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HERBERT BARTMANN
Temmi - Oostfreeske Leder, Worden und Musik

(Artychoke AP-0807-CD, www.artychoke.de)
15 Tracks, 52:58, mit Texten und Infos

Um diese CD zu mögen, muss man zunächst mal Herbert Bartmanns Stimme mögen. Doch, ja, sie klingt angenehm, aber gewöhnungsbedürftig, schmeckt nach Friesentee mit Köm, klingt gebrochen und wettergegerbt nach rauem Nordwind und knarzend wie die Takelage eines Einhandseglers.

Als solchen könnte man auch seine Solo-CD bezeichnen, denn Bartmann hat sämtliche Instrumente (mit zwei Ausnahmen) selbst eingespielt - und wer ihn als Mitglied der friesischen Band Laway kennt, weiß: Es sind eine Menge! Bartmann ist ein Virtuose am Dudelsack (Highland Pipes, Mazedonische Sackpfeife, Small Pipes) und ein ganz ausgebuffter DADGAD-Gitarrist. Bombarde, Low und Tin Whistle, Maultrommel, Cajon und Harmonium fügt er mit leichter Hand und ebenso experimentierfreudig seinem Instrumentarium hinzu wie E-Gitarre, Synthesizer und Samples. Dabei gelingt ihm ein moderner Folksound mit textdienlichen, überraschenden Arrangements. Experimentierfreudig sind gelegentlich auch die im friesischen Dialekt gesungen Lieder, wie z. B. der über rhythmische Cajon-Improvisationen fast schon gerappte Zungenbrecher „Dree dicke Daudrüppen“. Solche modernen Zutaten zeigen die große musikalische Bandbreite des Herbert Bartmann; die geschmackvolle Textauswahl beweist fundierte Kenntnisse der Geschichte und die Liebe zu seiner ostfriesischen Heimat. Und so bringt er seinen musikalischen Einhandsegler sicher in den Hafen!

Ulrich Joosten

 

HERBERT BARTMANN - Temmi - Oostfreeske Leder, Worden und Musik


INGO BARZ
Das wollt ich dir noch singen ...

(Schnitterhof Verlag SHM 011, Tel/Fax: 039972-50173)
22 Tracks, 65:57, Texte

Kann man die Geschichte eines Landes oder eines Landstriches und deren Komplexität singen? Kann man Heimatverbundenheit ohne falsche Romantik und Einseitigkeit in Lieder fassen? Ja, man kann und man sollte es sogar machen, um Menschen ihre eigenen Wurzeln zu zeigen und gleichzeitig interessenorientierter Legendenbildung entgegenzuwirken. Nach seinen Liederreisen durch die Jahrhunderte und durch Europa lädt Ingo Barz nun also in seine Mecklenburger Heimat ein. Er beschreibt die flache Landschaft, die alten Mühlen und Feldsteinkirchen, lässt einen teilhaben am Leben der Bauern, Fischer und Seeleute in früheren Jahrhunderten, beklagt die Nöte der Auswanderer, Emigranten und heutigen Berufspendler, fügt seine eigenen Erinnerungen an allerlei fahrendes Volk und die Vertriebenen hinzu und sinniert über Vergangenes, die Gegenwart und Ausblicke. Er schreibt anspruchsvolle, aber verständliche, reflektierende Texte, die Widersprüche nicht aussparen und zudem atmosphärisch ansprechen, und verbindet sie mit eingängigen Melodien. Ein außergewöhnlicher Liedermacher, der Verstand und Emotion anzusprechen vermag. Ein liebevoll gestaltetes Booklet mit Texten und kurzen Erläuterungen rundet die selbstgefertigte Produktion ab.

Rainer Katlewski

 


DIE DOUBLEDYLANS
RettichRetter

(Fame Music FM 300607, www.devilishdoubledylans.com)
12 Tracks, 42:23, handgefaltete Unikat-Verpackung

Gelegentlich ist man als Rezensent doch sehr ratlos beim Abhören eines Tonträgers. „Wer braucht das? Was soll das? Wer kauft das? Wer hört das?“, rauscht es einem durchs Hirn. Das ist nicht (immer) gleichbedeutend damit, dass die Ergebnisse langer künstlerischer Versuche unzureichend waren, sondern manches Werk kann ja Freitagabend live, mit einem Bierchen in der Hand, einen ganz netten Abend ergeben, zumal angesichts mangelnder Alternativen. Aber hört sich dann solch eine Silberscheibe auch wirklich einer zu Hause oder im Auto oder whereever an? Also zur Sache selbst! Drei talentierte Herren aus Hessen nehmen Lieder des großen, undurchschaubaren Bob Dylan und ziehen sie nicht durch den Kakao, nein, durch den Rettich. Aus „Ring Them Bell“ und „I Want You“ oder „In The Garden“ und anderen werden Lieder über den Rettichretter, einen Helden der Erntearbeit, einen seiner Erntehelfer mit Erfindergeist, Big Jim, Rettichbrei, vergiftetes Kürbiseis und ähnlichen Unsinn, immer rund um den Rettich. Das ist nun freilich nicht ohne Witz und Raffinesse, nasal nörgelnder Stimme, Gitarre, Mundharmonika, Folk und Blues. So weit, so gut, ganz nett, es mal gehört zu haben. Bleibt immer noch die Frage. Wer hört diese CD? Die Menschen draußen im Lande, die Damen des Landfrauenverbandes, der Fahrstuhlführer im Verbandshochhaus der Rettichzüchter oder gar eingefleischte, äh, eingerettichte Dylanfans? Weiß nicht!

Rainer Katlewski

 

DIE DOUBLEDYLANS - RettichRetter


IONTACH
Jiggin’ It

(Eigenverlag 2007, www.iontach.de)
13 Tracks, 49:41, mit Photos, engl. u. gäl. Texten u. engl. u. dt. Infos

Die erste CD dieses in Wremen bei Bremen ansässigen deutsch-irischen Irish-Folk-Trios wurde als erste „Irish Folk CD made in Germany“ im Folker! (6/2004) als „Besondere“ gekürt, und auch diese zweite steht ihr in nichts nach, außer dass nicht Lateinisch gesungen wird. Was bei der ersten besonders ist, erwartet man bei der zweiten schon, und ja, man kann ohne Furcht zugreifen. Es sind sechs Instrumentals der Gattungen Jig, Reel, Polka, Hornpipe, Waltz und Slow Air und sieben Lieder auf Englisch oder Gälisch mit jeweils erstklassiger Instrumentbegleitung und in ausgefeilten Arrangements. Sowohl die gesangliche als auch die instrumentelle Polyphonie geht unter die Haut und verursacht einen wohltuenden Schauer im ganzen Körper. Besonders hervorzuheben sind auch der Harmonie- und der Satzgesang, sowie das Cello! Die Musik ist in vielen feinen Details so ganz anders, als es sich viele unter Irish Folk vorstellen, und doch gehört sie einwandfrei in dieses Genre, ist also keine Weltmusikfusion. Verantwortlich für dieses Meisterwerk sind Siobhán Kennedy (vocals, flute, whistles, fiddle, concertina, step dance), Angela Berns (vocals, bodhrán, keyboards, piano, whistle, shaker) und Jens Kommnick (vocals, guitar, bouzouki, mandoline, viola, cello, bass, uilleann pipes, whistles, piano).

Michael A. Schmiedel

 

IONTACH - Jiggin’ It


BERND RINSER
Peace Of Mind

(Driftwood/Fenn Music, www.fenn-music.de)
12 Tracks, 49:37, mit engl. Songtexten und dt. Infotext

Bluesman Bernd Rinser singt sich auf Peace Of Mind mit tiefer Stimme durch ein Dutzend absolut überzeugender und intelligent getexteter Songs, so lupenrein bluesig in traditioneller Besetzung eingespielt, dass es eine helle Freude ist. Gemeinsam mit Bassist Uwe Knüppel und Sebastian Schwarzenberger an elektrischer und akustischer Gitarre und Dobro beschwört Rinser, der außerdem die zweite Gitarre, sowie die Mundharmonika und gelegentlich Percussion bedient, dabei eine eher düstere Stimmung. Sogar so düster, dass es sein propagiertes Motto, „die Suche nach Wärme und innerer Zufriedenheit“ ein wenig konterkariert. Sei’s drum, wer auf der Suche ist, erlebt halt viel und sicherlich nicht nur Angenehmes ... Wüsste man nicht genau, dass Rinser aus Deutschland kommt, würde man ihm ob seiner akustischen Authentizität ohne zu zögern angloamerikanische Herkunft bescheinigen. Peace Of Mind enthält packende Songs zum Mitfühlen, zum Sichgehenlassen, um am Ende, wie’s sich gehört, auch wieder neue Hoffnung zu schöpfen. Und gleichzeitig kommt unversehens Vorfreude für kommende Konzerte auf - vielleicht rollt Rinser ja mit seinem Bluesbus irgendwann auch in unserer Stadt an und gibt Gelegenheit zum Mitwippen ...

Carina Prange

 

BERND RINSER - Peace Of Mind


WILLIE SALOMON
Just In Time

(Acoustic Music Records/Rough Trade)
17 Tracks, 54:03 mit engl. Infos

Blues aus den 20er bis 40er Jahren mit eigener Note spielt und singt der feinfühlige Musiker aus Bayern, der Teile seiner Kindheit in den USA verbrachte. Nicht nur mit der Gitarre - Willie Salomon besitzt zahlreiche Originalinstrumente aus der Zeit, in der die von ihm bevorzugten Stücke entstanden -, sondern auch am Klavier versteht er sich zu artikulieren. 1981 beeindruckte er mit der LP Moon Goin’ Down, die auch eigene Songs enthielt, doch aus privaten Gründen zog er sich 1985 für zehn Jahre aus der Musikszene zurück. Erst 2001 erschien sein zweites Album, das dritte folgte im Dezember 2004. Mit den authentischen Kompositionen auf Just In Time stellt er nun seine Qualitäten abermals unter Beweis. Salomon überzeugt durch seine warme Stimme, sein ausgefuchstes Slide- und Fingerpicking-Spiel und nicht zuletzt durch gelegentliche Mundharmonika- und Pianoeinlagen.

Schon mit dem ersten Titel „Country Boy“ hat er sich die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer verdient. Akustischen Folk-, Country- und Delta-Blues bringt er bei „Memphis Boogie“ und „Back On The Road“ auf den Punkt. Mit dem Titelstück „Just In Time“ ist auch Romantisches vertreten. Durchaus zu vergleichen ist Salomon mit dem als „Best White Blues Player“ gelobten Amerikaner Paul Geremia, mit dem er auch schon auf der Bühne stand. Fazit: Seine neue Platte ist uneingeschränkt zu empfehlen und gehört in jede Sammlung von akustischem Blues.

Annie Sauerwein

 

WILLIE SALOMON - Just In Time


TRIO KALI GARI
In Adess

(Loewenzahn HD 20073, www.triokaligari.de)
14 Tracks, 57:10, mit dt., engl., franz. Kurzinfos und jidd. Texten

Dos Lebn - A Tants

(Loewenzahn HD 20072, www.triokaligari.de)
15 Tracks, 57:42

Obwohl es das Trio Kali Gari bereits seit 17 Jahren gibt, war nicht viel über die Vita der drei zu erfahren. Nach dem ersten Album Bessarabyanke erschienen 2001 Ayzige zun. Und nun gleich zwei Alben, im Doppelpack sozusagen. Musik für Straßenfeste, Märkte und Hochzeiten, Musik, die zum Mittanzen einlädt, Musik, die in der Regel nicht auf den Klezmerkonzerten von Kali Gari zu hören ist - das mögen die wichtigsten Charakteristika des Tanzalbums sein. Karin Christoph (Violine, Gesang), Thomas Denker (Akkordeon, Gesang) und seit 2005 Reinhard Röhrs (Kontrabass, Gesang) spielen Walzer, ungarische, deutsche, russische oder auch jiddische Lieder, etwa das klassische „Baj mir bistu shejn“, ganz abgesehen von einem Wiener Lied von Georg Kreisler („Tauben vergiften sich im Park“). In Adess (jidd. für die ukrainische Stadt Odessa) mag viel eher als konsequente musikalische Fortsetzung zu den ersten beiden Alben erscheinen: Traditionelles, Klezmeriges, Jiddisches ... Etwa wiederum ein Lied des 1922 in Wien gebürtigen Georg Kreisler („Die Tante“) oder eines der aus Stettin stammenden Chava Alberstein („Di Krenize“). Das CD-Booklet enthält die jiddischen Texte in lateinischen Buchstaben, ergänzt durch kurze Erklärungen oder Übersetzungen einzelner Worte ins Deutsche, soweit sie nicht von sich aus verständlich erscheinen. Bliebe zu betonen, dass das Trio angenehmerweise meist ohne viel Technik, also „unplugged“ auskommt.

Matti Goldschmidt

 

TRIO KALI GARI - In Adess

TRIO KALI GARI - Dos Lebn - A Tants


HANNES WADER
Neue Bekannte - 20 Lieder neu arrangiert und aufgenommen

(pläne 88951, www.plaene-records.de)
20 Tracks, 72:51, mit Texten

Der Meister offenbart ein kunsthandwerkliches Verständnis seines Schaffens: Neuen Glanz verleiht er angestaubten, auf verschollenen Universal-LPs abgelegten Werkstücken, indem er sie auffrischt, poliert und nachlackiert, Unebenheiten abschleift und die Fassung überholt, manches glättet, anderswo die Schönheiten der Maserung besser zur Geltung bringt. Dafür habe, heißt es in Interviews, beim ersten Einspielen oft die Zeit gefehlt. Manches schlichte Klampfenlied wirkt mit poppiger Combo-Begleitung allerdings nur überschminkt und aufgebrezelt, anderen kann das nichts anhaben, weil der angenehme, volltönende Wader-Bariton Kontinuität verleiht. Traditionals wie „König von Preußen“ oder „Uns bleibt keine Wahl“ werden akzentuierter und mit mehr Einfühlung vorgetragen als früher. Sieben Kompositionen (darunter der großartige „Abschied“) sind von Detlef Petersen. Das von einer gesinnungsbesoffenen Antifa-Jugend einst kaputt gegrölte „Moorsoldaten“-Lied, hier frisch-fröhlich-frei mit schwungvollem Fingerpicking und vom Horn der Kavallerie begleitet, war und bleibt Waders peinlichster Missgriff.

Nikolaus Gatter

 

HANNES WADER - Neue Bekannte


WOLTÄHR
Mir schwaeze Platt

(Op der Lay 2007, www.voltaire-woltaehr.de)
20 Tracks, 63:30 mit Photos, hochdt., moselfränk., luxemb., franz., breton. Texten und hochdt. Infos

„Woltähr“ ist zugleich der Spitz- und Künstlername von Walter Liederschmitt aus Trier und der Name seiner Band, welche nun ihre sechste reguläre CD seit 1992 vorlegt. Das Programm der Combo besteht aus einer eigenwilligen Verbindung von moselfränkischer Mundart, Franko- und Keltophilie, Chanson, Liedermacherei, Deutsch-, American, Irish und bretonischem Folk, Obrigkeitskritik und Heimatliebe, und jede CD hat überdies ihr eigenes Thema, so hier das Zusammengehören(sollen) der Region des Dreiländerecks Deutschland-Frankreich-Luxemburg, Saar-Lor-Lux oder Austrasien unter tanzbarem bretonischem Einfluss und mit der Qual der Wahl zwischen Moselwein und Cidre beziehungsweise Viez. Diese Heimatkonstruktion wird durch das Coverphoto, das die Mosel in ihrem Lauf vor 12.000 Jahren zeigt, als sie noch durch das Konzer Tälchen floss, gekrönt. Außer Woltähr höchstselbst mit seiner unnachahmlichen Stimme, die bisweilen klingt, als sei Bob Dylan als noch nicht ganz wacher Moselwassermann wiedergeboren, sowie mit Gitarre und Leier sind des Weiteren Uwe Heil (Gitarren, Bluesharp), Carsten Söns (Bässe), Christian Meissner (Schlagzeug + Gedöns), Gert Bukowski (Keyboards), Daniel Bukowski (weitere Bässe), Dorle Schausbreitner (Gesang, Gitarre), Florian Schaubreitner (Bass), Markus Mich (Gesang, Gitarre), Patric Ludwig, Robert Gollo Steffen und Renée Weber (je Gesang) am Bandsound beteiligt.

Michael A. Schmiedel

 

WOLTÄHR - Mir schwaeze Platt

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