back Rezensionen Südamerika


JARAMAR
Que Mis Labios Te Nombren

(Discos Imposibles, www.moonstruck.nl)
13 Tracks, 49:48, mit span. Texten und engl. Infos

Die mexikanische Sängerin Jaramar sieht sich als künstlerische Archäologin, die nicht nur geographische, sondern auch zeitliche Grenzen überschreitet. Sie beginnt ihre faszinierende musikalische Reise im mittelalterlichen Spanien der Mauren, Juden und Christen und begibt sich dann mit den Conquistadores in die Neue Welt, wo sich die Gesangstraditionen Europas mit neuen Klängen vermischen. Seit über 20 Jahren widmet sich Jaramar mittlerweile der Suche nach traditionellen Musikschätzen. Ihre Lieder sind zeitgenössische Versionen der alten Weisen, die die spanischen Eroberer dereinst nach Mexiko brachten. Jahrhundertealte Traditionen verknüpft sie mit moderner Technik, historische Instrumente konfrontiert sie bewusst mit Synthesizersound. Begleitet wird die charismatische Sängerin auf ihrer musikalischen Zeitreise von der Klarinettistin Nathalie Braux, dem Gitarristen Luis Javier Ochoa, dem Schlagzeuger Julio Mangiameli und dem Bassisten Luis Eduardo Arreola Castellanos. Ihr neuntes Album ist eine Hommage an ihre Kindheit; mit wunderbar warmer und einschmeichelnder Stimme intoniert sie populäre traditionelle Lieder, die sie von ihrer Großmutter und ihrem Vater gelernt hat. Jaramars Musik lässt sich in keine vorgefertigte Schablone pressen und verspricht ein ungewohntes Klangerlebnis zwischen gestern und heute.

Suzanne Cords

 

JARAMAR - Que Mis Labios Te Nombren


BEATRÍZ AGUÍAR
Mi Canción

(Connecting Cultures CC50030, www.galileo-mc.de)
14 Tracks, 47:54, aufwendiges Booklet, mit span., frz. und engl. Infos und Texten

„Unsere Folklore bereichert sich an Erfahrungen, die wir außerhalb unserer Kultur entdecken. Sie ist die Frucht unserer Neugier, die uns antreibt, andere Horizonte und Rhythmen auf dieser Welt zu entdecken.“ So lautet das Credo der uruguayischen Sängerin Beatríz Aguíar, die auf der vorliegenden Scheibe genau diese Vermischung der Kulturen praktiziert. Sie schöpft aus der reichen musikalischen Tradition Südamerikas, dem leidenschaftlichen Tango, der brasilianischen Samba, der kraftvollen Chacarera und der uruguayischen Candombé - einem afrikanischen Trommelrhythmus, der seit über 300 Jahren durch Montevideos Adern fließt und dem die Hauptstädter geradezu huldigen. Gleichzeitig greift Beatríz Aguíar, die seit Jahren in Holland lebt, auf europäische Wurzeln zurück und bringt zeitgenössische Elemente in ihre musikalischen Kosmos ein. Mal schmeichelt und fleht sie mit ihrer warmen Altstimme, um dann wieder selbstbewusst oder verträumt die unterschiedlichsten Stimmungen einzufangen. Die instrumentale Begleitung ist bewusst dezent gehalten, Gitarrist Hernan Ruíz, die Pianisten Pablo Dobal und José Lopretti, Bassist Mick Paauwe, Schlagzeuger Enrique Firpi und Bandoneonspieler Dario Polonara untermalen abwechselnd den Gesang der charismatischen Künstlerin, die mit Mi Canción („Mein Lied“) wohl ihr bisher persönlichstes Album vorgelegt hat.

Suzanne Cords

 

BEATRÍZ AGUÍAR - Mi Canción


RICHIE SPICE
In The Streets To Africa

(VP Records/Rootdown Music VPCD 1748, www.rootdown-music.com)
15 Tracks, 57:04

Nein, es handelt sich um kein verstecktes Ex-Mitglied der Spice Girls, aber auch um keinen Bonner, obwohl Richie Spice bürgerlich als Richell Bonner geboren wurde. Und zwar nicht in der Bundesstadt, sondern vor den Toren Kingstons, Jamaika. Mit seinen 35 Jahren gehört er nicht gerade zur jungen Garde der Reggaeszene. Dafür macht er als Spätstarter eine ziemlich gute Figur, wurde bereits von Kritikern namhafter Tageszeitungen wie der New York Times und der Los Angeles Times hoch gelobt. Die Lorbeeren trägt er zu Recht, auch angesichts dieser Veröffentlichung. Es geht um traditionellen Roots Reggae mit Haltung, aber ohne Retro-Touch. Manche Songs besitzen das Potenzial, Hymnenstatus zu erreichen wie weiland Marleys „Get Up, Stand Up“. Beispielsweise „Open The Door“, ein Aufruf zum Kampf gegen die Armut. Oder „Youth So Cold“, das den Fokus auf mangelnde Perspektiven für Jugendliche richtet. Der gläubige Rastafari predigt aber nicht nur, sondern kann auch gelassen und schön, etwa wenn er zum Lob der Frauen singt („Groovin’ My Girl“, „Black Skin“). Das tut er im Gegensatz zu etlichen anderen schwarzen Künstlern auf respektvolle Art: Ein Macho ist der Richie nicht. Aber ein guter Musiker und Sänger, der sein Album geschmackvoll und abwechslungsreich arrangiert hat. Was soll man sich mehr wünschen?

Volker Dick

 

RICHIE SPICE - In The Streets To Africa


ANA CAROLINA & SEU JORGE
Ao Vivo/ Live

(Sony BMG, Naïve/Indigo CD26382, www.nuzzcom.com)
CD: 15 Tracks, 65:38, mit portugiesischen Texten
DVD: 20 Tracks, ca. 100:00

Vor anderthalb Jahren stand diese Scheibe wochenlang an der Spitze der brasilianischen Charts, jetzt ist sie endlich auch auf dem deutschen Markt erhältlich. Die 33-jährige Sängerin Ana Carolina hat sich längst einen Platz in Brasiliens Musikerolymp gesichert, mit ihrer gefühlvollen Altstimme kriecht sie ihren Zuhörern direkt unter die Haut. Seu Jorge wurde weltweit durch seine Rolle als Mané in dem Film City of God bekannt, der die brutale Realität der Favelas beschreibt. Seitdem hat das ehemalige Straßenkind eine beachtliche Karriere als Gitarrist und Sänger hingelegt, sein rauer Bass scheint geradewegs in die Tiefen der Hölle hinabzuführen. Zusammen haben Ana Carolina und Seu Jorge ein Meisterwerk geschaffen, das sowohl inhaltlich als auch musikalisch neue Maßstäbe setzt. Schonungslos stellen sie die Chancenlosigkeit der Straßenkinder, Gewalt, Korruption und die Gleichgültigkeit der Gesellschaft an den Pranger; neben Eigenkompositionen leuchten auch Adaptionen wie z. B. Gainsbourgs „Chatterton“ in neuem infernalischem Feuer. Doch nicht nur Hoffnungslosigkeit, sondern auch Werte wie Freundschaft und gegenseitiger Respekt stehen in Liedern wie „Carolina“ oder „Comparsas“ im Fokus. Ana spielt Gitarre und Trommel, Seu Jorge Gitarre und Klarinette. Der Klang der Instrumente untermalt dezent die kraftvollen Stimmen dieser beiden Künstlerseelen, die zueinander gefunden haben.

Suzanne Cords

 

ANA CAROLINA & SEU JORGE - Ao Vivo/ Live


ANDY PALACIO & THE GARIFUNA COLLECTIVE
Wátina

(Exil 822322, Indigo, www.exil.de)
12 Tracks, 50:03, mit engl. Infos und Texten auf Englisch und Igñeri

Wátina ist nicht irgendeine weitere Scheibe aus Mittelamerika, sondern ein Denkmal für die vom Aussterben bedrohte Kultur der Garifuna. Ihre Heimat ist Belize, das im Norden an Mexiko und im Westen an Guatemala grenzt. Gen Osten hin erstreckt sich die Karibik, wo die Geschichte der Garifuna im Jahre 1635 begann. Damals sanken zwei Sklavenschiffe vor der Küste; die überlebenden Afrikaner retteten sich an Land und vermischten sch mit den Ureinwohnern: Das Volk der Garifuna war geboren. Heute zählt die afroindianische Ethnie rund 170.000 Menschen. Der Gitarrist und Sänger Andy Palacio hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Kultur und Sprache der Garifuna am Lebe zu erhalten. Seine Lieder singt er auf Igñeri, die Rhythmen basieren auf dem typisch afrikanischen Call-und-Response-Gesängen, bringen Elemente der traditionellen Heilungszeremonie ein und machen Anleihen beim Reggae. Palacio singt vom Alltag, in dem ein Freund beim Fischen den Krokodilen zum Opfern fällt oder eine wütende Ehefrau den im Morgengrauen heimkehrenden Gatten vor die Tür setzt; er prangert aber auch soziale Ungerechtigkeit an und bittet Gott um Führung und Stärke für sein Volk. Herzergreifend ist das wehmütige „Ámuñegü“, in der er um die Zukunft der Garifuna bangt. Beseelt, melancholisch und mit zeitgenössischen Kniffen versehen macht Andy Palacios Album neugierig auf dieses unbekannte Volk an den Gestaden Belizes.

Suzanne Cords

 

ANDY PALACIO & THE GARIFUNA COLLECTIVE - Wátina

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