back Rezensionen Europa


STEELEYE SPAN
Bloody Men

(Park Records PRKCD91/Broken Silence)
Do-CD, 15 Tracks, 62:52, mit engl. Texten und Infos

In Concert

(Park Records PRKCD89/Broken Silence, www.parkrecords.com, www.brokensilence.biz)
Do-CD, 23 Tracks, 118:44

Steeleye kultivieren weiterhin den - wenn auch dezent modifizierten - Folkrocksound, den sie seit den späten 60ern popularisiert haben. Außergewöhnlich jedoch der Opener „Bonny Black Hare“, wo Maddy Prior eher wie Patty Smith als eine Folkrock-Queen klingt. Die von Rick Kemp (dessen Bassläufe der gewohnte Genuss sind) initiierte, thematisch abgeschlossene „Ned-Ludd“-CD über die Maschinenstürmer The Luddites ist eine feine musikalische Geschichts-CD, die jedoch von der Zeit her problemlos ebenfalls auf die erste CD des Doppelalbums gepasst hätte.

Was man von der Dokumentation der 2004er-Tour anlässlich des 35-jährigen Jubiläums nicht behaupten kann, die die Livequalitäten der Band nachdrücklich unterstreicht. Knackig und frisch klingen die aktuellen Versionen der Klassiker, von wegen angestaubte Oldies! Die pfeilschnelle Version des „Four Night Drunk“ würden wilde Jugendliche nicht energiegeladener rüberbringen. Sensibel und intensiv hingegen die Gesang- und Fiddle-Interaktion bei „Betsy Bell & Mary Grey“.

Noch immer nicht muss ich mich der Band schämen, die mich nach den Dubliners zur Folkmusik gebracht hat. Ich denke, dass spricht eindeutig für die Qualität von Steeleye Span.

Mike Kamp

 

STEELEYE SPAN - Bloody Men

STEELEYE SPAN - In Concert


DIVERSE
Sviests

(Lauska CD05, www.lauska.lv)
19 Tracks, 72:35, mit lettischen Infos

Sviests bedeutet „Butter“, und das Cover zeigt ein Butterfass samt butternder Bäuerin, im Heft gibt es schöne Butterskulpturen zu bewundern, es ist alles sehr symbolisch und geheimnisvoll ... Offenbar hoffen die CD-Macher gar nicht erst, im Ausland wahrgenommen zu werden, weshalb es nur einen winzigen englischen Kommentar gibt, alles andere ist auf Lettisch. „Post-Folklore“ werde die hier vertretene Musik in Lettland genannt, also nicht streng traditionell, sondern beeinflusst von allen möglichen Stilen rund um den Globus. Das lesen wir, aber das lettisch-traditionelle Element dominiert eben doch, allein schon durch die vielfache Verwendung von Kokle und Stabule. Kokle ist ein liegendes Instrument mit bis zu 34 Saiten, verwandt Langeleik und Kantele, es klingt auf dieser CD ähnlich wie irische Zithern mit Metallsaiten, Stabule ist eine oft reich verzierte lange Holzflöte mit tiefem Klang, früher von Hirten während der Nachtwache geschnitzt. Gesungen wird vor allem von Frauen, denen atemberaubende Harmonien gelingen. Die Instrumentalstücke klingen oft sehr nordeuropäisch, dann gibt es wieder Anlehnungen an eher östliche Melodieführung, Klezmerelemente sind zu finden und es ist einfach ärgerlich, dass die Infos so spärlich und vor allem so lettisch sind. Sviests ist ein musikalisches Erlebnis, das großen Wissensdurst weckt und leider nichts unternimmt, um ihn zu stillen.

Gabriele Haefs

 

DIVERSE - Sviests


LA BERGÈRE
Fi De L’Eau

(Le roseau/harmonia mundi ROS 107, www.leroseau.net)
14 Tracks, 40:33, mit franz. Texten

Erinnert sich noch wer an Malicorne, in den 1970er Jahren die „französische Antwort“ auf britische Bands wie Fairport Convention oder Steeleye Span? Als „Kopf“ der Band galt Gabriel Yacoub, der bis heute als Solist und Produzent rührig ist. Vor wenigen Jahren gründete sich um seine (Lebens-?)Gefährtin, die Sängerin Sylvie Bergère, das Trio La Bergère - noch mit von der Partie sind der Multiinstrumentalist Julien Biget (vornehmlich Saiteninstrumente) und das Franco-Folk-Urgestein Emmanuel Pariselle (u. a. Akkordeon, Konzertina). Nunmehr liegt das zweite Album, aufgenommen à la maison, unter der Regie von Yacoub, vor. Und dessen Handschrift ist deutlich herauszulesen bzw. herauszuhören: Etliche Lieder stammen aus seiner Feder oder entstanden im Verbund mit seinen „Schützlingen“. Im Zentrum des Geschehens steht mit ihrer glockenhellen Stille eindeutig Sylvie Bergère. Sie interpretiert diese zarten, oft zerbrechlich wirkenden Chansons und Balladen mit kindlichem Charme. An sich hat man den Eindruck, dass diese Lieder sehr sparsam arrangiert sind, dabei wurden für die Produktion etliche namhafte Gastmusiker aufgeboten: darunter Drehleierass Gilles Chabenat und die aus der Auvergne stammenden Dudelsackvirtuosen Willy Soulette und Manu Paris. Dem Trio gelingt es, die mal sperrigen, mal sehr eingängigen Melodien kongenial mit den bisweilen versponnenen, poetischen Texten zu verbinden. Neben einem traditionellen Lied („L’Amant De Nantes“) fällt noch eine Vertonung eines Textes des legendären Zeichners Roland Topor („Le Prix Des Roses“) auf. Eine sehr schöne, anheimelnde Platte - dabei ohne Zuckerguss - mit hohem Entspannungsfaktor!

Roland Schmitt

 

LA BERGÈRE - Fi De L’Eau


KRIS DREVER
Black Water

(Compass Records 7 4456 2/Sunny Moon)
12 Tracks, 48:59

Wenn man die Besetzung seiner ersten Solo-CD betrachtet, wird klar: Der Mann ist musikalisch begehrt, der Mann kann nicht irgendwer sein. Ist er auch nicht, er ist der Sohn des Ex-Wolfstone-Songwriters Ivan Drever, und etwas Besonderes muss in den Genen sein, dass sich heutzutage Szenestars wie Andy Cutting, Donald Shaw, Kate Rusby oder John McCusker fröhlich auf seiner CD zusammenfinden. Apropos McCusker, noch so’n schottischer Musiker, der bei Kollegen allerhöchste Achtung genießt. Der Fiddler mit dem „goldenen Regler“ hat produziert und das alleine verspricht Qualität.

Drever hat auf dieser CD gerade mal ein Instrumental koverfasst, der ganze Rest ist geklaut, meist von Mr. Trad. Aber auch dem für mich bislang unbekannten Songwriter Sandy Wright aus Edinburgh verhilft er mit zwei Stücken zu mehr und verdienter Aufmerksamkeit. Drever spielt lediglich akustische Gitarre und singt, Letzeres leicht nasal und nicht gerade spektakulär. Da frage ich mich schon, was denn an dieser CD so besonders ist. Langes Nachdenken: Ich ordne den Status einer CD „mit dem Bauch“ ein, nun muss der Kopf nachziehen. Es ist wohl die detailverliebte Art der Arrangements, mit der Kris Drever eine eigene, warme und harmonische Atmosphäre schafft, die nie in Richtung Schmalz gehen, sich aber meist auf direktem Wege ins Gehör schleichen und im Kopf bleiben, noch lange nachdem die CD zu Ende ist. Da werden Drums, Bass, Gitarre, Harmonium, Akkordeon, Fiddle und Whistle zu einer nuancierten Einheit, und die Gesangssätze gleichen Sonnenuntergängen. Grandios.

Mike Kamp

 

KRIS DREVER - Black Water


GORAN BREGOVIC
Karmen With A Happy End

(Mercury 984 8489, www.uk-promotion.de)
Promo CD, 15 Tracks, 59:06

Carmen mit K und das mit Happyend? Wenn es einem zuzutrauen ist, Bizets tragische Oper zu balkanisieren - ohne sie zu banalisieren - dann Goran Bregovic. Der 59-jährige Bosnier, der aus der Rockmusik kommt und mit seiner Band Bijelo Dugme („Weißer Knopf“) im ehemaligen Jugoslawien große Erfolge feierte, war schon immer ein Experimentierer. Er arbeitete etwa mit Iggy Pop zusammen oder der türkischen Popikone Sezen Aksu. In seinem neuen Experiment entführt er Karmen nach Jugoslawien - und seine Wedding-and-Funeral-Blaskapelle, die er statt des symphonischen Orchesters einsetzt, bringt dieselbe zum Tanzen. Bregovic verwendet für seine Gypsy-Oper sowohl Motive von Bizet als auch originäre Balkanmelodien. Doch Bregovics Oper ist näher an der Filmmusik, die er für Emir Kusturica (Time of the Gypsies, Schwarzer Kater, weiße Katze) komponiert hat, als am Original. Bereits seit 2004 tourt Bregovic mit - wie er es ausdrückt - seiner „Mischung aus Jahrmarkttheater und Oper“ durch die Welt. Jetzt sind die Highlights des Werks auf CD gepresst. Das tröstet darüber hinweg, dass es in Deutschland in den kommenden Monaten keine Liveaufführungen gibt.

Natalie Wiesmann

 

GORAN BREGOVIC - Karmen With A Happy End


LYSTENS TONE
Vild

(Gateway Music GWCD 1047, www.lystenstone.dk)
13 Tracks, 62:02, mit dän. Texten

Hinter dem verheißungsvollen Namen „Klänge der Lust“ verbirgt sich das Duo Vibe und Niels Ulbrandt. Vibe schreibt fast alle Titel des Duos selbst, Niels ist für die elektronische Gestaltung der Musik zuständig. Sie bezeichnen ihre Musik als Electricfolk und berufen sich auf nordische, keltische und indische Einflüsse. Von keltisch ist allerdings, bis auf ein kurzes Planxty-Zitat (aus: „The Well Below The Valley“) nichts zu hören, umso mehr klingt Vibe, die singt und sich auf allerlei Trommeln begleitet, wie Dänemarks Antwort auf Mari Boine. Das Photo im Beiheft zeigt übrigens, dass sie sich auch gern so kleidet. Allerdings bleibt sie bei der dänischen Gelassenheit, Boines samischer Zorn geht ihr völlig ab, die Stücke, die alle leicht New-Age-trächtige Titel haben („Feuergesang“, „Donnergesang“, „Wogendes Schilf“, „Der siebte zarte Frühling“) klingen zumeist beruhigend, romantisch, laden dazu ein, den eigenen Gedanken freien Flug zu gestatten ... bis man hochfährt, weil sich hinter der scheinbar so säuseligen Romantik ein düsterer, eiskalter Unterton versteckt, der auf heraufziehende Bedrohungen hinzuweisen scheint. „Klang von einer anderen Welt“, schreibt ein Rezensent, „könnte Filmmusik sein“. Und wirklich, z. B. der Film, in dem ein Japaner durch Island reist, um für seine toten Eltern ein Opfer zu bringen, hätte diese Musik haben können (und die, die er wirklich hat, ist auch gar nicht unähnlich).

Gabriele Haefs

 

LYSTENS TONE - Vild


POLKA POTENTE
dto.

(Extraplatte EX 744 007-2, www.polkapotente.at)
16 Tracks, 59:10, mit Texten und Infos

„Polka potente“ - der Name ist irreführend, vermutet man doch Tempogebolze im Zweivertel-Uff-ta-taaaa, Uff-ta-taaaa. Doch diese Vermutung wird spätestens nach dem „2 Focha“ betitelten Intro aus der Feder Michael Krusches widerlegt. „30 * der Fühling“ ist ein Paradebeispiel für eines der wunderbaren Dialektlieder, die so anrührend unsentimental zu schreiben und singen nur Andreas Safer (Geige, Mandoline, Maultrommel, Gesang) in der Lage ist, Mastermind der österreichischen Band Aniada A Noar. Zusammen mit seinen Bandkollegen Wolfgang Moitz (Flöten, Dudelsack, Maultrommel und Gesang) und Bertl Pfundner (Mandoline, Ziehharmonika, Mundharmonika, Gesang) gründete er den Ableger Polka Potente, um „die Kraft alpiner Volksmusik zu potenzieren“. Dazu holten sie Ex-Broadlahn Reinhard Ziegenhofer (Kontrabass, bundloser E-Bass, Gesang) und den Drummer Gabriel Froihofer, die Spielfreunde und Exaktheit ihrer Jazzwurzeln in die überbordend fröhliche, mitreißende Mixtur aus gefühlvollen Liedern und mitreißenden Volxrock-Instrumentalstücken einbringen. So muss sie sein, die neue „Volkxmusik“: in unkonventionellen Arrangements mit Kraft und Gefühl, verwurzelt und leichtfüßig, gratwandernd und spielfreudig - jeder einzelne Track ein Genuss!

Ulrich Joosten

 

POLKA POTENTE - dto.


SINIKKA LANGELAND
Starflowers

(ECM 1996 - 1714563, www.ecmrecords.com)
13 Tracks, 71:58, mit norweg. Texten & engl. Übersetzungen

Wenn es nicht dauernd Wale fangen wollte, man könnte es uneingeschränkt lobpreisen, dieses charmante Volk im Norden Europas! Wegen seiner großartigen Schriftsteller(innen), seiner netten Gekrönten (besonders jenen, welche auf den Thron verzichtet haben ...), der wundervollen Landschaft und - natürlich - wegen seiner brillanten Musikkultur. Die 1961 als Tochter eines norwegisch-finnischen Paares geborene Langeland spielt die Kantele, die finnische Schwester unseres einheimischen Hackbretts. Dazu singt sie ein breitgefächertes Repertoire, aus dem sie für die vorliegende CD die spätromantischen Naturpoeme des Dichters und Holzfällers Hans Børli (1918-89) ausgewählt und vertont hat. Das sie begleitende Quartett (Arve Hendriksen, tp; Trygve Seim, ts, ss; Anders Jormin, b; Markku Ounaskari, perc) umspielt Langelands oft spröde Kompositionen mit quirligen, gelegentlich aber auch zeitlupenartig wirkenden improvisierten Klangflächen. So entsteht ein musikalischer Raum, in dem sich die klassikgeschulte Sängerin ebenso selbstverständlich bewegen kann wie die frei improvisierenden Jazzmusiker.

Schlussgedanke: Wenn hierzulande eine Musikerin virtuos Hackbrett spielt, landet sie in irgendeinem Mutantenstadl. In Norwegen landet sie im Studio von Jan-Erik Kongshaug und nimmt eine CD für ECM auf. So viel zu den (musikalischen) Unterschieden zwischen Nachbarn im alten Europa.

Walter Bast

 

SINIKKA LANGELAND - Starflowers


REAL TIME
Home Thoughts

(Big Sky Studios BS 124, www.bigskystudios.com)
13 Tracks, 53:20

Real Time sind aufgrund diverser Tourneen auch in Deutschland bereits recht populär, nicht zu Unrecht, wie die neue, dritte CD beweist. Judy Dinning, ex Jez Lowe and The Bad Pennies, entwickelt sich mit ihrer eindrucksvollen Stimme immer mehr zu der Frau im Zentrum der Band. Sorry gents, aber da müssen Kenny Spiers und Tom Roseburgh, beide ex John Wright Band, etwas zurückstehen, obwohl ersterer wahrlich nicht schlecht singt und zweiterer als Keyboarder der technische Kopf der Gruppe zu sein scheint. Vervollständigt wird Real Time von dem äußerst talentierten Fiddler Iain Anderson, der den Altersschnitt enorm drückt und naturgemäß besonders bei den Instrumentals glänzt. Die Gruppe kommt aus der Borderregion Schottlands und der sympathische Lokalpatriotismus wird durch die Liedauswahl und eigene Songs deutlich (auch wenn ein stolzes Werk wie „A Saltire In The Sky“" etwas zu sehr Richtung Country daherkommt). Real Time klingen in der Regel überzeugend und vor allem so, als könnten sie live eine Menge Spaß bereiten (was sie tun, ich kann es bestätigen). Also: Welcome back to Germany, Real Time!

Mike Kamp

 

REAL TIME - Home Thoughts


ZULYA
3 Nights

(Indigo, www.westparkmusic.de)
14 Tracks, 53:24, Texte russ/engl.

Aus Australien erreicht uns die CD der tatarischen Sängerin Zulya Kamalowa (auf dem Cover der Folker!-Ausgabe 2/2005) und ihrer Band Children of the Underground, für welche diesen Herbst auch eine Tour angesagt ist. Zulya, bei den meisten Songs auch die Textautorin, hat die ausdrucksstarke, vielseitige Stimme einer Chansonsängerin und lässt dabei ihre östlichen Wurzeln deutlich durchklingen. Dabei ist dieses fünfte Zulya-Album thematisch das weltoffenste: Die Kompositionen (bis auf zwei tatarische Traditionals alles Melodien aus Federn der Band) schweifen durch die Welt der Tangos, der Polka und des Walzers, des Chansons, lassen Leichtigkeit und Melancholie erklingen, erinnern zwischendrin an Kabarett. Akkordeon, gefühlvolles Schlagzeug, Bass und Gitarre werden durch diverse Instrumente bereichert, da sind Spezialitäten wie Hammondorgel und Maultrommel dabei. Es scheint, als hätten diese Musiker, nachdem ihr letztes Album The Waltz Of Emptiness eine sehr russisches war, gerade durch die jetzt erreichte musikalische Vielseitigkeit eine eigene Handschrift gefunden.

Jürgen Brehme

 

ZULYA - 3 Nights


JACQUES STOTZEM
Simple Pleasure

(Acoustic Music Records/Rough Trade 319.1381.2, www.acoustic-music.de)
8 Tracks, 43:14

Das wievielte Album des auffällig unauffälligen Belgiers ist das mittlerweile eigentlich? Kaum ein anderer Akustikgitarrist, der seit Jahren so unprätentiös präsent ist. Ein fleißig tourender Musiker, der von Hörern wie Kollegen in gleichem Maße geschätzt wird. Sein schöner, großer Ton, die fein entwickelten melodischen Linien, der klare, überlegte kompositorische Aufbau, die souveräne und immer stückdienliche Technik. Nur einige Gründe, die das Kennerherz beim Hören einer neuen Jaques-Stotzem-CD höher schlagen lassen. Und wenn wir das mal alles beiseite lassen, so bleibt einfach zeitlos schöne Gitarrenmusik übrig. Die „kleinen Vergnügen“ des ältesten Stützpfeilers des Acoustic Music Labels sind lyrische Impressionen von Reisen ins Land des Lächelns, beschwingte Tänze und beseelte Songs wie z. B. das abschließende „Together“, das so richtig schön das Herz wärmt. Eine Gitarre und sechs Saiten, eigentlich immer wieder erstaunlich wie wenig nötig ist, um ein rundum stimmiges musikalisches Werk zu erschaffen.

Rolf Beydemüller

 

JACQUES STOTZEM - Simple Pleasure


METSATÖLL
Curse Upon Iron

(Westpark Music 87144, Westpark Music, www.westparkmusic.de)
15 Tracks, 73:09, mit DVD (97:21), Texten und Infos

Die estnische Metalkapelle Metsatöll wird in Folker!-Kreisen wohl kaum jemand kennen. Der nationale estnische Männerchor Eesti Rahvusmeeskoor wird aber so manchem schon begegnet sein, nicht zuletzt wurden sie bereits mit einem Grammy ausgezeichnet. Genau dieser lautstarke Männerchor untermalt die Heavy-Metal-Interpretation von Estlands bekanntem Volksgut Curse Upon Iron. Für die musikalische Klammer sorgt Estlands wichtigster moderner Komponist, Veljo Tormis, der auch schon auf ECM veröffentlichen durfte. Damit nicht bunt genug, Metsatöll begnügen sich nicht damit, eine einfache Metalband zu sein, sie versuchen durch den Einsatz von Dudelsack und der Kannel, des estnischen Derivats der Kantele, einen eigenen Stil zu prägen namens „Ethno-Metal“. Das Projekt wurde live auf einem estnischen Festival aufgenommen, und der CD liegt quasi als „Zugabe“ noch der Auftritt als DVD mit Bonustracks und Making of bei. Trotz der vielfältigen Elemente dominieren bei Metsatöll die Metalklänge. Wer also bei „Metallica plays Nibelungen“ zugreifen würde, kann es hier ebenso bedenkenlos tun. Puristen sollten diese Scheibe meiden, aber die werden unter den Freunden nordischer Folklore sowieso Seltenheitswert haben.

Chris Elstrodt

 

METSATÖLL - Curse Upon Iron


JONAS SIMONSON
Crane Dance

(Nordic Tradition NTCD08, www.simonson.nu)
17 Tracks, 61:29, mit minimalen engl./schwed. Infos

Das Cover zeigt zwei nach oben starrende Kraniche, und die meisten Stücke der reinen Instrumental-CD handeln denn auch von diesen Vögeln und zeigen sie in allerlei Stimmungen. Alten Überlieferungen nach verfügen Kraniche über magische Fähigkeiten, sie schützen gegen den bösen Blick oder bringen Mörder dazu, ihre Tat zu gestehen (die bekanntesten Kraniche sind sicher die des Ibikus, die just das taten). Auf seiner Homepage geht Simonson auch darauf ein, ohne jedoch zu erzählen, was die Kraniche aus seinen Stücken so treiben. Zusammen mit einer erlesenen Auswahl an Mitmusikern - wie Mats Edén oder Mattias Pérez - bringt das Exmitglied von Groupa, Den Fule und Kapell Frisell Stücke, die auf schwedischer traditioneller Musik beruhen, die aber eine Vielzahl an Einflüssen aufweisen. Im Beiheft ist ein Haiku abgedruckt, das dazugehörige Foto sieht aus wie eine Illustration des „Haridji-Hallings“, „Crane Song III“ klingt wie ein fröhliches Menuett von Mozart, „Ensam Trane“ lässt deutlich hören, wie einsam und verlassen der arme Vogel sich fühlt. Simonson spielt auf dieser CD eine Vielzahl von Flöten, dazu Bassklarinette und Schlagzeug. Die meisten Stücke hat er selbst komponiert, einige stammen aus dem Repertoire alter Spielleute aus verschiedenen schwedischen Landschaften, die meisten aus Västergötland.

Gabriele Haefs

 

JONAS SIMONSON - Crane Dance


ALBIE DONNELLY + JOHN KIRKBRIDE
Return Cargo

(St. Michaelsbund, www.st.michaelsbund.de)
16 Tracks, 62:36 mit Infos

Wenn der britische Saxophonist und Sänger Albie Donnelly mit dem schottischen Folk-Blues-Gitarristen John Kirkbride zusammentrifft, bedeutet das nichts anderes als gute Stimmung und gute Musik. Die zwei Könner verstehen sich auf alle Tricks und Licks, auf tolle Akkorde und interessante Texte. So macht das Zuhören einfach Spaß. Donnelly ist als „Mr. Supercharge“ aus der Szene nicht mehr wegzudenken und kann auf eine lange Musikerkarriere zurückblicken. Seine Livepräsenz ist nach wie vor beeindruckend. Kirkbride gehört eher zu den stilleren Künstlern. Seine letzte CD enthielt ruhigere Stücke und war eine Vertonung des Buches Blues Balladen von Hans-Christian Kirsch, das ebenfalls im Verlag St. Michaelsbund erschienen ist. Jetzt spielen sich die beiden durch traditionellem Stoff von „Nobody Knows You“ und „I Need You Tonight“ bis zu Eigenkompositionen wie Donellys „Cakes In The Oven“ und Kirkbrides „Bad News Blues“, dazu gibt es Coverversionen von Taj Mahal und Oskar Brown. In diesem Genre ist das zwar nichts Neues, aber jedenfalls ist es ehrlich und herzerfrischend produziert. Unterstützt werden die beiden von Christoph Reiter, Gitarre, Sascha Kühn, Klavier und Orgel, Wolfgang Dieckmann, Bass, Dave Irving, Schlagzeug, Jürgen Wieching, Saxophon, und Roy Herrington an der Gitarre, der auch ein Instrumentalstück mit dem Titel „Switch“ beisteuert. Party ist angesagt.

Annie Sauerwein

 

ALBIE DONNELLY + JOHN KIRKBRIDE - Return Cargo


MAU MAU
Dea

(dunya Felmay fy 8126; www.maumau.it)
11 Tracks, 45:34, mit Infos

Wer spricht denn immer von Barcelona und der dortigen Mestizoszene? Mau Mau aus Turin halten nunmehr auch schon 17 Jahre Ausschau nach tanzbaren Beats und Wortfetzen aus Nord und Süd. Schwerpunkt des aktuellen Albums der Band um Luca Morino (Gitarre, Gesang), Fabio Barovero (Gesang, Keyboards, Akkordeon) und den Kameruner Perkussionisten Bienvenu Nsonga bilden brasilianische Rhythmen. Tropicalia, Ska, ein Hauch Tarantella - Mau Mau kennen keine musikalischen Grenzen. Mit einer Vielzahl von Gästen aus aller Welt mischen sie akustische Instrumente und Elektronik zu einem siedenden Eintopf, der Spaß macht. Grenzen setzen möchten Mau Mau im Lied „Cannibal“ hingegen Silvio Berlusconi (die Aufnahme entstand noch in der Zeit seines Wirkens als Ministerpräsident). Mit Ironie und Sarkasmus singen sie gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt an. Die in dieser für den außeritalienischen Markt bestimmten Ausgabe des Albums kurz ins Englisch übertragene Essenz der Lieder wird dem Wortwitz der Band leider nicht gerecht. Mit dem fehlenden Abdruck der Texte wurde hier am falschen Ort gespart. Trotzdem, Mestizen dieser Welt, vergesst für eine Weile Manu Chao, hört mal Mau Mau. Ihr werdet nicht enttäuscht sein.

Martin Steiner

 

MAU MAU - Dea


LA SEGA DEL CANTO
Light Metal Music

(Humppa 036, Humppa Records, www.humppa-records.de)
13 Tracks, 39:14

In jedem Jahr muss zumindest ein verrückter finnischer Künstler beim Tanz- und Folkfest Rudolstadt auftreten. Auch J. J. Calo, der Finne mit dem schönsten Künstlernamen, und Mr. Pulp, besser bekannt als das Duo La Sega del Canto, hatten bereits die Ehre. Im Gegensatz zu manchen Landesgenossen spielt die Versponnenheit von La Sega del Canto aber in leisen Tönen. Das bietet sich bei dem Hauptinstrument des Duos, der singenden Säge, natürlich an. Der finnische Humor fräst sich ohne polkageschwängerten Brachialhumor als stilles Schmunzeln endgültig in die Gehörgänge. Passenderweise spricht die Band nicht von „Gesang“, sondern von „Genörgel“, und von „too hard instruments“, die die Musiker begleiten. Die Seriosität der Musiker ist unbestreitbar. Oder würde jemand ernsthaft die Schreibweise von „Havannah Gilah“ anzweifeln oder „I Wanna Be Loved By You“ für etwas anderes als das Liebeslied eines Rentierzüchters halten? Auch bei dezenter Albernheit handelt es sich bei Light Metal Music um ein virtuos eingespieltes, hörenswertes Album. Der Untertitel „Great collection of finnish depressions“ beschreibt den Inhalt des mit knapp 40 Minuten Spielzeit viel zu kurzen Tonträgers vermutlich besser, als es ein Rezensent vermag. Wenn es einen Grammy für Verschrobenheit gibt, haben La Sega del Canto ihn verdient.

Chris Elstrodt

 

LA SEGA DEL CANTO - Light Metal Music


MISHMASH
Yasaman

(finisterre FTCD 40; www.finisterre.it)
13 Tracks, 56:08

Im Zeichen der Jasminblüte steht das dritte Album Yasaman (Persisch für „Jasmin“) des Quintetts Mishmash. Ausgangspunkt der Reise ist Persien. Mit Halt bei den sefardischen Juden in der Türkei geht die Reise auf den Spuren Alexanders des Großen Richtung Westen nach Griechenland. In jüngster Zeit sind viele ähnliche Musikprojekte auf CD erschienen. Speziell an Yasaman sind die Gesangsbeiträge der verschiedenen Gäste und der in Italien ansässigen Musiker von Mishmash. Die aus der jeweiligen Gesangstradition stammenden Stimmen lassen die Reise authentisch wirken. Besonders schön gelingt das Edith Bruck beim jiddischen Traditional „Papirossn“. Nahtlos schmelzen die 13, meist selbst komponierten Titel ineinander. Marco Valabrega (Violine, Viola, Kamanche, Gesang), Domenico Ascione (Gitarren, Oud, Saz, Gesang), Mohssen Kasirossafar (Daff, Zarb, Dairè, Gesang) und Bruno Zoia (Baß) stehen für eine jazzige, inspirierte Begleitung mit viel Freiraum. Ein gut dokumentiertes Beiheft rundet das gelungene Album ab, das auch nach mehrmaligem Anhören immer neue Feinheiten offenbart.

Martin Steiner

 

MISHMASH - Yasaman


TREF
Loop To The Moon

(wild boar music wbm 21065, www.tref.fr)
14 Tracks, 43:07

Aus einem gefühlten Trio ist nun ein tatsächliches geworden. Tref war ursprünglich ein Projekt von drei Akkordeonisten, hinter denen der Perkussionist etwas zurück stand. Doch nach dem Weggang von Bruno le Tron sind die beiden Handharmonikaspieler Wim Claeys und Didier Laloy mit dem Schlagwerker Frederic Malempré zum echten Trio geschrumpft. Damit ist Tref jetzt auch ein rein belgisches Produkt, denn der gegangene Le Tron war der einzige Franzose. Claeys spielt sonst bei Ambrozijn, Laloy bei Panta Rhei, beide gehören zu den Größen der belgischen Folkmusik, während Malempré eher im Jazz zu Hause ist. Ihr zweites Album Loop To The Moon enthält ebenso wunderbare wie moderne Akkordeonmusik. Die Stücke sind verspielt-melodiös, aber keine süßliche Musette. Oft dekonstruieren sie gängige Songstrukturen, ohne dass die Resultate zerstört wirken. Im Gegenteil, alles ist gut anhörbar und anregend. Die Stücke haben auch lustige Titel wie „Äckem (from Äckem-Wäckem)“ oder „Wäckem (from Äckem-Wäckem)“. Für die Coveraufnahmen nahmen Bewohner eines Altenheims in Gent Akkordeons in die Hand. Die Zielgruppe ist aber wohl deutlich jünger.

Christian Rath

 

TREF - Loop To The Moon


TUNJI BEIER/MATTHIAS LOIBNER
Zykado

(nube 1006, www.zykado.com)
10 Tracks, 59:56

Zwei Meister der Improvisation auf archaischen Instrumenten, zwei kulturelle Hintergründe, die gegensätzlicher nicht sein könnten, und ein Livekonzert, bei dem es keine Regeln im musikalischen Zusammenspiel gibt. Tunji Beiers Instrumente sind südindische, afrikanische und persische Perkussionsinstrumente. Matthias Loibner studierte Klassik, Klavier, Gitarre und Posaune, klassische Komposition, Jazzkomposition, Orchester- und Chorleitung in Graz, ehe er die Drehleier und die österreichische und osteuropäische Volksmusikkultur für sich entdeckte. Seit 2003 erreicht das Duo im ungenierten Experimentieren mit musikalischen und emotionellen Parametern eine Gleichzeitigkeit von Klängen, Stilen und Gefühlen auf mehreren Ebenen. Live produziert mit Hilfe eines adaptierten Drumkits, hinzu kommen Live-Looping, sowohl für die Perkussion als auch für die Drehleier, sowie gesampelte elektronische Effekte, mit denen die Möglichkeiten der Drehleier und der Perkussionsinstrumente erweitert werden. In den archaisch-modernen Sounds von Drehleier, Trommeln, Steinen und Glocken ergänzen sich Zerbrechlichkeit und Härte, Akustik und Elektronik auf organische Art. Eine musikalische Reise, auf die man sich in Ruhe einlassen muss, ehe sich der Klangkosmos erschließt. Aber dann ...!

Ulrich Joosten

 

TUNJI BEIER/MATTHIAS LOIBNER - Zykado


ESQUISSE
Dual

(coop breizh, www.esquisselegroupe.fr)
16 Tracks, 69:34

Das ist typisch für die Bretagne. Da gründen drei junge Burschen schon als Schüler eine Fest-Noz-Band und bringen mit 17 ihre erste sehr ordentliche CD heraus. Dann hört man eine Weile lang nichts von ihnen, wahrscheinlich machen sie die Schule fertig. Doch dann kehren sie mit einem gereiften, fast perfekten zweiten Werk zurück und sind doch erst Anfang 20. Die Rede ist hier von der Band Esquisse, deren zweite CD Dual jetzt, sieben Jahre nach dem Erstling, herauskam. Das couple sonneurs besteht hier aus Vincent Marin (Bombarde) und Thomas Badeau (Klarinette). Sein Bruder Francois Badeau spielt das diatonische Akkordeon, und seit kurzem ist mit Pierre Le Normand auch ein Perkussionist dabei. Was am meisten beeindruckt, ist der dichte, fast orchestrale Sound, den die vier mit ihrer ja nicht übermäßig üppigen, rein akustischen Besetzung auf dieser CD erzeugen. Aber auch die Kompositionen sind gut und die Arrangements originell. Ein Avant-Deux klingt da wie burlesker Klezmerjazz. Und der Kas a barh mit seiner melancholischen Melodie wird von einem stetig fallenden Tropfen-Pling begleitet, der raffiniert an Manu Chaos „Bongo Bong“ erinnert. Esquisse heißt eigentlich „Skizze“. Streng genommen müssten sich die vier nach diesem Œuvre einen anderen Namen zulegen.

Christian Rath

 

ESQUISSE - Dual


RAFAEL CORTÉS
Alcaicería

(CM Records/Galileo, www.galileo-mc.de)
8 Tracks, 40:40, mit span. Infos

Wer das Vergnügen hatte, den Flamencogitarristen Rafael Cortés mit Ensemble beim letztjährigen komplett ausverkauften Sonderkonzert der Leverkusener Jazztage zu erleben, wo er gewissermaßen als Vorgruppe seines großen Idols Paco de Lucia fungierte, erinnert sich sicherlich gerne an das Kraftpaket aus dem Ruhrpott. Denn tatsächlich, da kommt er her - auch wenn die Familie ihre Gitanowurzeln natürlich in Spanien hat. Sein Debütalbum, wie er es gerne nennt (auch wenn das nicht ganz stimmt), hat alles, was ein zeitgemäßes und inspiriertes Flamencowerk haben sollte. Das heißt vor allen Dingen: eine klare persönliche Handschrift, denn es ist nicht leicht, den Rahmen der Tradition wahrend eine unverwechselbare Stimme zu entwickeln. Technisch wie musikalisch auf allerhöchstem Niveau zieht Cortés alle Register flamencogitarristischer Kunst. Begleitet wird er unter anderem von Pacos Bruder José de Lucia am Bass sowie Sohnemann Fali Cortés an der zweiten Gitarre. Gleichermaßen entspannt wie ambitioniert gibt Rafael Cortés musikalisch aufs Schönste der Hoffnung Ausdruck, dass der Flamenco eine aufregende und vitalisierende neue Stimme gefunden hat.

Rolf Beydemüller

 

RAFAEL CORTÉS - Alcaicería


MÁRIO PACHECO
Clube De Fado

(World Connection WC 43062; www.worldconnection.nl)
CD: 17 Tracks, 69:50; DVD: 23 Tracks

Die guitarra portuguesa ist für die Melodielinien und Akzente in der Begleitung von Fadistas verantwortlich. Doch diese portugiesische Form der Mandoline fristete bisher meist im Schatten der Sängerinnen und Sänger ihr Dasein. Auf der vorliegenden Liveaufnahme steht das Instrument nun im Mittelpunkt. Neun der siebzehn meist selbst komponierten Stücke sind Instrumentalstücke. Mário Pacheco war einst Begleitmusiker von Amália Rodrigues. Er ist kein Blender, der seine Virtuosität vorführen will. Sein Augenmerk gilt der Stimmung der Stücke und der Melodie. Bei den acht Fados singen die Top-Fadistas Mariza, Ana Sofia Varela, Camané und Rodrigo Costa Félix und sorgen für Abwechslung. Beispielhaft ist die der CD beiliegende DVD mit sechs zusätzlichen Stücken. Das auf der Treppe von Schloss Queluz eingespielte Konzert ist sowohl musikalisch wie auch von der Bild- und Tonqualität her ein Leckerbissen. Im Anhang erzählt Mário Pacheco über seinen Werdegang, spricht mit dem Instrumentenbauer seiner guitarra portuguesa und befriedigt damit auch die Informationsbedürnisse. Das Album ist nach Mário Pachecos Lissabonner Fadoclub „Clube de Fado“ benannt, wo er regelmäßig auftritt. Die Speisekarte des Klubs lässt darauf schließen, dass die Musik und das Essen auf gleich hohem Niveau sind.

Martin Steiner

 

MÁRIO PACHECO - Clube De Fado


BURGESS, ÅDIN & WINGÅRD
Doggerland

(Sjelvar SJECD 22, www.sjelvar.se)
12 Tracks, 47:44, mit engl./schwed. Infos

Doggerland ist die Bezeichnung einer Landmasse, die gegen Ende der bisher letzten Eiszeit (vor ca. 10.000) Jahren ungefähr von der Elbmündung bis zur Küste von Norfolk reichte (als die Themse ein Nebenfluss des Rheins war), von Archäologen vielfach beschrieben und kartiert, ein reiches Forschungsfeld, aber, wie die Fachleute immer wieder staunend mitteilen, der Untergang dieses riesigen besiedelten Gebietes hat keinerlei Mythen hinterlassen, anders als z. B. Atlantis oder Rungholdt. Diesem Umstand will die CD möglicherweise abhelfen, wobei sie eigentlich unter falscher Flagge segelt, denn mit einer Ausnahme (einem Stück aus dem Poitou) kommt kein einziger Titel aus einem der historischen Gebiete, die an das verlorene Doggerland angrenzen. Die Musik der CD kommt aus Schweden, Schottland, Nordengland, bezieht sich oft auf die See („Rambling Sailor“ oder „Farewell To Tarwathie“), von den Arrangements her klingt alles schottisch oder northumbrisch (zwar spielt niemand Small Pipes, aber die Verzierungen bei Konzertinastücken könnten oft direkt von Billy Pigg entlehnt sein), gesanglich klingen die Sänger Richard Burgess und Patrik Wingård, als hätten sie in ihrer Jugend viel Alex Campbell gehört, und das alles verrät doch, dass es eine schöne CD ist, gut zu hören, sinnvoll als Inspiration, um mehr über Doggerland zu lesen.

Gabriele Haefs

 

BURGESS, ÅDIN & WINGÅRD - Doggerland


DIVERSE
Folk Festival - A Celebration Of Music Recorded At The Sidmouth International Festival

(Gott Discs GOTTBOX 011, www.gottdiscs.com)
Box mit 2 CDs, 35 Tracks, 147:42, mit engl. Infos

Sidmouth ist eine britische Festivalinstitution. Das an der Südküste Englands gelegene Städtchen und zehntausende Besucher feierten 2004 das von der English Folk Dance and Song Society initiierte Festival zum 50. Mal. Dann war erst mal tiefe Krise angesagt. Man sprach sogar vom Ende, um aber dann im Folgejahr unter der Führung lokaler Kräfte als Sidmouth Folk Week stolz und selbstbewusst Wiederauferstehung zu feiern. Die vorliegende Box zelebriert auf zwei CDs und mit einem 28-seitigen Beiheft ausführlich (was die Künstlerbeschreibung betrifft, über Sidmouth hättet es gerne mehr sein können) die Geschichte des Festivals mit Aufnahmen von 1972-2002. Alle, wirklich alle Größen der britischen Folkszene haben im Laufe der Jahre im eigentlich recht beschaulichen Sidmouth ihre musikalische Visitenkarte abgegeben. Natürlich muss man ab und an ein paar bei Livemitschnitten übliche akustische Abstriche machen, aber generell ergibt das fast zweieinhalb Stunden mit den Könnern von der Insel. Mir persönlich hat eine frische und angeblich spontane A-capella-Interpretation des Klassikers „Streets Of London“ von Autor McTell mit Show of Hands und While & Matthews besonders gefallen, die den warmen, intimen und dennoch offenen Charakter des Festivals am Anfang August jeden Jahres einfängt.

Mike Kamp

 

DIVERSE - Folk Festival

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