back Rezensionen Bücher


ERIC NUZUM
Singing in the Echo Chamber:
Music Censorship in the U.S. after September 11th

Kopenhagen: Freemuse, 2005
64 S. (Freemuse report; 2005/05)
ISSN 1601-2127

„Wenn Zensur in der ‚Achse des Bösen‘ schlecht ist, ist Zensur in der ‚Achse des Guten‘ dann gut?“, fragt dieser Bericht der Organisation Freemuse. Die in Dänemark ansässige Einrichtung dokumentiert weltweit Fälle von Musikzensur, zuletzt in Broschüren über Länder wie Afghanistan, Simbabwe, Rumänien und Nigeria. Dieses Mal geht es um aktuelle Fälle in den USA. Der US-Journalist und Buchautor Eric Nuzum stellt in dem vorliegenden Report fest, dass die zunehmenden Beschränkungen von Boykottaufrufen bis zu staatlicher Zensur reichen.

Wenige Tage nach den Anschlägen im September 2001 veröffentlichte der Mediengigant Clear Channel, dem über 1.700 Radiostationen in den USA gehören, eine Liste mit Songs, die - so die Begründung - mit Rücksicht auf die Opfer der Tragödie nicht gespielt werden sollten. Geht es in deren Texten doch um Themen wie Tod, Feuer und Flugzeuge. Aufgeführt wurden in der Liste aber auch John Lennons „Imagine“ und „Peace Train“ von Cat Stevens - Künstler, deren politische Haltung Konservativen ein Dorn im Auge ist, sagt Nuzum. „Da fragt man sich natürlich, was damit geschützt werden sollte. Es ist nachvollziehbar, nichts spielen zu wollen, was damals die Gefühle der Menschen hätte verletzen können. Als es aber darum ging, möglicherweise kontroverse Sachen zu verhindern, da wurde es zur Zensur.“ Als weitere Beispiele werden in dem Freemuse-Report u. a. die Dixie Chicks aufgeführt, deren CDs nach ihrer Kritik am Präsidenten von zahlreichen Radiosendern aus dem Programm genommen und an einigen Orten öffentlich zerstört wurden. Ähnlich ging es anderen regierungskritischen Künstlern. Steve Earle wurde wegen seines Songs „John Walker’s Blues“ als psychopathischer Verräter verschrien. Die Zeitschrift New York Post nannte ihn einen „Amerika-Hasser“. Das Wall Street Journal forderte einen Boykott des Songs.

Sowohl die politische und religiöse Rechte als auch konservative Mediennetzwerke tragen mit ihren Appellen an die patriotischen Gefühle dazu bei, dass die Menschen bereit sind, die Einschränkung bestehender Freiheitsrechte hinzunehmen. Eine unrühmliche Rolle spielen für Eric Nuzum dabei vor allem die Medien. „Bei den meisten Fällen von Zensur seit dem 11. September waren die Medien beteiligt. Weil sie grundlegende Regeln des Journalismus vernachlässigt haben, als es darum ging, Behauptungen über Musiker nachzugehen.“

Künstler müssen in den USA nicht um ihr Leben fürchten, wenn sie die Regierung kritisieren - anders als ihre Kollegen in manchen afrikanischen, asiatischen oder arabischen Ländern, die ebenfalls Gegenstand von Jahresberichten der Organsisation Freemuse waren. Doch bis dahin ist es nur ein kleiner Schritt, glaubt Eric Nuzum. „Es besteht ein schmaler Grad zwischen der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in den USA und den Zuständen in anderen Ländern. Noch hat der Ruf nach Zensur hier zur Folge, dass sich Menschen dagegen wehren. Doch wenn eines Tages niemand mehr aufsteht und sagt, Zensur ist falsch, dann wird man Dinge sehen, die im Detail in den anderen Freemuse-Berichten beschrieben werden.“

Michael Kleff

Bezug: www.freemuse.org

 

ERIC NUZUM - Singing in the Echo Chamber


MÄRKU HAFNER
Wenns gyget: Lustige Tanzmusik für zwei Geigen und Begleit, zum Teil auch für C-Klarinette, Geige und Begleit;
gespielt von den Bärner Volksmusikante 1957-1964 und der Husmusig Jeremias, gegründet 1964

Oberhofen am Thunersee: Zytglogge Verlag, 2006
139 S., 39 Partituren mit Kommentaren und Zeichnungen
ISBN 3-7296-0709-X

Wenn Märku Hafner zum Tanz aufspielt, dann „gygets“ - und das seit über 40 Jahren. „Wenns gyget“ sagt man in der Schweiz nicht nur, wenn das Zusammenspiel der Musikanten vortrefflich klappt, „wenns gyget“ ist auch eine Metapher für eine harmonische, reibungslose Beziehung unter Menschen. Dass es dem 1928 geborenen Geiger ein Anliegen ist, sowohl musikalisch wie auch menschlich für Harmonie und Schwung zu sorgen, spürt man beim Lesen des Buches. Wenns gyget beinhaltet 39 Tänze aus dem Repertoire der Husmusig Jeremias und der Bärner Volksmusikante, mit denen Märku Hafner seit Jahrzehnten an Folkfestivals, Volksmusikstubeten und dergleichen auftritt. Manche der Tänze stammen aus der Feder von Märku Hafner. Nicht weniger als 22 der Polkas, Walzer, Schottisch, Ländler, Märsche, Stümpli und Mazurkas komponierte der Bündner Geiger und Klarinettist Lenz Majoleth, genannt Guggerlenz (1879-1948). In liebevollen Anekdoten beschreibt der Autor, wie die „Stücklein“ des aus einer Besenbinder- und Geigerdynastie hervorgegangenen Musikers zu spielen sind - nämlich „satt, mit innerem Feuer und authentisch“.

Märku Hafner ist nicht nur musikalisch der Tradition verpflichtet: Wenns gyget ist durch und durch Handwerk. Keine Computerschrift besitzt den Charme der Kalligraphie des Autors. Seine Federzeichnungen der „Tanzfüdli“ und die schwungvoll zackigen Bergillustrationen sind eine Augenweide und lassen keine Zweifel ob Märku Hafners Liebe zur (intakten) Heimat aufkommen. Er zeigt aber auch augenzwinkernd, wie der Biokohl vom Diesel des Traktors in Ruß gebadet wird. Humor beweist Märku Hafner auch immer wieder in seinen mit Helvetismen und fast vergessenen schweizerdeutschen Ausdrücken durchsetzten Texten. Wer etwas mit Begriffen wie „Bätzisäufer“, „Huuri“, „Gütterlidökter“, „Stündeliprediger“, „Bölimannen“ und „schwarzen Geigern“ anfangen kann, wird eine abenteuerliche Reise in eine Schweiz antreten, wie wir sie heute kaum mehr antreffen.

Ach ja, da sind natürlich noch die Noten für „zwei Geigen und Begleit“, zum Teil auch für „C-Klarinette, Geige und Begleit“, allesamt liebevoll und gut leserlich von Hand niedergeschrieben. Aber bitteschön: wild, sanft, kratzig und mit vollem Gefühl spielen - „dänn gygets!“

Martin Steiner

 

MÄRKU HAFNER - Wenns gyget


FRANK MILLER
Blindenhund für Wohlstandskinder: Tagebuch eines Musikmanagers
Dt. Originalausg.

O. O.: Bong, 2005
223 S.
ISBN 3-905702-02-9

„Gopferdelli“ - dieses Schweizer „Donnerwetter-Schimpfwort“ ist in dem Tagebuch von Frank Miller allgegenwärtig. Gründe für die vielen Gopferdellis gibt es genug, wie der Leser sehr bald erkennt. Da schickt sich ein idealistischer, musikbegeisterter junger Mensch mit Sinn für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und dem Wissen, dass Erfolg nur mit harter Arbeit zu erlangen ist, an, eine Schweizer Musikgruppe zu managen. Die Jungs haben auch sofort Erfolg, bekommen einen Major-Deal und Angebote, von denen viele andere Bands nur träumen können. Aber bei aller musikalischen Begabung fehlt ihnen eines - der Sinn für die Realitäten des Geschäfts. Einmal möchte man nicht als Vorgruppe eines Stars der Szene auftreten, weil man den irgendwie Scheiße findet, dann hat ein Bandmitglied gerade Ferien geplant, als ein Auftritt ansteht, der den Durchbruch bedeuten könnte, und häufig hat man ganz einfach keinen Bock. So verpasst die Band eine Chance nach der anderen. Miller beschreibt dies alles sehr amüsant und mit einer gewissen Lässigkeit, dennoch ärgert man sich beim Lesen mit ihm, möchte ihm helfen, möchte die Bandmitglieder wachrütteln. Es ist ein ständiges Auf und Ab mit einem Ende, das an dieser Stelle natürlich nicht verraten wird. Selber lesen - es lohnt sich.

Markus Dehm

 

FRANK MILLER - Blindenhund für Wohlstandskinder


PETER GRADENWITZ
Di faierdike Liebe: Jiddische Liebeslieder
Texte und Noten. Mit Ill. von E. M. Lilien

Neu-Isenburg: Melzer Verlag, 2004
239 S., Noten, Texte u. Abb.
ISBN 3-937389-40-7

Die 104 Lieder, eine „Sammlung ... aus der unwiederbringlichen untergegangenen Welt des jiddisch sprechenden osteuropäischen Judentums“ (so das Vorwort), erzählen von Liebesglück und Liebesleid („Ein Traum“), von heimlicher Sehnsucht („Lass uns eine Liebe spielen“) oder großer Enttäuschung. Neben fröhlichen Tanzliedern gibt es auch Moritaten, teilweise mit gar schauerlichem Ende ... Anders als herkömmliche Volkslieder, die normalerweise regional oder zumindest national eingebunden sind, sind jiddische Volkslieder Lieder eines Volkes in fremden Ländern, ohne eigenes Land, wobei jedoch hier in einigen Fällen auffallende Ähnlichkeiten mit deutschen Volksliedern zu finden sind. Jedes der Lieder ist in Noten dargestellt, die Texte erscheinen in jiddischer Sprache mit deutscher Übersetzung. Auffallend, dass man es unterlassen hat, das Jiddische nicht nur in lateinischen, sondern auch in hebräischen Buchstaben wiederzugeben.

Erst auf dem zweiten Blick ist festzustellen, dass man das Buch irgendwie schon einmal in Händen hielt. Und siehe, unter dem Titel Die schönsten jiddischen Liebeslieder, erschienen 1988 im Weiss-Verlag, wird man fündig - damals noch mit Festeinband und der Erwähnung eines Übersetzers ins Deutsche (Peter Vernon). Bemerkenswert, dass in beiden Ausgaben nichts Näheres über den Autor (wie auch über den bekannteren Illustrator Ephraim Moses Lilien, 1874-1925) zu finden ist: Peter Emanuel Gradenwitz wurde 1910 in Berlin geboren. Er studierte Soziologie, Literaturgeschichte, Philosophie und Musikwissenschaften in Freiburg im Breisgau und Berlin (dort u. a. unter Curt Sachs). 1934 verließ er Deutschland und reichte seine Dissertation an der Deutschen Universität in Prag ein. Nach kürzerem Aufenthalt in London emigrierte Gradenwitz 1936 nach Palästina. 1945 veröffentlichte er einen Konzertführer für symphonische Musik und gründete schließlich 1966 die Abteilung für Musikologie an der Universität Tel Aviv. Unter seinen vielen weiteren Publikationen erregten besonders die Monographie über Leonard Bernstein Aufsehen sowie der Band Musik zwischen Orient und Okzident (1977). Einen weiteren Schwerpunkt legte Gradenwitz auf die Musik des 20. Jahrhunderts, vorzugsweise setzte er sich mit dem Schaffen Arnold Schönbergs auseinander. 1980 erhielt er die Ehrenprofessur an der Universität Freiburg. Im November 2001 verstarb er 91-jährig in Tel Aviv.

Matti Goldschmidt

Bezug: www.melzerverlag.de

 

PETER GRADENWITZ - Di faierdike Liebe


CORINA OOSTERVEEN
Tanzarello: Folk-Tanzen in der Grundschule

Boppard: Fidula-Verlag, 2006
119 S., mit zahlr. Noten u. Abb. plus CD (von Aller Hopp, 78:49).
ISBN 3-87226-904-6 / 978-87226-904-1 (ab 2007)

Es ist das reizvolle und doch schwierige Thema: Folktänze vielen Menschen zugänglich zu machen. Kinder im Grundschulalter könn(t)en durch diese Begegnung geprägt werden und dabei eine Menge moderner Bewegungsdefizite gar nicht erst bekommen. Corina Oosterveen hat sich an die Aufgabe gemacht, eine Anleitung, eine Hilfe und Animation zum Tanzen mit Kindern an die Grundschulen zubringen.

Das Handbuch enthält dazu weit mehr als nur Tanzbeschreibungen und Noten. Erst einmal gibt es kulturellen Hintergrund, Tanzbegriffe und vor allem den Versuch, den potenziellen Tanzlehrern die vielen Möglichkeiten der Vereinfachung und Anpassung an die Stimmung und an das Können der Kinder nahe zubringen. Deswegen gibt es zu jedem der 20 Tänze auch die einfachen bzw. vereinfachten Versionen neben den originalen Tanzformen, aus der langjährigen Praxis der Autorin stammende Vorschläge zur tanzfreudigen Vermittlung und vielerlei musiktheoretische, historische und kulturelle Bemerkungen. Für Tanztheoretiker ist letzteres ein gefährliches Gebiet, da kann es zu mancher Quelle oder Bewertung Widerspruch geben - die Welt der traditionellen Tänze ist ungeheuer vielschichtig, da gibt es (gern genutzten) Raum für Interpretation, Streit und Auslegung genug. Für das Anliegen des Buches zur Tanzverbreitung erscheint das aber eher nebensächlich. Wichtig scheint, dass es Corina Oosterveen gelungen ist, theoretische Arbeit für die Grundschule nicht zur grauen Theorie verkommen zu lassen, sondern auch noch Lust auf Tanzen zu vermitteln - was ja per Buch schwer genug ist. Die Tänze: von Marin Congo, Galopede über Hanter Dro, Branle bis Strip the Willow und Fröhlicher Kreis.

Die Lust auf Tanzen wird von der CD mit allen 20 Tänzen unterstützt, die von Aller Hopp, bewährte musikalische Partner der Autorin, eingespielt wurden. Sorgfältige Instrumentierung (alles auch im Buch erläutert und übersichtlich dargestellt) und natürlich die Tanzbarkeit der Musik standen im Vordergrund. Die CD ist sehr gut verwendbar, zum Buch oder für jede andere Tanzgelegenheit, bei der Musiker durch CD ersetzt werden müssen. Für die heutigen Hörgewohnheiten der Kinder klingen die Aufnahmen wohl etwas brav ...

Jürgen Brehme

 

CORINA OOSTERVEEN - Tanzarello


LAG TANZ SCHLESWIG-HOLSTEIN E. V. [Hrsg.]
Liflig Sang:
28 Volkstänze aus der deutsch-dänischen Grenzregion

Schacht-Audorf: LAG Tanz Schleswig-Holstein e. V., 2005
71 S., überw. Noten plus Do-CD

Wer weiß wohl, wo Südjütland liegt? In dieser Region hat sich jahrhundertlang Deutsches und Dänisches gemischt, politisch wie kulturell. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurden dort regionale Tänze und Musiken benutzt, die kurz vor dem endgültigen Verschwinden durch den Sammler Andreas Otterstrom aufgezeichnet wurden. Dieser ist mit Spielmannsnotizen durch die Region gereist und hat sich die nicht aufgezeichneten Tänze vortanzen lassen. 1933 erschien sein Tanzbüchlein Liflig Sang („Lebhafter Gesang“), welches jetzt durch ein deutsch-dänisches Projekt wieder neues Leben bekam. Besonders geschah dies dadurch, dass zu den durch Otterstrom erhaltenen Tanzbeschreibungen zwei CDs eingespielt wurden, die sorgfältig in Tempo und Musikfolge abgestimmt und in tanzbarer Länge aufgenommen sind. Kenner werden unschwer die Mischung aus norddeutscher und nordeuropäischer Tradition erkennen. Eine Spezialität, übrigens nur in exklusiv kleiner Auflage.

Jürgen Brehme

Bezug: Jürgen Fularzik, Ginsterbusch 6, 24146 Kiel, Tel. 0431-786610, Fax 0431-2407154

 

Liflig Sang

Liflig Sang


MICHAEL HEPP
Tänze im Kreis 6: Tanzbeschreibungen

Boppard: Fidula-Verlag, 2006
96 S., Tanzbeschreibungen plus CD (24 Tänze, 72:52)
ISBN 3-87226-596-2

Wieder hat Michael Hepp für Kreistänze (überwiegend Balkan) für gute Tanzmusik gesorgt: Originalaufnahmen oder sorgfältig ausgewählte Neueinspielungen machen die CD nicht nur zu einem Fundus von Tanzmusik in guter Qualität, sondern schon rein musikalisch, aber auch kulturell zu einem Hörerlebnis. Die Tänze dazu sind gut recherchiert und in der Hepp-eigenen systematischen Art beschrieben. Nach dem Empfinden des erfahrenen Tanzlehrers handelt es sich um eine Auswahl relativ einfacher Kreistänze, mit denen man immer wieder gut arbeiten kann. Tanzerfahrung gehört aber schon dazu, diese Beschreibungen mit Leben zu erfüllen, es ist eher kein Buch für Tanzeinsteiger. Wohl auch deswegen war es nicht Anliegen, zu den Tänzen Hintergründe zu liefern. Liedtexte freilich sind original und übersetzt dabei.

Jürgen Brehme

 

MICHAEL HEPP - Tänze im Kreis 6

MICHAEL HEPP - Tänze im Kreis 6

Valid HTML 4.01!

Home