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MAGOU & DAKAR TRANSIT
Africa Yewul

(Network 495112/Zweitausendeins)
13 Tracks, 64:34, mit frz, engl., dt. Infos

Der Mann hat etwas mitzuteilen, und er sagt es zu betörend schöner Musik. Der Themenkatalog ist umfangreich: Magou singt gegen verantwortungslose Schürzenjäger; für ein Wir-Gefühl unter den Menschen statt Egoismus; für Respekt vor der Natur; oder er singt von der Sklaverei aus der Sicht eines Kindes. Das alles hat Tiefgang, und wäre Mandela Sänger geworden, solche Texte hätte er wohl verfasst, der Wahrheit verpflichtet, mit Nachdruck auch, aber frei von Hass oder Rache. Mal mehr in Singer/Songwriter-Manier mit akustischer Gitarre, mal mit seiner exzellenten Band, ist Sänger und Gitarrist Magou aus Dakar jederzeit Herr über das musikalische Geschehen, das sich zwischen ganz leisen, gefühlvollen Klängen und kräftiger Instrumentierung aufhält, ohne je wirklich laut zu sein. Magous Holzraspelstimme steht in eindrucksvollem Kontrast dazu, woraus sich eine ganz eigene Handschrift ergibt, bis hin zu Liedern mit echten Ohrwurmqualitäten. Dafür hat er auch die richtigen Musiker ausgesucht, darunter der Kora-Könner Tata Dindin. Und dass der Sound ebenfalls erstklassig ist, macht Africa Yewul zu einer runden, reifen, begehrenswerten Sache. Africa yewul - „Afrika, wach auf!“ Und auch du, „altes“ Europa: Hier wächst ein ganz Großer heran!

Luigi Lauer

 

MAGOU & DAKAR TRANSIT - Africa Yewul


PIERRE AKENDENGUE
Gorée

(Lusafrica/Rough Trade)
12 Tracks, 54:42

Pierre Akendengue ist ein Künstler, dem Genregrenzen stets fremd geblieben sind: Bekannt wurde der 1943 in Gabun geborene Musiker mit dem Werk Lambarena, welches Pygmäengesang mit Bach-Kantaten kombinierte - ein wunderbares Stück Crossovermusik, das die Mittlerrolle Akendengues zwischen Afrika und Europa spiegelt. Auf seinem neuen Album erzählt er die Geschichte der vor Dakar liegenden Insel Gorée, die der Verschiffung von Sklaven in die USA diente und heute als UNESCO-Weltkulturerbe an die Greuel des Sklavenhandels erinnert. Das Beiheft zum Album zeigt das ehemalige Sklavenhaus - doch in der Musik steckt keine Traurigkeit. „No, dont’ cry, stop your crying, Gorée“, singt Pierre Akendengue über einem unwiderstehlichen Trommelrhythmus - und ein Chor antwortet ihm. Ein hoffnungsfreudiges afrikanisches Popalbum, das mit wenigen Instrumenten auskommt: eine akustische Gitarre, ein Keyboard, ein Bass und die herrlich arrangierten Chöre. Viel mehr braucht Akendengue nicht für seine Lieder.

Marc Peschke

 

PIERRE AKENDENGUE - Gorée


TOUMANI DIABATÉ’S SYMMETRIC ORCHESTRA
Boulevard De L’Independance

(World Circuit WCD 074/Indigo)
Promo-CD, 9 Tracks, 52:39

Der Herr Papa war einer der besten Koraspieler Westafrikas, der Sohnemann braucht sich dahinter nicht zu verstecken. Kaum hat der Malier einen Grammy für seine Kollaboration mit Ali Farka Touré abgeholt, da legt er mit eigenem Album nach - und was für einem. Diesmal keine kontemplativen Koramelodien, sondern ein ganzer Bus voll moderner westafrikanischer (Tanz-)Musik. Hat man nicht erwartet, überrascht darum umso angenehmer. Die Experimentierfreude des jazzig orientierten Kollegen Soriba Kouyate geht ihm zwar ab. Doch hier zeigt ein sonst auf leisen Sohlen laufender Musiker, wie kompatibel die verschiedenen Musikstile Westafrikas sind und wie knackig und kompakt man sie heute präsentieren kann. Der Sound ist dank Joe Boys erstklassig, Sänger Kasse Mady Diabaté ist es ohnehin, und das von Pee Wee Ellis arrangierte Gebläse liefert noch ein gutes Pfund dazu - stellenweise sogar etwas zu pfundig. Aber: Die frühen Aufnahmen der Rail Band oder der Ambassadeurs samt deren kubanischen Klängen werden wieder lebendig, werden auf den aktuellen Stand gebracht, und eine bessere Referenz kann man für die Musik des ausnahmslos erstklassigen Symmetric Orchestra nicht anführen. So interessant die Musikszene Barcelonas sein mag: Toumani Diabaté macht Bamako ebenso spannend. Mit einem einzigen Album.

Luigi Lauer

 

TOUMANI DIABATÉ’S SYMMETRIC ORCHESTRA - Boulevard De L’Independance


DJAMEL LAROUSSI
3 Marabouts

(Dadoua/Indigo)
Promo-CD, 12 Tracks, 49:24

Laroussi hat sich viel Zeit gelassen mit seinem neuen Album, auch, um wieder mehr Gitarre zu spielen. Gut so, denn der studierte Jazzer fusselt nicht sinn- und endlos in verkopften, schräg alterierten Skalen rum, sondern hat richtig Eier, wenn er die Klampfe in die Hand nimmt. Fast in jedem Song ist ein Solo des Algeriers, und um jedes fehlende wäre es schade. 3 Marabouts huldigt dem Geburtsort von Laroussis Vater, ein algerisches Dorf, in dem gleich drei dieser spirituellen Führer begraben sind. Mit einer erstklassigen Mannschaft seines aktuellen Wohnsitzes Paris bringt Laroussi Pop und Gnawa zusammen; seine polyglotte Natur, seine Kenntnis in Musiktheorie und sein untrügliches Gespür für Hooklines machen jeden Song unverkennbar zu seinem. Westliche Wissenschaftlichkeit und oral tradierte afrikanische Musikgeschichte (und -gegenwart) gehen selten eine so fruchtbare - und tanzbare! - Liaison ein. Hut ab, Djamel Laroussi: 3 Marabouts, das ist Musik von hohem Niveau, die sich nicht zu schade ist, Mitsingrefrains zu liefern, die Ohrwürmer bereithält und sich trotzdem nicht anbiedert und die teils mit einer rhythmischen Komplexität aufwartet, die westliche Musikstudenten in den Wahnsinn treiben dürfte. Sage noch einer etwas gegen den Begriff Weltmusik: Laroussi macht sie, und sie klingt bei aller Kunstfertigkeit wie aus dem Ärmel geschüttelt. Vom Feinsten.

Luigi Lauer

 

DJAMEL LAROUSSI - 3 Marabouts


NURU KANE
Sigil

(Riverboat TUGCD 1041/Edel)
13 Tracks, 62:13, mit engl. und franz. Infos

Eine ganz neue Mischung: Senegalesischer Singer/Songwriter tummelt sich in marokkanischer Gnawa-Kultur. Nuru Kane ist durch Zufall auf die Musik der nordafrikanischen Berber gestoßen. Dabei liegt die Verbindung auf der Hand, stammen diese doch ab von Westafrikanern, die als Sklaven gen Norden verschleppt wurden. Während die musikalische Wegstrecke von Senegal nach Mali ausreichend gepflastert ist, schließt Kane die Lücke nach Algerien und Marokko, wobei auch dortige Instrumente wie Guembri (Basslaute) und Garagab (Metallkastagnetten) zum Einsatz kommen. Mal tranceartig zirkulierend, mal mit kräftiger Percussion treibend, mal in fein austarierten Balladen dahinfließend oder minimalistisch, nur mit Gesang und Gitarre - wie seinerzeit Ali Farka Touré - ist Sigil („Erhebe den Kopf“) ein farbenreiches Kaleidoskop, dem Nuru Kane mit seiner wandlungsfähigen Stimme eine ganz besondere Note zufügt. Dass Sigil noch besser hätte werden können, wenn die Aufnahmen in Schottland [!] nicht unter Zeit- und Budgetdruck stattgefunden hätten, bewies ein Livekonzert in Triobesetzung in Berlin, bei dem Nuru Kanes Stimme sich als noch viel interessanter erwies, als sie es auf dem Album ist. Sei’s drum, Sigil ist ein bemerkenswertes Debüt, das wohlklingend auf den Fortgang der Dinge neugierig macht.

Luigi Lauer

 

NURU KANE - Sigil

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