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HANNES WADER
Mal angenommen

(Pläne 88936, www.plaene-records.de)
10 Tracks, 66:24, mit Texten

Lernt niederknien mit der Kritischen Theorie! „Urteilt gar nicht“, rät Wader dem Hörpublikum, das sich urteilslos „erfreuen“ soll. Aber wie würde ein Adorno seinen „Blues in F.“ kommentieren, das Tremolo auf „gibt“ zumal, im Adorno-Zitat, dass es kein richtiges Leben im falschen gihihibt ...? Mutmaßlich rotiert er im Grab nicht langsamer als die CD im Laufwerk, die aber nach Jahren der Verirrungen mit orchestrierten Heimatklängen und Löns-Gedöns mal wieder sehr schätzenswert geraten ist. Überraschende Ausbrüche aus dem gewohnten harmonischen Wader-Strickmuster („Der hölzerne Brunnen“) finden sich ebenso wie raffinierte Synkopen in „Gute Tage“, eine erfindungsreiche und trotzdem nie aufdringliche Begleitung u. a. durch freakige Steel Guitar, Dobro und Mandoline (Nils Tuxen) und zwei Perkussionen (Hakim Ludin und Ben Ahrens). Härter denn je dokumentiert „Gewalt“ die Traumata der Kindheit, deren Schrecknisse die Strophen ausmalen, gefolgt von einem Fazit in trockener Prosa, das dem sein Pferd malträtierenden Bäuerlein die Sprüche Salomoni vorhält. Ein 16-minütiger Rückblick auf die SPD-Familiengeschichte der Wader-Vorfahren, mit sinnfälligen Anekdoten aus der Bismarck-, Weltkriegs- und Nazizeit, beschließt diese eindrucksvolle CD.

Nikolaus Gatter

 

HANNES WADER - Mal angenommen


ROGER MATURA
The Return Of The CaveMan/Auf Wiedersehen Zukunft!?

(Songways/Ozella Music SW 53 CD, www.ozellamusic.com)
Do-CD, 39 Tracks, 145:12, mit Texten zu den CDs 1 und 2 sowie Infos
Bonus-CD Give My Regards To Waterloo Station (17 Tracks, 29:04)

Wer Roger Matura noch nicht kennt, hat etwas verpasst. Hier ist die Gelegenheit, es mit einem Schlag nachzuholen. Die vorliegende Werkschau mit Aufnahmen aus den Jahren 1979 bis 2005 umfasst 39 Eigenkompositionen, darunter mit „A Matter Of The Heart“, „I’ll Remember You“ und „Shadowlands“ drei bislang unveröffentlichte Lieder. Auf der Bonus-CD finden sich bis auf eine Ausnahme - „‚Forty-Niner’ Cajun Moon“ - analog neu eingespielte englische Coverversionen von Klassikern vor allem der frühen Beatära. Darunter „Sunny Afternoon“ von den Kinks, Procol Harums „A Whiter Shade Of Pale“ und „Nowhere Man“ von den Beatles. Auch wenn die meisten der hier zusammengestellten Titel in englischer Sprache sind, so zeigt er doch vor allem in seinen deutschsprachigen Werken, welche emotionale Intensität er in seine Lieder packen kann, die der Multiinstrumentalist mit rauchiger Stimme vorträgt - gleichgültig, ob er dazu in die Folk-, Rock-, Jazz- oder Blueskiste greift. Dafür stehen als eindrucksvolle Beispiele die von den Alben Industriestadt-Tot, Live in Thessaloniki und Schokoguß & Vanilleeis ausgewählten Lieder. Mit seiner Musik und seinen Texten bringt der heute im Rheinland lebende Roger Matura unverkitschte Melancholie und Leidenschaft zum Ausdruck, die ohne falsche Betroffenheit unter die Haut gehen können.

Michael Kleff

 

ROGER MATURA - The Return Of The CaveMan/Auf Wiedersehen Zukunft!?


FRIEND’N FELLOW
Crystal

(Ruf Records, Ruf 1118, www.rufrecords.de)
12 Tracks, 44:44, mit Texten

Ab diesem Album wird man von „Kristallen“ statt von „Perlen“ sprechen, wenn man einem Musikwerk besondere Bedeutung beimisst. Die Lichtgestalten der akustischen Musik haben mit Crystal ihre eigene Messlatte neu definiert. Thomas Fellow spielt die Gitarre mit traumwandlerischer Leichtigkeit, Constance Friend umschmeichelt die Songs mit ihrer Stimme und sorgt für Gänsehaut bei jedem Track. Jeder für sich hat einen eigenen Stil zur Perfektion geführt mit einem einzigartigen Wiedererkennungswert. Ab der ersten Sekunde zwingt man sich zum Zuhören, verliebt sich sofort in die Musiker, den Song und in jedes Detail, welches das Ohr erreicht. Kraftvoll und stark klingen die leisen Töne, man verflucht und bewundert die Musiker zugleich dafür, dass die unerträgliche Spannung nicht durch eine Bigband aufgelöst wird. Die Kritiker bescheinigen dem Duo zu Recht Weltklasse, „Golden Angel“ würde auch Sting gut zu Gesicht stehen und Al Jarreau sieht neben „Flyin High“ ziemlich blass aus. Nach dem wundervollen letzten Album Covered finden sich auf Crystal konsequenterweise ausschließlich Eigenkompositionen, zwölf unverzichtbare Tracks für die neue Highend-Stereoanlage.

Chris Elstrodt

 

FRIEND’N FELLOW - Crystal


HELMUT EISEL & BAND
Klezmer At The Cotton Club

(Westpark Music 87134, www.helmut-eisel.de)
14 Tracks, 73:21, mit Infos

Aufgenommen im April letzten Jahres im großen Sendesaal des Saarländischen Rundfunks präsentiert Helmut Eisel sein nunmehr elftes Album. Ursprünglich Diplom-Mathematiker, ist er seit 1991 nun ganz im Dienste der Musik tätig, dieses Mal mit Michael Marx (Gitarre, Stimme - Marx spielt allerdings schon seit über 10 Jahren mit Eisel zusammen), Stefan Engelmann (Bass), Nino Deda (Akkordeon) und Jo Krämer (Percussion). Thema des aktuellen Albums ist die musikalische Atmosphäre der frühen 30er Jahre: Jazz trifft auf Freilach, Mystik auf Orient. Genial der albanische Akkordeonist Deda, Absolvent der Musikhochschule in Tirana, seit über zehn Jahren schon in Deutschland lebend, der Eisels Musik tatsächlich so etwas wie einen neuen „Drive“ gibt. Neben einigen Klassikern wie „Der Rebbe Elymelekh“, dankenswerterweise keine Kopie von bereits Gehörtem, sondern in wirklich frischem, neuem Arrangement, gibt es eine Reihe von Eigenkompositionen wie etwa „Devil’s Food Cake“ oder „Babsi’s Freilach“, die Eisel tatsächlich als einen der führenden Klezmorim Deutschlands ausweisen. Kurz: eine expressive Dynamik, die nicht nur zum Mittippen des Fußes einlädt - da geht gleich der ganze Körper mit!

Matti Goldschmidt

 

HELMUT EISEL & BAND - Klezmer At The Cotton Club


THOMAS BRENDGENS-MÖNKEMEYER
Lightness

(Factory Outlet Records, www.factoryoutletrecords.de, www.guitart.de)
12 Tracks, 41:30

Ein Gitarrist aus dem Norden Deutschlands legt seine zweite Soloveröffentlichung vor. Sein Name ist Thomas Brendgens-Mönkemeyer und er gehört zweifellos zu den stillen Größen im Bereich der akustischen Gitarrenszene. Noch stärker als auf Beauty aus dem Jahre 2001 fällt es schwer die Schublade zu finden, die groß genug wäre eine derart eigenständige musikalische Sprache zu fassen. Jazz und Blues, ja natürlich. Eine klassische Ausbildung hat er auch. Man hört es deutlich. Aber so ein wunderbar federnder Walzer wie z. B. der „February Waltz“, was ist denn das bitte schön? Das ist schöne Musik. So einfach ist das. Eine Gitarre, ohne jegliche Overdubs, klar und direkt eingespielt. Alles, was den Klang und den besonderen Charme einer akustischen Gitarre ausmacht, ist zu hören. Augen zu und schon sehen wir ihn vor uns sitzen. Aufmerksam, konzentriert und in größter Gelassenheit arbeitet Brendgens-Mönkemeyer die feinen Linien seiner Kompositionen aus. Obschon virtuos erzählt er immer in nachvollziehbarem Tempo. Kein Hochgeschwindigkeitszug, der die Seele des Hörers ratlos zurücklässt. Dass solches musikalisches Potenzial in unserer an Sensationen orientierten Zeit gerne übersehen wird ist bedauerlich. Wer Musik sucht, die allen modischen Strömungen der Zeit trotzend ihrer eigenen inneren Notwendigkeit folgt, wird an Lightness seine „hellste“ Freude haben.

Rolf Beydemüller

 

THOMAS BRENDGENS-MÖNKEMEYER - Lightness


ZARTGESOTTENE MELODEALER
Gerecht Gelinkt

(MeloDealer 2006, www.melodealer.de)
20 Lieder, 66:47, mit dt. Texten

Es gibt sie noch, die Folkgruppen, die völlig unplugged und mit dem Spaß im Vordergrund spielen; nicht Sound, sondern Lied ist angesagt. Die Rostocker bauen auf ihre jahrelange Spielerfahrung, mit Toralf Thiesen können sie auf mittlerweile über ein Jahrzehnt - ja so, lange gibt es das schon - Erfahrung mit Weltmusik und Folktanz zurückgreifen. Diesmal haben sie sich ungeniert bekannte Melodien und Ohrwürmer der letzten Jahrzehnte ausgesucht und auf traditionelle Art erneuert. Da kann man nach einer Gavotte den legendären Farbfilm der Nina Hagen wiedererkennen oder mit Brel nach Amsterdam fahren, der Junge mit der Mundharmonika wird zur schaurig-schönen Kitsch-Verfolkung. Aber auch Melodien von Liedermachern wie Wenzel oder Hubertus Schmidt werden verwendet. Das alles getragen von Akkordeon und Gesangsstimmen, begleitet von den diversen folkigen Instrumenten, als da wären Hackbrett, Klarinette, Flöten, Percussion, Mundharmonika usw. Doch die reine Nostalgieshow wird es nicht, denn mit Matthias Spehr hat ein erfahrener Kabarettist umgetextet und flicht gekonnt in den Leichtsinn den Hintersinn ein. Wenn jemand das moderne deutsche Folkslied mit politischem Akzent sucht: Das gibt es noch, in Rostock und auf dieser CD.

Jürgen Brehme

 

GÖTZ WIDMANN
Habt euch lieb

(Ahuga! 401911, www.goetzwidmann.de)
14 Tracks, 55:37, mit Texten

Der Bonner Götz Widmann, überlebender Teil des Duos Joint Venture, hat seine neue CD mit mehreren Musikern zusammen eingespielt, so dass ein neuer satter Sound bei ihm zu hören ist. Steht den Liedern gut. Wie es zu dieser Zusammenarbeit kam und wie sie lief, hat er im Booklet beschrieben. Seine Texte zeichneten und zeichnen sich stets durch eine ehrliche, offene und bisweilen auch (sehr) deftige Direktheit aus. Das macht sie so außerordentlich spannend. Da singt sich einer die Seele aus dem Leib, offenbart sich dem Publikum, und wird dabei nicht selbstmitleidig, sondern ist kraftvoll, temperamentvoll und offensiv. Zudem kann der Mann auch raffiniert texten, gut singen und die Melodien schmeicheln dem Ohr. So lässt sich sowohl Gesellschaftskritisches als auch Persönliches, Philosophisches und Politisches rüberbringen. Den Titelsong über ein streitendes Pärchen hat er in 25 Minuten fertig gestellt, und mit seinem Song „Montag“ erinnert er gar an Rio Reisers selige Scherbenzeiten. Das unangepasste, anarchistische Element in seinen Liedern macht diesen Künstler zu einer angenehmen Ausnahmeerscheinung in der Szene. Ein intelligentes und sinnliches Vergnügen von einem der interessantesten Liedersänger derzeit.

Rainer Katlewski

 

GÖTZ WIDMANN - Habt euch lieb


CHRISTOF STÄHLIN
Stiller Mann - 14 Lieder zur Vihuela

(NOMEN + OMEN XOM 15, www.christof-staehlin.de)
14 Tracks, 44:22, mit Texten

Im Bernstein auf dem Booklet ist ein Buch, auf der Hülle ein Sänger, auf der CD die Welt eingeschlossen. Die Sujets sind nicht mehr weltbewegende, unbewältigte Ereignisse (wie die Französische Revolution von 1789), sondern - Rilke und dem Buckower Brecht vergleichbar - Einsichten ins Allzumenschliche und Existenzielle, die als Bilderbogen, Kalenderspruch oder Lebensweisheit formuliert werden. Nicht „still“ ist Stählin, nur behutsam wie zweifelnd: flüsterndes Parlando, beschwörendes Vibrato, ironisiertes Pathos, melancholischer Jubel. In trauter Zwiesprache mit den sechs Doppelsaiten seiner mal synchron, mal als Zweitstimme, perkussiv oder kontrapunktisch eingesetzten Vihuela trägt er Lieder vor, die Kindern in den Mund gelegt werden sollten (z. B. sind die von der Kanonform inspirierten „Kastanien“ von einem Schulchor intoniert vorstellbar): Momentaufnahmen eines genauen Beobachters und gescheiten Kommentators der Natur und des Alltags, der Tonleitermelodien, Tierlaute, Schüttel- und Abzählreime, Reihungen, Wiederholungen, Wortspiele meisterlich einzusetzen versteht. Auch wenn es nicht an Manierismen fehlt - muss dem „Runden“ im Viereck der Pläne des Verliebten („Amors Becher“) noch das „Wunde“ draufgesattelt werden, und wie passt es zusammen? - rührt anderes („Erst das, dann das, dann das“, „Schlaflied“ u. a.) an die Qualität zeitloser Volkslieder, nachzusingen und abzulösen vom subjektiven Vortrag des Sängers.

Nikolaus Gatter

 

CHRISTOF STÄHLIN - Stiller Mann - 14 Lieder zur Vihuela


MEMO GONZALEZ & THE BLUECASTERS
Live In The UK

(CrossCutRecords ccd 11092, www.crosscut.de)
13 Tracks, 61:37, mit Infos

Eine Liveband durch und durch sind die Bluescasters aus Osnabrück, und das stellen sie auf diesem mit „Rollin’ & Drivin’ Blues“ untertitelten Konzertmitschnitt aus dem Jahr 2004 eindrucksvoll unter Beweis. Der texanische Sänger und Harpspieler Memo Gonzalez verschmilzt Blues mit Rock ’n’ Roll und Swing zu einer temperamentvollen Mixtur, Gitarrist Kai Strauss brilliert mit rhythmischer Souveränität und solistischem Einfallsreichtum, während Erkan Özdemir am Bass und Klaus Schnirring (der die Band zwischenzeitlich verlassen hat) am Schlagzeug für ein Fundament sorgen, das wirklich „steht wie eine Wand“. Langweilig wird es hier keine Sekunde, und als besondere Höhepunkte sind dabei der atmosphärische Slow Blues „Greyhound“ oder das im Offbeat groovende „Tell Me What’s The Reason“ genannt. Sehr gut gefällt mir auch die Aufnahme und die Produktion der CD insgesamt, hier wurde genau die richtige Balance getroffen. Die Liveatmosphäre wird authentisch transportiert, die Aufnahmen sind sauber gemischt, ohne harte Schnitte oder Überblendungen, und das ganze wirkt dabei keineswegs kalt oder überproduziert.

Achim Hennes

 

MEMO GONZALEZ & THE BLUECASTERS - Live In The UK

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