back Rezensionen Nordamerika


CORTNEY TIDWELL
Don’t Let The Stars Keep Us Tangled Up

(Ever Records EVER03CD/Rough Trade)
Promo-CD, 11 Tracks, 42:13

Don’t let the Mazzy Stars Keep Us Tangled Up, könnte man in Anlehnung an eine der Hauptassoziationen das vorliegende Debütalbum auch nennen, die nicht nur Ihren ergebenen Autor beim Hören des zauberhaften Dutzends nicht loslassen wollen. Es sind in der Mehrzahl dark stars, welche den jüngsten Spross einer Familie von Generationen von Musikern aus Nashville umtreiben - die Biographie gibt einen guten Eindruck: Großvater Friedhofswächter; Townes Van Zandt Freund der Familie; Mutter die Hälfte ihres Lebens manisch depressiv, bevor sie mit erst 49 Jahren im Zustand kompletter Paranoia verstarb; beste/r Freund/in Selbstmord verübt. So war die Musik für Cortney Tidwell ein Leben lang mit Elend, Not, Trübsal und Jammer verbunden. Die Methode, mit der sie den Bann brach, war, mitten ins Auge des Orkans zu gehen: Das Klavier, an dem sich die Mutter zu Töchterchens Schrecken jahrelang die Seele herausgekotzt hatte, zum Komplizen zu machen und daran - „I write songs when I feel dark and there’s no way out“ - den Großteil ihrer melancholischen Songs zu komponieren. Die hat sie - wie es sich anhört, Informationen liegen leider keine vor - mit offenbar hochmodern-elektronischem Instrumentarium und Freunden wie Kurt Wagner und seinen Lambchop-Konsorten in ein Album von starkem hypnotischem Sog gegossen - dunkel wie die Dämmerung, gegen die ein Stern erst zu leuchten beginnt. Im Showbiz wie im richtigen Leben ...

Christian Beck

 

SARA K.
Hell Or High Water

(Stockfisch SFR 357.4039.2/Rough Trade)
10 Tracks, 49:59, mit engl. Infos und Texten

Mitte gefunden - zwischen Orient und Okzident wie künstlerisch: Mit geradezu fernöstlich anmutender Geduld, die angesichts der Ereignisse, mit welchen sie im wirklichen Leben zu Rande kommen musste, nachhaltig erstaunen, hat die mittvierziger Texanerin die Dämonen ihres Alltags auf halbem Weg zwischen Amerika und Asien bei Stockfisch im fernen Northeim bei Göttingen auf ein Niveau transponiert, von dem der Großteil ihrer Landsleute, die immer gleich mit der Tür zum großen Las-Vegas-Brimborium inklusive Racheschwert und Predigergezeter ins Haus fallen, nur träumen kann. Kompositorisch variantenreich, gesanglich zupackend, emotional entwaffnend hat sie in der westlichen Kultur universell gültigen Handicaps wie dem frühen Tod des Vaters, der Hölle im Flimmer der Massenmedien, schmerzhaften Verlusten im Freundes- und Musikerkreis und der Sehnsucht nach ihrer beim Daddy lebenden Tochter zwei Handvoll musikalische Meditationen abgerungen, die es in sich haben: Echos der Trommeln und Gesänge der Ureinwohner ihrer Heimat, den Blues der Afroamerikaner, ein umwerfendes Nachtlied im Walzertakt, den Folk der multikulturellen Bürgerrechtsjahre, entrückte Americana, intime Singer/Songwriter-Autorentunes. Ach, gäbe es im Land der unbegrenzten Blödheiten jenseits des Atlantiks doch mehr von der Unaufgeregtheit und Gleichmut, mit deren Hilfe Sara K. sich und ihre Karriere auf den Punkt gebracht hat ...

Christian Beck

 

SARA K. - Hell Or High Water


NEKO CASE
Fox Confessor Brings The Flood

(Anti-, 67772)
12 Tracks, 36:50, mit künstlerischem Booklet und Infos zu den Musikern

Der Rotschopf aus Washington hat einiges zu bieten: Frühe Erfahrungen im Punk, prägende und auf diesem vierten Solostudiowerk manifestierte Zusammenarbeit mit Giant Sand und Calexico, eine entspannte, feste, doch umfangreiche Stimme, mit der sie jede Menge Geschichten für Herz und Hirn ausmalt. Einige der zwölf Songs kreisen um Tierthemen, wie „Maybe Sparrow“ und „Fox Confessor Brings The Flood“. Vielleicht wächst ihre Vorliebe für Fabeln aus ihren ukrainischen Wurzeln. Klanglich bewegt sie sich knapp auf vielen Wegen neben der eingefrästen Folktradition der Americana. So erinnert „John Saw That Number“ an Gospel und Bluegrass. Das unterstützt sie mit einer reichhaltigen und originellen Instrumentierung, in „Star Witness“ ist es eine Vogelstimmenschleuder, in „Fox Confessor“ brazt die schräge Gitarre von Howe Gelb. Case baut jeden Song mit künstlerischem Gespür und einem Bewusstsein für wahrhaftige Themen so auf, dass sie „runde“ Geschichten erzählt, niemals aber Erwartungen erfüllt. Daraus und aus ihrer sehr unprätentiösen Art entsteht die Spannung und Natürlichkeit, die einen beim Hören des Albums auf wohlige Weise bereichert. Glaubwürdig, interessant und schön ist das.

Imke Staats

 

NEKO CASE - Fox Confessor Brings The Flood


WILLIAM HUT
Days To Remember

(CoraZong 255 088/Soulfood Music)
11 Tracks, 41:12, mit engl. Infos

Wegfahren? Um anzukommen! Und wieder ist der ehemalige Sänger der norwegischen Poor Rich Ones mit seinem dritten Soloalbum mehr in seiner neuen Heimat Boston heimisch geworden. Verleugnet nicht die tiefen Wurzeln musikalischer Sanftmut und Schmeichelei in der alten Heimat Bergen, der neben ihm namentlich auch die Elektropopper Röyksopp und die Quiet-Is-The-New-Loud-Regenten Kings of Convenience entstammen. Veredelt die blühenden Pflänzchen der letzten Jahre mit den neuen US-Mitstreitern nun aber zunehmend zu einem gleichermaßen stilechten wie assoziationsfreudig offenen Country- und Folkbastard internationaler Prägung: triefend vor Gefühl wie die Altvorderen à la Hank Williams, von dem auch ein Stück gecovert wird - dabei aber bar jeden überkommenen Machismo-Getues. Musiziert wird mit Banjos, Lap Steels und Dobros zuweilen postkartengetreu unmittelbar an den Originalen, gleichzeitig durchzieht das Ganze aber auch eine Ahnung ätherischer Alternativ-Rock- und Popmusik, als käme der ganze Spaß via Laptop zum großstädtischen Feierabend-Chill direkt aus der Lounge-PA. Eine rührende Parabel auf die komischerweise immer noch nicht gebrochene Anziehungskraft des American Dream: Hinter dem Horizont geht’s weiter - dem geographischen der Träumer von Amerika in der Alten Welt wie dem musikalischen und philosophischen der Platzhirsche in der Neuen. Ankommen aber tut nur, wer überhaupt losfährt ...

Christian Beck

 

WILLIAM HUT - Days To Remember

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