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MANFRED POHLMAN
Uns bindet die Liebe uns bindet die Not - Lieder der Freiheit, Lieder der Arbeit

16 Tracks, 48:37, mit Texten und Infos

Manfred Pohlmann hat in den 30 Jahren seiner Liedersängerkarriere stets Flagge gezeigt. Sein politisches Herz, das zeigt die neue CD deutlich, schlägt links. Vom Arbeiterlied par excellence, „Brüder zur Sonne zur Freiheit“(effektvoll mit Slidegitarre und Mundharmonika eingespielt), bis zum frühen, nach wie vor aktuellen Freiheitslied „Die Gedanken sind frei“, findet man bekannte Songs wie Vian’s „Le Deserteur“, das traditionelle „Leineweberlied“ oder Brechts „Solidaritätslied“. Weniger bekannte Arbeiterlieder und neu verfasste Songs wie das großartige „Leben einzeln und frei“, nach einem Motiv von Nazim Hikmet und eine deutsche Version von Woody Guthries „Union Maid“ runden die CD ab. Die Songs wurden mit prominenten Gästemusikern musikalisch abwechslungsreich eingespielt, darunter Jo Nousse (mit dem Pohlmann das Duo Mannijo bildet), der elsässische Volkssänger Roger Siffer und Günter Gall aus Osnabrück. Als Gastmusiker und Arrangeur konnte für einige Stücke niemand geringerer als Nouvell-France-Mastermind Yannick Monot (Gitarre, Dobro, Bass, Akkordeon, Dulcimer) gewonnen werden, der für abwechslungsreiche Arrangements steht. Die CD sollte man jedem Alt- und Junggenossen zwangsverordnen, als „linken Nachhilfeunterricht“ sozusagen.

Ulrich Joosten

 

MANFRED POHLMAN - Uns bindet die Liebe uns bindet die Not


DIVERSE
From The Closet To The Charts - Queer Noises 1961-1978

(Trikont US-0349/Indigo)
24 Tracks, 76:39, mit Infos

Sampler aus dem Hause Trikont zeichnen sich schon immer durch ihre außergewöhnliche Themenwahl und gründliche Recherche aus. Mit Queer Noises hat sich das Münchner Label aber selbst übertroffen. Hier wurde die Geschichte schwuler Popmusik intelligent und historisch präzise zusammengefasst. Das großartige „Kay Why“ (Anspielung auf ein Gleitgel) der „Brothers Butch“ würde ins Deutsche übersetzt genausowenig den Weg ins Radio finden wie Harold Kennedys Gay-Hymne „Closet Queen“. Provokation mischt sich mit purer Lebensfreude. Auf dem Sampler finden sich Exoten wie die Miracles genauso wie die Superstars Kinks oder die Punkhelden Ramones. Dabei spielt man bewusst mit den schwulen Klischees wie den Drag Queens und zeigt wunderbar den Einfluss auf die heutige Popkultur, der weit über Freddy Mercury hinausgeht. Ein Großteil der Songs besteht aber aus schrägen Perlen wie der wundervollen Abrechnung von Peter Grudzien mit der Countrymusik, dem brutalen Outing der Tanzkapelle Tornados oder der Parodie „These Boots“ von Teddy & Daniel. Queer Noises enthält 24 Stücke, von denen man kein einziges mehr vermissen möchte, und ist ein Pflichtkauf für offene Herzen und Ohren.

Chris Elstrodt

 

DIVERSE - From The Closet To The Charts


MAEGIE KOREEN
Maegi Koreen singt Ringelnatz: Tieferer Unsinn

(Chanson Cafe CWB 1698)
20 Tracks 48:08 min

Maegie Koreen, die Chansonsängerin aus Gelsenkirchen, hatte sich verliebt: in Joachim Ringelnatz bzw. in seine Gedichte. Das ist schon über 30 Jahre her, aber die Liebe besteht noch immer. In den 70ern hatte sie einige der Gedichte für die Gitarre vertont, bei denen der Einfluss von Barbara und Hana Hegerova deutlich zu hören ist. Dies lässt schon erahnen, das Skurrile kommt auf ganz leisen Tönen daher. Dadurch wird das Filigrane, das Zerbrechliche dieser dichterischen Gespinste deutlich, was sonst oft zu kurz kommt. Andere Kompositionen hat sie in jüngerer Zeit im Archiv in Wurzen (Geburtsort von Bötticher alias Ringelnatz) entdeckt. Es sind Klavierbegleitungen und sie sind etwas kräftigerer Art. Eine Vertonung von Odemann und ein eigenes Lied runden diese Sammlung ab. Diese Mischung hat aber seinen Charme. Zunächst mal natürlich Ringelnatz mit seinen verschrobenen Geschichten: voll im Leben und doch voll daneben. Es gelingt Maegie Koreen diesen Zauber einzufangen und den Zuhörer mit ihren Liedern zu verzaubern. Ein sehr gelungenes, vielleicht etwas altmodisches, gerade aber dadurch bezauberndes Programm.

Rainer Katlewski

 

MAEGIE KOREEN - Maegi Koreen singt Ringelnatz: Tieferer Unsinn


DIVERSE
Made In Germany. The World Of German Grooves

(Lola's World cls 0000782)
Do-CD, 40 Tracks, 157:42 , mit engl. Infos

Das Cover ist schwarz-rot-gold, aber geschmackvoll. Menschen mit unklarer Hautfarbe machen Musik vor dem Brandenburger Tor und der Skyline von Frankfurt. Deutsche Autobahnen zeigen, dass das Land unterwegs und dynamisch ist. Der Sampler Made In Germany will der Welt die „German Grooves“ vorstellen. Auf dieser CD hat die Bremer DJane Gülbahar Kültür das Land, in dem sie lebt, so dargestellt, wie sie es gerne hätte: bunt, lässig und offen für die Dancefloorkulturen der Welt. Da hat glatt jeder zweite Song einen Offbeat, so als wäre er eine Erfindung aus Deutschland. Seeed und Gentleman steuerten Hits bei. Selbst Nena singt einen entspannten Reggae. Zum guten Deutschland gehört bei Kültür die HipHop-Szene, die mit den Fantastischen Vier, Curse und Blumentopf vertreten ist. Natürlich sind auch Weltmusiker wie die Dissidenten, Grine Kuzine, Lecker Sachen, DJ Eastenders und die 17 Hippies dabei. Ganz ausgeblendet wird dagegen das Deutschland, das so brachial ist wie Rammstein oder so steril wie Sven Väth. Dieser Sampler bedient nicht die üblichen Deutschlandprojektionen, sondern malt ein warmes und sinnliches Bild dieses Landes und seiner Musik. Und das ganz ohne Auftrag und staatliche Förderung.

Christian Rath

 

DIVERSE - Made In Germany. The World Of German Grooves


SCHÄL SICK BRASS BAND
Prasti Music

(Westpark Music 87129/Indigo)
14 Tracks, 52:53

Seit vier Jahren hat man nichts mehr von der Schäl Sick Brass Band gehört. Das heißt aber nicht, dass sich die Kölner Multikultiband ausgeruht hat. Sie war auf Reisen. Und ganz so wie die deutschen Bands Embryo oder Die Dissidenten sog das Septett um Mastermind und Gitarrist Raimund Kroboth auf seinem Trip via Balkan gen Orient die kunterbunten Klänge allerorten auf wie ein Schwamm. Auf Prasti Music hört man Melodien und Rhythmen aus Bulgarien, der Türkei, Griechenland oder Usbekistan. Und, weil neuerdings die schwedische Sängerin Anna Lindblom mit an Bord sitzt, auch ein paar Lieder aus Skandinavien. Ein gutes Dutzend Gäste haben sich die Kölner ins Studio geholt, sodass gleich ein ganzes Sammelsurium an Instrumenten erklingt, die Klangpalette des Blasorchesters mit Violine, Akkordeon, Bouzouki, türkischer Perkussion aufhellend. Das Warten hat sich gelohnt.

Frank Schuster

 

SCHÄL SICK BRASS BAND - Prasti Music


LAWAY
Freje Wind: Lieder und Musik zu „Free as de See un de Freesen“ - Störtebeker 2005

(Artychoke AP-1005-CD)
16 Tracks, 59:09, mit Texten und Infos

Yo ho ho! Laways vierte als Musik für die Störtebeker Freilichtspiele in Mariahafe produzierte CD, ist das bislang beste Album. Nach einem mehrstimmigen a-capella-Intro („Solang de Wind de Wulken weiht“), lässt die Gruppe jede Menge großartig arrangierte Lieder im ostfriesischen Dialekt sowie Instrumentalstücke folgen. Verstärkt wird Laway durch den „Heimkehrer“ Herbert Bartmann, der schon in der Gründerformation dabei war. Er integriert sich mit Gitarre und Percussion, vor allem aber auch kraftvoll zupackendem Pipes- und Whistlespiel hervorragend in die Band und ergänzt die exzellente Saitenarbeit Gerd Brandts und Jörg Fröses (der neben Geige, Cister, Mandoline und Banjo auch noch Mund- und Handharmonika spielt). Die fast schon wie Popmusik produzierte und arrangierte CD (wenn nötig, dröhnt auch mal eine E-Gitarre) bietet eine geschickte Mixtur von Ingredienzen mit hohem Wiedererkennungswert und viel Neuem. Petra Fuchs’ tolle Stimme kommt vor allem bei der plattdeutschen Übertragung des englischen Songs „The Water Is Wide“ zur Geltung, aber auch im Duett mit „Balu“ Brandt, der mit einer gelungenen Übertragung eines Brian-McNeill-Stückes „Wi trecken mit de Wind“ brilliert sowie mit der ostfriesischen Version („Ik suur di op“) des französischen „Tourdion“. Darauf ’ne Buddel Rum!

Ulrich Joosten

 

MELLOW MELANGE
The Answer

(DMG 54.218060.2/Toca)
15 Tracks, 63:45, mit Infos

The Answer heißt der neue Streich des zurzeit spannendsten Sextetts aus deutschen Landen. Die Antwort auf die Frage, wie das nächste Album nach der experimentellen musikalischen Reise des Vorgängers sein wird. Vielleicht ist der Albumtitel auch vergleichend wie in „die deutsche Antwort auf ...“ und dazu fällt mir eine Menge ein: Bläsereinsätze, für die Jan Garbarek sich nicht schämen müsste. Eine intelligente Art leichte Songs zu schreiben, bei der ich schon, man vergebe mir, zu Emmylou Harris als Vergleich greifen muss, obwohl Mellow Melange mit Country nichts zu tun haben. Jeder einzelne Song würde ins Format eines Hitradiosenders passen, und dennoch kommt nicht eine Sekunde Langeweile auf. Im Gegenteil, The Answer ist spannend bis zum letzten Ton. „Presto“ klingt wie direkt von der Tanzfläche geklaut, „Only Trouble“ könnte auch von den Eagles sein, und bei manchen Stücken wünschte ich mir, eine Skaband würde eine Coverversion einspielen. Die Bluesnummern könnte sich Robert Cray auf die Fahne schreiben, „Go Where The Sun Will Rise“ passt perfekt in den Abspann eines Spielfilms und der Swing hat Fernsehshowqualität. Wenn Kunst und Kommerz sich harmonisch in den Armen liegen, haben wir mit The Answer das Ergebnis.

Chris Elstrodt

 

MELLOW MELANGE - The Answer


ULI KRINGLER
One World In A Guitar

(Wonderland/Rough Trade WR 9033)
13 Tracks, 47:42, mit Infos

Der Hamburger Gitarrist Uli Kringel überrascht mit einem erstaunlich vielseitigen und musikalisch ausgereiften Soloalbum. Geschmackvoll und elegant übersetzt Kringel Reisebilder in sechssaitige Erzählungen, die all das haben, was gute Geschichten ausmacht: einen guten Anfang, ein gutes Ende und dazwischen spannend verdichtetes Leben. Kringel gibt dem Hörer im Beiheft zur CD tagebuchartig formulierte Gedanken mit auf den Weg, die den Hintergrund der Kompositionen erhellen. Nötig wäre es nicht, denn die Musik spricht ganz für sich allein. „Eine Welt in einer Gitarre“ zeigt Nähe zu den musikalischen Idiomen der jeweils angesprochenen Reiseländer. Auf plakative Folkloristik verzichtet Uli Kringler jedoch gänzlich. Er vertraut auf das eigene Vokabular und tut gut daran. Denn nur wer sich der Mühe unterzieht, persönliche Erfahrungen in eigene Worte zu fassen, darf darauf hoffen im Meer der Beliebigkeit keinen Schiffbruch zu erleiden.

Rolf Beydemüller

 

ULI KRINGLER - One World In A Guitar


RABENSCHREY
Donnerhall

(RV Rekord)
17 Tracks, 61:15

Mittelalterrock-Mainstream, wie man ihn schon zu oft gehört hat: viel Schlagzeug und Bass, nerviger Gesang. Der Schwerpunkt liegt mehr auf Rhythmus und Klangeffekten als auf Melodie, auffallend sind schlagwortartige Refrains, die endlos wiederholt werden. Insgesamt zu lang ausgespielte Songs, denen die Arrangementideen ausgehen. Liedthemen und Soundstilistik ähneln Schandmaul sehr: Es werden Geschichten aus einer imaginären mittelalterlichen Welt erzählt. Instrumental finden sich immer wieder interessante, viel versprechende Ansätze (zum Beispiel die Rhythmik im „Pipesong“), die aber nicht weiter gesponnen werden. Dafür kommt (bewusst?) unsauberer Gesang, der spontanes Unwohlsein hervorruft wie bei „Auf ewig“ oder „Mädelein“. Besonders grausam die unrhythmische Drehleierschnarre bei „Zaubertrank“. Da hatte der Tonmeister wohl einen ganz schlechten Tag, als er das durchgehen ließ. Das Anhören dieser 16 Eigenkompositionen plus Pipi-Langstrumpf-Variante darf als Quälerei für den Rezensenten betrachtet werden und sollte mit einem Bußgeld belegt werden. Es gibt viel Besseres an CDs auf dem Markt mit ganz genau derselben Stilistik.

Piet Pollack

 

RABENSCHREY - Donnerhall


ANTICHRISIS
A Legacy Of Love - Mark II

(Reartone/Edel)
Promo-CD,11 Tracks,73:20

Der Name der deutschen Folkrocker klingt eher nach schlechtem Metal als nach der deutschen Alternative zu den Levellers, aber tatsächlich handelt es sich bei Antichrisis um einen der letzten erträglichen Vertreter des Genres Folkpunk. Das erstaunt nach der Invasion der Paddy-Kapellen, selbst wenn man gut gespielte Uilleann Pipes als Bonuspunkt ins Feld führen kann. Doch A Legacy Of Love - Mark II macht gute Laune, und das liegt in erster Linie am außergewöhnlich guten Songmaterial. Die neue CD entpuppt sich beim näheren Hinschauen dann auch als neu eingespielte „Greatest Hits“. Die Neueinspielung des alten Materials hat sich gelohnt, manches klingt jetzt eher nach den kommerziellen Ausflügen eines Donal Lunny, anderes nach New Celtic Folk à la Paperboys. Sängerin Katja Bartsch hat sich mittlerweile dem Popgesang verschrieben, was der Produktion sehr geholfen hat. Die wenigen Ausflüge in die alten Punk-und-Metal-Tage zeigen dann auch die Schwächen der Band. Ein bisschen weniger Nightwish und das Album wäre perfekt. Definitiv geht Antichrisis mit Mark II aber den richtigen Weg, auch wenn der Abschied von alten Gewohnheiten noch schwer fällt.

Chris Elstrodt

 

ANTICHRISIS - A Legacy Of Love -  Mark II


JOSHO STEPHAN
Acoustic Live

(Acoustic Music Records 319.1369.2/Rough Trade)
18 Tracks, 67:06, mit dt. und engl. Infos

Gypsy Swing ist eigentlich nicht unbedingt mein Spezialgebiet, aber natürlich freut man sich auch hier, auf Edelsteine zu stoßen. Ich hatte schon das Vergnügen, das Debütalbum dieses Musikers auf dem Tisch zu haben. Stephan zählt zweifellos längst zum illustren Kreis derer, die die Traditionen mit einer ganz eigenen virtuosen Stimme und einem sehr offenen Gespür für Musik an sich bereichern und weiter in die Zukunft tragen. Dieses Livealbum, zusammen mit Vater Günter Stephan und Johannes Zink (Rhythmusgitarre), Sebastian Reimann (Violine), Max Schaaf (Bass) und Leonard Gincberg (Percussion) eingespielt, sprüht vor Spielfreude, Raffinesse sowie eleganter und streckenweise unglaublicher Virtuosität des Leaders. Neben den Wurzeln von Django Reinhardt und Stephane Grapelli, werden auch impressionistische oder Latinelemente, Westernswing (Chet Atkins) integriert. Dem großen Wes Montgomery oder dem Zigeunergitarristen Tchan Tchou, sogar Carlos Santana wird Tribut gezollt. Ja, und dann wird Josho Stephan in Reinhardts „Artillerie Lourde“ sogar zum Slidegitarristen. Und wenn dann gar noch das Dritte-Mann-Thema hergenommen wird, ist der Genuss dieser Scheibe perfekt abgerundet. Bemerkenswert lebendig, facettenreich und schön!

Steffen Basho-Junghans

 

JOSHO STEPHAN - Acoustic Live

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