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DIVERSE
Scotland - The Music & The Song
(Greentrax Recordings CDTRAX 8606/FMS, www.fenn-music.de)
Dreifach-CD, 59 Tracks, 234:42, mit Infos
Das hohe Lied des Labelchefs Ian Green brauchen wir hier nicht mehr zu
singen, das geschah bereits im Folker! 03/2006, S. 74ff ausgiebig.
Diese dicke Veröffentlichung ist das offizielle Jubiläumsprodukt. Von Ian
persönlich zusammengestellt, beweist sie nicht nur akustisch, welch
phantastische Musik das Label in den letzten 20 Jahren unterstützt hat, sie
zeigt die ganze Bandbreite der schottischen Folkmusik. Von Scottish Country
Dancing bis Dancegrooves, von stocktraditionell bis Folkrock, von Gälisch
bis zum tiefsten Glasgowdialekt, von Pipebands bis zur Fiddlemusik von den
Shetland Inseln, alles drauf, alles abwechslungsreich, alles
unterhaltsam.
Wie sagt man so schön: Wenn Sie sich in Ihrem Leben nur eine einzige
schottische Produktion kaufen wollen, dann sollte es diese sein. Das Problem
ist nur die ungeheuer hohe Wahrscheinlichkeit, dass Sie auf den Geschmack
kommen werden und diese CD dann eher ein Anfang ist.
Mike Kamp
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M. A. NUMMINEN
Singt Heinrich Heine
(Trikont US-357/Indigo, www.trikont.de)
14 Tracks, 48:40, mit Texten und Infos
Den Preis für den verrücktesten Finnen erhält eindeutig M. A. Numminen.
Seine Konzerte verlässt man flüchtend oder bleibt verzückt bis zum Schluss.
Neben der einzig erträglichen Coverversion von „Yes Sir, I Can Boogie“ oder
Lesungen, neben denen Max Goldt wie ein Nachwuchsautor wirkt, hat er
insbesondere mit seiner Liebe zum Tango Musikgeschichte geschrieben. Was, so
fragt sich der Hörer ängstlich, aber mit offenen Ohren, traut dieser Mann
sich als Nächstes? Heinrich Heine musste daran glauben. Vermutlich wäre
Heine aber ein Fan von Numminen geworden, der subtile Humor Heines ergänzt
sich wundervoll mit den skurrilen skandinavischen Gedanken. Dass die
pathetischen Passagen in Heines Gedichten durch die finnische Tangomühle
eine völlig neue Konnotation erhalten, wird manchen Deutschlehrer in die
Verzweiflung treiben. Der gelassene Folkfan aber wird diese CD anerkennend
nickend in das Regal neben die Revolutionslieder einsortieren und bei „Küsse
und Lügen“ oder „Tannhäuser“ wohlige Schauer erdulden. Man wird diese
Scheibe lieben oder mit spitzen Fingern zum Second-Hand-Shop tragen. M. A.
Numminen ist definitiv aufregend, so oder so.
Chris Elstrodt
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I VIULAN
Live
(Radici Music RMR 114, www.radicimusic.com)
15 Tracks, 47:32, mit it./engl. Texten und Infos
30 Jahre sind sie schon unterwegs, die singenden Geschichtenerzähler aus
Modena. Seit dreißig Jahren sind sie im Apennin auf der Suche nach Liedern,
die höchstens noch die alte Landbevölkerung kennt. Da lebt noch viel
Magisches und Mystisches weiter, oft klagten die Bauern aber auch in
handfesten Liedern über ihr karges Leben und wie sie vom Patron ausgebeutet
wurden. I Viulàn polieren diese Stücke bis sie glänzen, ohne dass sie den
Geschmack nach Erde verlieren. Giorgio Albiani (Gitarre) und Silvio Trotta
(Chitarra Battente, Mandoline, Mandoloncello, Akustikbass) zeichnen
verantwortlich für eine barocke Begleitung. Das Herzstück der Gruppe bilden
die drei Männerstimmen: Lele Chiodi (Bariton), Lauro Bernardoni (Bass) und
Carlo Pagliai (Tenor). Alle fünf Herren sind auch nach 30 Jahren noch mit
Engagement, Konzentration, und Spaß bei der Sache. Die hervorragend
abgemischte Liveaufnahme lässt die Kraft der Musik voll zur Geltung
kommen.
Martin Steiner
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MUIREANN NIC AMHLAOIBH
Daybreak - Fáinne An Lae
(Compass Records 7 4428 2/Sunny Moon)
12 Tracks, 45:46, mit Texten und Infos
Die Empfindungen, die eine Gesangstimme bei uns auslöst, sind eine der
subjektivsten Fragen in der Musik überhaupt. Die junge irische Sängerin
Muireann Nic Amhlaoibh löst bei mir jedenfalls Gänsehaut, Wohlbefinden und
Begeisterung aus - einfach wunderbar! Muireann, die bei Sessions from the
Hearth das deutsche Publikum begeistern konnte, hat bereits eine weitere
Solo-CD vorgelegt und ist außerdem Sängerin der südirischen Band Danú. Sie
hat ein wunderbar weiches, dennoch sehr präsentes Timbre, singt völlig
unprätentiös - aber hundertprozentig auf den Punkt. Mit diesen Attributen
steuert sie einen weit oben liegenden Rangplatz in der Reihe der Sängerinnen
der britischen Inseln an, der derzeit m. E. nur noch von Damen eines
Kalibers von Kate Rusby überboten wird. Jetzt wird es für Muireann darauf
ankommen, sich im Repertoire noch deutlicher von dem Gros der Irinnen
abzuheben. Einige sehr vielversprechende Beispiele in diese Richtung sind
auf der vorliegenden CD schon zu hören, u. a. eine sehr schön adaptierte
Ballade mit Text von Gerry O’Beirne. Überhaupt hat Muireann für einen sehr
hochwertigen musikalischen Rahmen gesorgt: Die Liste der Begleitmusiker
(John Doyle, Oisín McAuley, Shane McGowan und andere) lässt aufhorchen.
Zwischendurch zeigt Muireann dann auch eben mal etwas von ihren profunden
instrumentalen Fähigkeiten an Whistle und Flute. Eine große Empfehlung für
Freunde der irischen Ballade!
Johannes Schiefner
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KATALENA
Kmecka Ohcet
(Dallas Records 382, www.dallas.si)
14 Tracks, 48:04
Was passiert, wenn sich ehemalige Artrock-, Blues- und TripHop-Musiker
slowenischer Folklore zuwenden und dabei ihre Herkunft nicht verleugnen? Es
entsteht eine Musik wie die von Katalena: Auf eine instrumentale
Minimal-Music-Komposition folgt ein ska-artiger Schluckaufrhythmus, von
einem Hammondsolo gewürzt, als nächstes erklingt eine zerbrechliche Ballade,
von einem trippigen E-Piano begleitet und ausgehaucht mit einem indianisch
anmutenden Flötensolo, dann wiederum gibt es eine Rock-Brettgitarre samt
Rapattacke. Diesjährige TFF.Rudolstadt-Besucher haben bereits die
Bekanntschaft mit der kunterbunten Musik des Sextetts um die tolle Sängerin
Vesna Zornik gemacht, die bei allen Ingredienzien eine klare Geschmacksnote
beweist. Mit postmoderner Beliebigkeit haben die Mixturen nichts zu tun,
sondern mit sehr viel Einfallsreichtum, Wagemut, Witz, Laune und
Spielfreude. Kmecka Ohcet („Landhochzeit“) ist das dritte Album einer
Band, von der man hoffentlich noch sehr viel hören wird.
Frank Schuster
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AMARROMA
Balance
(Triskell 200601, www.amorroma.be)
CD/DVD, 14 Tracks, mit nl./franz. Infos
Unbesehen und nach dem ersten Klangeindruck wähnt man sich in die
Irish-Folk-Welle der 70er oder 80er Jahre zurückversetzt. Flöten, Bass und
Rhythmusgitarre, einfache Melodien und traditionelle Harmoniestrukturen
dominieren. Erst auf den zweiten Blick nimmt man überrascht zur Kenntnis,
dass es sich um ein recht junges Produkt der belgischen Volkstanzszene
handelt, weitere Instrumente wie Harfe und Geige sanft die vielen flinken
Flöten- oder Dudelsacktöne abfedern und sich auf der Scheibe ein
repräsentables Bal-Folk-Repertoire befindet, Tanzmusik sozusagen - Walzer,
Schottisch, Bourrée etc.; alles was des Tänzers Herz begehrt. Sauber
eingespielt und gut tanzbar, weil die Musiker offenbar um die subtile
Akzentuierung bei den einzelnen Tänzen wissen. Spannender für Nichttänzer
ist vielleicht die beigefügte DVD, ein Versuch, die typische Stimmung bei
Tanzabenden einzufangen. Bekannte Gesichter, alljährliche Pilger zum Mekka
des Bal Folk in Frankreich, geben glaubhaft die Freude am aktiven
Zelebrieren des erlernten Repertoires wider und führen den Unterschied
zwischen Konsumieren und Kommunizieren deutlich vor. Da stört etwas dick
aufgetragene Romantik durch nebulöse Filmtechnik genausowenig wie die
drollige Mischung von klarer bretonischer Tanztradition mit verspielten,
orientalisch anmutenden Bewegungsformen.
Cathrin Alisch
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FOLLIA!
Grasshopper
(Wild Boar Music 21067, www.wildboarmusic.com)
10 Tracks, 41:33, Booklet mit einigen Texten
In Belgien ist einfach mehr los. Schon wieder gibt es eine interessante
neue Folkband aus dem Nachbarland vorzustellen. Follia! ist eine achtköpfige
Formation, die abwechslungsreiche und gut produzierte Bal-Folk-Musik spielt.
Im Mittelpunkt stehen die Brüder Johan (Dudelsack, Schalmei, Akkordeon) und
Pieter Decancq (Geige) sowie Sammy Lee Daese (Flöten). Dazu kommen zwei
Gitarren, Bass, Mandoline und Schlagzeug. Für die Gesangparts wurden auf
ihrer zweiten CD Grasshopper überwiegend Gastsänger eingesetzt. Die
Musik hat teilweise flämischen Einschlag, ist jedoch regional nicht
festgelegt und kann wohl am besten als Europamusik beschrieben werden. Im
Stil und der Instrumentierung geht Follia! nicht weit über den Folkrock der
70er Jahre hinaus, die Arrangements sind aber viel ausgefeilter und der
Sound ist besser. Das Instrumentalstück „De Jacht“ haben die Decanq-Brüder
schon bei ihrer Vorgängerband Carosserie d’Amour gespielt und wegen seiner
schönen Dudelsackmelodie zurecht wieder ausgegraben.
Christian Rath
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TIM VAN EYKEN
Stiffs Lovers Holymen Thieves
(Topic Records TSCD565, www.topicrecords.co.uk)
11 Tracks, 59:35
Die englische Folkmusik, lange Zeit im Schatten der keltischen Kollegen,
erlebt seit einigen Jahren einen Aufschwung. Junge Musiker nehmen sich dem
Material mit unkonventionellen Ideen an. Tim van Eyken (Gitarre, Akkordeon,
Gesang) ist da fast schon ein Veteran, spielte er doch jahrelang mit den
Legenden Waterson/Carthy. Sein Soloalbum bestreitet er mit einer kompakten
Band: an Bass, Drums sowie als Koproduzent und E-Gitarrist Oliver Knight, an
Violine und Backing Vocals Nancy Kerr, beide ebenfalls mit
Waterson/Carthy-Verbindungen. Wie konsequent van Eyken seine Ideen umsetzt,
fällt bereits beim ersten Stück auf. Oder eben nicht! Es dauerte eine
peinlich lange Zeit, bis mir klar wurde, dass es sich hier um den Klassiker
„John Barleycorn“ handelt. So geht das weiter; trad. arr. mit den
unterschiedlichsten Zutaten wie Indie Rock, Kammermusik, Reggae, Blues, Pop,
Elektronik, alpiner 3/4-Takt sowie (zum Ende) kräftigen Bläsersätzen, die
auch bei Waterson/Carthy ... Aber diese dritte Erwähnung ist jetzt wirklich
unfair, denn Tim van Eyken kopiert niemanden. Hier ist ein junger Musiker,
der seine Traditionen frei mit den Klängen mischt, die ihn umgeben und die
ihm zusagen. Das Ergebnis ist frisch und packend, und das kann nur gut
sein.
Mike Kamp
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MASSIMO FERRANTE
Ricuordi
(dunya Felmay fy 8113/Just Records Babelsberg; www.felmay.it, www.massimoferrante.it)
15 Tracks, 59:15, mit Texten und it./engl. Infos
Kein Titel wäre passender als Ricuordi (Erinnerungen) für Massimo
Ferrantes zweites Soloalbum. Der kalabrische Sänger und Gitarrist lässt
vergangene Zeiten aufleben. Manche Lieder, wie Georges Moustakis „En
Méditerranée“, wurden vor gut 30 Jahren geschrieben. Andere, wie „E Fatta
Notte“ sangen Feldarbeiter Ende des 19. Jahrhunderts. Massimo Ferrante
trifft immer den Ton der jeweiligen Zeit. Beim Zuhören läuft unweigerlich
ein innerer Film ab, der einen in die Vergangenheit trägt. Doch Ferrante
setzt immer auch Bezüge zur Gegenwart. In eben „E Fatta Notte“ klagt auch
ein arabischer Feldarbeiter, wie er vom Padrone ausgenützt wird. Kongenial
ist die Umsetzung des Liedes. Ferrante und Marzouk Mejri singen und spielen
Percussion, als würden sie ein Feld umstechen. Rino Saggio mimt dazu mit
seinem jazzigen Tenorsaxophon den Padrone. Ricuordi ist eine
charmante Mischung aus musikalischer Feldforschung und Liedern. A capella
gesungene Traditionals, vorgetragen von Leuten aus dem Volk, kontrastieren
mit sparsam, aber sehr effektvoll instrumentierten Liedern. Herausragend
etwa die Fabel über den Fischmann „La Leggenda Di Colapisci“ mit einer
herrlich verzerrten Elektrogitarre. Massimo Ferrante ist mit Ricuordi
ein wunderschöner musikalischer Bilderbogen der Sinne gelungen.
Martin Steiner
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KIERAN KANE, KEVIN WELCH & FATS KAPLIN
Lost John Dean
(Compass Records/Sunny Moon, CD 744292, www.compassrecords.com)
11 Tracks, 36:25, mit engl. Texten und Infos
So schön kann traditionelle Folkmusik mit all ihren Facetten klingen. Eine
ganze Armada an Zupf- und Streichinstrumenten (Banjo, verschiedene Gitarren
- darunter auch elektrische -, Akkordeon, Geige, Laute, Mandoline,
Schlagzeug) vereinigt sich zusammen mit tiefsinnigen, doch keineswegs
düsteren Texten auf dieser CD zu einem Meisterwerk. Gefühlvolle Soli
wechseln sich mit traditioneller und innovativer Spielweise ab. Bei den
Titeln „I Can’t Wait“ und „To The Harvest Look Ahead“ fallen die Spielfreude
und die Lockerheit der drei Musiker ganz besonders auf. Das Trio spielt
überwiegend Eigenkompositionen, aber auch ein bluesiges Stück vom großen
Willie Dixon, „Mellow Down Easy“. So sorgen Kane, Welch & Kaplin, auf
der Basis langjähriger Erfahrung und eines geschlossenen Musikkonzepts, für
beste Unterhaltung. Fazit: Eine wirklich bemerkenswerte Platte mit
wunderschönen Stimmungen. Das einzige Manko: Die Scheibe ist eindeutig zu
kurz.
Annie Sauerwein
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DIVERSE
Electric Gypsyland 2
(Crammed 37/Indigo, www.crammed.be)
16/12 Tracks, 68:54/55:44, mit engl. Infos
„Hier werden Weichen gestellt für eine - im positiven Sinne -
globalisierte Zukunft“, beendete der Autor dieser Zeilen seine Rezension vor
drei Jahren (Folker! 06/2003), als es um die erste Folge von
Electric Gypsyland ging. Damals waren die Russendisko und der
Bucovina Club noch relativ neu. Seither ist die Zahl von Samplern, die
Untertitel wie „Gypsy flavoured club tunes“ tragen, exorbitant gestiegen,
und es ist fraglich, ob DJs und Kompilatoren, die ihre Electronica-Mixe mit
Balkangrooves unterlegen, die osteuropäischen Klänge (das Gleiche trifft
natürlich auch auf andere Weltmusiken zu) nicht bloß als exotisches Flair
benutzen, damit sich die Tänzer in den Clubs von Ibiza & Co. mal für
vier Minuten auf der Tanzfläche in ferne Länder wegträumen können, ihnen die
harte Realität dort aber völlig egal bleibt. Die
Electric-Gypsyland-Reihe bleibt da aber eine dankbare Ausnahme, hier
nutzt niemand den anderen bloß als „Flavour“ aus, im Gegenteil, die
Gypsybands geben sogar den Ton vor, die Remixer (u. a. Shantel, DJ Click,
Animal Collective, Oi Va Voi) sind ihre Re-Interpreten im besten Sinne. Auf
CD 2 dieser Doppelscheibe kommen diesmal sogar die Originale von Kocani
Orkestar, Taraf de Haidouks, Mahala Raï Banda - drei der derzeit
angesagtesten Gypsybands - und Zelwer mit.
Frank Schuster
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SUDEN AIKA
Unta
(Laika 3510222.2 www.laika-records.com)
11 Tracks, 47:42, mit engl./finn. Texten
Seit vier Jahren begeistert das finnische Vokalquartett nun das Publikum.
Ihr Auftritt in der überfüllten Rudolstädter Kirche war der Höhepunkt des
diesjährigen TFF. Längst haben Suden Aika ihren unverwechselbaren Stil. Der
Schuh „die Stimmen von Hedningarna“ ist ihnen längst zu klein geworden. Mit
New Nordic Folk haben die vier Frauen um Tellu Turkka und Liisa Matveinen
nicht mehr viel gemeinsam. Jedoch, die Klangfarbe der Stimmen ist geblieben
und auch der Spagat zwischen Grausamkeit und Schönheit. Die finnische
Mythologie erlaubt es nicht, unbeschwert einzutauchen und den Glockenklang
der vier Ausnahmesängerinnen zu genießen. Es brodelt im Untergrund, und
Suden Aika bringen es ans Tageslicht. Licht und Schatten tanzen miteinander
und der Weg zum inneren Frieden führt oft über Tränen. Suden Aika verzaubern
den Hörer, unweigerlich wird er in ihren Bann geschlagen, an Orte geführt,
nach denen er sich sehnt, aber auch an Orte, vor denen er sich fürchtet. Es
ist schlichtweg unmöglich, diese CD einfach so zu hören. Die Gedanken wie
die Gefühle werden unweigerlich von den überirdischen Stimmen eingefangen
und geleitet. Am Ende der CD bleiben dankbare Stille und der Wunsch, nicht
aufwachen zu müssen.
Chris Elstrodt
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LÚNASA
Sé
(Compass Records 7 4422 2/Sunny Moon)
11 Tracks, 47:47, kurze Infos
Über die „neo-Irish-traditional“ Formation Lúnasa ist in der Vergangenheit
so ziemlich alles an Superlativen Mögliche bereits gesagt worden. Mit
unangestrengter Virtuosität führen auch bei Sé - gälisch „sechs“ (die
sechste Platte der Band nämlich) - die bekannten Größen Kevin Crawford
(flute), Sean Smyth (fiddle, whistles), Cillian Vallely (uilleann pipes) und
Trevor Hutchinson (double bass) durchs rein instrumentale Programm. Konzept-
und soundmäßig (Hall? Was ist das?) unterscheidet sich diese CD nicht
nennenswert vom Vorgänger Kinnity Sessions, und das, obwohl
Mastermind Donogh Hennessy die Band verlassen hat. Er ließ Lúnasa als
Quartett zurück, das sich zunächst einmal durch das Anheuern von drei
Gastgitarristen behelfen musste. Offenbar ist die Übereinstimmung zwischen
Bass und den Rhythmusinstrumenten konzeptuell so stringent angelegt, dass
zumindest ich als Nicht-Gitarrist keinen so richtig auffälligen Unterschied
zu vorher höre. Alles groovt weiterhin mit fast unheimlicher Präzision vor
sich hin. Nach wie vor muss sich Lúnasa sagen lassen, dass es mit dem
„Herz“-Faktor nicht so ganz weit her ist, dazu ist diese Musik manchmal zu
technisch, fast zu perfekt. Fazit: Irish Trad in High-End-Qualität, welche
die Messlatte für die Konkurrenz extrem hoch hängt. Spannende Tunesauswahl,
interessante Neukompositionen! Anspieltipp: „Cullybacky Hop“ und „Absent
Friends“.
Johannes Schiefner
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WHISKY TRAIL
Chaosmos
(Amiata Records 2006, www.whiskytrail.it)
8 Tracks, 43:47, mit engl./it. Infos
Irish Folk made in Italy macht den Rezensenten neugierig. Anders als
der Bandname vermuten lässt, kommen da aus den Boxen eben nicht Pubsongs,
eher lässt der griechische CD-Titel einen in die richtige Richtung vermuten.
Diese seit 1975 neunte CD des florentinischen Quintetts überrascht mich
zutiefst: Acht Minisymphonien, fast durchweg zweistimmig, teilweise auch
zwei Melodien nebeneinander oder ineinander verwoben, jeder Track mit
Rhythmus- oder auch Tonartwechseln, mit ruhigen und schnellen Partien,
teilweise mit Gesang, vor allem aber sehr komplexer Instrumentierung,
allesamt Kompositionen von Vieri Bugli (Fiddle), Stefano Corsi (Celtic Harp,
Harmonica, Harmonium, Vocals), Guilia Daneo Lorimer (Voice, Fiddle), Massimo
Giutini (Uilleann Pipes, Tin und Low Whistles), Pietro Sabatini (Guitars,
Bouzouki, Pedal Bass Pipe, Voice), denen als Gastmusiker Piero Bubbico mit
Scottish Snare Drums zur Seite steht. Ähnlichkeiten zu den Chieftains und
auch zu Flairck höre ich heraus, des Weiteren zu Rekonstruktionen antiker
griechischer Musik durch das Atrium Musicae de Madrid und zur
ägyptisch-schweizerischen Ethnojazzband Sharkiat, also durchaus nicht nur
zur keltischen Musik. Im Büchlein kann man nachlesen, dass jedes der Stücke
einem der acht Elemente der keltischen Mythologie zugeordnet ist: Luft,
Stein, Feuer, Sterne, Farben, Gerüche, Wasser und Seele. Mehr davon
bitte!
Michael A. Schmiedel
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BURHAN ÖÇAL ISTANBUL ORIENTAL ENSEMBLE
Grand Bazaar
(Network Medien 495 114/2001-Versand, www.zweitausendeins.de)
10 Tracks, 62:40, mit dt., engl. und franz. Infos
Für sein viertes Album bei Network wechselte der türkische Percussionist
Burhan Öçal sein fünfköpfiges Istanbul Oriental Ensemble komplett aus. Das
Ergebnis ist eher enttäuschend. Das neue Ensemble aus jungen Musikern spielt
solide, aber es fehlt an Kunstfertigkeit. Der 28-jährige Geiger und
Arrangeur Volkan Gümüslü übernahm offensichtlich das Kommando. Die
Arrangements sind meist durchsichtig: auf kurze melodische Phrasen
(„Komposition“) in einstimmigem Spiel folgen eingestreute Soli, die dann
wieder vom Unisonospiel abgelöst werden. Verwobene Arrangements mit Dialogen
und ausgefeiltem Einsatz der Instrumentalisten wie im Stück „Mavi Keman“
sind leider selten. Hinzu kommt die Streichermanie von zehn Gastmusikern an
Violine/Viola/Cello, die an die unsäglichen orientalischen Orchester
erinnert, deren Zeit eigentlich vorbei schien. Da ist es kein Zufall, wenn
das über 12 Minuten den Atem raubende Solostück „Kanun-Name“ von dem
25-jährigen Gastmusiker Mehmed Celiksu auf der Trapezzither eingespielt
wird. Auch die Titel der Alben stochern im Klischee: Nach Caravanserai
und dem Harem (Sultan’s Secret Door) ist auch der Grand
Bazaar von eher touristischem Interesse. Wirklich schade.
Birger Gesthuisen
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VAGUEMENT LA JUNGLE
Aie, Aie, Aie
(Sterne Prod/NRW Records STE 265652)
12 Tracks, 42:03, mit franz. Texten
Das liebe ich besonders: Musiker, die einfach Spaß beim Musizieren haben,
wohl auch über sich selbst lachen, diese Gesamtstimmung vom ersten Ton an
ihren Hörern weitergegeben können. Die vier Haudegen, allen voran
Ex-Rockgitarrist Hervé Menuet - gesegnet mit einer herrlich rauen, kehligen
Stimme - haben sich 2000 wohl eher zufällig in einer westfranzösischen
Hafenstadt zusammengefunden. Dem Debütalbum Tchavalé lassen sie nun
ein atemberaubendes zweites folgen. Das Quartett mischt alles zu einem
bunten Potpourri: Klezmer, Balkan Brass, Zigeunerjazz, Arabpop, Punk, Rock,
Chanson, Musette (noch was vergessen?). Gleichwohl wird das nicht einfach
ziel-, plan- und geschmacklos zusammengerührt, sondern den pfiffigen,
satirisch-sozialkritischen Texten (ohne erhobenen Zeigefinger!) angepasst.
Schon das Eingangsstück, das dadaistisch angehauchte „Patati“, nimmt einen
gefangen. Es folgt das swingende Titelstück (Django Reinhardt lässt
grüßen!), dann die Mitgrölhymne „P’tit Monde“. Die positive Stimmung kippt
bei „Tcherno“ (vorübergehend) ins Melancholische, wenn ein „Wodka atomique“
verabreicht wird. Im Ethnorap „Soudez“ beschwört man augenzwinkernd die
Völkerverständigung, wobei Geiger Pierre Bloch genüsslich das
Mission-Impossible-Thema verwurstet. Weitere „Perlen“ folgen: u. a.
Charles Trenets Klassiker „Le Soleil Et La Lune“ als Reggae und die
Schönheits-OP-Verarsche „Plastique“. Einfach köstlich!
Roland Schmitt
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TÄPP IDA ALMLÖF/JENNY TÄPP/JENNY BERGMAN
Gässbykôllor
(Giga, GCD-78)
23 Tracks, 53:02, CD mit schwed./engl. Infos
Wurde auch Zeit, denkt die Hörerin, endlich hat Giga in ihrem wirklich
irrsinnig guten CD-Programm auch mal ein paar Spielfrauen, und dann gleich
drei auf einer CD. Dass die Namen der Damen klingen, als seien es vielleicht
doch nur zwei, die sich einen Jux machen, wird von den Photos widerlegt. Es
handelt sich um zwei Schwestern und eine Freundin aus Gärdsjö (und der
CD-Titel ist ein Dialektausdruck für Frauen aus der Gegend). Alle drei sind
Naturwissenschaftlerinnen, keine macht Musik, um damit ihr Brot zu
verdienen. Aber durch ihren Vater Täpp John, einen bekannten Geiger, sind
die Schwestern sozusagen erblich belastet, zu den Treffen von Spielleuten in
ihrer Gegend fuhren sie aber vor allem, weil es dort - und nur dort! -
Pommes zu kaufen gab. Dabei stießen sie auf die Musik des 2000 verstorbenen
Geigers Päkkos Gustaf und so war’s um sie geschehen. Und weil in ihren
Anfangszeiten die Herren Spielmänner von ihnen erwarteten, „klein und
niedlich“ zu sein und doch lieber zu singen, legen sie jetzt aus Rache
wahrhaft teuflisch und temperamentvoll los, und sie spielen mit Vorliebe die
Stücke, von denen die guten Onkels ihnen früher abgeraten haben - und sei’s
nur, weil z. B. ein Titel als sexuelle Anspielung verstanden werden könnte
(Stück 17, „Pillisnutten“). Schöne Geschichte, und die drei Geigerinnen
spielen, was nun ja keine Überraschung mehr ist, vor allem Polskas,
insbesondere dem Repertoire Päkkos Gustafs entlehnt, jedoch in ihren eigenen
Arrangements, alles ein wenig schneller und spritziger, als wir es bisher zu
hören gewöhnt waren.
Gabriele Haefs
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LIZ CARROLL & JOHN DOYLE
In Play
(Compass Records 7 418 2)
13 Tracks, mit ausführlichen Infos
Wie gerne würde ich diese Frau einmal persönlich kennen lernen.
Ambitionierte Fiddleschüler erzählen immer nur das Beste von Ihren Kursen,
ihrer persönlichen Präsenz, Einfühlungsvermögen und Sachkompetenz: Die Rede
ist von Liz Carroll, für mich eine der genialsten zeitgenössischen irischen
Geigerinnen! In ihrer Musik spannt sie einen unglaublichen Bogen der
musikalischen Emotionen, von tiefer Melancholie über entspanntes „Diddeln“
bis hin zu exaltiertem, druckvollen Verve ist jede Klangschattierung
irgendwo vertreten. Bei ihren auch hier zum Großteil selbstkomponierten
Stücken braucht man zugegebener Maßen mitunter eine Zeitlang, um den
richtigen Kick zu bekommen - manchmal zündet es aber auch unmittelbar!
Beispiele: „Box Man“, „Minutemen“. Aber auch in ihren Aufnahmen von
traditionellen irischen Tunes steckt stets das Besondere, überdies ist der
Ton ihrer Geige schlicht umwerfend. Mit Ex-Solas-Gitarrist John Doyle als
Begleiter hat Liz eine langjährige, kongeniale Beziehung. Interessant ist
die Tatsache, dass diese Aufnahme nun nicht mehr als Soloalbum, sondern als
Duo gehandelt wird - korrekt so. Johns prägnanter, „schlacksiger“ Groove
komplementiert Liz’ Fiddlestil in idealer Art und Weise. Er steuert überdies
noch hübsche Bouzouki-Overdubs bei und wird der Idee der Rhythmusgitarre
einfach super gerecht! Ich bin, wie so manches Mal vorher, wirklich
begeistert!
Johannes Schiefner
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TOMÁS KOCKO & ORCHESTR
Poplór - Poplore
(Indies MAM307-2, NRW Records)
9 Tracks, 45:57, tschech./engl. Texte
Vorn sehen wir drei lustige alte Weiber in Trachtenkleidung, hinten den
langhaarigen jungen Gitarristen - symbolträchtig für Anliegen und
Spannbreite dieser CD. Letzterer ist in der tschechischen Musikszene kein
Newcomer (siehe Rezension im Folker! 04/2004), sondern kann schon auf
vier Alben und eine Menge Projekte verweisen. Für ihn ist der Begriff Pop
vom Ursprung her nichts anderes als Folk, deswegen das Wortspiel „Poplore“,
die sprachliche Verbindung von traditionellem und modernem Folk. Er greift
auf alte Traditionen zurück, teilweise zurückgehend bis ins alte Moravische
Reich, quasi dem Vorläufer der heutigen slawischen Kulturkreise. Mit fast 30
Gastmusikern kombiniert er seine Gitarrenriffs mit Drehleiern, Dudelsäcken
oder Sitar. So spannend die Idee auch klingt, es bleibt ein leichtes Werk
ohne allzu große Ansprüche an den Hörer, weckt weder wirkliches Staunen noch
bietet es zu große Gegensätze. Folkloristische Spielereien mit recht
populärer Musik gemischt, Letzteres wünschte man sich manchmal doch
herausfordernder, packender. Es macht schon Spaß beim Hören, es sind auf
einigen Instrumenten Könner zu erleben und man kann es sich gut auf
Open-Air-Festivals vorstellen.
Jürgen Brehme
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RENÉ AUBRY
Memoires Du Futur
(NRW-Vertrieb 3113162)
13 Tracks, 51:14
Moderne Menschen haben früher keinen Folk gehört. Folk war ein Synonym für
„alte Melodien auf alten Instrumenten“. Das hat sich seit einigen Jahren in
das Gegenteil verkehrt. Betrachtet man die Entwicklungen in der Musikwelt,
gilt für die heutige Zeit: Moderne Menschen müssen Folk hören. René Aubry
gehört zu den Künstlern, die diese These beweisen. Mit Gitarre und
Klarinette ein Ambientalbum einzuspielen ist bereits ein Kunststück. Den
schmalen Grad zwischen Brian Eno und Phillip Glass zu beschreiten, ein
zweites. René Aubrys Wunderwerke auf der Gitarre sind weit entfernt von
traditioneller Gitarrenmusik und noch weiter entfernt von der World Fusion,
und trotzdem haben seine Soundscapes Elemente von beidem. Lediglich Bill
Frisell oder David Byrne schaffen vielleicht ähnliches Kopfkino. Aubrys
Kompositionen sind entspannend und sanft, manchmal blitzt ein Hauch vom
Humor eines Pariser Cabaret durch, und man kann, obwohl Memoires Du Futur
ein Instrumentalalbum ist, die Kompositionen durchaus als Chansons
bezeichnen. Der Film zu den Werken von Aubry ist noch nicht gedreht, aber
immerhin greift Pina Bausch gerne auf Kompositionen aus seinen mittlerweile
zwölf Alben zurück. Wer sich verzaubern lassen möchte, sollte diese CD
kaufen.
Chris Elstrodt
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PATRICK BRUEL
Des Souvenirs Devant
(SonyBMG ( LC 00316) 2876781442, www.patrickbruel.com)
12 Tracks + Hidden Track, 58:48, mit frz. Texten
Patrick Bruel ist ein Superstar - in den 90ern gab es sogar eine richtige
Bruelmania. Teeniestar ist nicht alles - und so versucht Bruel seit ein paar
Jahren, von diesem Image wegzukommen. 2000 war sein letztes eigenes Werk
erschienen; mit einem echten Millionenseller (Entre-deux ...) huldigte
er dazwischen den Ahnen, nahm (gegen den Rat der Plattenfirma) Songs aus den
30er und 40er Jahren mit Starkollegen auf, Jean Gabin ließ grüßen. Die
Midlife-Krise bearbeitete der 1959 in Algerien geborene mit
Gesangsunterricht, Heirat (Amanda Stehrs, eine aufstrebende Theater- und
Romanautorin), der Zeugung zweier Söhne und mit Des Souvenirs Devant
seiner persönlichsten Platte bisher, musikalisch nicht der Oberrenner
(Halbbruder David Moreau ist allerdings schon ein genialer Arrangeur). Die
Texte sind authentisch wie nie zuvor. Erinnerungen eines Scheidungskinds
(„Je Fais Semblant“), das obligatorische Mutterlied („Raconte-moi“),
Selbstmordattentate („Adieu“) - aber auch ein episches antikapitalistisches
Gedicht von Victor Hugo („Peuple Impopulaire“). Wer Bruel noch nicht kannte,
kann ihn jetzt ganz direkt kennen lernen.
Gerd Heger
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LUCA DI VOLO E CLAUDIA BOMBARDELLA
Strumenti Di Pace - Live
(Radici Music RMR 115, www.radicimusic.com)
30 Tracks, 57:55, mit italienischen und englischen Texten und Infos
Ein paar Klarstellungen vorab: Das Werk soll zwar live in Florenz
aufgenommen worden sein, Publikum ist allerdings keines vernehmbar, ein
Szenenapplaus würde die Wirkung der Musik auch nur stören. Wer unter
Strumenti Di Pace (Instrumente des Friedens) esoterische Weichmache
erhofft, darf diese Rezension weglegen. Hier wird nämlich mit voller Kraft
musiziert und gesungen. Luca die Volo und Claudia Bombardella wollen mit
ihren Geigen, Saxophonen, Tubas und Chören schon eher das Pentagon zum
Erzittern bringen. Und wer bei 30 Tracks kurze, in sich geschlossene Stücke
erwartet, liegt hier ebenfalls falsch. Die Tracks sind in drei
zusammenhängenden Suiten zusammengefasst. Die „Leggenda Di Grung“ (die
Geschichte eines armenischen Zugvogels) weist viele Klezmereinflüsse auf.
Die „Leggenda Del Eterno Ritorno“ ist ein Chorwerk, das alter Musik,
Monteverdi, Bach, Sufiklängen und experimenteller Musik seine Referenz
erweist. Der letzte Teil der CD, „Tzvei Teg Far Peysekh“, basiert auf dem
Stück „Gesang der massakrierten Juden“ von Y. Itzmak Katnelson. Strumenti
Di Pace sprüht vor Einfällen, Detailreichtum und Kraft. Besonders die
Chor- und Gesangspassagen entfalten eine unglaubliche, durchaus Frieden
stiftende Wirkung. Das Werk ist keine leicht verdauliche, doch umso
lohnendere musikalische Kost. Wetten, dass die Kriegsfürsten dieser Welt es
nicht verstehen würden.
Martin Steiner
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JORGE PARDO
Vientos Flamencos, Vol. 1
(Galileo MC LC 12661, www.galileo-mc.de)
10 Tracks, 52:18, Booklet in spanischer Sprache
Mit dem „Flamenco Hoy“, der angesehensten Auszeichnung die Spaniens
Experten im Flamenco zu vergeben haben, ist das Album des spanischen
Flötisten und Saxophonisten Jorge Pardo bereits im Vorjahr geehrt worden.
Auf Vientos Flamencos wird die ungemeine Bandbreite von Pardos
kreativem Schaffen im Spannungsfeld von traditionellem Flamenco und Jazz
aufs Schönste demonstriert. Flöte und Saxophon sind per se nicht gerade die
klassischsten Vertreter des Flamencoinstrumentariums. Nicht zuletzt diesem
Umstand ist es sicher zu verdanken, dass ein Jorge Pardo sich quasi ohne
echtes Vorbild und den damit verbundenen Scheuklappen hat entwickeln können.
Gehört hat er die Musik von King Crimson und Soft Machine, aber auch John
Coltrane, klassische Musik und natürlich die Musik der berühmten
Flamencokünstler seiner Zeit wie z. B. Paco de Lucía. Mit dem er dann eines
schicksalhaften Tages bei einer Aufnahmesession zusammentreffen sollte.
Daraus entwickelte sich eine jahrzehntelange, äußerst fruchtbare
Zusammenarbeit, die auf zahlreichen Alben des Septetts dokumentiert ist.
Pardo ist es gelungen typische Jazzinstrumente überzeugend in den
Flamencokontext zu integrieren. Zu hören auf diesem herrlich gestalteten
Album mit einer großen Zahl von Wegbegleitern der letzten Jahre.
Rolf Beydemüller
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JON FAUKSTAD/PER SÆMUND BJØRKUM
Konsert På Kleppe
(JPSrecords JPS 301)
12 Tracks, 49:52, CD mit Infos (norw., bzw. engl. Kurzfassung)
Traditionelle Musik, gespielt auf Geige und Akkordeon, traditionsgetreu
aufgenommen in der Küche des Hofes Kleppe im norwegischen Gudbrandsdalen. Es
geht gleich mächtig los, mit einem „Großwalzer“. Und wie! Wer da nicht das
Tanzbein schwingen möchte, muss einen wehen Fuß haben. Und so geht es auch
weiter, mit Mazurka, Galopp, Rheinländer, Schottisch und einer langen Suite
von Hochzeitsstücken (bei denen wir erstaunlicherweise den eher düsteren
deutschen Choral „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ finden). Ein Stück
stammt von den Shetlands und wurde im 17. Jahrhundert von schottischen
Söldnern mitgebracht, andere stammen von so bekannten Gewährsleuten wie Hans
Brimi und Niels Ursin (1800-1862), der galopp brillant dagegen von
Sohn Fredrik Ursin. Solche Informationen entnehmen wir dem Beiheft, das an
sich schon ein purer Schatz ist, so voller Details über längst verstorbene
Spielleute, über Überlieferungswege und Wanderbewegungen der Stücke, dass
allein deshalb die Anschaffung sich lohnt. Auch für die, die kein Norwegisch
können - so mitreißende, mit so viel Spielfreude vorgeführte norwegische
traditionelle Musik haben wir lange nicht mehr auf Silberlingen hören
dürfen.
Gabriele Haefs
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ALEXIS KORNER’S BLUES INCORPORATED
R&B From The Marquee
(CMRCD1371)
12 Tracks + 7 Bonustracks, 55:21
Blues Incorporated
(CMRCD1372)
12 Tracks + 6 Bonustracks, 52:31
At The Cavern
(CMRCD1373)
8 Tracks + 8 Bonustracks + 4 Interviews, 60:58
(Castle Music/Sanctuary www.sanctuaryrecordsgroup.co.uk)
Nicht hoch genug kann Alexis Korners Einfluss auf den britischen und den
Blues überhaupt eingeschätzt werden. Er war es, der den Bluesboom in den
frühen 1960er Jahren in England auslöste, in dessen Gefolge amerikanische
Musiker wie Willie Dixon oder Muddy Waters „wiederentdeckt“ und zu
ausgedehnten Tourneen nach Europa eingeladen wurden. Dies wiederum entfachte
das Interesse in deren Heimat Amerika neu, und der Rest ist
(Musik-)Geschichte, die bis heute andauert. Aus der Band Blues Incorporated
mit ihren zahlreichen Umbesetzungen gingen Musiker wir Paul Jones, Dick
Heckstall-Smith, Mick Jagger, Keith Richards oder Jack Bruce hervor; das
Who’s who der britischen Blues- und Rockmusik ging durch Alexis Korners
Schule.
CD Nummer eins ist dabei nicht nur die erste Platte der Band Blues
Incorporated, sondern gilt als die erste britische Bluesplatte überhaupt.
Anders als der Titel vermuten lässt, handelt es sich um Studioaufnahmen, an
denen in erster Linie Alexis Korner (Gitarre, Gesang), Cyril Davies
(Bluesharp, Gesang), Dick Heckstall-Smith (Sax) und der Sänger Long John
Baldry beteiligt waren. Gespielt wird „klassischer“ Chicago Blues, und neben
Stücken von Willie Dixon finden sich auch eigene Kompositionen von Alexis
Korner.
Die zweite CD ist sehr stark vom Jazz beeinflusst. Es gab nun als zweiten
Saxophonisten Art Themen, vor allem für das Wechselspiel der beiden
Saxophone mit Alexis Korners Gitarre; prägend für diese Aufnahmen.
Die (im Original) sehr seltene Platte At The Cavern ist ein
Livemitschnitt von 1964 in abermals geänderter Besetzung und transportiert
sehr gut die Liveatmosphäre damaliger Konzerte.
Alle drei CDs wurden einem mehr als gelungenen „Remastering“ unterzogen.
Angereichert mit Bonustracks stellen sie auch für die stolzen Besitzer der
jeweiligen Originalausgaben eine sinnvolle Ergänzung der Plattensammlung
dar.
Achim Hennes
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