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THOMAS LOEFKE & FRIENDS
Northern Isles - Harp Instrumentals From The Celtic Northwest

(Laika-Records 2007, www.norlandwind.eu)
12 Tracks, mit Photos u. engl. Infos

Vorneweg: Ich bin bekennender Norland-Wind-Fan. Diese deutsch-irisch-schottisch-norwegische Combo besteht aus Thomas Leofke (keltische Harfe), Ian Melrose (Gitarre, Low Whistles, Bass, Synthesizer, Programming), Máire Breatnach (Fiddle, Viola), Kerstin Blodig (Gitarre, Bouzouki, Gesang, Bodhrán), Noel Duggan (Gitarre) und Pádraig Duggan (Mandoline). Hier wird sie ergänzt durch das amerikanische Duo Acoustic Eidolon, bestehend aus Hannah Alkire (Cello) und Joe Scott (Doppelhalsguitjo, Gitarre, Whistles, Gitarrensynthesizer). Das Thema der vorliegenden CD sind Stimmungen auf den Inseln des Übergangsbereiches zwischen Nordatlantik und Nordsee wie des irischen Tory Island, den schottischen Hebriden und den zu Dänemark gehörenden Färöern, auf die sich Thomas Loefke gerne zum Komponieren zurückzieht. Bei diesen Inseln denke ich an Einsamkeit, lange nasse Winter, kurze kühle Sommer, kräftige Stürme - nicht nur im Herbst -, aber der Musik dieser CD zufolge müssen sie doch meist idyllisch und friedlich im weiten blauen Meer daliegen, und es bleibt nur noch die Einsamkeit, die dazu einlädt, die Seele baumeln zu lassen. Das Meer kräuselt sich ein wenig, Meeresvögel segeln im Wind, die Sonne lässt einen blinzeln, ansonsten passiert nicht viel. Oder doch? Ja, aber man muss es entdecken. Das Büchlein hilft dabei mit Erklärungen und schönen Fotos.

Michael A. Schmiedel

 

THOMAS LOEFKE & FRIENDS - Northern Isles


LIEDERJAN
Einmal Canossa und zurück

(pläne 88944; www.plaene-records.de)
37 Tracks; 74:22, mit Infos

Wau! Ein Liederjan-Konzeptalbum. Und, auch ungewöhnlich für Liederjan - ein Livealbum. Das hat es seit dem allerersten Album der Band, Live aus der Fabrik, nicht mehr gegeben. Wieso eigentlich nicht - lebt die Liederjan-Musik doch auch im hohen Maß von der geschliffenen Liveatmosphäre. Schön, dass sich Hanne Balzer, Klaus Irmscher und Alt-Liederjan Jörg Ermisch dazu entschlossen haben, diesen Livemitschnitt zu veröffentlichen, inklusive der pointiert-ironischen Ansagen. Entstanden ist das Programm mit dem Untertitel „Von Päpsten und Preußen - zwischen Halleluja und Habacht“ auf Anfrage des Paderborner Kulturamtleiters, der sich den Soundtrack für die Ausstellung „Canossa - Erschütterung der Welt“ wünschte, konkret zu dem Teil der Ausstellung, der sich dem Verhältnis von staatlicher Obrigkeit in Deutschland und der katholischen Kirche im 19. und 20. Jahrhundert widmete.

Wer Liederjan kennt, weiß, dass dieses Sujet ein gefundenes Fressen für das Trio war, das ein Fest satirisch-bissiger und witziger Lieder regelrecht zelebriert, in bester Liederjan-Tradition mit umfangreichem Instrumentarium und dem für die Gruppe typischen Satzgesang. Zeitgenössische Texte aus dem Kladderadatsch und unter anderem aus der Feder des großen Volksliedforschers und politischen Spötters Hoffman von Fallersleben - ein Album, das historische Fakten mit hohem Spaßfaktor vermittelt! Liederjan - te absolvo!

Ulrich Joosten

 

LIEDERJAN - Einmal Canossa und zurück


SHANES
Polka Over Serbia

(SumoRex 002/Broken Silence, www.sumorex.de)
17 Tracks, 58:40, mit Texten und Infos

Irish Folk Punk ist glücklicherweise mittlerweile aus der Mode. Die meisten der Fiddlers- und Paddys-Epigonen haben sich zu Recht aufgelöst. Zu den wenigen Bands, die den Pogues auch heute noch die Treue schwören, gehören die Shanes. Deutlicher als mit diesem Bandnamen (nach dem Vornamen des früheren Pogues-Sängers) kann man die musikalische Richtschnur nicht beschreiben und tatsächlich, mit ihrem Livealbum erfüllen die Shanes die Erwartungen vollends. Im Gegensatz zu den verblichenen Kollegen haben die Shanes nämlich tatsächlich die Spielfreude und die Energie ihrer Vorbilder. Zusätzlich haben sie reichlich von der vermutlich wichtigsten Eigenschaft von Bands dieser Gattung: Humor. Die traumhafte Coverversion von „Love Will Tear Us Apart“, welche bereits vor zehn Jahren die Folkpunkszene aufmischte, wirkt live noch eine Spur witziger und der All-Time-Klassiker „Summer’s Almost Gone“ wird hier zum Explosivgeschoss. Die CD erfreut durch die Anwesenheit zahlreicher Eigenkompositionen und der Abwesenheit der üblichen Dubliners-Gassenhauer. Für Freunde des filigranen Donegal-Folk sind die Shanes mit Sicherheit Lärmbelästigung. Wer aber mal wieder ungehemmt abtanzen will, kommt um diese Scheibe nicht herum.

Chris Elstrodt

 

SHANES - Polka Over Serbia


REINHARD MEY
Bunter Hund

(Odeon/EMI 0094639401222)
13 Tracks + Hidden Track, 72:00

Wieder so ein typisches Mey-Album. Das fängt bei den Melodien an, geht beim Aufbau der CD weiter (14 Lieder, die Nr. 14 diesmal allerdings auf Französisch und als Hidden Track) und endet bei den Textinhalten. Von seinen „Liedzyklen“ greift er u. a. die Bereiche „Meer/Seefahrt“ („Der Fischer und der Boss“), „Kindheitserinnerungen“ („Sommer ’52“), „Familie“ („Drei Kisten Kindheit“, „Große Schwester“), „Antikriegswerke“ („Kai“) und „Tiergeschichten“ („Wotan und Wolf“) auf. Das Ganze in gewohnt ansprechender Manier und zeitgemäß-professioneller Produktion durch Manfred Leuchter, von einer erlesenen Musikerschar exquisit unterstützt (u. a. Jeanmarie Peschiutta, Mike Silver, Ian Melrose). Politik- und Gesellschaftskritik geschieht auch (z. B. in „Danke, liebe gute Fee“ oder „Friedrichstraße“), wenn auch nicht so offen wie damals in „Sei wachsam“ oder in „Das Narrenschiff“. Im Titelstück positioniert er sich u. a. wieder einmal selbst.

Herausgekommen ist ein erfrischend gitarrenlastiges Werk ohne wabernde Synthesizer oder technische Spirenzchen, teilweise richtig folkig, das man sich gut anhören kann. Ein Mey, der sich treu geblieben ist, nach wie vor etwas zu sagen hat und nach wie vor polarisieren wird.

Stefan Backes

 

REINHARD MEY - Bunter Hund


KLAZZ BROTHERS & EDSON CORDEIRO
Klazz Meets The Voice

(Sony BMG 8869705282, www.qrious.de)
13 Tracks, 65:37, mit deutschen Infos

Da sind einerseits die Dresdener Klazz Brothers, als da wären: Tobias Forster am Piano, sein Bruder Kilian am Bass und Schlagzeuger Tim Hahn. Das Trio hat sich auf die Fahnen geschrieben, Klassik und Jazz in einem schillernden neuen Geflecht verschmelzen zu lassen, und es gibt sich dabei so unglaublich souverän und virtuos, dass es erst kürzlich zum zweiten Mal mit dem Klassik-Echo prämiert wurde. Auf der anderen Seite steht der Brasilianer Edson Cordeiro, der mit seiner unglaublichen Stimme vier Oktaven vom Bariton bis zum hohen Sopran abdeckt und sich als Sänger ebenso in Partykellern wie in barocken Opern getummelt hat. Auf diesem Gemeinschaftswerk haben die vier brillanten Musiker jetzt respektlos und voller Hingabe wild durcheinandergemixt, was man so zuvor nie miteinander in Verbindung gebracht hätte: Da begegnet beispielsweise Tom Jobims Strandschönheit, das „Girl from Ipanema“, einem imaginären Mozart und seiner auf Rache sinnenden Königin der Nacht; für „Carmen Fantastique“ standen Bizets berühmte Oper und der Evergreen „Bésame Mucho“ Pate, und beim Prince-Hit „Kiss“ mutiert Cordeiro zu den intimen Jazzklängen der Klazz Brothers zur Sängerinnen-Legende Billie Holiday. Ein echtes Highlight auch das „Ave Maria“ oder „Amazing Grace“. „Alles ist erlaubt, solange es gut gemacht ist“, lautet das Credo der Band und man kann nur sagen: Hut ab, besser geht es nicht!

Suzanne Cords

 

KLAZZ BROTHERS & EDSON CORDEIRO - Klazz Meets The Voice


JAN GRAF
Singt Johann D. Bellmann

(Plaggenhauer Verlag, wwww.plaggenhauer.de)
12 Tracks, 39:30; mit Texten

Graf singt Bellmann ... nein, nicht den ollen Carl Michael aus Schweden, sondern plattdeutsche Texte des niedersächsischen Theologen, Autoren und Lyrikers Johann D. Bellmann (1930-2006), der als einer der wichtigsten modernen plattdeutschen Autoren gilt. Aus seinem Gedichtband Inseln ünner den Wind entstammen die Texte, die um die Themen Leben, Tod, Liebe und Glaube kreisen. Der 33 Jahre alte Buxtehuder Musiker Jan Graf hat daraus eine im besten Sinne spartanische CD gemacht. Schon die Ausstattung des Booklets ist auf das Wesentliche reduziert: die Texte auf Plattdeutsch. Kein Schnickschnack, der von diesem Wesentlichen ablenken könnte. Und so sind auch seine Arrangements: Graf lässt die Kraft der Bellmannschen plattdeutschen Lyrik für sich sprechen, die er mit seiner ungemein feinfühligen Tenorstimme unter die Haut gehend interpretiert. Die Instrumentierung ist (von gelegentlichen Akkordeon-Farbtupfern abgesehen) auf akustische Gitarren beschränkt - aber wie virtuos gespielt! Jeder transparent und luftig aufgenommene Ton, jeder auf den Punkt gesetzte Akkord trägt die anrührenden Melodien textdienlich und dennoch virtuos - einfach ein Genuss! Jan Graf ist ein vierzigminütiges, unaufgeregtes Gesamtkunstwerk mit 12 zeitlos schönen, melancholischen Chansons gelungen. Sehr empfehlenswert!

Ulrich Joosten

 

JAN GRAF - Singt Johann D. Bellmann


GERHARD GUNDERMANN & PETRA KELLING
Oma Else - Eine Hör-Geschichte in Liedern

(Buschfunk 01532, www.buschfunk.com)
9 Tracks, 67:02, mit Infos

Wenn von einem Künstler noch neun Jahre nach seinem Tod regelmäßig Alben und Bücher in Erstveröffentlichungen erscheinen, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass hier jemand seiner Zeit voraus war. Nun hat Buschfunk ein weiteres Fundstück aus Gundis Erbe auf den Markt gebracht. Oma Else ist die Lebensgeschichte einer heute über 90 Jahre alten Frau aus seinem Familienkreis, die sie selbst aufgeschrieben hat. Die Schauspielerin Petra Kelling, damals eng mit Gundermann befreundet, liest Auszüge und wird vom Liedrockpoeten auf der Gitarre begleitet. Die Erinnerungen aus der Lausitz erzählen vom Alltag der einfachen Leute, ihren Mühen und Hoffnungen. Aber es ist nicht einfach nur ein Hörbuch. Mehr als ein Dutzend Gundermann-Songs begleiten diese Lesung, die nur zwei Mal stattfand und wenige Monate vor Gundis Tod mitgeschnitten wurde. Die Lieder in gekürzter Version, u. a. „Wo bleiben wir“, „Die Zukunft“ und „In dem Schneegebirge“ (leider fehlt im Booklet ein Liedverzeichnis) bilden mit dem Prosatext eine stimmige Einheit. Das Album ist nicht nur Gundermann-Kennern zu empfehlen.

Reinhard „Pfeffi“ Ständer

 

GERHARD GUNDERMANN & PETRA KELLING - Oma Else


TRILLKE TRIO
Abfahrt

(Flowfish FF0007, www.flowfish.de)
15 Tracks, 51:00, mit Texten und Infos

Diesen Wahnsinnsmix aus Klezmer, Ragtime und Folkrock muss man gehört haben. Die sieben (...Trio!?) Vollblutmusiker haben eine Spielfreude und Energie, die ihresgleichen sucht. Mit ihrem dritten Album Abfahrt geben sie ein Startsignal für ein schweißtreibendes Tanzfest, welches jede Depression aus dem Herzen vertreibt. Bereits der gleichnamige Opener klingt wie „Stars in der Manege“ im Schnellvorlauf. Geschwindigkeit scheint auf Abfahrt keine Hexerei zu sein. Das TrillkeTrio kommt aus dem alternativen Umfeld, was dem aufmerksamen Hörer spätestens bei „Salz für Lisa“, einem Anti-Gorleben-Song auffällt. Um Vergleiche für ihre sympathische Unbeschwertheit zu finden, muss man schon in die Anfangstage der grünen Bewegung zurückdenken, als Cochise und Fortschrott Hoffnung verbreiteten. TrillkeTrio sind eine Volksband im klassischen Sinne, mit Themen, die das Volk bewegen und aus dem Volk kommen, völlig ohne intellektuelle Betroffenheitsplattitüden, aber dafür mit musikalischer Reife und Humor ohne Sarkasmus. Zu Recht haben sie im vergangenen Jahr den Weltmusikpreis creole für Niedersachsen nach Hause in ihr Wohnprojekt geholt. „Genieß den Tag“ fordert ein Stück der CD, mit dem TrillkeTrio sollte das kein Problem werden.

Chris Elstrodt

 

TRILLKE TRIO - Abfahrt


RAINALD GREBE & DIE KAPELLE DER VERSÖHNUNG
Volksmusik

(Versöhnungsrecords/Brokensilence CD03965/ISBN 978-3-9811597-0-7)
18 Tracks, 66:34 min, Texte

Volksmusik nennt Rainald Grebe hinterlistig seine skurrilen und absurden und daher so wirklichkeitsnahen Lieder. Eher Lieder über das Volk und das Land als für den Musikantenstadel. Unschuldig und unscheinbar schleichen sich diese Lieder an und überfallen den Hörer mit gnadenloser satirischer Präzision. Die Stadtindianer und die hippen Szenetypen, die in die Jahre gekommenen Paare mit Anspruch, Stil und Niveau, aber auch die Verlorenen in der (ost-)deutschen Provinz werden mit seinem trockenen Spott bedacht. Er spottet und ist doch selbst einer, der mittendrin ist. Der durch die Städte und über die Dörfer tourt, der die falschen Töne wahrnimmt, der beobachtet und fleißig daraus Lieder macht. Und weil er so viele Lieder schon geschrieben hat, sind sie jetzt in einem eigenen Liederbuch zusammengefasst: Das grüne Herz Deutschlands (Fischer, ISBN 978-3-596-17536-9, 240 Seiten, 9,95 Euro). Am Lagerfeuer mit der Klampfe soll man sie singen, die neuen deutschen Volkslieder. 55 Lieder, die er brav in die Kategorien Fahrtenlied, Heimatlied, Arbeit und Soziales, Liebeslieder oder Weihnachtlied unterteilt hat. Satirische Kabinettstückchen, die durch die tristen Photos aus deutschen Landen von Jess Jochimsen in ihrer Wirkung verstärkt werden.

Rainer Katlewski

 

RAINALD GREBE & DIE KAPELLE DER VERSÖHNUNG - Volksmusik


DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD
Das zerbrachene laschon - The Broken Tongue

(Chamsa CD 008, www.danielkahn.com)
16 Tracks, 54:37, mit engl. Texten

Bereits sein fünftes Album präsentiert der in Detroit (USA) geborene Daniel Kahn (Akkordeon, Piano, Gitarre, Gesang), seit 2005 Wahlberliner. Vorausgegangen waren Stationen in New Orleans und New York, die neben seinem Studium an der University of Michigan (Schauspiel, Regie, Dichtung und Theater) alle ihre Spuren hinterließen - vor allem in der Musik. Vor knapp über zweieinhalb Jahren gründete er die Formation Painted Bird, benannt nach einem Roman von Jerzy Kosinski, allerdings mit laufend wechselnden Bandmitgliedern. Für dieses Album standen Johannes Paul Gräßer (Violine), Bert Hildebrandt (Klarinette), Detlef Pegelow (Schlagzeug, Horn, Mandoline) und Michael Tittle (Kontrabass) zur Verfügung. Auf einigen Stücken singt zusätzlich Niki Jacobs von der niederländischen Gruppe Nikitov. Wir hören in einer knappen Stunde traditionellen Klezmer (etwa in „Beyze Vintn“), poetische Balladen wie in „Edward the Young“ (leider wurde der Text dieses Liedes im viel zu dünnen CD-Beiheft nicht abgedruckt) oder auch Traurigtragisches wie in „Unter den Ruinen von Polen“ oder „Birkenau“. Die meisten Lieder werden in englischer oder jiddischer Sprache gesungen, außer ein Liedes von Bertolt Brecht, für das man die deutsche Sprache beibehielt. Alles in allem eine erstaunliche Entwicklung, vergleicht man das vorliegende Album mit seinem Vorläufer, einem experimentellen Folkrockalbum mit dem Titel Uprooted Oak („entwurzelte Eiche“).

Matti Goldschmidt

 

DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD - Das zerbrachene laschon - The Broken Tongue


DIE MELANKOMIKER
Alabaster-Körper

(www.melankomiker.de)
19 Tracks, 68:30

Die wichtigsten Themen für die Herren Jürgen Denkewitz und Waldemar Rösler lauten Jürgen Denkewitz und Waldemar Rösler. Diesem, für sie so bedeutsamen Duo aus Leipzig, widmen sie die meisten ihrer Lieder und Gags und setzen ihnen musikalischen Denkmälerchen. Sie necken sich, sie kalauern, sie geben ironisch ein wenig an, sie singen und moderieren, sie palavern und musizieren. „Neues vom Liedermacherstrich“ heißt der Untertitel der CD, die Herren sind halbnackt auf dem Cover zu sehen, sie schrecken also vor keiner Neckigkeit zurück. Was die Albernheiten nun aber so verträglich gestaltet, ist, dass die beiden Kleinkunststricher ihr Handwerk so gut beherrschen. Ihre Texte, ihr Gesang und die abwechslungsreiche Musik kommen leichtfüßig und leichtsinnig daher, sodass man sehr geneigt ist, dem verzapften Unsinn freundlich schmunzelnd zu lauschen.

Rainer Katlewski

 

DIE MELANKOMIKER - Alabaster-Körper


JAN-MARTIN MÄCHLER
Neues Erleben - Hermann-Hesse-Vertonungen

(www.aktivraum.de, Aktivraum AR 40802)
13 Tracks, 60:17, mit Texten

So könnte die imaginäre Musik des Glasperlenspiels klingen: Sonst singt der Komponist und Multiinstrumentalist aus Bern (hier von Gastmusikern auf Gitarren, Perkussions- und Streichinstrumenten unterstützt) Oratorien und Opern. Seine Vertonungen stehen dem Kunstlied näher als der Wandervogelseligkeit des Liedermachens, aber man merkt, wie gründlich er sich auf Hesses Lyrik einlässt. Als Steinmetz mit dem Werkstoff Sprache müht sich Mächler mit jeder Zeile, nahezu jedem Wort ab, findet Akzente, Perioden und Rhythmen, entfesselt, staut, kanalisiert und lenkt die Melodieströme im Dialog mit den Instrumenten. Seine Auswahl ist eine meditative Versuchsanordnung über Vergänglichkeit, Natur, Alter, Gottesferne und -suche, Erinnerung und Sehnsucht. Lyrik weist bei Hesse selten Formstrenge und sparsame Verdichtung auf; das Grübeln und Herumprobieren vollzieht der Komponist nach, z. B. wenn er Sinnbildreihen wiederholt und verschränkt (etwa: „Wolke, Blume, Seifenblase, / Feuerwerk und Kinderlachen, / Frauenblick im Spiegelglase“ gegen „Edelstein mit kühlem Feuer, / Glänzendschwere Goldesbarre; / Selbst die Sterne, nicht zu zählen“). Das überschwänglich-sakrale Pathos des oft mehrstimmigen Vortrags ist gewöhnungsbedürftig: Für Hesse sind Litaneien und strahlende Akkorde, in denen Ironie und Verfremdung, Rock- und Bluesfarben in der Art von King Crimson nicht fehlen, eine angemessene Inszenierung.

Nikolaus Gatter

 

JAN-MARTIN MÄCHLER - Neues Erleben


DIVERSE
Tagebuch einer großen Liebe - 22 Lieder von Leopold Schefer.

(Hg. v. Freundeskreis Lausitzer Musiksommer e. V., www.konsonanz-musikagentur.com, Konsonanz Musikagentur Bautzen)
22 Tracks, 78:26, mit Texten

Bekanntlich hat Fürst Pückler-Muskau nicht das gleichnamige Eis erfunden, dafür aber Parkanlagen gestaltet, die Briefe eines Verstorbenen verfasst und Reisen in Orient und Okzident unternommen. Seine „Schnucke“ genannte Ehefrau hinterließ er in der Obhut eines „Schefers“ - den er aus dürftigen Verhältnissen herausholte und zum Sekretarius und Stellvertreter in der Standesherrschaft machte. Leopold Schefer (1784-1862) wurde ein gefragter Novellist (laut Arno Schmidt ein „guter Meister zweiten Ranges“), erreichte mit weltfrommer Lyrik Massenauflagen, nahm aber auch Unterricht bei Antonio Salieri in Wien und schrieb Opern, zwölf Singspiele und seit 1805 fast 80 Lieder. Junge Künstler, engagierte Spender machten es nun möglich, dass erstmals ein Liederzyklus auf CD eingespielt wurde. Er handelt von hoffnungsloser Liebe zu Pücklers Schwester Agnes, die der Vater standesgemäß einem Cousin zur Frau gab. Vom „Leben des Lebens“ über das erste „Ich liebe dich“, vom „Nachtbesuch“ bis zum „Lied des Schmachtenden“ und zur „Ewigen Klage“ reicht die Skala dieser empfindsamen Katastrophe, die uns mit perlenden Fiorituren und Melismen in die Frühromantik entführt, wo „sich die Lust so spurlos vergisst!“ und wo „mit dem Götterauge / meines Fernrohrs am Vollmond ich sauge ...“

Nikolaus Gatter

 

DIVERSE - Tagebuch einer großen Liebe


ANNWN
Orbis Alia

(curzweyhl/ Rough Trade; www.curzweyhl.de)
12 Tracks, 53:24, mit dt. Infos

THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT
Regõ Rejtem

(www.equilibriummusic.com)
Promo-CD, 9 Tracks, 42:01

Beide CDs bieten die ideale Musik zum Feierabend nach einem harten Arbeitstag: sehr harmonisch und entspannend mit wunderbaren Melodien. In kürzester Zeit findet man Ruhe und lässt den Alltagsstress hinter sich. Annwn kommt als Begriff aus der inselkeltischen Mythologie und meint die untere, verborgene Welt, eine Art Paradies. Die Sängerin und Harfenistin Dr. Sabine Hornung sowie Tobias von Schmude an der Laute (beide bekannt vom Metalprojekt Albion) bringen hier meist mittelalterliches Liedgut (Minnesänger, Cantigas, Libre Vermell) zu Gehör. Sparsam unterstützt von Geige und Flöten entsteht ein fein gewebter Klangteppich aus Harfe und Gesang.

Das zweite Album des ungarischen Mittelalterduos The Moon And The Nightspirit (Debüt s. a. Folker! 03/2006) wird wiederum von Agnes Toths klarer prägnanter Stimme geprägt. Sie ist auch für das schicke Coverdesign im Fantasy-Art-Stil verantwortlich. Der CD-Titel heißt übersetzt etwa „ich beschwöre Magie herauf“. Gesungen wird ausschließlich in Ungarisch, es geht um Naturmystik und Schamanismus. Zeitlos schöne ruhige Songs in der Mischung aus Mittelalter und ungarischer Folkmusik.

Fazit für beide Neuerscheinungen: Sehr empfehlenswert!

Piet Pollack

 

ANNWN - Orbis Alia

THE MOON AND THE NIGHTSPIRIT - Regõ Rejtem

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