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ULMAN
Vibes
(Heideck HD 20065, www.ulman.info)
13 Tracks, 54:08
Zehn Jahre ist es her, dass die Uhlmänner mit Posaune, Akkordeon und
Drehleier das deutsche Referenzalbum in Sachen tanzbarem Folk
veröffentlichten. Die gesamte Folkwelt wartete gespannt auf den nächsten
Streich. Aber außer einer Maxi 1998 gab es keine weitere Veröffentlichung.
Familie Uhlmann war zwar auf unzähligen Projekten, CDs und Konzerten zu
finden, das Projekt ULMAN jedoch schlief. Nun endlich ist das zweite Album
am Start, drei Titel kannte man bereits von einer Promotion-CD aus dem
vergangenen Jahr, und so waren die Erwartungen entsprechend hoch. Vielleicht
sind jedoch diese Erwartungen der Grund, dass Vibes nicht den
gleichen Seegang verursacht wie das Debütalbum. ULMAN sind unverändert
großartig. Die Soundqualität hält locker gehobenen internationalen Standard
und über die musikalischen Fähigkeiten der vier Musiker gibt es keine
Diskussion. Der alte ULMAN-Sound wurde durch zeitgemäße Percussion
aufgewertet, ohne die Tanzbären zu verschrecken. Verspielter Humor zieht
sich durch die runde Produktion. Lediglich der Hidden Track ärgert. Was
fehlt, ist vielleicht nur das bisschen Genie, das man sich von den
Uhlmännern nach der langen Abstinenz erhofft hatte. Vibes bleibt
dennoch Pflichtkauf für jeden Folkie, zu selten sind bei uns Folkalben
dieser Klasse.
Chris Elstrodt
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HEIKE KELLERMANN, WOLFGANG RIECK
Was solln wir noch beginnen ...
(Eigenverlag, www.kramerprogramm.de)
22 Tracks, 64:31, mit Texten und Infos
Seitdem Hans-Eckardt Wenzel einst den Dichter Theodor Kramer
wiederentdeckt hat (die Zupfis waren wohl noch früher am Thema), sind dessen
Verse in der Songszene äußerst beliebt. Ex-Liederjan Wolfgang Rieck
präsentierte bereits auf seinem letzten Album mehrere Vertonungen des
österreichischen Poeten jüdischer Herkunft. Nun liegt eine neue CD,
gemeinsam mit der in Rudolstadt aufgewachsenen Musikdozentin Heike
Kellermann vor, die ausschließlich Kramer-Texte enthält. Beide werden dabei
eindrucksvoll von 14 Musikern aus Klassik, Jazz und Chanson begleitet,
darunter Jörg Kokott und Karl-Heinz Saleh. Aus dem gewaltigen Werk Kramers -
er soll 12.000 Gedichte geschrieben haben - wählte man vor allem Liebeslyrik
aus, die wahrscheinlich zum Besten zählt, was die deutsche Sprache
hervorgebracht hat. Neben den melancholischen Titeln ist aber auch Deftiges
zu hören, wie das an Brecht erinnernde „Von den Furzen“ oder das
folkloristische „Trinklied der Fünfziger“. In „Ich habe zu viel und zu gerne
gelesen“ heißt es selbstkritisch: „Iich bin all die Jahre zu sicher gewesen,
/ Ich habe mein Lebtag zu wenig getan.“ Das gesamte Album ist stimmig, man
spürt förmlich die immense Arbeit, die darin steckt, bis hin zum
umfangreichen Booklet. Die Frage ist nur, ob sich irgendwann diese
niveauvolle Volksmusik gegen die Banalität der TV-Unterhaltung behaupten
kann.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
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HANS LÜDEMANN/TRIO IVOIRE
Touching Africa
(RISM-Edition 3002/AL!VE, Promo: www.rattaymusic.de)
10 Tracks, 66:35
In der Vergangenheit haben sich MusikerInnen aus Jazz und Neuer Musik auf
höchst unterschiedliche Weise mit den vielfältigen Stilen afrikanischer
Musik auseinander gesetzt. Mal auf rein spiritueller Ebene (John Coltrane),
mal möglichst originalgetreu (Bengt Berger), mal die repetetiv-rhythmischen
Elemente auf das Klavier übertragend (Abdullah Ibrahim), mal
improvisatorisch den Originalen nachspürend (Irène Schweizer), mal als
Partitur vom Blatt gespielt (Kronos Quartet) oder gleich eine komplett neue
afrikanische Kunstmusik erschaffend (Art Ensemble Of Chicago). Auf dieser -
in Köln aufgenommenen - zweiten CD des Trio Ivoire (Hans Lüdemann: piano,
clavichord, electron. - Aly Keita: balaphon, sanza - Steve Argüelles: dr,
perc, electron.) finden wir alle diese Ansätze in trauter Runde vereint.
Naturgemäß sind dabei nicht alle Varianten gleich stark vertreten. So
schlägt z. B. bei Aly Keitas Kompositionen der Zeiger stärker in Richtung
Tradition, wohingegen gerade bei den etwas längeren Lüdemann-Kompositionen
dessen E-musikalische Ausrichtung unüberhörbar ist. Richtig „afrikanisch“
wird es dagegen, wenn das Trio bei einigen Stücken durch Lüdemanns
langjährigen Duopartner Tata Dindin (kora, voc) zum Quartett erweitert wird.
Dann verbinden sich Melodien und Rhythmen aufs Feinste und das musikalische
Herz Afrikas pulst für ein paar Minuten in Köln am Rhein. Grandios.
Walter Bast
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DOTA KEHR und die Stadtpiraten
Immer nur Rosinen
(Kleingeldprinzessin Records 06312, www.kleingeldprinzessin.de)
13 Tracks, 51:33, mit Texten
Zum Mitsingen sind diese leichtsinnigen und -füßigen Lieder, denen Jan
Rohrbach an der Elektrogitarre und Sebastian Vogel am Kontrabass Flügel
verleihen, denkbar ungeeignet. Obwohl es die Sängerin auf ihrer fünften CD
ruhiger angeht und nur ausnahmsweise in luftschnappendes Stakkato verfällt,
z. B. der Firstsightlove aus der S-Bahn im Ö. N. („Öffentlichen Nahverkehr”)
nachrennend. Einiges verdankt sie dem Rap, auf den sie zugunsten
mediterraner, lateinamerikanischer Leichtigkeit verzichtet hat: die Poesie
nüchterner Aussagesätze, den Klangreichtum von Aufzählungen, den Seiltanz
von Binnenreim zu Binnenreim. 13 teils recht textlastige Lieder, aber kein
übertriebenes oder schiefes Bild, das will etwas heißen! Dafür verhaltene
politische Anklage („Der Fluch des Schlaraffenlands”), Kritik der
Leistungsidiotie („Die Funktionalisierer”) und Verzweiflung an der
Normierung der Normalität („Menschenklone”). Auch die ökologisch
vorbildliche Verpackung sei erwähnt, hübsche Farbfotos, Beiheft mit
sämtlichen Texten und trotzdem keine Plastikumwickelung, kein ausfransender
Zahnkranz. Eine Sommerplatte für die kommenden herbstlichen Tage!
Nikolaus Gatter
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CURRACH
Farewell To Old Ireland
(Eigenverlag 2006, www.currach.de)
10 Tracks, 48:40, mit engl. Texten und Infos
Aus der Bonner Irish-Session-Szene gingen schon einige Bands hervor, eine
davon ist Currach, die im Kern aus Ellen D. Jeikner (Hauptsängerin,
keltische Harfe, Gitarre, Mandoline, Tin Whistle), Ralf P. Wackers (Gitarre,
Banjo, Irish Bouzouki, Mundharmonika, Bodhrán, Hintergrundgesang, der auch
das Celtic Attractions Festival im Zirkuszelt in Köln organisiert, wo 2005
auch Teile der CD aufgenommen wurden), Katja Martens (Fiddle) sowie der
mittlerweile in Wien lebenden Antonia Werding (Uilleann Pipes, Tin Whistle)
besteht. Auf dieser ihrer zweiten CD seit 2004 spielen außerdem noch Olaf
Sickmann (Tin Whistle), LeAnn Guyton (Querflöte) und Michael Heuser
(Fivestring Banjo) mit. Anders als bei ihren Livegigs überwiegen auf dieser
CD mit 8:2 die Lieder, die auch eindeutig die Stärke der Band bilden. Ellen
Jeikner trägt sie mit ihrer unverwechselbaren ausdrucksstarken Stimme vor,
begleitet sich dabei mal mit der Gitarre, mal mit der Harfe, Ralf Wackers
singt oft in zweiter Stimme im Hintergrund mit, die anderen Instrumente
umspielen sie und füllen die Lücken zwischen den Strophen mit der
Liedmelodie oder aber einer anderen. „Never Tired Of The Road“ von Andy
Irvine klingt sehr nach Country, damit sollten sie sich mal beim European
Song Contest bewerben. Die beiden Instrumentals sind ein verträumtes
Harfen-Flöten-Bodhrán-Set und ein flotteres mit den Pipes im Zentrum.
Michael A. Schmiedel
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TORMENTA JOBARTEH
Taling Taling
(bibi africa, www.bibiafrica.de)
21 tracks, 55:13, Info deu
Da hat sich ein Weißer in Afrika eingeschlichen; hartnäckig und
enthusiastisch. Acht Jahre lang blieb der Münchner in Gambia, beim
anerkannten Meister auf der Kora, einem westafrikanischen Saiteninstrument.
Dort lernte er dieses Instrument, die Sprache und die kulturelle Aufgabe der
„Griots“, der Geschichtenbewahrer und -erzähler, so lange und intensiv, dass
er selber zum Griot wurde. Anerkannt und aufgenommen in der Familie des
Griot Basuro Jobarteh, machte er sich auf, diese Erfahrung auch nach Europa
zu bringen. Seit zehn Jahren tourt er nun mit einer Reihe westafrikanischer
Instrumente und Geschichten. Die Stimmung, die Tormenta Jobarteh auf der CD
einfängt, ist genau die des folkloristischen, exotischen Märchenerzählers,
wie man sie gelegentlich auf Festivals auf kleinen Bühnen oder im Zelt
findet: schlicht gehaltene und doch vielfältige Musik aus einer anderen
Welt, dazu Geschichten, die ganz woanders spielen und doch bekannt
vorkommen.
Jürgen Brehme
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CALO RAPALLO
Verzähls deim Friseur
(Stormy Monday records MO 81188, www.stormy-monday-records.de)
13 Tracks, 48:03, mit Texten
Kennen Sie das Remstal? Dort lebt, im tiefsten Schwaben, etwa 30 km
östlich von Stuttgart, ein gebürtiger Sizilianer und spielt seit über 30
Jahren den Blues. Auf seinem zweiten Album präsentiert uns der Lokalmeister
der Gitarre originelle, humorvolle und dezent boshafte eigene Lieder, gerne
auch im örtlichen Dialekt. Seine Lieder spiegeln den Alltag wider: Loser,
denen alles misslingt - aber sonst geht’s ihnen gut. Er besingt das
Individuum, einsam und orientierungslos, der immer irgendwie angepinkelt
wird, über seinen Kampf im Leben, über eigentlich gescheiterte Beziehungen
und das Gefühl der Isoliertheit. Was sich in der komprimierten Aufzählung so
deprimierend anhört, ist auf der CD mit Witz und musikalischer Phantasie
flott umgesetzt. Country, Rock und Blues, dieser italienische Schwabe bringt
einen soliden, sehr ansprechenden Deutschrock zu Gehör. Ein italienischer
Titel und ein Instrumentalstück bereichern und unterstreichen die
Vielseitigkeit dieser regionalen und multikulturellen Produktion.
Rainer Katlewski
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PE WERNER
Dichtungen aller Art - Lieder & Erzählungen
(WortArt 4257, www.pewerner.de)
25 Tracks, 62:08, mit Texten
Erst mal das Graphitschreibmodul anspitzen ... Wer vergessen hat, sich
Minibleistifte bei IKEA mitzunehmen, kann sich aus der linken Achse der
CD-Box einen rauspulen! Also los: Mit ihrer unvergesslichen,
modulationsreichen Stimme wurde Pe Werner („Weibsbilder“, „Kribbeln im
Bauch“) eine der profiliertesten Singer/Songwriterinnen hierzulande. Das
Hörbuch bietet neun ihrer Lieder (darunter das großartige, nach „Windmills“
gecoverte „Säufermond“), ansonsten autobiographische Prosatexte.
Selbstironisch erzählt sie, wie sie sich mit viel Schubidu und Werbetralala
von der „Backgroundschlampe“ zur „Frontfrau“ hochgedient hat, spottet über
die „irreführenden, unleserlich kopierten Wegbeschreibungen“ der
Veranstalter, „aberwitzige Gute-Laune-Moderatoren“, die sie zum
„Drei-Minuten-rein-raus-Talk“ ins Studio holen, über die Presse von
Heimatbote bis Bäckerblume. Leider liest Pe Werner übertrieben
gestisch, schnatterig und entsetzlich pingelig in der Intonation. Das klingt
ungefähr wie Fassbinder-Dramen, mit schillerschem Bühnen- und
Hochsprachenpathos vorgetragen. Die eher belanglosen Beziehungsgeschichten
nehmen sich daher wie Brigitte-Glossen von Elke Heidenreich aus, die
meinetwegen manche mögen mögen.
Nikolaus Gatter
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