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TALKING WATER
Power Of The Moon
(Westpark wp 87135/Indigo)
Promo-CD, 10 Tracks, 48:16
Die deutsche All-Star-Band um Workaholic Kerstin Blodig legt mit ihrem
Album Power Of The moon die Messlatte beinah unerträglich hoch. Bei
jedem der zehn Tracks des viel zu kurzen Albums fragt man sich, wie man
bislang ohne diesen Song überleben konnte. Doch beschreiben wir Talking
Water ohne Pathos: Kerstin Blodig selbst wurde zu Recht mit dem Preis der
deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet und ist neben Touchwood, Norland
Wind und Kelpie auch bei Malbrook oder bei Dirk Schlömers Seitenprojekten
tätig. Ian Melrose ist die andere Hälfte des Duo Kelpie und ebenfalls bei
Norland Wind treibende Kraft. Sein Fingerpicking findet sogar die
Times brillant. Urs Fuchs wiederum kennt man insbesondere als
traumhaften Bassisten von Farfarello. Das Ganze zum Quintett aufgestockt
ergibt eine Band, der die Presse nur ein hilfloses „besser als Clannad“
bescheinigen kann. Talking Water versteht es perfekt, die populären Elemente
der irischen und der skandinavischen Folklore zu vereinigen. Außergewöhnlich
gutes Songmaterial wird unterlegt mit eingängigen Rhythmen zwischen Ambient
und Rock und in einer exzellenten Soundqualität gemischt. Zurück zum Pathos:
Wer sich nur eine CD im Jahr kauft, sollte 2006 Talking Water erwerben.
Chris Elstrodt
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SOLID GROUND
Dancing With The Daffodils
(Fellow Music 2006/Curzweyhl/Roughtrade, www.solid-ground.de)
14 Tracks, 53:52, mit zwei engl. Texten, dt. Infos und Photos
Nach einem bretonischen Sackpfeifenintro folgt ein Lied im Stil
amerikanischer Popmusik der 1980er, angereichert mit einer italienisch
anmutenden Flötenmelodie, danach der irische Klassiker „Foggy Dew“, der
„normal“ beginnt und dann in einen Reggaerhythmus übergeht. Weiter geht
diese Mischung aus moderner Popmusik, Irish Folk, französischer Bordunmusik
und anderem in kurzweiliger Weise. Wer macht denn so was? Es sind Simone
Papke (Leadgesang, Bodhrán), Christel West (Dudelsack, Drehleier, Flöten,
Akkordeon, Gesang), Christian Hartung (Geige, Drehleier, Gesang), Thomas
Zenglein (Piano, Synthesizer, Gesang), Uwe Dillenz (A- und E-Gitarre),
Ludwig Emmerling (Bass, Gesang) und Norbert Papke (Schlagzeug), die hiermit
ihre zweite Langspiel-CD vorlegen und im Würzburger Raum zu Hause sind.
Diese Art von Crossover kommt bei vielen gut an, aber Frau Papke hat auch
wirklich eine schöne Stimme, besonders bei „Lowlands Of Holland“. Ein Song
namens „The Flood“ wurde zum Gedenken an die Opfer des Tsunami im Dezember
2004 geschrieben und mit Kinderchor eingespielt, wobei zwei Euro jedes
CD-Verkaufes den Opfern zu Gute kommen. Eine Single mit diesem Song ist
schon ausverkauft. So verbindet sich Spaß an musikalischer Kreativität mit
sozialem Engagement, was man hervorheben sollte. Nur in die Instrumentals
sollten sie etwas mehr Variation einbringen, sonst wirken sie zu plump.
Michael A. Schmiedel
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APPARATSCHIKS
Aurora
(Weltwunder/Sunny Moon)
12 Tracks, 62:06, keine Infos
An dieser Scheibe ist so manches gar nicht echt. Zum Beispiel der
Veröffentlichungstermin, denn die Jungs starteten nach der Trennung von
ihrem Geiger Robert Hesselbach neu und wollen uns nun die 2004er CD als neu
anbieten. Die Musiker geben sich russisierende Spaßnamen (Ivan Matrosov,
Desto Trotzki) und rauchen auf der Bühne russische Zigaretten zu russischem
Wodka (der könnte echt sein). Und natürlich ist das auch keine „echte“
russische Musik, dieser rockig aufbereitete Mix aus Tradition und neuen
Ideen. Alles Musik aus Machorka-Tabakistan, so ihr Lieblingsausdruck. Die
Apparatschiks schwimmen seit Jahren auf der Welle der Russland- und
Osteuropa-Begeisterung, die durch die deutschen Tanzsäle schwappt. Und das
machen sie höchst vergnüglich, druckvoll und voll abtanzbar. Womit nicht
HipHop oder Punk gemeint sind, sondern saubere Rockmusik, klare Rhythmen,
schmetternder bis schmalziger Gesang und eine kräftige Prise russischer
Romantik auf Akkordeon (Bajan) und Balalaika. Die CD liefert trotz hohem
Spaßfaktor ein musikalisch anspruchsvolles Gegenstück zu mancher
Russenparty-Scheibe, lässt sich immer wieder auflegen und ersetzt überhaupt
nicht einen Liveabend mit dieser Band!
Jürgen Brehme
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DIE SIEBEN LEBEN
Jeder weiß Bescheid
(Löwenzahn/Buschfunk)
15 Tracks, 68:25
Der Titelsong „Jeder weiß Bescheid“ setzt die
Folkländer/Bierfiedler-Tradition der Leonard-Cohen-Coversongs fort. Man wird
überrascht sein, wie passend seine Lieder in der deutschen Übertragung von
Manne Wagenbreth zum Hier und Heute passen, ohne das Original zu verleugnen.
Herausragend: „Komm nicht näher“, ein Song von Richard Thompson. Im Original
eher unscheinbar, aber Susanne Grütz veredelt diesen Titel zu einem echten
„Hit“. Lieder wie „Fernweh in Plüsch“, „Anders gedacht“ oder „Den Film schon
mal gesehn“ erzählen von Sehnsüchten, geplatzten Lebensplanungen und
Illusionen, Anpassungen. Abseits der Charts erlebt man hier statt
Oberflächlichkeit und „Schöne Welten“ schöne Melodien und Texte, die trotz
Widerhaken nahe gehen. Jeder Song erzählt eine kleine Geschichte, die man
selber weiterspinnen kann, aber nicht muss. „Heil nach Hause“, ein
Bierfiedler-Oldie, gewinnt durch die Stimme Susannes, ebenso Mannes „Nichts
nachher“ als Folkreggae. Nicht zu vergessen, die Drehleiersoli von Til
Uhlmann, der auch Geige spielt. Mandoline, Akkordeon und Cello hört man
ebenso neben dem traditionellen Rockinstrumentarium wie die Mundharmonika.
Junge Leute musizieren neben altgedienten Musikern mit über 25-jähriger
Bühnenerfahrung. Der Grateful-Dead-Song „Black Muddy River“ am Schluss
dieser CD, wie auch schon traditionell zum Schluss eines Konzertes, beweist,
dass Die Sieben Leben sich der Folklore nicht ganz entzogen haben und mit
welcher Klasse man einen „Klassiker“ interpretieren kann.
Michael Rösch
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ANAT TUVIA
Zoriya’s Reaction
(Eigenverlag)
9 Tracks. 46:21
I Will Be Whatever I Will Be
(Eigenverlag)
11 Tracks; 41:45
Den Besuchern des TFF 2004 wird die Israelin Anat Tuvia vielleicht noch in
Erinnerung sein, soweit sie ihr Konzert auf der Burg besuchten. Ebendort
erhielt sie auch den Weltmusikpreis RUTH als bester Newcomer und gewann im
gleichen Jahr den World Wide Music Award der Berlin-Brandenburgischen
Musica Vitale. Mittlerweile hat sie zwei Alben im Eigenverlag
veröffentlicht, in der ihre Lebenserfahrungen zwischen Ost und West
verarbeitet werden sollen. „Ich greife traditionelle Themen auf und
interpretiere sie nach meinem heutigen Verständnis. Dadurch schaffe ich eine
Brücke zur Gegenwart, die meine Zuhörer in surreale Landschaften entführen
soll“, so die in Berlin wohnhafte Sängerin. Konkret heißt das, dass in ihren
Liedern etwa traditionelle jemenitische Volkslieder mit Rock- und
Jazzelementen verbunden werden - und das gleich in drei Sprachen, namentlich
in Englisch („Round & Monkey“), Arabisch („Binti Ya Bint“) und Hebräisch
(„Se’i Yona“). Sind die Texte nicht traditionelle Überlieferungen oder, wie
in einem Fall, von der Königsbergerin (heute Kaliningrad) Lea Goldberg -
merkwürdigerweise mit englischen Titel („No Name Journey“) -, stammen diese
von ihr selbst, so etwa auch das eher politische „I Fight The War“.
Exotischer Pop in Eigenproduktion!
Matti Goldschmidt
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MYK JUNG
Zenith Is Decline
(Endless-Records/Alive)
Promo-CD, 15 Tracks, 54:32
Die Schnittstelle zwischen der Wave-Gothic-Szene und den Folkies ist
relativ klein. Die Merlons findet man in Rudolstadt wie beim WGT, die
Neofolk-Bewegung hat außer dem Namen mit Folk nicht viel zu tun, und dann
gibt es noch Myk Jung. Der ist den meisten Folkies vermutlich kein Begriff,
aber als Frontmann von Fair Sex und Testify in der schwarzen Subkultur eine
Legende. Mit Zenith Is Decline legt der Elektropionier nun ein
wunderschönes akustisches Balladenalbum vor, welches fernab von EBM- und
harten Elektrobeats einen Einblick in einen ganz anderen Myk Jung
ermöglicht. Mit seinen filigranen Melodien und persönlichen Texten schafft
er ein Album, welches auch die Folkies ansprechen dürfte, die ansonsten eher
zu Liedermachern greifen. Sowohl der Gesang als auch die Kompositionen sind
gewöhnungsbedürftig. Wer sich darauf einlassen kann, wird mit einer
Entdeckungsreise in das innere Selbst belohnt, an einen Ort, an dem die
Schönheit der Schatten zu finden ist und man Betroffenheit und Glück
gleichzeitig spürt.
Chris Elstrodt
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CHRISTIAN M. REU
Northbound
(Eigenverlag, www.celticguitar.de)
14 Titel, 52:16, Infos in Deutsch und Englisch
C. M. Reu ist offensichtlich auch einer der „Spätzünder“, begann im Alter
von 16 Jahren mit Steelstringunterricht, dem mit 25 klassischer Unterricht
und später Workshops oder Unterricht bei Peter Finger, Werner Lämmerhirt und
Martin Simpson folgten. Stilistisch eindeutig dem keltischen Musikraum
zugewandt, ist gerade auch die klassische Ausbildung in seinem Spiel
deutlich präsent. Längst kein Nachwuchs mehr, aber wohl noch immer
übersehen, nutzt der Anfangsvierziger seine stilistischen und handwerklichen
Möglichkeiten sicher, erzählt in leiser Sprache sinnlich und voller
Stimmungen. Musikalisch besonders geprägt von Martin Simpson und
traditioneller Musik Irlands, Schottlands, Englands und der Bretagne, sind
seine Eigenkompositionen oder Arrangements ausgefeilt, ohne den Tausendsassa
zur Schau zu stellen, oder auffällig „stimmungsgeladen“ zu sein. Nein, auf
diesem balladesken Album wird jeweils das Wesen eines Stückes so klar und
elegant, mit sanfter, aber spürbarer Leidenschaft präsentiert, dass man
wirklich genießen kann. Die bei einigen Titeln sparsam eingesetzten
Keyboards unterstützen diese Wirkung. Gerade bretonische Einflüsse sind sehr
präsent und geben dem Album eine Grundstimmung, die es scheinbar aus der
manchmal zu übermächtigen DADGAD-Gefahr (wenngleich verwendet) ein wenig
heraushält und es somit zu einer wirklich eigenständigen Stimme und einer
schönen, spannenden Wanderung werden lässt.
Steffen Basho-Junghans
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PANKOW
Nur aus Spaß
(Buschfunk 02182, www.buschfunk.com)
14 Tracks, 49:20, mit Texten und Infos
Vor zwei Jahren tauchte die DDR-Kultband der 80er Jahre mit einer
vielbeachteten Tournee wieder auf, nachdem es in den 90ern still um sie
geworden war. Auf dem aktuellen Album sind durchweg neue Titel zu hören,
lediglich „Stille“ gab es in ähnlicher Textversion einst im Rockspektakel
Hans im Glück. Komponist und Sänger ist in seiner typisch
schnoddrigen Berliner Art Andre Herzberg, der jetzt auch fast alle Texte
schreibt. Jürgen Ehle (g, mand), Kulle Dziuk (key), Stefan Dohanetz (dr) und
Jäcki Reznicek (b) vervollständigen als überwiegend ehemalige
Pankow-Mitglieder die Band. Ihr Sound ist dynamisch und frisch und irgendwo
zwischen Rio Reiser, Bob Dylan und den Rolling Stones angesiedelt. Zu den
für mich interessantesten Titeln gehören die aus den Revuen Das kalte
Herz nach Hauff und Kleiner Mann, was nun nach Fallada, z. B.
„Geld“: „... was die Welt zusammenhält, was Freunde auseinanderbringt.“
Daneben spielt die Ostthematik eine Rolle: „... wir sind hiergeblieben, ham
’ne Menge durch“ oder „... als ich wieder Arbeit fand, es war Arbeit für Herz
und Verstand“. Der Titelsong „Nur aus Spaß“ hat das Zeug zum Ohrwurm, nicht
nur seines Rhythmus wegen. Die neue CD ist nichts für reine Ostalgiker, wohl
aber für Freunde des niveauvollen deutschsprachigen Liedrock.
Reinhard „Pfeffi“ Ständer
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JULIANES WILDE BANDE
Jazzmusik für kleine Leute
(R.U.M. records 2006, Löwenzahn LZ20061)
14 Tracks, 44:09, dt. Infos
Juliane Wilde veranstaltet eine Lärmschule und bekam von dort die
Inspiration, Kindern Jazzklänge näher zu bringen - bekanntlich eine schwere
Aufgabe. Sie hat dafür bekannte Kinderlieder, die wir alle kennen („Drei
Chinesen“, „Grün, ja Grün“ usw.) ganz gefühlvoll und sanft neu komponiert.
Begleitet nur von E-Klavier, Bass und Schlagwerk gibt sie den Liedern einen
neuen Stil, statt des üblichen Mitsingens erzeugt sie interessiertes
Zuhören. Diese Lieder werden gut erkannt und sind wie Lockvögel, die die
Hörer fesseln - die eingestreuten eigenen Lieder klingen dann schon etwas
jazziger. Im Laufe der CD steigert sich die Band, spielt mit den Texten und
improvisiert rhythmisch um die Melodien. Eine anspruchsvolle Idee mit
spielerischer Leichtigkeit umgesetzt!
Jürgen Brehme
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