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DER ODENWÄLDER SHANTY CHOR
Eiland
(WOLKENstein o. Nr., www.shantychor.de)
Do-CD; CD 1: 15 Tracks, 54:36; CD 2: 17 Tracks, 62:34
Schann Scheid ist wieder da! Das Institut für spekulative Heimatgeschichte
in Fränkisch-Culmbach erzählt den weiteren Lebensweg des Helden aus Der
Herr der Heringe, der einer Gruppe gleichgesinnter Odenwälder Landeier
nach Australien auszuwandern gedenkt, dabei Schiffbruch erleidet und an
einem einsamen Eiland strandet. Für Freunde intelligenten, höheren Blödsinns
und der Wortakrobatik in der Tradition eines Robert Gernhardt dürfte das
neue Doppelalbum ses ungewöhnlichen Chors ein Hochgenuss sein. Skurrile,
narrative Passagen fassen Musikstücke zu einer Handlung zusammen. Eine
famos aufspielende Folkband liefert prima arrangierte Musik zum Chorgesang.
Balladeske Lieder, Folk-, Country- und Calypso-Songs und eben Shanties sind
zu hören, teils im Original belassen (einfach toll interpretiert zwei Songs
der kanadischen Musik-Ikone Stan Rogers, „Fogarty’s Cove“ sowie heimliche
kanadische Nationalhymne „Nothwest Passage“), teils sind sie in zum Wiehern
komischen Odenwälder Dialektübertragungen zu hören. Einfach nur genial!
Photos im Booklet machen große Lust, ein Konzert des Shantychors zu
besuchen. Wer dazu keine Gelegenheit findet: CDs kaufen, einlegen, Kopfhörer
über und auf große Reise gehen. Aloh-Ahoi!
Ulrich Joosten
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LAUSCHGOLD
dto.
(FM 125-2, Fine-Music/Soulfood, www.glm.de)
13 Tracks, 60:00
Musiker des Projektes Lauschgold stammen aus dem Umfeld von Quadro Nuevo.
entsprechend hohen Erwartungen an das Trio werden aber bereits beim ersten
Hören übertroffen. Welche Klänge Martina Eisenreich aus ihrer Geige zaubert,
begeistert und erstaunt. Evelyn Huber beweist, dass Harfe als spannendes,
fetziges Meloinstrument geeignet ist, fernab vom O’Carolan-Einerlei.
Wolfgang Lohmeier, der Dritte im Bunde, durfte mit seinen Percussions in den
letzten dreißig Jahren bereits zahlreichen Stars zu Schwung verhelfen, von
Fendrich bis zu Zuchowsky. Weite Strecken untermalt er präzise, aber
unprätentiös das Zusammenspiel von Geige und Harfe und bricht dann plötzlich
mit einem Ausflug zu lateinamerikanischen Rhythmen hervor oder untermalt
eine irische Melo mit chinesischen Trommelwirbeln. Lauschgold setzen auf
Eigenkompositionen und originell arrangierte Traditionals. Selbst zu oft
gehörte Melon aus dem, bevorzugt keltischen, Giftschrank werden durch
Lauschgold zu einem Hörvergnügen. Lauschgold schaffen das Kunststück mit
leisen Tönen gute Laune zu verbreiten. Der Kopf freut sich an den vielen
unerwarteten Einfällen, während der Körper längst swingt und zappelt. Reden
ist Silber, Lauschen ist Gold.
Chris Elstrodt
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CÉLINE RUDOLPH
Brazaventure
(Enja Records/Soulfood, ENJ 9502 2,www.enjarecords.com)
11 Tracks, 45:22, mit portug., engl. u frz. Texten
Wer ersten Töne ser CD hört, würde nie vermuten, dass hier keine
Brasilianerin am Start ist, sondern eine waschechte Berliner Pflanze. Aber
Sängerin ist wirklich Deutsche und unterrichtet als Professorin für
Jazzgesang an der Hochschule in Dresden. Alles andere als akademisch kommt
allerdings ses stimmungsvolle Album daher, auf dem sich Jazzvokalistin
einer Liebe aus Kindheitstagen widmet, nämlich der brasilianischen Musik.
Für ihr „Brazaventure“-Projekt konnte sie den renommierten Produzenten
Rodolfo Stroeter aus São Paulo gewinnen. Ein Glücksgriff, denn der lud den
virtuosen Gitarristen Paulo Bellinati, den Akkordeonzauberer Toninho
Ferragutti und Percussionisten Jovi Joviniano und Marcos Suzano ins Studio
ein: allesamt Meister ihrer Zunft, Rudolphs Stimme den richtigen Rahmen zu
geben. Mal singt sie portugiesisch, mal französisch, englisch und in einer
Phantasiesprache und doch spürt man in jedem Ton einen Hauch Brasilien.
Poetisch, kraftvoll und meisterhaft klingen Eigenkompositionen; Stücke von
John Coltrane und MC Solaar sowie das wunderbare „Deixa“ von Baden Powell
und ein deutsches Volkslied runden den eigenwilligen Reigen ab. Céline
Rudolphs Stimme schwebt feenhaft-leicht über luftigen Melon, um sich kurz
darauf in den bodenständigen Sambarhythmus zu stürzen und den Wirbel der
Trommelschläge zu begleiten. Ein kleines Meisterwerk!
Suzanne Cords
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ROCKO SCHAMONI & LITTLE MACHINE
Rocko Schamoni
(Trikont US-0359/Indigo, www.trikont.de)
10 Tracks, 37:07, mit Texten
Schwarz und düster ist neue, letzte (?) CD von Altstar Rocko Schamoni,
nachdenklich und pessimistisch sind auch seine Lieder darauf. Er hat nach
zig Jahren Popgeschäft Nase voll von ser oberflächlichen Knochenmühle und
singt sich seine Abneigung dagegen von der Seele. So ist ein anklagendes,
ein politisches Album entstanden, das unerbittlich gegen Lügen des
Popgewerbes, des Jugendwahns und ganze Oberflächigkeit unserer Gesellschaft
ins Feld zieht. Seine Alternative zu ser Entfremdung sieht er in der
Unmittelbarkeit, in der Liebe. Mit Matthias Strzoda am Schlagzeug und Jonas
Landerschier an den Tasten hat er seine Anklagelieder musikalisch freundlich
und ansprechend umgesetzt, so dass Lieder bei aller Bitternis Ohren
umschmeicheln. Eine CD mithin, aufhorchen lässt. Man darf gespannt sein auf
nächsten Projekte von Rocko Schamoni. Zurzeit hat er sich mehr auf das
Schreiben verlegt, sein neues Buch erscheint im Frühjahr. Vielleicht hören
wir ja auch wieder mal etwas von ihm, ob live, auf CD oder im Internet, es
wäre auf jeden Fall zu begrüßen.
Rainer Katlewski
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DEGAS/WEISER
Heimat - von fern so nah - Loreley liebt Tropicana
(Piranha Musikverlag CD-PIR2008/Indigo CD 806252, www.piranha.de)
14 Tracks, 46:12
TRITORN
Sonne, Mond und Sterne
(AO-NRW CD.Nr. NRW 3037, www.tritorn.de)
14 Tracks, 47:40
Deutsche Volkslieder in angejazzten oder angepoppten Arrangements scheinen
angesagt zu sein.
Der brasilianische Gitarrist Jorge Degas und der deutsche Perkussionist
Andreas Weiser machen sich in Kooperation mit den Sängerinnen Nina Ernst und
Rezai samt einer Gang exquisiter Studio-Cracks daran, deutsche Volkslieder
brasilianisch-jazzig zu re-rhythmisieren. Musikalisch toll und vielfältig,
aber sehr, sehr gewöhnungsbedürftig. Mit nur zwei Instrumenten und einer
Stimme geht Tritorn wesentlich spartanischer und für mich dennoch
überzeugender zur Sache. Man sollte nicht vorschnell urteilen, wenn Sängerin
Anke Jochmaring beim ersten Track („Ich geh mit meiner Laterne“) mit
verruchtem Jazztimbre „Rabimmel, rabammel, rabumm“ schmachtet. Spätestens
nach ihrer fast schon pornographisch gestöhnten Version von „Spannenlanger
Hansel, nudeldicke Deern“ ist man von der Stimme ser großartigen Sängerin
gefangen und will mehr, mehr, mehr. Niko Meinhold am Piano und Sven Hinse am
Kontrabass begleiten den expressiven Gesang mit unglaublich gefühlvollen und
nonchalanten Arrangements, den alten Volksweisen Respekt zollen,
andererseits jedoch über das nötige Selbstbewusstsein verfügen, um sie
zwischen choralartiger Schlichtheit und Latin- und Souleinflüssen in völlig
neuem Glanz erklingen lassen. Auch sehr gewöhnungsbedürftig, aber schön,
einfach nur schön.
Ulrich Joosten
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BARBARA THALHEIM
immer noch immer
(Pläne 88941, www.plaene-records.de)
13 Tracks, 51:00
In Saint-Germain-de-Prés-en-Loiret kriegt sie „ besten Croissants von ganz
Frankreich“, aber aus Neukölln, wo Bäcker Melek Nasenpopel in Biobrötchen
schmiert, will sie „nur weg“: Türken mit Fettfrisur wetzen Messer; der
Nachbar nervt mit ruhestörendem Lustgestöhn, was ihm bei Gerhard Schöne im
Hinterhof nicht krumm genommen wurde. Dafür ist analphabetisch-weise
Afrikanerin barfuß (wozu auch Schuhe?) „verwurzelt wie ein baobab im
schwarzen Erdenschoß“ und spottet aller Globalisierung (dabei nehmen edle
Wilde Statusfragen, Totenkult, Haargel und Kleiderordnung tierisch ernst).
Doch was hülfe es, übergäben männliche Regierungschefs ser
Papalagi-Traumfrau Macht? Nüscht - des Lebens ungemischte Freude gab’s nur
im „flachen, flachen Kinderland“ (Domäne der Dorf-Rapunzeln), „wo wir so
wenig hatten und wurden trotzdem satt“. Tja, hätte „vormundsherrschaft“
nicht „irgendwann mal überhand“ genommen, raunten heut’ am Brandenburger Tor
noch Linden. „In eigener Sache“ kriegen noch mal alle ihr, d. h. Barbara
Thalheims, Fett ab: Beamte, Rechte, Linke, Heteros ... Schade, dass sich aus
Halbgarheiten, Ressentiments und Muff so schöne, perfekt arrangierte,
mitreißend gesungene Chansons stricken lassen.
Nikolaus Gatter
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DRBAJAN
Fantasmagoria
(sovietabilly records, www.drbajan.de)
16 Tracks, 62:09, Texte dt.-russ., Kommentar zu jedem Lied
Eine Band aus dem kosmokulturellen Berlin: der Russe Nikolai Fomin (=
DrBajan) schart für seine zweite CD zusätzlich zur deutsch-russischen
Stammbesetzung noch Gäste aus der Berliner Szene mit Ursprüngen aus ganz
Europa um sich, von Sibirien über Klezmer bis Österreich. Damit mischen sich
musikalische Ideen und Instrumente vom Bajan (dem russischen Akkordeon) und
Balalaika über Trompeten zur E-Gitarre. Entsprechend crossover ist Musik,
zwischen Rock, Country und russischem Folk in einer wilden Mischung, zu
ertragen schon eine Portion Partylaune braucht. Alles dreht sich, wie auch
bei der Bühnenpräsenz, um den Frontmann DrBajan mit seiner rauen, fast
gequälten Stimme. Von ihm auch launischen Ideen zu den Stücken, aus
Stimmungen und Episoden international-berliner Lebens stammen. Wer das sehen
will, hat auch noch neun Minuten Videoclip dabei.
Jürgen Brehme
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HUUSMEISTER
Usser Konkurrenz
(Neuland Musik Best.Nr. 20061, www.huusmeister.com)
13 Tracks, 42:13
Zwölf neue kölsche Lieder und Coverversion eines Elvis-Songs - Lieder,
gegen den „amtlichen“ kölschen Karnevalszeitgeist gebürstet sind und uns den
Glauben daran zurückgeben, dass man mit kölscher Mundart noch andere
Artikulationen als „Alaaf, Blotwoosch, Kölsch un e lecker Mädche“ möglich
sind, jenseits jeglicher Fastelovendspeinlichkeiten rheinischer
Humorfunktionäre. Warum also eigentlich Usser Konkurrenz? Mit dem
seichten Karnevalsschlagergeseiere, das man ansonsten in Köln meist zu hören
bekommt, können Jungs von Huusmeister locker mithalten - und es ist
verständlich, dass man sich damit auf gar keinen Fall vergleichen lassen
möchte. Hanjo Butscheids Texte werden immer besser. Besinnlich,
philosophisch ohne abzuheben, genau beobachtend mit viel Respekt und Liebe
zum rheinischen Gemüt, nicht ohne kritische Beobachtung. Musikalisch wird
das Quartett, zu dem neben Butscheid (Stimme und Gitarre), Frank Denhard
(Mandoline und Gitarre), Frank Zaunegger (Bass) und der geniale Pete Haaser
mit unvergleichlich schöner Tastenarbeit am Akkordeon gehören, durch den
Gastmusiker Ralf Engelbrecht unterstützt, der mit seiner E-Gitarre Akzente
setzt. Dezent, aber wirkungsvoll und gelegentlich richtig rockig.
Ulrich Joosten
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