CIBELLE
The Shine Of Dried Electric Leaves
(Crammed Discs Cram 123 / Indigo 69602)
14 Tracks, 63:55
Irgendwo zwischen brasilianischer Tradition, elektronischer Avantgarde und
kindlicher Verspieltheit beweist die Brasilianerin Cibelle mit ihrem zweiten
Album endgültig, dass ihr Debüt im Jahre 2003 keine Eintagsfliege war.
Elfengleich schwebt ihre Stimme durch ungewöhnliche Klangwelten, die rein
gar nichts mit brasilianischen Bossa-nova-Klischees gemein haben und wie
eine willkommene Frischzellenkur wirken. Begeistert loten Cibelle und ihre
Band musikalische Grenzen aus, mischen feinsinnige Computerbeats und laute
Gitarren mit dem Sound einer Kindertrompete und setzen im „Mad Man Song“
sogar nur Tassen, Löffel und Zuckerwürfel zur musikalischen Untermalung ein.
Neben den festen Bandmitgliedern, dem Keyboarder Kristian Robinson,
Gitarrist Felipe Pagani und Drummer Vladimiro Carboni, spielen u. a.
City-Of-God-Schauspieler und Musiker Seu Jorge, der kreative Kopf
Apollo Nove und der Brite Mike Lindsay auf Cibelles musikalischer
Experimentierwiese mit. „Mein Leben ist ein Labor und ich möchte sowohl
Hamster als auch Wissenschaftler sein“, hat die 28-jährige Sängerin aus São
Paulo mal gesagt, und dieses Motto wendet sie auch in ihrer Musik an.
Highlights auf dieser wunderbar einfallsreichen CD sind neben den
Coverversion von Tom Waits „Green Grass“ und Caetano Velosos „London London“
die gefühlvolle Eigenkomposition „Minha Neguinha“ und das erfrischende
„Cajuína“.
Suzanne Cords
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LILA DOWNS
La Cantina
(Peregrina Music PM50452/Inakustik)
15 Tracks, 52:06 mit span. und englischen Texten
Spätesten seit ihrem Auftritt als singende Freundin der Malerin Frida
Kahlo im gleichnamigen Oscar-prämierten Filmepos ist Lila Downs nicht
mehr nur Anhängern der Weltmusik bekannt. Die 37-jährige Sängerin und
Gitarristin, Tochter eines US-Amerikaners und einer Indianerin aus Mexiko,
entführt auch auf ihrem dritten Album in das Land ihrer Vorfahren. Diesmal
konzentriert sie sich mit ihrer Altstimme auf die dort so typischen
canciones rancheras. Das sind gefühlvolle Herzschmerzballaden, die
von Einsamkeit, Liebe und ungestillter Sehnsucht handeln, sozusagen das
mexikanische Pendant zum Blues. Doch Lila Downs präsentiert keine banalen
Texte, sondern erzählt vom menschlichen Leid ihrer Landsleute und von ihren
Bräuchen. Im „Corrido De Tacha“ zum Beispiel geht es um die 14-jährige
Muchacha, die vor der Zwangshochzeit flieht und als Table-Dancerin endet, in
„La Cumbia Del Mole“ würdigt die Sängerin Frauen, die für das Dorffest die
spirituelle Soße zubereiten. Und da Lila Downs zwischen den Welten
aufgewachsen ist und auch musikalisch weit über den Tellerrand schaut, sind
hier nicht typische Mariachiklänge zu hören, sondern modern aufbereitete
Tradition, die manchmal sogar im rockigen Gewand daher kommt. Musikalisch
unterstützt wird sie dabei u. a. von einem Akkordeonspieler aus den USA,
einem brasilianischen Gitarristen und einem chilenischen Schlagzeuger. Ein
Hochgenuss!
Suzanne Cords
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JAMELÃO
Noventa Anos Do Samba
(On The Corner OTCD989/ Nocturne/ Broken Silence)
14 Tracks, 59:14, mit engl. Infos und port. Texten
93 Jahre alt ist der Mann im Mai geworden und ist damit ungefähr so alt
wie der Samba selbst, als der sich um 1912 zum eigenen Musik- und Tanzstil
herauskristallisierte. Kein Wunder also, dass das vorliegende Album in
Brasilien bereits als Bibel des Samba Canção, des Sambaliedes, gehandelt
wird. In seiner Heimat ist Jamelão der berühmteste Karnevalssänger
überhaupt, hierzulande ist der vitale Carioca (Einwohner von Rio)
seltsamerweise nahezu unbekannt. Vielleicht ändert sich das mit dieser
Scheibe als Tribut an eine Samba-Ikone. Zusammen mit Severino Araújos
Orquestra Tabajara präsentiert Jose Bispo alias Jamelão Sambaperlen aus
mehreren Jahrzehnten, wie Tom Jobims „Piano Na Mangueira“, Caymmis „Lá Vem A
Baiana“ oder Ary Barrosos „Folha Morte“. Schon als 15-Jähriger begann er
seine musikalische Laufbahn als Tamburinspieler bei der berühmten Escola
Primeira de Mangueira, 20 Jahre später wurde er der erste Sänger dieser
großen Sambaschule. Und daran hat sich bis heute nichts geändert, in der
Karnevalssession 2005 brillierte Jamelão erneut mit Hits, u. a. „Mangueira
Energiza A Avenida”. Der Mann beherrscht alle Sambastile vom
tiefromantischen Canção bis hin zur schnellen samba enredo, und die
neun vergangenen Jahrzehnte haben seiner Stimme nicht geschadet. Wer das
nicht glaubt, kann sich in Rios Nachtclubs selbst davon überzeugen, denn
dort tritt Jamelão immer noch regelmäßig auf.
Suzanne Cords
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