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ENSEMBLE AL KINDI
Parfums Ottomans
(Le Chant du Monde 5741414.15, www.harmoniamundi.com)
Do-CD im Großformat mit 25 Tracks, 145:52 sowie 42-seitige Textbeilage engl./franz. mit Notationen
Die „orientalische Klassik“ der osmanischen Sultanshöfe feiert eine
Wiederauferstehung. Seit etwa 10-15 Jahren gibt es zahlreiche
Veröffentlichungen von alten Kompositionen oder seltenen Instrumenten. In
Paris wurde das Doppelalbum des 10-köpfigen Ensembles Al Kindi mit Musikern
aus der Türkei, Syrien, Ägypten und Aserbaidschan um den französischen
Kanunspieler und Arrangeur Julien Djalal Weiss eingepielt. Die meisten
Kompositionen entstammen einer Zeit (16.-18. Jh.), in der das Osmanische
Reich weite Teile Arabiens umfasste. Die Eigenheiten der osmanischen Musik
werden hier eindrucksvoll demonstriert: die Feinheiten der Melodien mit
ihren Mikrotönen und die oft abenteuerlichen Rhythmen (bis hin zu einem
zusammengesetzten 224/4-Takt), die abwechslungsreich eingesetzten
Instrumente, das gekonnte Unisonospiel und spannende Improvisationen, die
auch ein mehr als 23-minütiges Stück abwechslungsreich gestalten. Die
Melodieführung wirkt weicher und eleganter als bei manchen anderen
Produktionen, die eine eher mathematische Strenge aufweisen. Dieses
Doppelalbum zeigt in vielfältiger Weise, dass diese orientalische Musik
grundsätzlich anders ist wie die europäische Klassik, aber äußerst reich an
eigenen Qualitäten.
Birger Gesthuisen
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DAM
Dedication
(Red Circle Music 001/Indigo, www.dampalestine.com)
15 Tracks, 60:36, mit engl./arab. Texten
Es wurde höchste Zeit! Drei junge Palästinenser benutzen HipHop als
Ventil, um ihren Frust hinauszuschreien, eine Kindheit und Jugend im Krieg,
der seit 50 Jahren in ihrer Heimat herrscht. Von Zukunft weit und breit
keine Spur. Im Vordergrund stehen natürlich die Texte, die leider nachlesen
muss, wer kein Arabisch kann. Keine Killa-Gangsta-Raps, sondern eine
intelligente Auseinandersetzung mit der Realität, mit Rückblicken und der
Frage nach Ausblicken - Texte, die einen Gedichtband ehren würden. Doch auch
die Musik ist ansprechend. Klar, es stampft, doch wer hinter die Beats hört,
wird eine Menge Schönheit entdecken, mit viel Liebe gemacht, „Die Liebe in
den Zeiten der Cholera“, um mit Gabriel Garcia Marquez zu reden. Jungs, tut
euch mit Nitin Sawhney und Gilad Atzmon zusammen, letzterer hat sich bereits
als Fan geoutet, um gegen die brutale und menschenverachtende Entrechtung zu
kämpfen, gegen die Apartheid. Ein schönes Album, ein aussagekräftiges Album,
ein aufrüttelndes Album, und darum ein verdammt wichtiges Album.
Luigi Lauer
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ENSEMBLE CHANCHALA
The Day The Swallows Came
(Klangräume Musikproduktion 30580, www.KlangRaeume.de)
9 Tracks, 55:02, mit engl. Kurzinfos
Das Ensemble Chanchala ist ein Projekt des konstanzer Jazzflötisten
Charles Davis zusammen mit Sandip Bhattacharya (Tabla, Klangschalen,
Bronzeglöckchen ghungru, Stimme), Andieh’ Merk (Kelchtrommel
dharbuka, Tambourin, Becken, Kehlkopfgesang und eine Trommel aus zwei
Stahlblech-Halbschalen namens hang), und Buba Davis-Sproll
(Grundtonlaute tanpura). Als Ausgangspunkt für seine komplexen
Kompositionen verwendet das Ensemble häufig nordindische Ragas wie Dhani,
Chandrakauns, Marwa, Kirwani oder Multani. Natürlich handelt es sich dabei
nicht um die reine Lehre nordindischer Klassik, sondern eher um ein
Nachspüren, um ein Sich-inspirieren-lassen. Charmanterweise erinnern die
Arrangements mancher Stücke dann aber doch an den Ablauf einer klassischen
Aufführung: Ein langsames Solo zu Anfang, dann rhythmischer durch Einsatz
der Trommeln, zwischenzeitlich ein Geflecht aus Soli und Duos und als Finale
ein kleines Feuerwerk aus Melodie und Rhythmus. - Gelegentlich meldet sich
dann der hartnäckige kleine Purist in mir und verlangt nach etwas mehr
Authentizität. Doch dies ist keine klassisch-indische, sondern eine
Jazzplatte. Und gerade Jazzer müssen radikal mit dem Material umgehen, das
ist halt ihre Kunst! Und nebenbei: Das Konzept des Ensemble Chanchala ist
das bisher schlüssigste, das mir in den letzten dreißig Jahren zum Thema
„Jazz meets India“ begegnet ist! Respekt!
Walter Bast
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THE SHIN
EgAri
(Jaro 4278-2, www.jaro.de)
11 Tracks, 48:25, Infos auf Deutsch und Englisch
Die georgische Combo The Shin verbindet auf ihrer neuen CD EgAri
kaukasische Volksmusik auf spannende Weise mit dem Jazz. Traditionelle,
mehrstimmige georgischen Gesänge wechseln sich ab mit Scat-Tönen, wie man
sie etwa von Bobby Mc Ferrin kennt. Auf den typisch kaukasischen
Saiteninstrumenten Panduri und Chonguri lassen die Musiker volkstümliche und
Jazz-Spielweisen verschmelzen. Wunderschön auch die Töne der Duduki, eine
Flöte mit Holzaufsatz, die in der Türkei als „Mey“ bekannt ist: Ihr Klang
ähnelt dem eines Saxophons - auch darauf gelingt es EgAri, volkstümliche und
jazzige Melodien zu verbinden. Wie ein roter Faden ziehen sich durch die CD
die Rhythmen unterschiedlicher Trommeln, die meisterhaft gespielt werden.
The Shin wurde bereits 1998 gegründet, in ihrer Heimat haben die Musiker
schon längst einen Namen. Auf der WOMEX 2006 in Sevilla konnte sich The Shin
auch einem europäischen Publikum präsentieren. Der Name EgAri heißt
auf Deutsch übersetzt übrigens: „Genau das“. Genau das ist für Fans von
Ethnojazz ein Muss!
Natalie Wiesmann
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KAYHAN KALHOR/ERDAL ERZINCAN
The Wind
(ECM 1981, www.ecmrecords.com)
12 Tracks, 63:40, 16-seitige Photo-Beilage.
The Wind! Es beginnt mit einem feinen Hauch, der sich langsam zur
Brise aufbaut, aufwirbelt, ansteigt zu einem mächtigen Sturm, um dann
langsam abzuflauen. Immer wieder verändern die beiden Musiker Tempo und
Dynamik. The Wind ist das grenzüberschreitende Zusammenwirken eines
Türken und eines Persers. Beide Musiker greifen auf traditionelles Material
zurück, das sie umspielen, auflösen, ausschmücken. Sie entfachen empathische
Dialoge zwischen einem fast flötenartig gespielten Streichinstrument (die
Spießgeige Kamancheh) und einem voluminös klingenden Saiteninstrument
(Baglama), gelegentlich unterstützt von Ulas Özdemir an der Divan-Saz.
„Wind“ suggeriert Leichtigkeit, dabei ist dieses 12-teilige Opus ihr erstes
gemeinsames Werk. Kayhan Kalhor blickt auf Erfahrungen beim Studium der
westlichen Klassik in Italien und Kanada zurück, während Erdal Erzincan beim
Sazvirtuosen Arif Sag lernte, dessen Konzertpartner er später wurde. Beide
Musiker loten die Möglichkeiten ihrer Instrumente aus und versprühen
geradezu eine Lust am Feinsinn dieses orientalischen Dialogs. Die CD endet
in einem sturmumtosten Finale, das dann melodiös ausklingt.
Birger Gesthuisen
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LALGUDI G. JAYARAMAN
Violin Soul
(Felmay fy 8121, www.just-records-babelsberg.de)
4 Tracks, 61:00, mit engl. Infos
USTAD SHAHID PARVEZ
Kushal
(Felmay fy 8102, www.just-records-babelsberg.de)
2 Tracks, 65:36, mit engl. Infos
Der mittlerweile 76-jährige Geiger Lalgudi G. Jayaraman gehört zu den
großen Instrumentalisten der karnatischen (südindischen) Musik. Die
vorliegende CD ist Teil 1 einer auf fünf CDs angelegten Edition mit
Aufnahmen aus der großen Zeit dieses Ausnahmekünstlers. Da man bevorzugt
Aufnahmen aus den späten 70ern und frühen 80ern des vorigen Jahrhunderts
veröffentlichen will, beschert uns das vielleicht auch ein Wiederhören mit
den WDR-Produktionen der Jahre 1980/82. Begleitet wird der Maestro auf
dieser CD nicht nur von seinem Sohn Lalgudi G. J. R. Krishnan, der ebenfalls
ein brillanter Geiger ist, sondern auch von den beiden Percussionisten
Karaikudi R. Mani (Faßtrommel mridangam) und „Shakti“-Mitglied T. H.
Vinajakram (Tonkrugtrommel ghatam). Ein großer Sprung in den Norden:
Ustad Shahid Parvez interpretiert den Abenddämmerung-Raga Shyam Kalyan
während eines Konzerts in Turin im Jahre 2004. Nach einer halbstündigen
Einleitung, in der der Sitarmeister ausgiebig die charakteristischen
Tonfolgen vorstellt und umspielt, nimmt das Stück durch den Einsatz der
Tabla (gespielt vom großartigen Pandit Sankha Chatterjee) sukzessive an
Tempo zu. Mit einem rasanten Schlussteil, in dem Shahid die Melodiesaiten
seiner Sitar in den hohen Lagen ähnlich virtuos über die Bünde zieht, wie es
gute E-Gitarristen zu tun pflegen, endet dieser vom Publikum mit heftigem
Applaus quittierte Auftritt.
Walter Bast
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