DIE BESONDERE - DEUTSCHLAND
CARA
In Between Times
(Eigenverlag 2007, www.cara-music-com)
12 Tracks, 64:41 mit Photos, engl. Texten und dt./engl. Infos
Gudrun Walther und Jürgen Treyz sind in letzter Zeit vor allem mit
ihrem Projekt Deitsch bekannt geworden, in dem sie Lieder in ihrer
Muttersprache singen. Ihre musikalische „Muttersprache“ indes liegt
weniger in der deutschen als in der irischen Volksmusik, und wer
dieser nachspüren will, höre sich Cara an, die hiermit ihre zweite CD
seit 2004 vorlegen.
Mit Gudrun Walther (Gesang, Fiddle, Viola, diatonisches Akkordeon)
und Sandra Steinort (Gesang, Piano, Querflöte) haben Cara gleich zwei
extrem energiegeladene Frontfrauen, die jede für sich, aber vor allem
gemeinsam mit mehrstimmigem Gesang und Satzgesang und auch auf ihren
Instrumenten Meisterhaftes leisten. Mehr als bloß unterstützende
Funktion haben dabei Claus Steinort (Holzquerflöte, Whistles, Uilleann
Pipes), Jürgen Treyz (Gitarre, Mandola, Mandoline, Dobro, Banjo, Bass,
Wurlitzer Piano, Akkordeon und Gesang) und Rolf Wagels (Bodhrán) sowie
diverse Gastmusiker. Sie bieten ein ungemein dichtes, vielstimmiges,
vielschichtiges, abwechslungsreiches, spannendes und sehr
energetisches, aber auch recht hartes Spiel, sowohl bei den Liedern,
als auch bei den Instrumentals. Claus Steinorts Pipesspiel klingt auch
bei seinen selbstgeschriebenen Tunes großenteils unverkennbar irisch,
aber das Irische ist bei Cara keineswegs die einzige musikalische
Provenienz, sondern hier und da klingt es bretonisch, französisch,
schwedisch, bulgarisch und auch deutsch. Und in dieser Stilmischung
sind sie unverwechselbar, auch im Vergleich mit modernen irischen
Bands, die sich ebenfalls gerne von auswärts befruchten lassen und mit
denen zu messen sie sich nicht scheuen müssen, was sie ja auch nicht
tun. Eher als Irish Folk mit anderen Einflüssen praktizieren Cara
europäischen Folk mit irischem Schwerpunkt. So macht es sich
bemerkbar, dass die fünf außer in Irish-Folk-Bands wie More Maids,
Deirin Dé, DeReelium oder Steampacket auch in Formationen wie La
Marmotte, Adaro oder eben Deitsch tätig waren oder es noch sind und
sie das zwar projektmäßig, aber nicht musikalisch streng auseinander
halten. Warum auch? Vor allem Treyz’ Kompositionen und die
Arrangements von Gesang und Zwischenspiel lassen oft an Deitsch
denken, sodass ich mir eine gemeinsame Produktion beider Projekte in
Form einer CD oder eines Konzertes sehr gut vorstellen kann. Es macht
richtig Spaß, hier Rezensent zu sein!
Michael A. Schmiedel
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DIE BESONDERE - ASIEN
MARCEL KHALIFE
Tagasim
(Connecting Cultures CC 50034/www.Galileo-mc.de)
3 Tracks, 61:01, Hardcover-CD mit 36-seitigem Booklet (engl./franz./span./arabisch)
Die Laute führt uns sanft in diese CD ein; sie nähert sich dem
Thema, bei dem der Kontrabass einsetzt und mit der Handtrommel ein
rhythmisches Gerüst ausbreitet. Dann wieder vollzieht die Oud ein
kurzes Solo, das der Bass aufnimmt und weiterführt, um wieder von der
arabischen Laute abgelöst zu werden. Die CD besteht aus drei
mehrteiligen, weitgehend durchkomponierten Stücken von jeweils 20
Minuten Länge, die mit einem kurzen Intro auf der Oud eingeleitet
werden. Diese drei erstaunlichen Musiker versprühen eine üppige
Musikalität (mit wenigen Overdubs) und scheinen sich gegenseitig zu
tragen. Das ist Wohlklang und Spielfreude pur. Manchmal blitzt eine
Spur Flamenco auf, gefolgt von einer Prise Bach, bis wir uns dann in
einem quirligen orientalischen Volkstanz wiederfinden. Marcel Khalife
schuf ein Album von intimer Eindringlichkeit und beschwingter Freude.
Die hervorragende Aufnahmequalität vollendet den Genuss.
Er wird begleitet von dem gefragten österreichischen Kontrabassisten
Peter Herbert, der auf mehr als hundert Alben spielte und mit
Jazzkoryphäen wie John Abercrombie und Art Farmer arbeitete. 1989 ging
er nach New York und seit vier Jahren lebt er in Paris, wo sich auch
Marcel Khalife und sein Sohn Bachar Khalife (Percussion) überwiegend
aufhalten.
Marcel Khalife komponierte zahlreiche Instrumentalwerke und vertonte
viele Gedichte des Palästinensers Mahmoud Derwish. Der orthodoxe
Christ kam als Jugendlicher auf dem Weg zum Musikkonservatorium an den
Lagern der Palästinenser vorbei, für deren Belange er sich später
einsetzte. Als die Israelis den Libanon besetzten, wurden seine
Kassetten aus den Läden genommen. Seine ersten Konzerte fanden im
Libanon zur Zeit des Bürgerkriegs in ausgebombten Konzerthallen statt.
Als er vor wenigen Jahren in seinem Lied „Oh Vater, ich bin Josef“
über das Leiden der Palästinenser in wohlwollender Absicht zwei Zeilen
aus dem Koran zitierte, wurde er dreimal wegen Blasphemie angeklagt.
Ihm drohte bis zu drei Jahren Haft. Er wehrte sich vehement und wurde
letztlich freigesprochen.
Mahmoud Derwish schrieb in seiner Verteidigung Marcel Khalifes und
der künstlerischen Freiheit: „Die Erde wird sich nicht dem Himmel
nähern, solange der Himmel nicht ein Stück weit auf die Erde kommt.“
Ein kleines Stück dieses Wegs leistet Tagasim. Erstaunlich ist,
dass angesichts einer derartigen Biographie diese CD des
„UNESCO-Artist for Peace 2005“ eine derart positive, versöhnliche
Stimmung verströmt.
Birger Gesthuisen
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