BESONDERE - AMERICANA
HANK SHIZZOE & THE DIRECTORS
Headlines
(Blue Rose Records BLU DP0425/Soulfood, www.soulfood-music.de)
13 Tracks, 61:26, mit engl. Texten und Infos
Das einzige, was an der Amtlichkeit des Sounds von Thomas Erb alias Hank
Shizzoe aus Rüthi in der Schwyz womöglich auszusetzen sein könnte - wenn man
sich denn unbedingt dermaßen entblöden wollte - wäre vielleicht die Stimme.
Aber auch das sollte der Exjournalist mit einem entspannten Lächeln
hinnehmen können, verweist es doch nur auf einen ganz eigenen Trumpf, den er
noch zusätzlich zu all seinen anderen Qualitäten in der Tasche hat: zu jung
noch eventuell das Organ des Cracks von diesseits des großen
Americana-Teichs, zu hell, klar, glatt, gesund für den ganz großen Klang der
großen weiten Lebenserfahrung, über den Tom Waits, Lucinda Williams, Rod
Stewart, Macy Gray oder das Original verfügen, von dem gleich noch die Rede
sein wird. Kein Wunder bei den läppischen 41 Jahren, die Erb erst auf dem
Buckel hat. Als Gitarrist, Songschreiber, Arrangeur und Produzent klingt er
dagegen längst wie ein ganz alter Hase - und das in buchstäblich jeder
Spielart zwischen dem Country Blues des frühen 20. Jahrhunderts und dem
Mainstream-Rock-’n’-Roll der Stadionära, die man sich nur vorstellen kann.
Uptempo, Downtempo. Rocker, Ballade. Südstaaten, Westcoast. Folk, Pop. Die
Songs sind rund und griffig allesamt, Texte inklusive. Die Gitarrenarbeit
ist nicht weniger als phänomenal: Solo und Rhythmus, Slide und Fuzz,
akustisch und elektrisch - es gibt kein Instrument, das er nicht drauf
hätte, keinen Sound, kein Lick, keinen Effekt, kein Idiom. Und selbst als
Interpret solcher Säulenheiliger wie Bob Dylan und der Band verblüfft er mit
einer Verve, die man nur kongenial nennen kann: Seine Version von „Yeah!
Heavy & A Bottle Of Bread“ kommt in Groove wie Arrangement,
Instrumentierung wie Sound dermaßen ausgeschlafen daher, dass sie sich weder
vor dem Basement-Tapes-Original noch vor der runden
Liveversion verstecken muss, die ihr Erfinder erst vor wenigen Jahren noch
zu spielen pflegte. Mit einer Ausnahme versteht sich: Dessen komplett
zerschossenes Gesangsorgan, einem Mangel an akustischen Ecken und Kanten
bekanntlich noch nie auch nur im Geringsten verdächtig, krächzt nach
Jahrzehnten der zusätzlichen Reifung inzwischen in einer Liga, in die es
wohl nie ein anderer lebender Mensch jemals zu ihm hinauf schaffen wird -
oder hinab? Erb jedenfalls inklusive - und das wollen wir auch schwerstens
für ihn hoffen ...
Christian Beck
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BESONDERE - WEIHNACHTEN
DIVERSE
Midwinter
(FreeReed FRQCD-30, www.free-reed.co.uk)
4-CD-Promo-Box, 99 Tracks, 305:50
Sie kennen die Kategorie „Wenn du dir in deinem Leben nur eine CD mit ...
kaufen willst, dann muss es diese sein“? Okay, streng genommen ist dies eine
Box und keine einzelne CD, aber die Kategorie stimmt dennoch. Voraussetzung
ist allerdings zum einen eine starke anglophile Vorliebe, denn das Material
stammt vor allem aus England, ein wenig aus Schottland und Wales und etwas
mehr aus den USA. Zum anderen muss man bereit sein, mal locker 50 Pfund
inklusive Porto für ein Quartett von CDs mit Weihnachts-, Neujahrs- und
Wintermusik abzudrücken.
Lohnt sich denn das? Ich denke ja. Mir liegen „nur“ die vier CDs vor, aber
die editorischen Qualitäten der Free-Reed-Boxen dürfte regelmäßigen Lesern
dieser Zeitschrift nicht unbekannt sein. So enthält die die Orginalbox ein
136-seitiges Booklet, in dem der etatmäßige Autor und Zusammensteller Nigel
Schofield wie üblich mit tiefem Fachwissen waltet. Und die Musikauswahl ist
vorbildlich. Keinerlei Schmalz oder Glitter, sondern ehrliche Folkmusik von
1920 bis heute - na ja, bis 2006, teils sogar als Erstveröffentlichung.
Bereits ein Auszug aus der Künstlerliste sollte überzeugen: Joan Baez, Jean
Ritchie, Loudon Wainwright III, The Watersons, Maddy Prior, Sandy Denny,
Jethro Tull oder John Tams. Dazwischen dann eine große Auswahl an
interessantem und obskurem Material.
Langeweile ist ausgeschlossen. Nur für die Weihnachtsfeier an und für sich
ist die Box nicht geeignet. Die Gefahr, dass man sich festhört und Familie
und Anverwandte vergisst und den Hausfrieden gefährdet, ist einfach zu
groß.
Mike Kamp
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