditionell irische Material sehr mitreißend arrangiert wurde. Mit der
vorliegenden CD hat Beoga noch einmal eins draufgesetzt. Was der Opener
„Mischief“ verspricht, hält die ganze Platte über: ein Feuerwerk an
rhythmischen, melodiösen Myriaden in genialen energiegeladenen und
pointierten Arrangements, die unglaubliche Soundüberraschungen bergen.
Mühelos werden Fragmente und Versatzstücke aus traditionellem Jazz,
Orchesterpop (Prager Philharmonie), American Folk und eigenen Kompositionen
untergebracht, ohne den roten Faden des musikalischen Gesamtkonzepts oder
den Bandsound zu gefährden. Eine arrangiertechnische Meisterleistung.
Virtuos sind alle Beogas, neben den flinken Akkordeonisten auch Pianist Liam
Bradley und Percussionist Eamonn Murray, der nun auch die Cajon in sein
Arsenal aufgenommen hat. Als Sahnehäubchen fungiert die Sängerin Niamh
Dunne, die neben ihrer charmanten Stimme auch eine fulminant gute Fiddle
beisteuert und den Spielspaß der Band noch einmal spürbar nach vorne bringt.
Beogas Mischief ist ein wirklich großer Wurf. Eine der
außergewöhnlichsten Produktionen dieses Jahres!
Johannes Schiefner
| 
|
|
BLOWZABELLA
Octomento
(Eigenverlag o.Nr., www.blowzabella.com)
14 Tracks, 52:10, mit Infos
Eine der einflussreichsten Folk-Dance-Music-Gruppen der 80er und 90er
Jahre ist nach langer Pause wieder zurück, alive and kickin’ - mit
Konzertkalender (sechs Livegigs im November), neuem Notenbuch und vor allem
mit einer neuen CD, 17 [!] Jahre nach dem letzten offiziellen Studioalbum
Vanilla. Aus dem alten Line-up sind dabei: Jo Freya (Saxophone,
Klarinette, Low Whistle), Andy Cutting (diat. Akkordeon), Paul James
(Dudelsäcke, Saxophone) und Dave Shepherd (Violinen). Barn Stradling am Bass
ersetzt Ian Luff, und an der Alt-Drehleier schwingt nun Gregory Jolivet die
Kurbel. Und das macht er verdammt innovativ, mit einer unglaublich virtuosen
Technik sowohl der Schnarrhand als auch im Melodiespiel (sehr schön zu hören
bei seiner Komposition „L’Ange“) - mehr als nur Ersatz für Nigel Eaton, der
lange Jahre eines der Aushängeschilder der Band war.
Die neue CD bietet alles, was der Fan erwartet: großartiger Powerfolk im
typischen Blowzabella-Sound, stets aufs Neue überraschend arrangiert, mit
fetzigen Bläsersätzen in den diversen Saxophon- und Dudelsackkombinationen,
verfeinert mit kompetenten Akkordeonklängen zu groovendem Bassfundament und
fein ziselierten Violinmelodien. Fast alle Stücke sind von Bandmitgliedern
komponiert worden. Ein Gigant meldet sich zurück - mit einem
Paukenschlag.
Ulrich Joosten
| 
|
|
BONAVERI
Magnifico
(Fabbrica di Parole & Musica/Brokensilence, www.brokensilence.de)
12 Tracks, 48:03, mit Texten
Ein Kritiker warf Germano Bonaveri vor, dass er qualitativ hochwertige
Lieder schreibe, dass er und seine Band vom ersten Ton an überzeugten, aber
dass der Cantautore aus Bologna nicht wesentlich anders töne als seine
Vorbilder. Diese Kritik greift zu kurz. Natürlich steht Fabrizio de André
ein wenig Pate, wenn Bonaveri über 500 Jahre in der Geschichte zurückgeht,
um die Greueltaten des spanischen Inquisitors Tomás de Torquemada zu
beleuchten und diese in Bezug zur Gegenwart setzt. Natürlich hört man aus
Magnifico auch Francesco Guccini heraus, wenn Bonaveri mit einem
Wortschwall den Zustand unserer Gesellschaft seziert. Aber wie er diese
vielen Worte dank seines Gefühls für den Sprachrhythmus in fesselnde
Melodien verpackt, verdient Bewunderung. Was er singt und wie er es singt,
verdient Respekt. Der Bologneser weiß nicht auf alle seine Fragen eine
Antwort. Er klagt an, nimmt sich aber nicht dabei heraus - und beweist
einmal mehr, dass kritische Töne poetisch sein können. Bonaveris Begleiter,
die Musiker seiner früheren Band Resto Mancha, schöpfen mit ihrer Mischung
aus Rock und Folk aus dem Vollen. Sie wissen genau, wann sie die Dynamik
steigern und wann sie mit feinen Tönen den Sänger unterstützen müssen. Nein,
Bonaveri ist nicht der erste Cantautore - aber diese CD verspricht, dass er
einer der wichtigsten unserer Zeit werden könnte.
Martin Steiner
| 
|
|
THE DUBLINERS
In Dublin
(Pinorekk Records PRCDDVD3405043/Edel Contraire, www.pinorekk.de)
Do-CD, 28 Tracks, 112:36, plus DVD mit dem kompletten Konzert
Was kann man über die Dubliners noch Neues schreiben? Nichts! Nur die
knappen Fakten der CD/DVD zur diesjährigen Deutschlandtour, live aufgenommen
im Juli 2006 als Heimspiel mit dem aktuellsten Mitglied Patsy Watchorn.
Vertreten sind natürlich all die Songs, die man mit der Band assoziiert, und
die Stimmung ist die einer großen Dubs-Party. Richtige Fans kaufen sich dann
eben auch die 37. Liveaufnahme des „Wild Rover“. Andere interessiert das eh
alles nicht und das ist auch okay so.
Mike Kamp
| 
|
|
ELÄKELÄISET
Humppakonsertto
(Humppa 038, Humppa Records/Indigo, www.humppa-records.de)
22 Tracks, 73:59
Vermutlich ist es unmöglich, heute noch eine originelle Polka-CD zu
veröffentlichen. Schuld daran sind vor allem Eläkeläiset, der Albtraum jeder
Brauerei, die seit Jahr und Tag Welthits verpolkern und damit der
aussterbenden Punkkultur eine letzte Gelegenheit zum trunkenen Pogotanz
bieten. Da selbst die Finnen hier kein Neuland mehr entdecken können, machen
sie das Beste, was sie können, und das ist nun einmal, live zu spielen.
Vergleichbar dem Theaterstück Shakespeares komplette Werke leicht
gekürzt bringen Eläkeläiset 40 Jahre Charts auf 22 Tracks unter. Bereits
beim Opener, Kraftwerks „Roboter“, ahnt man, dass das nicht gut enden wird,
und richtig, gleich beim zweiten Stück kann der Sänger vor Lachen nicht mehr
weitersingen. Die Stimmung des Konzertes (um das Wort Besäufnis zu
vermeiden) wird wunderbar eingefangen, und die Auswahl der Hits ist
grandios. Spätestens bei der Zerstörung von Led Zeppelin ist es auch dem
letzten Hörer gleichgültig, welches Original nun verwurstet wurde, und man
zappelt und singt völlig unbeeindruckt von der Unkenntnis der finnischen
Sprache mit. Das heimische Wohnzimmer wird beim letzten Medley zerstört und
man hat das gute Gefühl, irgendwie dabei gewesen zu sein. So müssen Live-CDs
sein!
Chris Elstrodt
| 
|
|
DALIA FAITELSON
Pilpel
(Challenge DMCHR 71507, www.daliafaitelson.com)
10 Tracks, 42:50, mit hebr. Texten und engl. Kurzinfos
Fast gleichzeitig legt die in Dänemark lebende Sängerin zwei neue Alben
vor, das jazzige Spring Alliance sowie das unter die Rubrik
„Weltmusik“ fallende und hier vorliegende Pilpel, hebräisch für
Paprika bzw. Pfeffer. Womit der Bezug schnell hergestellt ist: Faitelson
wurde nämlich in Israel geboren, wo - darüber gibt deren Vita allerdings
nicht viel her: Es heißt nämlich lediglich „in der Wüste Negev“, wobei man
sich eine Großstadt wie Be’er-Sheva oder aber auch einen modrigen
Wassertümpel in einer verlorenen Steinwüste vorstellen kann. Wie dem auch
sei, sie studierte u. a. 1985-88 an der renommierten Rubin Akademie in
Jerusalem Musik und Tanz, kein Wunder also, dass sie auch in der Sprache
ihres Vaters singt (die Mutter stammt aus Bulgarien). Begleitet wird sie auf
dem mittlerweile siebten Album, das erste (Common Ground) erschien
bereits 1994, von dem Schweden Thommy Anderson (Bass), dem Serben Lelo Nika
(Akkordeon) sowie dem US-Amerikaner Jarrod Cagwin (Perkussion), Letzterer u.
a. auch Mitglied in der Band von Rabih Abou Khalil. Faitelson (Gesang,
Gitarre) komponierte und textete sämtliche Titel selbst, mit Ausnahme des 50
Jahre alten Klassikers „Erev Shel Shoshanim“ (Musik: Josef Hadar; Text:
Moshe Dor), dem sie in ihrer Version eine durchaus interessante neue Note
gibt. In ihren Liedern spiegeln sich Eindrücke aus mannigfaltigen
Lebenssituationen, etwa über eine melancholische Traurigkeit („Im Sibah O
Bli Sibah“), Zeitdruck („Zuzi Zuzi“) oder Erinnerungen an das Elternhaus
(„Ga’agu’im“).
Matti Goldschmidt
| 
|
|
HARMONY GLEN
Streaming Tunes
(Eigenverlag 2007, www.harmonyglen.com)
12 Tracks, 59:21, mit Photos u. engl. Infos
Das im Folker! 5/2006 besprochene Debütalbum dieses
Irish-Folk-Quintetts aus dem niederländischen Wageningen war schon sehr gut,
und dieses zweite Werk mit je sechs Instrumentals (Reels, Jigs, Walzer) und
Liedern gefällt mir noch besser. Es enthält einen mitreißenden, groovigen,
nicht selten jazzigen Sound, sowohl in den schnellen, als auch in den
ruhigeren Partien. Letztere sind alles andere als langweilig, sondern weisen
Melodiespannungen und teilweise Zweistimmigkeiten auf, die so richtig tief
reingehen. Auch so manches Intro ist vor der Temposteigerung voller
filigraner Spannung, die sich dann entlädt in ein rasendes, mal fließendes,
mal galoppierendes Crescendo wie man es von den besten Bands Irlands oder
der USA gewohnt ist, ohne dass die zweifelsohne vorhandene Anstrengung
herauszuhören wäre. Besonders begeistert bin ich vom Banjo und von der
Konzertina, die aber nur die Spitze des Eisberges bilden. Neben Traditionals
(auch einem schwedischen) sind auch eigene Tunes und Texte vorhanden,
darunter das geniale „Kickin’ a Cuckoo“ in 30er-Jahre-Ragtime-Spielweise.
Die Combo besteht aus Dominique Bentvelsen (double bass), Nineke Bijker
(vocals, guitar, spoons), Sjoerd van Ravenzwaaji (banjo, guitar, vocals),
Vincent Pompe van Meerdervoort (vocals, box, bodhrán, tarabuka) und Mike
Bruinsma (fiddle).
Michael A. Schmiedel
| 
|
|
GRÁDA
Cloudy Day Navigation
(Compass Records 7 4451 2/Sunny Moon)
12 Tracks, 56:03, mit Infos und Begleit-DVD „Live in Dublin“
Die „Modern-Irish-Traditional“-Band Gráda hat schon auf zwei Einspielungen
ihre geniale Synthese aus Virtuosität, Dynamik und Rhythmus vorgeführt. Von
Lunasa unterscheidet sie hauptsächlich der Mangel an Uilleann Pipes. Dafür
warten sie mit einem sehr einschmeichelnden weiblichen Gesangspart auf.
Damit sind wir bei den Personalveränderungen: Nicola Joyce löst Anne Marie
O’Malley - deren Gesang ich sehr vereehrt habe - ab. Nicola hat vielleicht
ein etwas rauchigeres Timbre, ist ihrer Vorgängerin im Wesentlichen aber
ebenbürtig. Colin Farrell (Ex-Flook) heißt der neue erfindungsreiche und
technisch brilliante Geiger der Band. In gewohnter Manier brilliert Alan
Doherty auf Concert Flute und groovt Gitarrist Gerry Paul. Neuseeländer
Andrew Laking ist einer der kongenialen Kontrabassisten der jungen
akustischen irischen Generation, um den Gráda sicher die meisten Kollegen
dieser Sparte beneiden. Die subtile, aber griffige Percussion rundet den
perfekten Bandsound ab. Das Programm besteht aus modern aufbereiteten Songs
von Schreibern wie Sonny Condell und Susan McKeown. Fast alle Tunes sind
Neukompositionen, zumeist aus den Reihen der Band. Bei aller Kopflastigkeit,
die dies bisweilen mit sich bringt, gehen aber doch alle Stücke auch in den
Bauch, sodass man spätestens nach mehrmaligem Anhören total begeistert ist.
Einfach Klasse - ein Muss für jeden „Irophilen“!
Johannes Schiefner
| 
|
|
STEVE KNIGHTLEY
Cruel River
(Hands On Music HMCD26, www.showofhands.co.uk)
11 Tracks, 49:11, mit engl. Texten und Infos
Lasst es mich so formulieren: Der Show-of-Hands-Songwriter Knightley ist
wesentlich produktiver, als es das knappe Dutzend neuer Stücke für die
höchstens jährliche SoH-CD zulassen. Wohin also mit dem Überschuss? Solo-CDs
sind da ab und zu ein gutes Ventil und Cruel River ist ein
Paradebeispiel für diese Theorie. Die meisten der zehn Knightley-Songs
hätten auch in das Repertoire der Band gepasst (einer kommt sogar
französisch daher, „Tout Va Bien“ ist ohne gallischen Dreivierteltakt und in
Englisch als „Are We Alright“ bekannt). Nun segeln die Lieder also unter der
Soloflagge, in gewohnter Qualität und mit gewohnten Melodiebögen, lediglich
sparsamer instrumentiert. Nichts weltbewegend Neues also, aber für Fans
garantiert eine Art erfreuliche Show-of-Hands-Verlängerung.
Mike Kamp
| 
|
|
LAU
Lightweights & Gentlemen
(Compass Records 7 4458 2/Sunny Moon)
11 Tracks, 58:37
Das Adjektiv „lau“ ist in der deutschen Sprache nicht gerade positiv
besetzt. Es steht für „weder ... noch“, „halb gut“, „unbefriedigend
dazwischen“. Davon trifft auf das schottisch-englische Trio eigentlich nur
„dazwischen“ zu, denn die Musik bewegt sich frech zwischen diversen
akustischen Polen. Die Musiker sind hochgeachtet in der Szene. Der Sänger,
Gitarrist und folkloristische Workaholic Kris Drever wurde in dieser
Zeitschrift schon häufiger erwähnt. Der Akkordeonist Martin Green hat von
Eliza Carthy bis Linda Thompson schon mit etlichen Größen kooperiert. Auch
Aidan O’Rourke, der typischen Westküstenfiddler, der heute neben Lau vor
allem mit den Blazin’ Fiddles spielt, ist auf über 60 CDs von Runrig bis
Karen Mathieson zu finden. Die Musik dieser drei wurzelt natürlich
zuallererst in ihrer keltischen Heimat, allerdings weniger im traditionellen
als im zeitgenössischen Sinne. Dennoch sorgt diese Basis für etwas
beruhigend Familiäres, auf der die Künstler ihre beeindruckenden
instrumentellen Fähigkeiten entfalten können. Da zeigen sich Lau als
Freigeister, die hier mal jazzige Phrasen zitieren, dort dezente Latinklänge
einbauen und häufig einfach nur ihrer beträchtlichen musikalischen Energie
freien Lauf lassen, Green seinen Quetschbeutel auch gerne mal über einen
Leslie-Lautsprecher. Das kommt auf dieser Debüt-CD gut rüber, live ist es
ein Erlebnis der besonderen Art. Lau sind ein weiterer Beweis dafür, dass
Folkmusik eine Kraft haben kann, die jenseits von Modeströmungen liegt.
Mike Kamp
| 
|
|
GERALDINE MACGOWAN
Through The Years
8GER 015 www.geraldinemacgowan.coM9
14 Tracks, 66:20, mit kurzer Produktionsinfo
Geraldine MacGowan ist über die Jahre zu einer der „Grandes Dames“ der
irischen Musik avanciert. Seit ihren Alben mit der Band Oisín bis zum
Starstatus heute ging sie einen langen Weg. Nach ihrer Zeit in Hannover, wo
sie einen irischen Pub betrieb, lebt sie heute wieder in Irland, allerdings
nicht in Dublin, wo ich sie kennen lernte, sondern in Doolin, Co. Clare,
Anlaufort für viele paneuropäische Irish-Folk-Jünger. Geraldine hat allzeit
ihre persönliche Umgebung motiviert und begeistert und viele deutsch-irische
Freundschaften gestiftet. So erscheint das vorliegende Album als Reminiszenz
über die geleistete Arbeit und als Dokument ihres aktuellen Platzes in der
Szene. Dazu tragen sowohl ihre derzeitige Band (Shay McGowan: Gitarre; Brian
O’Connor: Flute; Eamonn de Barra: Piano) bei als auch diverse alte
Weggefährten: Akkordeonistin Anne Conroy ebenso wie Mick O’Brien an den
Uilleann Pipes, auch der verstorbene Gitarrist Chris Jones ist zu hören.
Geraldine konzentriert sich auf ihre großen Hits - von „Jeannie C“ bis
„Johnny Miner“ sind alle dabei, wurden jedoch neu arrangiert und soundmäßig
neu aufbereitet. Geraldines Gesang trifft dabei alle Nuancen eindrucksvoll.
Stimmlich gereift befindet sie sich auf dem Zenit ihrer Gesangskunst. So
schön wie auf dieser Platte habe ich sie noch nie singen hören! Große
Empfehlung, vor allem für Leute, die bisher noch keine MacGowan-Platte
besitzen.
Johannes Schiefner
| 
|
|
DANBERT NOBACON AND THE PINE VALLEY COSMONAUTS
The Library Book Of The World
(Bloodshot Records BS 141/Indigo, www.indigo.de)
15 Tracks, 52:21, mit knappen engl. Infos
Dass das zweite Soloalbum des Chumbawamba-Gründungsmitglieds - gerade
frisch ausgestiegen - nicht so radikal ist wie sein Wasserattentat auf den
britischen Vizepremir John Prescott bei den Brit Awards 1998, versteht sich
fast von selbst. Aber ganz ohne ist es natürlich auch nicht - einmal
Krawallbruder für die gute Sache, immer Krawallbruder für die gute Sache. Da
werden leichte Übungen wie die Attac-Standards vom militärisch-industriellen
Komplex über die Klimakatastrophe bis zur allgemeinen Bigotterie oder gar
Donald Rumsfeld selbstverständlich lückenlos bei jeder Gelegenheit im
Vorbeigehen erwähnt. Aber auch kompliziertere und subtilere Tricks werden
durchaus mal versucht und gestanden: „Remember when coke was the real
thing?“ Coca Cola oder Kokain? Ironie oder (nasen-)blutiger Ernst? Und wenn
ja - gegen wen? Vergleichbar die Musik: Wild heizt die Band um Mekons- und
Waco-Brothers-Hansdampf-in-allen-Gassen Jon Langford durch die Stile, viel
klingt wie von Danbert Nobacons Ex-Kapelle gewohnt, als könne es gut der
nächste Stadionhit zum Mitgrölen für alle und jeden werden. Womit wir bei
den Nachteilen wären: Worum ging’s noch mal bei „Tubthumping“ und „Top Of
The World (Olé, Olé, Olé)“, Chumbawambas Megahits der vergangenen Jahre? Und
wo wir schon dabei sind: Wofür war das Eiswasser noch mal, das ein billiger
Feind vor versammelten Kameras über den Kopf bekommen hatte?
Christian Beck
| 
|
|
PHENOM MELODY
Style-Generator
(one ton/Rootdown ot-020-CD, www.rootdown-distribution.com)
16 Tracks, 51:10
Es geht zurück in die 80er, aber mit Hilfe von Cubase und Protools und
einer Sprache, die in diesem Kontext fast afrikanisch klingt - wären da nur
nicht die harten „ch“-Laute: Schwyzerdütsch! Der Schweizer Reggaesänger
Phenomden nimmt sich für diese Veröffentlichung den Retrosound des
„digitalen Reggaes“ vor, der damals mit Klopfgeistern und Keyboards einen
neuen Stil formulierte.
Heute klingt das nicht mehr revolutionär, aber in der Lesart dieser
Eidgenossen wird es zu einer fröhlichen Angelegenheit. Selbst wenn Phenomden
unter seinem neuen Pseudonym den Hergang eines Verkehrsunfalls beschreibt,
pluckert und gluckert es amüsant vor sich hin. Frauenschwärmereien,
zweifelhafte Szenen am Badesee, Spam-Mails sind Themen, mit denen sich der
Mann befasst. Das Stück „Tinitus“ beginnt logischerweise mit einem Pfiff und
warnt Internetmusikpiraten: Eines Tages werden sie für ihr Tun mit einem
üblen Pfeifton im Ohr bestraft werden. Unterstützung erhält Phenom Melody
vom Sänger „Stereo Luchs“, der vokaltechnisch beispielsweise den „Züri
Dance“ zappelt. Unsereins versteht nur ein Bruchteil vom Text und gibt dem
Projekt Exoten-Bonus. So jedenfalls klingt Digital Reggae aus der Schweiz:
„Chum pflätsch, chum ribbibum pflätsch!“
Volker Dick
| 
|
|
SOLVEIG SLETTAHJELL
Domestic Songs
(ACT 9017-2, Act Company, www.actmusic.com)
15 Tracks, 45:29, mit Infos
Solveig Slettahjell gehört zu den vielen Juwelen aus dem Stall von ACT.
Die Interpreten dieses Jazzlabels sind ausnahmslos auch für Weltmusikfreunde
hörenswert. So auch Solveig Slettahjell, die mit ihrem Piano wie aus ihrem
Wohnzimmer heraus sich in das Herz des Hörers singt. Domestic Songs,
Lieder zu Hause, nennt die Künstlerin ihr Album, und was könnte näher an der
Folksmusik sein als Musik, die zu Hause zum Beispiel im Kreis der Familie
entsteht. Die Domestic Songs von Slettahjell sind Lieder, keine
Kompositionen. Sie singt Balladen im ursprünglichen Sinne. Ihre einmalige
Stimme lässt keinen Zweifel über die Jazzsängerin in ihr, aber die stillen
Momente zählen auf dieser CD mehr als Bluenotes und Groove. Fast unbemerkt
umschmeicheln ihre Begleiter, das Slow Motion Quartett, die Songs und fügen
sich so harmonisch in das Gefüge, dass man schwören könnte, man hätte
lediglich Stimme und Piano wahrgenommen. Die Lieder laden, wie in der
Tradition guter Musik des Volkes, zum Zuhören und Mitsingen ein. Man möchte
jedes einzelne Stück den eigenen Kindern vorsingen. Selbst das selten
gecoverte „Because“ der Beatles mutiert so zur Volksweise. Die Perfektion
von Domestic Songs wirkt wie eine leichte Fingerübung und man kann
die musikalische Fähigkeit und Arbeit, die in dieser CD steckt, nur erahnen.
Eine große Künstlerin gibt Einblick in ihr Inneres.
Chris Elstrodt
| 
|
|
ALLAN TAYLOR
Old Friends - New Roads
(Stockfisch SFR 357.6047.2/in-akustik, www.in-akustik.com)
12 Tracks, 43:28, mit engl. Texten und Infos
Er gibt es ehrlich zu: „Noch bin ich nicht bereit, eine CD mit neuen
Liedern einzuspielen.“ Nichts jedoch spricht für Allan Taylor dagegen,
einige ältere Songs neu zu entdecken. Seine Fans dürften das ähnlich sehen,
zumal einige der zwischen 1970 und 1994 geschriebenen Lieder noch nie auf CD
zu hören waren. Zu hören sind wie bei einem Konzert nur Gesang und Gitarre
(bzw. dreimal Piano, gespielt von Lutz Möller), aber die CD quasi live zu
nennen, greift nicht tief genug. Durch die unglaubliche Brillanz der
Aufnahmen und erfreuliche Konzentration auf das Wesentliche erreichen die
Lieder eine Intimität, die auf der Bühne oder im Saal so nicht erfahrbar
ist. Die Nuancen, Brüche und Variationen in Taylors Stimme kommen sozusagen
im Breitwandformat daher und sind genaues Zuhören wert. Fans allerdings, die
einen Schwerpunkt auf den beiden „verschollenen“ LPs The Traveller
und Roll On The Day erwarten, werden enttäuscht sein. Von „Chimes Of
Midnight“ über „Homestate“ oder „Morning Lies Heavy“ bis „Flowers In The
Snow“ und „Lady Take Your Time“ ist jedoch genügend Material für einen
willkommenen Trip in die vergangenen Jahrzehnte vorhanden, der durch den
Klang und das künstlerische Können erstaunlich deutlich im Hier und Jetzt
endet. Schlicht ein Beweis für die Zeitlosigkeit von Allan Taylors Songs.
Mike Kamp
| 
|
|
KATHRYN TICKELL
Strange But True
(Park Records PRKCD90/Broken Silence, www.brokensilence.eu)
14 Tracks, 62:51, mit Infos
KATHRYN TICKELL & CORRINA HEWAT
The Sky Didn’t Fall
(Park Records PRKCD88/Broken Silence)
11 Tracks, 48:50, mit Texten und Infos
THE KATHRYN TICKELL BAND
Instrumental
(Park Records PRKCD92/Broken Silence)
11 Tracks, 52:16, mit Infos
Seit sie vor 23 Jahren als Teenager frischen Wind in die
Northumbrian-Bagpipes-Szene brachte, hat Kathryn Tickell einige Nachfolger
und Nachahmer gefunden, aber niemand hat das traditionelle Instrument und
sein Spiel so konsequent weiterentwickelt und erfolgreich in die
unterschiedlichsten musikalischen Zusammenhänge integriert wie sie.
Strange But True dient als eindrucksvoller Beweis für herkömmliche
Kooperationen wie mit der Fiddlerin Catriona MacDonald oder für Bordunfeste
mit der Gruppe Pipeline (Piperkollegen Rory Campbell und Anxo Lorenzo) oder
auch für das unglaublichen Zusammenspiel mit dem norwegischen
Blechblasorchester The Brazz Bothers.
Ebenfalls vertreten ist die schottische Harfenistin Corrina Hewat, und
diese zwei Tracks sind dankenswerterweise nicht auf der Duo-CD The Sky
Didn’t Fall enthalten. Hewat, die nicht nur als Kodirektorin der Unusual
Suspects Experimenten gegenüber generell offen ist, spielt und singt mit
Tickell - ebenfalls eine versierte Fiddlerin - eine eher konventionelle CD
ein, die dennoch hundertprozentig überzeugt.
Und Instrumental ist genau das, Tickell mit ihrer Dreimannband
(Gitarre, Melodeon, Piano, Fiddle) und einigen Gästen. Meist
nordostenglisch, mal jazzig, mal skandinavisch mit zwei Geigen und mal mit
Anklängen an das berühmte „Found Harmonium“ des Penguin Cafe Orchestra -
Kathryn Tickell zählt weiterhin zu den interessantesten zeitgenössischen
Folkacts auf der Insel.
Mike Kamp
| 


|
|
HERMAN VAN VEEN & EDITH LEERKES
Chapeau
(Harlekijn Holland/inakustik OP135, www.hermanvanveen.com)
CD: 18 Tracks, 57:07; DVD: 62:11
Der Sprache wegen diente mir Kollege Kamp wohl diese Kombi-CD/DVD an, denn
der Holländer mit Hut (bzw. Hüten) zählt an sich nicht zu meinem engeren
Interpretenkreis. Mangels Begleitinformationen und einem mageren Booklet
fiel es nicht leicht, sich ein (Hör-)Bild dieses Albums zu machen. Denn es
gibt bereits ein deutschsprachiges Album mit dem Titel Hut ab!, das
zu seinem gleichnamigen Bühnenprogramm 2005/2006 erschien. Zwei Jahre zuvor
hatte van Veen ein ähnliches Programm in Frankreich unter dem Motto
„Chapeau“ vorgestellt, das mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde. Nunmehr
liegt dessen CD-Fassung vor, und es ist bereits sein drittes
französischsprachiges Album. Es gibt offenbar einige kleine Überschneidungen
mit der deutschen Ausgabe - z. B. die „kammermusikalische“
Instrumentalversion von Princes „Kiss“ oder „Les Papas“ (= „Die Väter“) -
und auch Neuaufnahmen bereits bekannter Lieder (z. B. „Peut-être Que C’est
Une Valse“ - Originaltext „Möglicherweise ein Walzer“ von Heinz Rudolf
Kunze!).
Begleitet wird van Veen von der exzellenten Gitarristen Edith Leerkes, die
des Öfteren als Solistin glänzen darf. Mit dabei auch das formidable
Rosenberg Trio und weitere Gastmusiker. Van Veen singt natürlich, spielt
Violine und Klavier. Musikalisch virtuos und geschmackvoll, mit großer
Ernsthaftigkeit und Intensität (von allen Beteiligten) vorgetragen.
Minuspunkt: Die französischen Texte wurden nicht abgedruckt; Pluspunkt: die
Live- & Bonus-DVD.
Roland Schmitt
| 
|
|
JOHN WYNNE AND JOHN MCEVOY
Pride Of The West
(Cló Iar-Chonnachta CICD 165, www.cic.ie)
14 Tracks, 50:11, mit ausführlichen Infos
Der in England geborene Ire John McEvoy ist ein alter Bekannter. Er war
Gründungsmitglied von Bakerswell Ende der 80er Jahre und gehörte zum inneren
Kreis der Traditional Irish Music Szene Dublins, wo er seine Musik von der
älteren Generation, namentlich John Kelly und andere Musikern aus Clare
lernte. Mittlerweile hat er seine Herkunft aus dem Co. Roscommon musikalisch
aufgearbeitet und präsentiert mit der vorliegenden Aufnahme zusammen mit
Flutespieler John Wynne, der aus der gleichen Gegend stammt, eine exquisite
Sammlung von Tunes aus dem Norden der Provinz Connaught. John Wynne wurde
hierzulande durch seine Mitwirkung bei Providence bekannt. Die Band- und
Stimmungsbreite des vorgestellten Repertoires ist groß, neben den obligaten
Jigs und Reels gibt es einige Marches und eine Slow Air. Ungewöhnliche
Stücke und ungewöhnliche Versionen bekannter Tunes lassen immer wieder
freudig aufhorchen. Schon der Opener „Pride Of The West“ ist ein
ausgesprochener Ohrwurm! Subtile Arrangements mit Begleitmusikern Arty
McGlynn (Gitarre) und John’s Sohn Paddy McEvoy (Piano) sorgen für eine
wohltuende harmonische Einbindung über dem treibenden Groove der
Leadinstrumente. Die beiden Johns zeichnen sich durch eine hohe musikalische
Empathie aus, oft spielen beide Instrumente über lange Strecken Note für
Note synchron, was die mächtige Kraft dieses Fiddle-Flute-Duetts ausmacht.
Virtuosität, Feinsinnigkeit und Variationsreichtum machen diese CD zu einer
der essenziellen Aufnahmen dieses Jahres.
Johannes Schiefner
| 
|