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OUGENWEIDE
Ungezwungen

12 Tracks, 72:43, mit dt.Infos

Fryheit/Ousflug

25 Tracks, 82:04, mit dt. Texten und Infos

Ja-Markt/Noch aber ist April

16 Tracks, 74:24, mit dt. Texten und Infos
(Alle Bear Family Records, www.bear-family.de)

Ja, ich bin bekennender Ougenweide-Fan. Vor 30 Jahren gehörten sie, neben Steeleye Span und Fairport Convention, zu den Gruppen, die mich für Mittelalterrock aufschlossen und zum deutschen Folkrevival hinbrachten. Umso erfreulicher ist es, dass sich Bear Family dankenswerterweise des Backkatalogs angenommen hat. Nach den Frühwerken nun auf drei CDs fünf Alben, die den Bandhöhepunkt Ende der 70er Jahre und den Stilwechsel 1980 belegen. Das Livealbum Ungezwungen von 1977, ehemals eine Doppel-LP, zeigt Spielfreude, Experimentierlust und Livequalitäten aufs Vortrefflichste. Freyheit von 1978 entstand in Zusammenarbeit mit dem ZDF als Musik für die Fernsehserie Dokumente Deutschen Daseins. Die Zeitspanne reicht vom Bauernkrieg bis zur 1848er-Revolution. 1979 mit Ousflug dann noch eine typische Ougenweide-Platte der 70er, bis sie mit Ja-Markt 1980 in ungewohnte Gefilde ausbrechen. Kaum Minne- und Mittelaltertexte, sondern Zeit- und Gesellschaftskritik mit Bezügen zu Konsumzwängen und Umweltbewegung. Hier scheiden sich dann die Wege der Fans. Und Noch aber ist April (1981) zeigt moderne Sounds, aber auch viel Nachdenklichkeit, Melancholie und eine gewisse Ratlosigkeit.

Fazit: Diese CDs dokumentieren ein Stück deutscher Musikgeschichte, dass man schon aufgrund seiner Originalität, Musikalität und Zeitnähe kennen sollte.

Piet Pollack

 

OUGENWEIDE - Ungezwungen

OUGENWEIDE - Fryheit/Ousflug

OUGENWEIDE - Ja-Markt/Noch aber ist April


SWEDENQUELL
Swedenquell

(Eigenvertrieb, www.swedenquell.de)
15 Tänze, 59:06, Kurzinfo

Manche Folkgruppen brauchen über 20 Jahre bis sie die Idee einer eigenen CD realisieren. Umso sehnlicher erwartet ist sie dann, diese Scheibe, die bekannte Titel der Leipziger Band enthält. Die meisten davon sind auf dem Tanzboden schon lange kleine Hits geworden. Die sechs Musiker, eine gute Mischung aus Hobby- und professionellen Musikern, haben alles analog ihrem Bühnenauftritt aufgenommen, tanzbar und im akustischen Klang. Swedenquell bewegt sich tänzerisch durch ganz Europa von Frankreich bis Russland, vier Stücke entstammen der namengebenden schwedischen Musikwelt. Trotz kreativ-flotter Percussion, bei Swedenquell stehen die Melodien im Vordergrund; Geige, Querflöte, Klarinette bestimmen das Klangbild und lassen die Musik eher sanft in die Beine fließen. Für die Sachsen wird das eine CD voll vertrauter Klänge sein; auf alle anderen wartet hier eine kleine Entdeckung.

Jürgen Brehme

 

 


CRAZY HAMBONES
Blowin’ The Family Jewels

(Stormy Monday Records MO 81221, www.stormy-monday-records.de)
15 Tracks (inkl. 1 Bonustrack), 51:05, kaum Infos

Ob es sich nun um Klassiker von Chuck Berry („30 Days“) oder Willie Dixons „My Babe“ handelt oder um Stücke „Marke Eigenbau“ dieses Trios, etwa ihr „Hambone Boogie“ oder das Auftaktstück „Hear Me calling“: Die Crazy Hambones haben den Blues im Blut und präsentieren ihn uns von der ausgesprochen traditionalistisch erdigen Seite. Auf Blowin’ The Family Jewels scheppern die Gitarren und jammert die Mundharmonika, hier wird (wie in „One Sweet Thing“) unerbittlich nach vorne drückendes Uptempo gegeben. Bemerkenswerterweise handelt es sich um eine deutsche Formation - auch Sänger und Harpspieler Henry Heggen, der einzige „echte Ami“, ist schon lange Wahl-Hamburger. Dass er seit 30 Jahren im Geschäft ist, hört man deutlich, und auch seine beiden deutschen Kollegen, der Münchner Bluesgitarrist Peter „Crow C.“ Krause und der hochpräzise Berliner Boogie-Drummer Michael Maass sind mit allen Wassern gewaschen. Die CD versucht weder wirklich Neues zu bieten noch werden bekannte Stücke gegen den Strich gebürstet - ausgeglichen wird dies durch eine Frische und Spielfreude, die dem Genre gut tut und wie aus einem Guss rüberkommt. So fröhlich kann man gerne mal den Blues haben! Bitte mehr davon.

Carina Prange

 

CRAZY HAMBONES - Blowin’ The Family Jewels


CALAVERAS
dto.

(Home Sweet Home, HSH 011, www.sweethomerecords.com)
12 Tracks; 41:55, mit Texten

Vera Cruz liegt in Sachsen, Hombre. Das beweisen sieben wunderbare Musiker aus Chemnitz mit ihrer Band Calaveras und dem gleichnamigen Debütalbum. Calaveras klingen neu und unverbraucht, und das ist in diesem Genre bereits eine Meisterleistung. Sie klingen nicht nach Calexico (trotz Namensähnlichkeit) und schon gar nicht klingen sie wie eine der ausgelutschten Country-Comedy-Coverbands. Dann wäre ein Vergleich zu Fink ohne Koppruch oder Chris Cacavas mit Humor schon passender. Calaveras ist definitiv Folk, hat aber das Zeug zum Chartbreaker. Das wird sicher trotzdem nichts mit dem Hit, da das Label Sweet Home Records“ -Nomen est Omen - so independent ist, wie man es weiterhin nur in Ostdeutschland sein kann. Was musikalische Kreativität und Originalität angeht, hat Sachsen die Nase vorn. Hier also ein weiteres Beispiel mit mexikanischen Anleihen. Dass die Band durch alle staubigen Stiefel hinweg immer noch nach einer deutschen Folkrockband klingt, sorgt für einen sympathischen Wiedererkennungswert. Musikalische Reisebeschreibungen und selbst in romantischen Momenten augenzwinkernde Balladen geben sich die Hand, Shuffle und spanische Gitarre fügen sich mit Cello und Mariachitrompete zu einem harmonischen Ganzen. Das Ganze garniert mit einer rauchigen Männerstimme, die jedes Cowgirl erschauern lassen muss.

Chris Elstrodt

 

CALAVERAS - dto.


RICHIE ARNDT & THE BLUENATICS
Rorymania

(Rough Trade/Fuego 1505-2, www.rorymania.com)
12 Tracks, 50:27, mit Infos

Rory Gallagher - auch zwölf Jahre nach seinem Tod ist der irische Musiker Vorbild und Inspiration für viele Gitarristen. Für Richie Arndt gilt das bereits seit 1971, und aus dem begeisterten Jugendlichen von damals ist ein Musiker geworden, der heute mit seinen Bluenatics zur ersten Riege der deutschen Bluesszene gehört. Seit Jahren schwebte ihm schon ein Album vor, mit dem er seinem Idol musikalisch Dank und Respekt zollen möchte. Rorymania ist genau das geworden - und noch viel mehr. Denn hier wird nicht gecovert, sondern respektvoll interpretiert, jedes Stück steht ganz klar im Sound von Rory Gallagher, und ebenso klar trägt es die persönliche Handschrift der beteiligten Musiker. Sind Frank Boestfleisch (Drums), Jens-Ulrich Handreka (Bass) und Richie Arndt beim melodisch-gefühlvollen „I Fall Apart“ und dem einzigen selbstkomponierten Stück der CD, „Rory“, noch als Trio unterwegs, so kommt für jeweils drei Stücke ein weiterer Gitarrist hinzu. Und auch diese prägen mit ihren eigenen Vorlieben und Stärken, der ursprüngliche Charakter der Songs bleibt aber immer erhalten: Henrik Freischlader eröffnet mit dem rockenden „Laundromat“ und trägt bei „Hands Off“ ein feuriges Solo nach dem anderen bei, Alex Conti geht näher zu den Wurzeln, spielt eine herrliche Slidegitarre und ist für die Abteilung Rock ’n’ Roll zuständig, und immer, wenn es ganz besonders auf Ton und Ausdruck ankommt, läßt Gregor Hilden seine Gibson Les Paul singen. Das Beste: Im Herbst geht es in genau dieser Besetzung auf Tournee, und ebenso wie die CD ist ein Konzertbesuch unbedingt empfohlen! (Termine siehe Blaue Seiten.)

Achim Hennes

 

RICHIE ARNDT & THE BLUENATICS - Rorymania


TOM BOMBADIL FOLKBAND
Dans Mon Village

(Leiselaut 2007, www.leiselaut.de, www.tombombadilband.de)
13 Tracks, 49:53, mit dt. Infos, Photos und Zeichnungen

Die nach einer Gestalt aus Der Herr der Ringe benannte rheinhessische Bordunband verbindet auf dieser CD französische Balfolk-, bretonische Fest-Noz- und deutsche Volkstanzmusik, worein sich auch mal Stücke schwedischer oder kanadischer Provenienz einschleichen, mit Texten in rheinhessischer Mundart. Acht der 13 Stücke sind rein instrumentelle Schottische, Walzer, Ridées, Polkas und Bourées, aber auch die fünf Lieder, deren eines auf Französisch ist, sind tanzbar. Diese Mischung ist zugleich grenzüberschreitend und bodenständig in der Region verwurzelt, die in ihrer Geschichte nicht selten französisch verwaltet wurde. Die vier rheinhessischen Texte thematisieren die glücklose Werbung eines jungen Mannes um die widerwillige Friederike, einen Vergleich zwischen Mädchen und dornenbewehrten Rosenstöcken, das schlechte Handwerk von Bäckern, Metzgern, Winzern und Musikern und das Getratsche der Wingertsweiber bei der Weinlese, und bilden mit ihren eher ernsten Texten einen spannenden Kontrast zu den eher fröhlichen Melodien. Die Musiker sind Lothar Schwab (Drehleier, Konzertina, Mandoline, Gesang), Klaus Ebling (Diatonisches Akkordeon, Pianoakkodeon, Gesang), Rudi Winkler (Dudelsäcke, Flöten, Bodhrán, Löffel, Gesang), Friedrich Vollrath (Gitarren, Bouzouki, Gesang) und als Gäste Nils Nolte (Holzquerflöte) und Frederick Schwamb (Becken).

Michael A. Schmiedel

 

 


BERND KÖHLER
Die neue Welt

(jump up 14, www.jump-up.de)
12 Tracks, 57:24, mit Texten

Was wir so oft vermissen müssen, dieser talentierte Mensch wagt’'s noch einmal. Mit Gitarren und Keyboards von ewo, dem „kleinen elektronischen Weltorchester“, artikuliert er unversöhnliche Empörung gegen das Sosein des Daseins. Zwar: Von der Leichtigkeit des französischen Chansons, das er liebt, ist er notgedrungen weit entfernt, aber er „bietet die Stirn“, wie es seltsam ziellos (was nicht in die Irre führen sollte) im ersten Lied heißt. Für das Andere, das Sogenannt-Utopische muss im Protestlied meist Exotik herhalten (Drittweltvölker, Klassen- oder Heimatidyll, sich von selbst verstehende Natur), doch auf diesen Leim geht Bernd Köhler nicht. Seine „neue Welt“ hat nichts Selbstverständliches, Heimeliges, keine Moral, keinen Auswegweiser mehr. Das angeblich revolutionäre Subjekt lässt in „Reproduktion“ die Hosen runter, und es ist, wie es ist. Liedermacheridole werden gegen den Strich gebürstet: Degenhardts „Vorstadtfeierabend“ mit gruseliger Basslinie aufgemöbelt, Brecht-Eislers glattpolierter Trösterichgesang vom Grund der Moldau an den Straßenrand geholt und dem Ernst der Schoah-Thematik ausgesetzt („Drei Steine“). Eine Produktion, die aufmerksame Ohren verdient!

Nikolaus Gatter

 

BERND KÖHLER - Die neue Welt


HENRIK FREISCHLADER BAND
Get Closer

(ZYX/PepperCake PEC 2019-2, www.henrik-freischlader.de)
13 Tracks, 57:07, mit Texten

Alle Achtung! Nur ein knappes Jahr nach dem Debüt bringt Henrik Freischlader die so „wichtige zweite Platte“. Dem musikalischen Grundkonzept treu geblieben, hat es jedoch einen personellen Wechsel am Schlagzeug gegeben: Dirk Sengotta ersetzt Daniel Guthausen, und mit Oliver Schmellenkamp am Bass und Henrik Freischlader an Gesang und Gitarre ist das Bluesrocktrio komplett. Als Beistand spielt Sascha Kühn Piano und für einen Song ist die Sängerin Brenda Boykin mit dabei.

Bluesrock, Funk, nichts Besonderes eigentlich, spielen doch viele - aber hier ist eben noch mehr (bzw. weniger, wenn man es genau nimmt). Denn es ist unverkennbar Blues, der sich durch die Stücke zieht, auch die schnellen Nummern atmen die Kunst des Weglassens, werden dadurch entspannter und erhalten einen ganz besonderen „Groove“. Hier ist nichts nervös oder hektisch, schnell und hart gespielt manchmal schon, aber mit einer „Coolness“, die das absolute Gegenteil von Kühle darstellt. In erster Linie ein Verdienst der Rhythmusabteilung, man meint förmlich zu sehen, wie sich Henrik Freischlader in dieses satte Kissen zurücklehnt und ein grandioses Lick nach dem anderen herausschüttelt. Dazu singt der junge Mann aus Wuppertal mit seiner weichen, angenehmen Stimme, die auch schon einmal nach 60 Jahren Lebenserfahrung klingen kann („Sometimes“).

Ein Paradestück des Albums ist für mich der fast zehnminütige (!) Slow Blues „She’s Back (For Another Try)”. Tolle Wechsel zwischen Akkord- und Solospiel, technisches Können und Feeling in perfekter Ergänzung - alle Achtung!

Achim Hennes

 

HENRIK FREISCHLADER BAND - Get Closer


NOSLIW
Mehr davon

(Rootdown Records RDM13042-2, www.rootdown-records.com)
14 Tracks, 56:21, mit Texten

Dass Reggae und deutsche - respektive bayerische - Zunge gut zueinander finden können, wissen wir jedenfalls seit Acts wie Seeed oder Hans Söllner. Der 1975 in Bonn geborene Sänger und Texter Nosliw reiht sich da problemlos ein, bietet klassischen Roots Reggae in abwechslungsreichem Soundgewand, erzählt Geschichten, vermittelt Botschaften und wird dabei selten peinlich. Vor allem hält er den Kopf hoch, wenn er ankündigt: „Wir werden immer lauter und wir hör’n nicht auf“, womit er die deutsche Reggaeszene und ihre Anhänger meint. „Unsre Vibes sind viel zu weit gestreut / ihr seid das Pulverfass und wir das Feuerzeug“. Ob er seine Angebetete bittet, doch die Hände von den falschen Männern zu lassen, hochverliebt betont, dass er nicht genug von seinem Baby bekommen kann, oder in die Rolle des Fremdgehers schlüpft, der um eine allerletzte Chance in seiner Beziehung fleht: Der Wahl-Berliner mit bürgerlichem Namen Eric Alain Wilson deckt das Spektrum glaubwürdig ab. Selbst die Wut auf eine verdummende Konsumwelt wirkt echt und nicht aufgesetzt: „Wir soll’n die Hände falten, wir soll’n die Fresse halten, / Es tut mir Leid, aber mit mir wird das nie passier’n.“ Produziert wurden die meisten Tracks von Nosliws Kumpel Teka, der auch Gitarre und Keys beigesteuert und der CD eine authentische Atmosphäre verpasst hat. Häubchen für Liebhaber: das Duett in „Liebe“ mit Gentleman.

Volker Dick

 

NOSLIW - Mehr davon


KCP 5 feat. CHARLIE MARIANO
Many Ways

(Double Moon DMCHR 71506, www.sunny-moon.com)
7 Tracks, 55:30, mit engl. Vorwort von M. Herting

Nix gegen die Herren Greger, Kuhn und Strasser, aber die 83-jährige Altsax-Legende Mariano beweist hier einmal mehr, dass es für Jazzmusiker in einem Alter weit jenseits aller Renteneintrittsdiskussionen durchaus zeitgenössische Alternativen zu den nostalgiebeseelten Swing-Reminiszenzen seiner Altersgenossen gibt. Many Ways halt ... Mit seinen alten Freunden vom Karnataka College of Percussion (KCP), der Sängerin R. A. Ramamani und dem Virtuosen der Fasstrommel mridangam, T. A. S. Mani, sowie dem Perkussionisten Ramesh Shotham und dem Pianisten und Arrangeur Mike Herting hat er nun unter dem Signum KCP 5 eine wundervoll entspannte Weltmusik-CD eingespielt, deren Stücke so organisch von dem perkussiv unterlegten traditionellen Gesang Frau Ramamanis in die Jazzpassagen hinübergehen, dass man glauben möchte, das KCP-Quintett spiele ständig zusammen und nicht nur so alle paar Jahre. Doch dies tun sie tatsächlich: Die Inder haben natürlich ihr „reguläres“ Ensemble, Mariano hat seine Jazzprojekte, Shotham ist ein vielgefragter Perkussionist in allen Stilen, und die Arrangierkünste Mike Hertings nahmen in der Vergangenheit bereits so unterschiedliche Künstler wie Wolfgang Niedecken, Ulrich Tukur, die WDR Bigband oder die Musikalienhändler von DSDS in Anspruch. So werden wir auf das nächste Kabinettstückchen des KCP 5 vermutlich wieder ein paar Jährchen warten müssen ...

Walter Bast

 

KCP 5 feat. CHARLIE MARIANO - Many Ways

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