back Rezensionen Nordamerika


GLEN SHERLEY
Live At Vacaville

(Bear Family Records BCD 16845, www.bear-family.de)
14 Tracks, 29:49, mit engl. Infos

JOHNNY SEAY
Blue Moon Of Kentucky

(Bear Family Records BCD 16153)
27 Tracks, 63:32, mit engl. Infos

DIVERSE
Deep Roots Of Johnny Cash

(Bear Family Records BCD 16844)
24 Tracks, 67:44, mit engl. Infos

Johnny Cash gilt als Inbegriff der Countrymusik. Doch schon als Junge hörte er sich die unterschiedlichsten Sachen an: „I loved every song I heard as a kid. No matter what kind of song it was.“ Bear Family ist der Frage nachgegangen, welche Songs Cash als Grundlage für seine Fassungen von Titeln wie „Danny Boy“, „Rock Island Line“ oder „Pick A Bale Of Cotton“ gedient haben mögen. Das Ergebnis ist auf Deep Roots Of Johnny Cash zu hören. Die Liste der historischen Aufnahmen reicht von Paul Robeson und Jimmie Rodgers über Burl Ives und Leadbelly bis hin zu Lonnie Donegan und natürlich der Carter Family.

Diese CD gehört ebenso wie die Veröffentlichungen von Glen Sherley und Johnny Sea in die Reihe The Johnny Cash Connection, mit der Bear Family neue Einblicke in das Werk von Cash geben will. Mit „Greystone Chapel“ hatte Johnny Cash einen Hit, den er Glen Sherley verdankte, einem Häftling im Gefängnis von Folsom, wo er 1968 sein legendäres Konzert gespielt hatte. Mit Cashs Hilfe bekam Sherley, der schon in Haft 500 Songs geschrieben hatte, nach seiner Entlassung 1971 einen Plattenvertrag und nahm im Gefängnis von Vacaville in Kalifornien eine LP auf. Live At Vacaville enthält neben dem Konzertmitschnitt mit Liedern über seine Erfahrungen hinter Gittern zwei Singles, die nicht auf dem ursprünglichen Album enthalten waren. Bei Johnny Seay - gesprochen Johnny C (!) - handelt es sich um einen Musiker, der wie Cash singen konnte. Blue Moon Of Kentucky enthält zwischen 1958 und 1964 entstandene Aufnahmen, die der Musiker aus Gulfport, Mississippi, ganz im Stil von Cash eingespielt hat. Darunter auch eine Coverversion von „Frankie’s Man, Johnny“, mit dem er Ende 1958 in die Charts kam. Im Booklet wird Seay zitiert, dass es sein Produzent Shelby Singleton gewesen sei, der ihn zum Cash-Sound gedrängt habe. Er selber hätte viel lieber Folkmusik gespielt. Anfang der 60er Jahre nahm Johnny Seay dann auch eine LP auf, mit der er eine Brücke zwischen Country und Folk schlagen wollte. 1969 stieg er aus dem Musikgeschäft aus. Seay hat Nashville und die Tatsache überlebt, dass man ihn fälschlicherweise immer nur als Cash-Imitator betrachtete.

Michael Kleff

 

GLEN SHERLEY - Live At Vacaville

JOHNNY SEAY - Blue Moon Of Kentucky

DIVERSE - Deep Roots Of Johnny Cash


SOLAS
Reunion - A Decade Of Solas

(Compass Records 7 4431 2, www.compass.com)
17 Tracks, 75:57, mit Infos und Begleit-DVD (Konzertmitschnitt und Backstage-Interviews)

Solas heißt die Band, die in Nordamerika anerkanntermaßen die Irish-Trad-Rangliste anführt. Jetzt zu ihrem 10-jährigen Jubiläum haben die Musiker um Seamus Egan (Flute, klass. Gitarre, E-Gitarre), Winnifred Horan (Fiddle) und Mick McAuley (Accordeon) die Liveaufnahme eines phantastisch konzipierten Konzerts in Philadelphia mitschneiden lassen. Hier geben sich alle heutigen und ehemaligen Bandmitglieder sozusagen die Tür in die Hand. So hören wir neben der heutigen sehr kraftvollen Sängerin Deidre Scanlon noch das Gründungsmitglied Karan Casey, deren delikate einzigartige Stimme mich immer wieder verzaubert. John Williams (Akkordeon) ist mit seinem sehr musikalischen Spiel dabei, neben dem heutigen Gitarristen Eamonn McElholm, der mit einem rockigen Uptempo-Song grandios rüberkommt, ist auch John Doyle mit von der Partie, für mich einer der weltbesten Rhythmusgitarristen - sein Groove reißt einen vom Hocker! Neben turboschnellen, äußerst virtuos gespielten Reels und Jigs gibt es auch jede Menge schön langsame Stücke zum „Chillen“, die Songwriterin Antje Duvekot steuerte zwei wunderbare Balladen zum Feuerzeug hochhalten bei und singt dabei auch noch selber mit. Im Verlauf des Konzerts kommt der Saal so richtig zum Kochen. Als Extra liegt dem Ganzen noch die DVD des Konzerts bei und setzt dem Höreindruck noch mal eins drauf! Unglaublich, wunderbar, Gänsehaut - ein „Muss“!!!

Johannes Schiefner

 

SOLAS - Reunion - A Decade Of Solas


HARPSWELL SOUND
Let’s Go Anyway

(Skycap Records 031/Peapod Recordings PEAR003/Rough Trade, www.roughtrade.de)
13 Tracks, 51:30, mit spärlichen engl. Infos

Da auch die Musikgeschichte in Wellen fortschreitet, kommt in jeder neuen Ära eine weitere Generation von Vorbildern hinzu: Brachte Schwiegermütterliebling Jonathan Richman in den 70ern Velvet Underground mit dem charakteristischen Schuss zeitgemäßer Rotzigkeit auf Punkniveau, so schrammelt das Quartett Harpswell Sound aus Portland/Maine heute Jonathan Richman mit den flüchtig-zerbrechlichen Alternative-Stilmitteln Richtung Neofolk. Es ist alles ein großes Kontinuum, gemeinsame Nenner: Gitarren, wenn nicht gerade lieblich, wie nichts Gutes gern verzerrt, kratzend und schabend; die Spannung, die entstand, als Folk zu Rock wurde, das Pastorale zum Städtischen, hart arbeitende Landbevölkerung zu durchgeknallten Metropoliten; ein allgegenwärtiges Gefühl von Entfremdung gegenüber allem und jedem; eine eiserne Gelassenheit im Umgang mit all diesen Gegensätzen. Und Figuren wie Kramer, legendärer Shimmy-Disc-Label- und Produzenten-Spiritus-Rector hinter Acts wie Jad Fair und Half Japanese, Galaxie 500, Daniel Johnston, Shockabilly oder Ween. Unter seinen Händen wird Noise schon von je so hypnotisch und monoton wie er sein muss, Folk lieblich, lebendig und virtuos, und die Stile dazwischen ein Surf zwischen beiden Polen ohne die kleinste Gefahr, vom Brett zu fallen. Mindestens die zweite Welle der Geschichte, auf der ihr Produzent hier reitet - und mit ihm nun auch Harpswell Sound ...

Christian Beck

 

HARPSWELL SOUND - Let’s Go Anyway


DIVERSE
Rogue’s Gallery - Pirate Ballads, Sea Songs And Chanteys

(Anti/SPV 6817-2A; www.anti.com)
Promo-Do-CD, 43 Tracks, 157:34

Rogue’s Gallery ist nicht der Soundtrack zu Fluch der Karibik 2, auch wenn es mit Regisseur Gore Verbinski und Johnny Depp zwei Hauptakteure des Films sind, die gemeinsam mit Produzent Hal Willner diese mit Piratenballaden, Seemannsliedern und Shantys prall gefüllte Doppel-CD zusammengestellt haben. Willner als „Kapitän“ des Projekts holte einen bunten Haufen singender Seeleute an Bord: darunter Bono und Sting, Nick Cave und Lou Reed, Jolie Holland und Lucinda Williams, Loudon Wainwright III und Bob Neuwirth, Kate McGarrigle und Van Dyke Parks. Sie alle singen sich - oder spielen sich wie Bill Frisell - durch tragische Balladen, wüste Sauf- und sentimentale Liebeslieder. Ob ernsthaft, humorvoll oder banal - verbindendes Element aller Titel ist der Bezug zum Wasser, zum Meer und zur Seefahrt. In Antiquariaten und im Internet ging Hal Willner auf die Suche nach geeigneten Titeln. Er fand 600! 63 wurden zwischen London, Dublin, New York und Los Angeles aufgenommen. 43 fanden den Weg auf die beiden vorliegenden CDs. Da wird Volume 2 von Rogue’s Gallery bestimmt nicht lange auf sich warten lassen. Und ob sich hinter einem gewissen Jack Shit wirklich Johnny Depp verbirgt, der sich hier als Sänger versucht mit „Boney Was A Warrior“, ist für die Bewertung dieses ungewöhnlichen CD-Projekts letztendlich völlig unwichtig. Und die lautet: beide Daumen hoch!

Michael Kleff

 

DIVERSE - Rogue’s Gallery - Pirate Ballads, Sea Songs And Chanteys


LLOYD COLE
Antidepressant

(Sanctuary SANCD429/Rough Trade; www.sanctuaryrecords.de)
Promo-CD, 11 Tracks, 40:11

Antidepressivum? Ja und nein. Nein, weil Lloyd Coles Musik seit mittlerweile zwei Jahrzehnten eher unter „Depressiva“ fallen müsste, wenn es sie denn gäbe - oder sagen wir: Melancholica. Andererseits ja, weil der Engländer mit Wohnsitz USA natürlich auch diesmal wieder ausführlich zum Thema singt, nicht nur im Titelstück. Und weil bei allen Arzneimitteln, nicht nur bei Antidepressiva, die berühmten schizophrenen Reaktionen möglich sind. Antidepressiva können runterziehen, Sedativa puschen - und selbst Lloyd Coles Musik kann der geschundenen Seele Linderung verschaffen, und sei es durch die stoische Ruhe, mit der er seinen Trübsinn erträgt, der Welt davon erzählt und sich damit als Gefährte von ganz besonderem Verständnis anbietet: einer von uns! Was seine Stimmungen betrifft, deutlich verhangen, was sein musikalisches Handwerkszeug betrifft, streng limitiert - so imitiert er sich inzwischen schon nicht mehr nur ständig mit ständig neuen „Rattlesnakes“, „2 CVs“, „Perfect Skins“ und wie sie alle hießen selbst, er geht mit „Travelling Light“ nun auch schon Johnny Cash und seinem „I Walk The Line“ an die für ihn doch noch etwas sehr große Wäsche. Und trotzdem ist Lloyd Cole ein nachhaltiges Beispiel dafür, wie viel Schönheit noch im Kaffeesatz der trübsten Tasse zu lesen ist. Diesmal wieder mit kompletter Band und all den Vorteilen, die sie einem Soloakustiker gegenüber hat - man muss nur einen Blick riskieren ...

Christian Beck

 

LLOYD COLE - Antidepressant


PF SLOAN
Sailover

(Hightone Records/Fenn Music HCD 8193, www.fenn-music.de)

1965 schrieb er „Eve Of Destruction“, den von Barry McGuire weltweit bekannt gemachten Protestsong. Weitere Hits kreierte Sloan u. a. für die Turtles, die Searchers, Johnny Rivers und Herman’s Hermits. Er selber hatte einen - wenn auch nur kleinen - Erfolg mit „Sins Of A Family“. Doch seine von Mitte bis Anfang der 70er Jahre aufgenommenen LPs stießen fast nur bei Kritikern auf offene Ohren. Jetzt ist der Musiker über 60 und hat nach mehr als 30 Jahren Pause wieder eine Platte vorgelegt. Und die ist richtig gut! „Sins Of A Family“ klingt in der Duettversion mit Lucinda Williams als ob der Song heute geschrieben worden sei. Auch „Eve Of Destruction“ klingt mit der Unterstützung seiner Kollegen Frank Black und Buddy Miller in keiner Weise wie ein Oldie aus vergangenen Tagen. Und dass er das Songschreiben nicht verlernt hat, zeigt Sloan mit neun neuen Songs. Vor allem „Violence“ ragt hier heraus. Ein Lied über das Ausmaß an Gewalt, mit dem wir jeden Tag vor allem im Fernsehen konfrontiert werden. Auch wenn Sloan die meisten Titel in einem Folk- oder Folkrockgewand präsentiert, kann er durchaus einen drauflegen. Das stellt er u. a. beim Titelsong und bei „Hollywood Moon“ unter Beweis. Bei letzterem klingt Sloan, unterstützt von Buddy Millers elektrischer Gitarre und Becky Hobbs Piano, als ob er bei Pubrockern wie Micky Jupp in die Schule gegangen sei. Und in „PK & The Evil Dr Z“ erinnert der Musiker an Bob Dylans „Subterranean Homesick Blues“.

Michael Kleff

 

PF SLOAN - Sailover


GRAYSON CAPPS
Wail & Ride

(Hyena HYN 9352/Rough Trade, www.roughtrade.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 40:57

Knapp 20 Jahre war Grayson „Love Song for Bobby Long“ Capps bereits im Geschäft bis zu seinem Solodebüt If You Knew My Mind. Der Nachfolger kam nun bereits nach nur 15 weiteren Monaten auf dem Markt. Es war nicht die einzige substanzielle Änderung in Capps Leben in jüngster Zeit und vermutlich auch nicht die größte. Bedeutender dürften sowohl die Geburt seines ersten Sohnes zur bereits seit einiger Zeit putzmunteren ersten Tochter gewesen sein als auch das Schicksal seiner Wahlheimat New Orleans. „Nehmt diese Songs als Beschreibung meiner Flucht aus New Orleans, meines Lebens in New Orleans und meiner Liebe zu New Orleans“, sagt er in den Liner Notes: „Sie war meine Geliebte, meine Muse und meine Sorge, und ich vermisse sie von Herzen.“ Das kann man hören - in jedem Schaben und Scheppern, Kratzen und Krachen, Grooven und Greinen, die das Album wieder bis zum Zerplatzen füllen: im „New Orleans Waltz“ natürlich, der halb nüchtern, halb gefühlig die Geschehnisse um Hurrikan Katrina besingt, im Bayou-Second-Liner „Poison“, im Barrelhouse Funk „A Song For You (Give It To Me)“, in der swingenden R-’n’-B-Ballade „Cry Me A Tear“. Und die Zutaten, die nicht direkt an den Süden erinnern - etwa die Country-&-Western-Nummer „Jukebox“ oder die Singer/Songwriter-Ballade „Daddy’s Eyes“ - stehen diesen in nichts nach. Der Melting Pot New Orleans kocht sie seinem Gumbo spielend unter - auch noch in 20 Jahren und später ...

Christian Beck

 

GRAYSON CAPPS - Wail & Ride


TOM WAITS
Orphans

(Anti-/SPV 6677-2P, www.spv.de)
Promo-CD
Brawlers
(16 Tracks; 64:22)
Bawlers
(20 Tracks; 69:39)
Bastards
(18 Tracks; 55:48)

Die Waits-Fans werden begeistert sein. Wer nicht dazugehört, dem sei empfohlen, die drei CDs in kleinen Dosen zu konsumieren. Das ist geballte schwer verdauliche Kost - eben Tom Waits. Wobei nicht unterschlagen werden soll, dass er alle seine Songs zusammen mit seiner Frau und langjährigen Partnerin Kathleen Brennan geschrieben hat. Allerdings ist nicht alles auf Orphans brandneu. Knapp die Hälfte der 54 Songs wurde an anderer Stelle auf Samplern oder als Teil von Filmsoundtracks schon veröffentlicht. Auf Brawlers geht es passend zum Titel - „Raufbolde“ - laut und teilweise rumplig zu. Blues- und Rockanleihen bestimmen das Klangbild seiner Geschichten, die wie immer in den Randbereichen unseres Lebens angesiedelt sind. Bei einem Song dieser CD wird Waits ausgesprochen politisch: „Road To Peace“ enthält deutliche Worte zum Nahostkonflikt. Ein Zeitungsbericht über einen jugendlichen Selbstmordattentäter hat ihn dazu inspiriert. Auf Bawlers geht es dann deutlich ruhiger zu - Folk und Country klingen an, wenn Waits u. a. Leadbellys „Goodnight Irene“ anstimmt. Und Bastards schließlich ist eine Waits’sche Raritätensammlung mit experimentellen Klängen und Geschichten. Dazu gehören „Heigh Ho“, das Lied der Zwerge aus der Disney-Version von Snow White, und der Kurt-Weill-Song „What Keeps Mankind Alive“. Das begleitende 94-seitige Hardcoverbuch zum 3-CD-Set Orphans mit Texten und Informationen wurde dem Rezensenten aus „Kostengründen“ nicht zur Verfügung gestellt. Auf den angebotenen Ausdruck einer pdf-Datei habe ich verzichtet, weil das nicht der Wahrnehmung entspricht, mit der zumindest ich an eine neue Veröffentlichung als Gesamtkunstwerk herangehe.

Michael Kleff

 

TOM WAITS - Orphans


KELLY JOE PHELPS
Tunesmith Retrofit

(Rounder Europe 11661-3249-2/in-akustik, www.in-akustik.com)
12 Tracks, 44:45, mit engl. Infos und Texten

Als dritte Säule wahrer Folk-/Blues-/Singer/Songwriter-Meisterschaft hat Kelly Joe Phelps seinem feinen Songwriting und dem ebenso fähigen wie inspirierten Musizieren seiner selbst wie seiner exzellenten Begleitmusiker inzwischen eine verblüffende Vielseitigkeit hinzugesellt. Da werden die charakteristisch sanftmütig und midtempo intonierten Geschichten des gebürtigen Landeis aus Washington State nun auch schon einmal von deutlich Flotterem, Griffigerem, Kraftvollerem aufgemischt, öffnet sich das Spektrum der Stile und Genres fast mit jedem Stück noch weiter als zuvor. Bis hin zu den ersten Instrumentals seiner Karriere geht das, die der ehemalige Ryko-Künstler nun für sein erstes Rounder-Album aufgenommen hat - eines überraschender als das andere: „Scapegoat“ lässt nervös fickrig Phelps’ bereits vor Jahrzehnten in Vergessenheit geratene Liebe zum Banjo wieder aufblitzen, „MacDougal“ weint mit einem entspannten Ragtime auf der Gitarre dem 2002 verstorbenen Mayor besagter Straße - Dave Van Ronk - ein Tränchen hinterher, das Titelstück zaubert mit seiner vom Chef selbst gespielten Melodica zum Abschluss des Albums einen Moment von Melancholie, Wehmut und Abschied, der in seiner Stimmungshaftigkeit seinesgleichen sucht. Und nie wird der Mund dabei auch nur einen Millimeter weiter aufgerissen, als es der Sache dienlich ist - die vierte Säule wahrer musikalischer Meisterschaft.

Christian Beck

 

KELLY JOE PHELPS - Tunesmith Retrofit


THE MERCY BROTHERS
Strange Adventure

(Cora Zong 225 093/Soulfood, www.corazong.com)
10 Tracks + 7 Bonustrack, 69:26

Wenn die Gesangsstimme von Barrence Whitfield and the Savages auf die Gitarren der Band Radio Kings trifft, dann kann das Ergebnis eigentlich nur gut werden. Und so kam es auch: Soulsänger und Blues Shouter Whitfield bringt seine kraftvolle Stimme mit deutlich hörbarer Begeisterung in dieses Projekt ein, ebenso Gitarrist und Produzent Michael Dinallo. Diese beiden bilden die „Mercy Brothers“, die aber nur dann Gnade walten lassen, wenn ein Song wirklich gut ist! Erstklassige Bluessongs, zum Großteil aus der Feder von Michael Dinello, finden sich unter den ersten zehn Tracks - begleitet werden die beiden hier von ihrer Studioband. Song 11 bis 16 hingegen sind live im Osloer „Muddy Waters“ aufgenommen - ein Woody-Guthrie-Klassiker ist auch dabei. Als Gastmusiker live auf der Bühne fällt der bemerkenswerte norwegische Gitarrist Vidar Busk höchst positiv auf. Als wären es der Bonustracks nicht schon genug, gibt es als schönes Schmankerl noch den „Tennessee Blues“, ein Studiodemo, bei dem man die beiden Blues Brothers allein im Duo erlebt. Strange Adventure ist ein ausgesprochen erfrischendes Album und ein Blick in verschiedene Epochen des Blues, Soul und Country - transferiert in die Gegenwart.

Carina Prange

 

THE MERCY BROTHERS - Strange Adventure


M. WARD
Post-War

(4AD CAD 2611 CDP/Beggars Group/Indigo; www.beggarsgroup.de)
Promo-CD, 12 Tracks, 37:42

Wer sich nicht in diesem „Neptune’s Net“ verfängt, das einen mitten in Matt Wards fünftem Album mit unwiderstehlichem 60er-Surf-Twang zwischen einem „Magic Trick“ wie von T. Rex und einem „Rollercoaster“ wie von einem schon halbderilierenden Honky-Tonk-Pianisten umschwirrt, dass einem schier schwindlig wird, dem holt auch des Doktors Hämmerchen keinen Reflex mehr aus dem Knie. Und auch sonst keine Manifestation menschlicher Lebenslust zwischen Pop und Poppen, aus welchem Teil des Körpers auch immer! Auch Bright Eyes und die White Stripes ließen sich von Matts musikalischen Fischzügen schon an Land ziehen, die den Kollegen bereits im Vorprogramm hatten, Jenny Lewis, deren Solodebüt Matt koproduzierte, und auch Neko Case, Jim James (My Morning Jacket) und Produzent Mike Mogis (Bright Eyes und andere), alle bei Post-War mit am Start, neben anderen ebenso versierten wie frischen jungen Musikanten. Matt Ward ist der Virtuose einer neuen Generation von Traditionalisten im Pop: Voll bis unter die Haubitze mit den Songjuwelen, die er - wie auf dem Vorgängeralbum Transistor Days vorgeführt - im Kalifornien seiner Kindheit aus dem Äther gesogen hat. Und ebenso versiert darin, die Versatzstücke schluffig, wie die Alternativszene heute ist, zu immer neuen Puzzles zusammenzusetzen, die an die Vorbilder erinnern, aber nie wie von Gestern klingen. Mit paradoxen Fangquoten: Je mehr, desto besser ...

Christian Beck

 

M. WARD - Post-War


LOREENA McKENNITT
An Ancient Muse

(Quinland Road/SPV QRCD109, www.spv.de)
9 Tracks, 54:28, mit engl. und franz. Texten und Infos (dt. Texte unter www.quinlanroad.com)

Die Kanadierin hat eine wunderschöne Stimme. Das musikalische Niveau der Einspielung ist hoch. Die Vielfalt der eingesetzten Instrumente ist groß und reicht von Harfe, Drehleier und Akkordeon über Oud, Lyra, Bouzouki und Uilleann Pipes bis hin zur skandinavischen Nyckelharpa. Ähnlich vielfältig sind die Stationen, an denen die kanadische Sängerin und Komponistin Loreena McKennitt auf ihrer musikalischen Reise Halt macht: Schottland, die Karawansereien der Seidenstraße, das griechische Delphi, die Mongolei und das alte Byzanz. Nicht weniger interessant sind die Geschichten, die McKennitt auf ihrem ersten Studioalbum seit zehn Jahren „erzählt“ - eingeleitet von einem Zitat aus Homers Odyssee: „Sage mir, Muse, die Taten des viel gewanderten Mannes ...“ Und doch ist das Gesamtergebnis irgendwie enttäuschend. Bekanntlich ist das Ganze ja mehr als die Summe seiner Einzelteile. Bei An Ancient Muse ist es umgekehrt. „... über weite Strecken wenig spannend - sondern irgendwie diffus esoterisch. Hätten Räucherstäbchen einen Klang - dieser wäre er“, habe ich in einer Kritik gelesen. Ich hätte es nicht besser formulieren können.

Michael Kleff

 

LOREENA McKENNITT - An Ancient Muse

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