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CARLINHOS BROWN
A Gente Ainda Não Sonhou
(Tropical Music CD 68.860, Sony/BMG, www.tropical-music.com)
Promo-CD, 14 Tracks, 61:13, mit port. und dt. Texten
Wenn der brasilianische Percussionist und Produzent Carlinhos Brown
nicht der Ausnahmekünstler wäre, der mit Timbalda oder den Tribalistas
zu überzeugen wusste, wäre ich vielleicht weniger kritisch. A Gente
Ainda Não Sonhou ist ein unterhaltsames Album, würde ich sagen,
viel besser als zahllose andere Werke aus Brasiliens
Kreativwerkstätten. Die musikalischen Stimmungen wechseln: Mal rockig
angehaucht in „Oaromadavida“, mal wie ein Kinderlied in
„Mandeumemailpramim“ oder als Flamencostück „Pedindo pra voltar“
kommen die Songs daher - technisch perfekt, keine Frage. Mitstreiter
Marisa Monte, Arnaldo Antunes, Jacques Morelenbaum und Javier Limón
gehören ebenso zu Brasiliens Musikelite wie Brown selber. Und gerade
deswegen mäkele ich und sage: Carlinhos, da ist zuviel Weichspüler
angesetzt, das ist deiner Kunst nicht würdig! Die Trommeln klingen
manchmal kraftlos, die Streicher kommen zuckrig und schwülstig daher
und überhaupt: Wo ist der Rebell geblieben, der der brasilianischen
Gesellschaft den Spiegel vorhielt und mit musikalischen
Zauberkunststücken zu verblüffen wusste? Am ehesten erinnert noch die
Einstiegssequenz von „Guaranácafé“ an den temperamentvollen Carlinhos
Brown vergangener Zeiten. Aber wie gesagt: Ging es in dieser Kritik
nicht um Carlinhos Brown, sondern um einen weniger begabten Musiker,
ja, dann wäre es ein ganz nettes Album.
Suzanne Cords
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DA’VILLE
On My Mind
(VP Records/Groove Attack VPCD1752, www.vprecords.com)
14 Tracks, 53:45, mit Infos
Die Gürtelschnalle ein Totenkopf, Baseballcap in Tarnfarbe, dunkle
Sonnenbrille - der Typ pflegt auf dem CD-Cover ein martialisches
Äußeres. Guckt man aber aufs Beiblatt, steht da: „Dear God, to you I
give all the praises.“ Tja, auch wir haben in der Sonntagsschule
gelernt, niemanden aufgrund seines Erscheinungsbilds zu verurteilen.
Und tatsächlich ist dieser Songschreiber, Sänger und Produzent ein
ganz Sanfter, ein Schmusebär, ein Crooner, der sehr gut in die
„Lover’s-Rock“-Ecke passt. Und deswegen dürften die Damen auch
wegschmelzen, wenn sie Stücke wie „I’m In Love With You“ oder „Can’t
Get Over You“ hören.
Das Debütalbum In Heaven ging nicht nur in seiner Heimat
Jamaika gut ab, sondern schlug auch in einer anderen Rasta-Nation voll
ein, wo er dann erfolgreich tourte: Japan! On My Mind nun
versammelt eine Reihe seiner Lieder um Herz und Schmerz, die teilweise
bereits als Singles in einschlägigen Charts aufgetaucht sind - auch in
den USA, wo sogar die New York Times von ihm Notiz nahm. Über
mangelnde Unterstützung aus der Szene muss er sich ebenfalls nicht
beklagen, ob da Sly Dunbar und Marcia Griffiths auf „All My Life“
mitmischen oder Sean Paul auf „Always On My Mind“. Wer mal für
zwischengeschlechtliche Zärtlichkeiten einen Soundtrack sucht oder als
Musikredakteur was Entspannendes für sein Formatradio benötigt: mal
bei der machoesken gläubigen Schmalzbacke hier nachhören.
Volker Dick
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CHAVELA VARGAS
Cupaima
(Tropical Music 68.856, Sony/BMG, www.tropical-music.com)
12 Tracks, Bonus-DVD, 48:57, mit engl. Infos und span. und engl. Texten
Kaum eine lateinamerikanische Sängerin ihrer Generation ist so
legendenumwoben wie Chavela Vargas. Sie scherte sich nicht um
Konventionen, war eng mit Frida Kahlo, Pablo Neruda und García Márquez
befreundet, trank Männer unter den Tisch und vermachte den Guerilleros
von Kuba bis Nicaragua ihr Kampflied „Macorina“. Im Herbst letzten
Jahres gab sie in Mexiko City nach über 60-jähriger Bühnenkarriere ihr
Abschiedskonzert, das Album „Cupaima“ (etwa: „Die letzte Schamanin“)
ist ihr Vermächtnis an ihre Fans. Hier hat die mexikanische Diva ihre
großen Hits, die sentimentalen Boleros und Rancheras, noch einmal
eingespielt. Eher gesprochen als gesungen, und von eindringlicher
Kraft flüstert und seufzt die Vargas, fleht, brüllt und leidet. Wer
bei der 88-jährigen eine brüchige Stimme erwartet, täuscht sich,
stattdessen sorgt jeder Ton für Gänsehaut. Noch nie hat sie „La
Llorona“ („Die Weinende“) so herzergreifend interpretiert, noch nie
klang „Soledad“ („Einsamkeit“) so trostlos. Sentimental schluchzt die
spanische Gitarre dazu, doch den besonderen Zauber erfährt die Musik
durch den Einsatz indianischer Naturinstrumente. Mystisch erklingt
Jorge Reyes Muschelflöte, im Takt dazu spielt Jorge Romero den
Schildkrötenpanzer und Ernesto Cano die aztekische Schlitztrommel. Und
wer mehr über das bewegte Leben der Diva erfahren will, kann seine
Neugier dank der Bonus-DVD ausreichend stillen.
Suzanne Cords
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FORRO IN THE DARK
Bonfires Of São João
(Nublu Records, NUB00009, Alive, www.qrious.de)
12 Tracks, 48:58
Im Nordosten Brasiliens ist der Forró genauso populär wie in Rio de
Janeiro die Samba. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit tänzeln die
Paare zum Takt der Sanfona-Harmonika, der Triangel und der
Zabumba-Trommel eng umschlungen durch die Dorfkneipen oder die
Veranstaltungssäle der Städte. Angeblich ist das Wort forró
eine Verballhornung des englischen „for all“. Und dass die Musik nicht
nur für Brasilianer, sondern für alle einen unwiderstehlichen Reiz
besitzt, beweist das Sextett Forro in the Dark. Auf einer
Geburtstagsparty in New York versammelte Percussionist Mauro Refosco
befreundete Musiker um sich und begeisterte die Gäste mit den Rhythmen
aus dem brasilianischen Hinterland. Die Spontansession wurde zur
festen Einrichtung, jetzt liegt das zweite Album vor:
Tom-Waits-Gitarrist Smokey Hormel, Saxophonist und Flötenspieler Jorge
Continentino sind wieder mit von der Partie, außerdem
Schlagholzspieler Davi Vieira und Gitarrist Guilherme Monteiro. Als
Gäste ließen sich Latino-Fan David Byrne, auf dem Gonzaga-Klassiker
„Asa Branca“ zu hören, und Bebel Gilberto („Juazeiro“) nicht lange
bitten, die Japanerin Miho Matori entführt den Forró äußerst charmant
ins ferne Japan. Das musikalisch hervorragend aufgelegte Sextett hat
sich ziemlich weit von den traditionellen Wurzeln des Forró entfährt,
die neue Dimension verleiht ihm aber ungeahnte Spritzigkeit und
Frische.
Suzanne Cords
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