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COLMAN CONOLLY, TOBI KURIG, FRANZISKA URTON
Blue
(Fox Music 2007, www.colmanconnolly.com/blue)
11 Tracks, 47:16, mit Photos u. engl. Infos
Es häufen sich in letzter Zeit die Beispiele dafür, dass auch
deutsche Musikerinnen und Musiker die moderne Spielweise der
keltischen Trad- und Folkmusik nicht nur nachahmen, sondern in der
Meisterklasse mitspielen, und ein solches liegt hier vor. Zwar ist
Frontpiper, -whistler und -flöter Colman Conolly Ire und sein
traumhaft schönes Spiel dominiert auch die elf ausnahmslos
instrumentellen Tunes, aber man muss sich auf jeden Fall genau
anhören, was sich neben und hinter ihm tut, denn da fabrizieren Tobias
Krug (Ten String Bouzouki), Franziska Urton (Fiddle), Catriona Price
(Fiddle), Johannes Mayr (Kontrabass), Holger Ries (Cajon, Percussion),
Camine Roja (E-Bass), Rolf Wagels (Bodhrán) und Wolfgang Brammertz
(E-Bass) ein ungemein dichtes, vielstimmiges und -schichtiges,
durchdringendes melodiöses und rhythmisches Spiel mit inselkeltischen,
französischen, balkanischen und anderen Wurzeln, sodass ich nach
vollendetem Track 11 sofort wieder auf Play drücke, weil ich gar nicht
genug bekomme. Die neun Musiker(innen) spielen ansonsten großenteils
bei Déirin Dé, Dán, Whisht!, Steampacket und anderen Avantgardebands
der deutschen Keltenszene, das heißt, Catriona Price ist von Orkney
und spielt dort bei Hadhirgaan.
Michael A. Schmiedel
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MARAMMÈ
Frate Nunzio E La Sua Stroria
(Eigenverlag, www.maramme.de)
15 Tracks, 43:55, mit Texten und Infos
Süditalienische Musik von einer Band aus Dresden, gesungen in
neapolitanischem, sizilianischem und apulischem Italienisch - kann das
gut gehen? Oft tönen Bands fernab ihrer musikalischen Wurzeln wie
schale Kopien aus dem Land ihrer Vorbilder. Nicht so bei Marammè. Hier
wird mit Verve, Können und Kreativität losmusiziert. Dresden scheint
ein Vorort von Neapel zu sein, wo die Tamorra-Trommeln die Pizzica und
Tarantella antreiben. Diesen Tänzen wurde im Mittelalter im Tarantismo
eine therapeutische Wirkung nachgesagt. Der Gesang der Sängerin
Annegret Rodig jedenfalls besitzt die Kraft eines
Instant-Antidepressivums. Wie schwerelos koloriert sie ihren barocken
Belcanto in den unterschiedlichen süditalienischen Idiomen, dass es
eine Freude ist. Das liebevoll gestaltete Booklet mit der wilden
Geschichte um Bruder Nunzio rundet das gelungene Debütalbum ab.
Marammè werden im Mai zum deutschen Preis für Weltmusik um die
creole antreten. Wer sich mit ihnen messen will, wird sich
anstrengen müssen.
Martin Steiner
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ALEXANDER WOLFRUM
Sie nennen mich Sandy
(Intraton IntrA-06007)
17 Tracks, 68:59, mit Texten
Alexander Gustav „Sandy“ Wolfrum aus Bayreuth, Mitbegründer der
Gruppe Feelsaitig, ist seit über 20 Jahren mit Liedermacherei
beschäftigt, in Hochdeutsch, Englisch und Fränkisch, als Gastgeber
beim Festival der Liedermacher, als Musikverleger, als Solokünstler
und als Bandmitglied. „Meine Musik ist nicht massengerecht,
dummerweise möchte ich aber keine andere Musik machen!“ lautet sein
Credo, das sich auch in seinen Liedern auf der CD widerspiegelt. Er
besingt mit seiner tiefen Stimme die Liedermacherei und veräppelt
scheinbar tiefsinnige Songs mit schwammigen Metaphern ohne wirklichen
Sinn. Doch auch ernsten Themen wendet er sich zu. Er hält am Wort
„Frieden“ fest, auch wenn es in den letzten Jahren in Verruf und aus
der Mode gekommen ist. Folgerichtig lehnt er den Irakkrieg ab und
singt dagegen, wie dieser mit Manipulationen und Tränengas
durchgesetzt wurde. Doch er spannt den Bogen breiter. Von der
Liebeserklärung an die Wagnerstadt Bayreuth bis zu Bob Dylan auf
Angelsächsisch, von Ray-Davies-Songs bis zur Erinnerung an den
verstorbenen Freund und Musikerkollegen Johann „Hanzle“ Scharrer. Ein
sehr persönliches Album, mit Gastmusikern eingespielt, nichts für die
Quarts, aber solide Songs, die für viele etwas bereithalten.
Rainer Katlewski
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FABULA
Panta Rhei
(Eigenverlag; www.fabula-aetatis.de)
11 Tracks, 42:39
Alles fließt - auch die Mittelalterbands sind ständig in Bewegung.
Aus Mitgliedern der 2002 aufgelösten Fabula Aetatis, die dann Cultus
Ferox gründeten, entstand das neue Projekt samt CD. Zu hoffen ist,
dass es länger zusammen bleibt, denn die Ansätze sind viel
versprechend.
Wir hören zwar das übliche Marktinstrumentarium (Trommeln,
Schalmeien, Dudelsäcke), aber die Arrangements, Rhythmisierungen und
Breaks machen das Ganze sehr abwechslungsreich und interessant.
Naturgeräusche, der akzentuierte Einsatz der Flöten und Pommern als
Melodieinstrument und verschiedene Verfremdungen lassen aufhorchen.
Die Dudelsäcke sind sauber produziert (Ex-Corvus-Corax-Produzent TEC),
bestechend ist der volle angenehme Klang der leisen Salon-Pipes. Es
sind nur Instrumentalstücke, u. a. eine Bearbeitung des
Dougie-MacLean-Stücks „The Gael“ aus dem Film Der letzte
Mohikaner sowie das altenglische „Taramarka“ in zwei Versionen.
Hervorzuheben sind die vertrackten Perkussionen von El Sabio de Moya,
besonders auf der Darabuka. Fazit: Empfehlenswert, nur etwas kurz!
Piet Pollack
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NEUN WELTEN
Vergessene Pfade
(Auerbach Tonträger, www.auerbach.cd)
10 Tracks, 45:49
Junge Musiker, die musikalische Erfahrungen teilweise aus der
Klassik, teilweise aus dem Hardrock mitbringen, sind der Mystik der
Natur verfallen, ihrer eigenen mitteldeutschen wie auch der nordischer
Sagenwelten, und setzen diese Stimmungen und Empfindungen musikalisch
um. Sie lassen die Atmosphären von Natur im Nebel, von Nacht und
Weite, vom Mittsommer-Lagerfeuer in melancholische, verträumte
Melodien fließen (alles Eigenkompositionen). Zwei Frontfrauen (die
Melodieinstrumente) mit einem Trio im Hintergrund lassen ihre und
unsere Phantasie fließen. Die Musik schlängelt sich auf aus eigener
Kraft erdachten Pfaden, lässt Traumwelten entstehen und lädt zum
Fallenlassen ein. Dabei entwickeln die Hallenser mit ihrer rein
akustischen Besetzung (darunter Gitarre, Violine, Cello, Flöten,
Perkussion) nicht nur ausgezeichnete Spannungsbögen und einprägsame
Traummelodien, sondern können auch ein verhalten-kraftvolles Feuerwerk
entfachen. Lediglich zwei Titel sind mit Gesangsstimmen untersetzt;
sie dominieren nicht, sondern geben der Musik eine weitere Dimension.
Dieser sparsame Stimmeneinsatz macht die beiden Stücke zu Höhepunkten.
Die Texte wurden entlehnt aus der nordischen Sage Edda. Die 45
Minuten beinhalten ein Auf und Ab der Intensität, sodass man das Ende
unbedingt mit der Repeattaste überbrücken muss.
Jürgen Brehme
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GOO BIRDS FLIGHT
Villains And Brides
(Leiselaut 2006, www.goobirdsflight.de)
9 Tracks, 44:42, mit Photos u. engl. Texten und Infos
Selten bis nie hörte ich eine Musik der Rubrik „Celtic Folkrock made
in Germany“, die mich so ansprach wie die dieser Band aus Sörgenloch
in Rheinhessen. Frontsängerin Ina Breivogel singt mit feiner,
mädchenhafter Stimme, zumeist in einem atemberaubenden Tempo, das aber
in keiner Weise gehetzt wirkt. Dabei bewegt sie sich auf einem
wiegenden, rockigen, groovigen Klangteppich, den Lothar Schwamb auf
Keyboards und Drehleier, Volker Hünefeld auf Bass und Mandoline, Peter
Erb auf Gitarre, Akkordeon und Low Whistle und Manfred Vollrath auf
Schlagzeug und Percussion sowie die Gastmusiker Nils Nolte auf Low
Whistle und mit Hintergrundgesang und Klaus Ebeling auf dem
diatonischen Knopfakkordeon produzieren, der zu dem zarten Gesang eine
sehr spannende und zugleich entspannende Kontrastharmonie bildet. Am
ehesten erinnert mich die Musik von Melodieführung und Takt her an
Paddy Goes To Holyhead, die ja auch schräg gegenüber auf der anderen
Rheinseite zu Hause sind. Die Texte sind indes anders als bei PGTH,
fast alle traditionell, wenn auch ganz eigen, zumindest teilweise
geradezu genial arrangiert.
Michael A. Schmiedel
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GALAHAD
Ladhivan - Tales Of Celtic Myths
(www.curzweyhl.de; www.galahad.de)
17 Tracks, 61:45, mit engl.Texten
Alles, was ich zur CD Myrdin aus dem Jahr 2000 (siehe
Folker! 04/2002) lobend auflisten durfte, trifft auch auf das
sechste Album der seit 1985 bestehenden Folkrocker zu. Der kompakte
Jethro-Tull-Sound (sie waren schon Support Act bei den Meistern
höchstselbst!) ist durch die Querflöte von Paul Jost immer noch
präsent, wird aber bestens ergänzt durch das Akustikset historischer
Instrumente und abwechslungsreiche Arrangements. Deutlich irischer und
deutlich mittelalterlich-mystischer präsentieren sich die 17
Eigenkompositionen. Neue Frauenstimme (Tina Schreiber) und Gastmusiker
Henning Wilms (Dudelsäcke, Whistles, Bombarde) lassen aufhorchen. Nach
wie vor dominiert der vielschichtige Mix mit Rockbasics, aber alle
Titel sind deutlich unterschiedlich: mal ruhig und verspielt, mal
geradeaus. Insgesamt sehr angenehm.
Piet Pollack
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NILS KOPPRUCH
Den Teufel tun
(V2 Records VVR1045802, www.nilskoppruch.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 42:52
Fink ist nicht mehr. Nach zehn Jahren und sieben Alben ging die
norddeutsche Songwriterkapelle um
Gründer-Texter-Sänger-Komponist-Gitarrist Nils Koppruch auseinander.
Buchstäblich. Nach der letzten Tour sind alle nach Hause gegangen -
und aus. Aber weder war Groll ein Grund dafür noch ist dies ein Grund
für Gram: 1. war es nach etlichen Neubildungen an der Zeit und 2.
lebt der Fink-Geist in seinem Schöpfer weiter. Dieser hat gerade ein
Ei gelegt. Den Teufel tun ist hinsichtlich seiner poetischen
Erzählweise und der musikalischen Spielarten quasi die Fink-Essenz.
Koppruch ist dichter denn je bei sich, und das klingt vertraut: nach
Old-Time, nach Oldham und auch mal wie spröder Rock („Heimweh“). Ex-
Bandkollegen spielen sich durch die zwölf Geschichten dieses
Songbuches. Die Kapitel handeln vom Mut, seltsamen Begegnungen,
genutzten und verpassten Gelegenheiten. Sie sind ohne Anfang, Ende
oder Zeit und voller Metaphern. Alle paar Seiten fällt ein Satz, der
klingt, als hätte es ihn immer schon gegeben: „Solange es im Graben
quakt, sind die Frösche noch am Leben“ oder „Es ist okay, dass alles
nur einmal ist“. Das ist wie Trost. „Noch nichts ist verloren, nicht
jetzt schon“, heißt es im zwölften Lied. Der letzte Schrei des alten
Finken ist also quasi sein Ur-Kräh. Ein wunderschönes Album, auch
graphisch, diesmal nicht von ihm alias SAM selbst, sondern von
Nathalie Huth.
Imke Staats
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