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AVISHAI COHEN
Continuo

(Razdaz Nocturno NTCD 393, www.avishaimusic.com)
10 Tracks, 50:35

Hört man „Israel“ in Verbindung mit Musik, blitzen verschiedene Klischees durch das Rezensentenhirn: Klassik (Philharmonie wie Dirigenten), Folkloremusik oder auch Ethnisches. Nichts dergleichen liegt jedoch hier vor: Dieses Album muss ohne Zweifel in die Sparte „Jazz“ eingereiht werden, und sollte der Platz ein Gradmesser von Qualität sein, müsste es irgendwie in einer der vordersten Reihen liegen. Avishai Cohen (Jahrgang 1970) gilt als einer der profiliertesten Bassisten unserer Zeit weltweit, sein jüngstes Album von insgesamt sieben erschien kürzlich auf dem künstlereigenen Label Razdaz. Im Laufe seiner Karriere spielte Cohen in Formationen wie der von Herbie Hancock oder der von Chick Corea u. a. Geprägt von den vielfältigen ethnischen und musikalischen Einflüssen seines Heimatlandes bewegt er sich frei-jazzig, wenn dieser Ausdruck erlaubt sein sollte, in Bereichen von Jazz, Blues, Latino und nahöstlichem Orient. Begleitet wird er von Mark Guiliana (Percussion, u. a. mit Bobby McFerrin) und dem überraschend jungen Israeli Shai Maestro am Piano (Jahrgang 1987). Als Gast auf diesem Album konnte man den fantastischen Autodidakten Amos Hoffman mit seiner Oud für immerhin fünf der insgesamt zehn Stücke gewinnen. Alles in allem: Nahostjazz in spielerischer Perfektion.

Matt Goldschmidt

 

AVISHAI COHEN - Continuo


CHAVA ALBERSTEIN
Lemele

(Rounder RRECD 17/inakustik)
13 Tracks, 50:34, mit Texten (engl./franz./hebr./jidd.)

Albersteins erstes Album erschien vor ziemlich genau 40 Jahren: 1967 unter dem Titel Hineh Lanu Nigun (= „hier haben wir eine Weise“). Wortwörtlich Dutzende von Alben später präsentiert die in Stettin gebürtige israelische Sängerin ein weiteres Album auf Jiddisch, ihrer Muttersprache. Erschienen bereits im letzten Jahr, entpuppt sich „Lämmchen“ (jidd.: Lemele) mehr als ein würdiger Nachfolger von The Well (1998; gemeinsam mit den Klezmatics) und einer Sammlung „jiddischer Lieder“ (1999). Dafür sorgen vor allem die ausgezeichneten musikalischen Arrangements tschechischer Musiker unter der musikalischen Leitung von Aleš Brezina, etwa in „Ein Tag vergeht“ mit Michal Pavlkik (Dudelsack). Außer einer Reihe von Gastmusikern wurde nämlich ein aus zwölf Kammermusikern bestehendes Studioorchester beschäftigt.

Wie seit Beginn ihrer künstlerischen Karriere komponiert Alberstein fast alle ihre Lieder und Weisen selbst. Die Texte stammen u. a. von Yehoash alias Solomon Bloomgarden (1870-1927), Abraham Avrum Reisen (1876-1953, im CD-Beiheft fälschlicherweise Reisin buchstabiert) oder Arn Glants-Leyeles (1889-1966) - notabene alles längst im Exil, d. h. den USA oder Israel verstorbene Größen jiddischer Literatur, sollten sie nicht von den Nazis ermordet worden sein.

Matti Goldschmidt

 

CHAVA ALBERSTEIN - Lemele


MUSTAFA KANDIRALI
dto.

(Traditional crossroads, TRAD 6004/SunnyMoon)
15 Tracks, 66:32, mit türk./engl. Textbeilage im Hardcover

Was in manchen Ohren wie erfrischend moderner „Orient-Ethno-Jazz“ anmutet, erweist sich als eine orientalische Spezialität: die individuelle Ausgestaltung von Musik mit reichlich Freiraum für Variationen. Auf diesem Humus gedieh eine Lichtgestalt wie Mustafa Kandirali, der schon frühzeitig die Schule verließ, um sich ganz seiner Klarinette zu widmen. Seine Größe steckt in seinem unverwechselbaren Stil, mit der er vor allem die türkischen Tanzmelodien (oyun havasi) prägte. Wie dieser Gänsehautklarinettist die Töne mit feinen rhythmischen Akzenten verschleppt, wie er trillert, phrasiert, und dies alles mit einer Federleichtigkeit, die gerade in äußerst dynamischen Passagen den wahren Meister zeigt. Einige dieser schon historischen, aber gut klingenden Aufnahmen bewegen sich in der Popästhetik der 60er und 70er Jahre, mit E-Bass (anstelle der Oud) und E-Gitarre. Von Mitte der 50er Jahre bis zum Tode seiner Frau im Jahre 1985 absolvierte er etwa 150 Studioproduktionen. In der Blütezeit der Beiruter Nachtclubs war Mustafa Kandirali ein Stargast, in Istanbul jammte er mit Louis Armstrong. In seinem Ensemble sammelte er großartige Solisten etwa an der Trapezzither Kanun oder der Geige. Diese 100-seitige und mehr als einstündige Hommage an die 78-jährige Musiklegende zeigt eine erhebliche stilistische Bandbreite, wobei das vorbildliche Textbuch Hintergrundinformationen zu jedem Stück liefert.

Birger Gesthuisen

 

MUSTAFA KANDIRALI

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