back Rezensionen Nordamerika


DAYNA KURTZ
Another Black Feather

(Munich Records/Indigo MRCD 271)
11 Tracks, 43:43, mit engl. Texten

Ihre Stimme ist dunkel, manchmal gar heiser - aber bei jedem Titel durchdringend und eindrucksvoll. Ihre Songs führen durch das gesamte Spektrum dessen, was so schön „Americana“ genannt wird: Folk, Folkrock, Country, Südstaatensound und auch etwas Jazz („All Over Again“). Mit zwei Ausnahmen stammen alle Songs aus der Feder von Dayna Kurtz. Gitarren, Bass, Schlagzeug und Keyboards liefern den musikalischen Rahmen für ihre immer etwas schwermütig klingenden Geschichten. Charangoklänge kommen hinzu, wenn Dayna Kurtz von „Venezuela“ erzählt. Eine kleine Klezmerband - Rob Curto (Akkordeon), Frank London (Trompete), Matt Darriau (Klarinette) - spielt auf beim Höhepunkt der CD: „It’s The Day Of Atonement 2001“. Vor dem Hintergrund der Terroranschläge in New York und dem Irakkrieg geschrieben, kritisiert die „tolerante Atheistin“ Kurtz rechte Christen und „verrückte“ Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer in ihrer Doppelmoral gleichermaßen. „Nola“ ist sowohl eine kritische Auseinandersetzung mit New York, der Stadt, in der Dayna Kurtz zu Hause ist, als auch eine Liebeserklärung an New Orleans, den Ort, von dem sie sich angezogen fühlt, wo sie aber wohl nie leben wird. Von der Kritik wird die Künstlerin oft verglichen mit Tom Waits oder Rickie Lee Jones. Um ihre CD als kleines Juwel einzustufen, bedarf es dieser Vergleiche überhaupt nicht. Die Songs von Dayna Kurtz klingen auch so wie eine frische Brise im Singer/Songwriter-Einerlei.

Michael Kleff

 

DAYNA KURTZ - Another Black Feather


JOHN VANDERSLICE
Pixel Revolt

(Barsuk Records BARK44 / Indigo)
14 Tracks, 53:43, mit engl. Infos und Texten

Zwei Seiten hat jede Medaille: Wie die Popmusik seit den 60er an Relevanz als gesellschaftlicher Tempomacher verloren hat, so hat sie seitdem an Privatheit gewonnen. Eine Qualität, die man auch dem technischen Fortschritt gutschreiben kann, einer Pest bekanntlich auf anderen Gebieten, die sich im Falle der Erschwinglichkeit vormals unbezahlbarer Produktionsmittel als wahrer Segen erweist: Wie man sie direkt spüren kann, die Geborgenheit John Vanderslices in sich selbst, das ist von einer emotionalen Wucht, die einen durchaus umhauen kann. Kein Studiovolk außer Tontechniker-Intimi wie Scott Solter, nirgends mehr im Zweifelsfalle bei den neuen Singer/Songwritern wie dem jungen Kalifornier, niemand, vor dem es Sanftheit, Verletzlichkeit, Melancholie zu verstecken gälte bei der Produktion poetischer Juwelen wie Pixel Revolt. Die Ernte, welche die beiden plus Mountain Goat John Darnielle hier ernten mit Mellotron, Wurlitzer, Moog, Rhodes, Hammond und was der echten Instrumente sonst noch hängen geblieben sind in der Geschichte des Pop, ist reich: die Melodien eingängig, die Harmonien einschmeichelnd, die Stimmungen träumerisch, die Tempi entspannt, die Grooves unwiderstehlich. Einziger Nachteil: die Selbstvergessenheit, mit der sich die Vanderslices in ihren Nischen einzurichten belieben. Bis sie schließlich - dies ist Album Nummer fünf - doch nicht mehr zu überhören sind ...

Christian Beck

 

JOHN VANDERSLICE - Pixel Revolt


JOHN STEWART
The Day The River Sang

(Appleseed Recordings/Fenn Music Service APR CD 1093)
13 Tracks, 51:39, mit engl. Texten und Infos

Man kennt John Stewart als Mitglied des Kingston Trios und als Komponisten des Monkees-Hits „Daydream Believer“. Seitdem hat Stewart mehrere Dutzend Soloalben veröffentlicht. Mit seinem aktuellen Werk präsentiert sich der Musiker einmal mehr als genialer Songschmied. Mit heiserer und älter gewordener Stimme trägt er seine Geschichten vor. Dazu begleitet sich Stewart - mittlerweile 66 Jahre alt - mit akustischer und elektrischer Gitarre. Hinzu kommen John Hoke und Dave Batti mit sparsamen Bass-, Piano- und Schlagzeugspiel sowie gelegentlichen Mundharmonika-, Keyboard- und Akkordeonklängen. John Stewart ist kein politischer Songwriter in der Tradition von Guthrie, Seeger oder Ochs. In seinen Songs zeigen sich die politischen Aspekte in persönlichen Schicksalen. Die beiden Stücke, die sich auf The Day The River Sang mit den aktuellen Zuständen in den USA beschäftigen, gehören für mich zu den besten Tracks auf der CD. Da ist zunächst die mit seiner Frau und gelegentlichen Gesangspartnerin Buffy Ford Stewart geschriebene Liebeserklärung an „New Orleans“. Vor dem Hintergrund des Irakkriegs geht es in „Midnight Train“ um „El Presidente“, dem das Schicksal der Menschen gleichgültig ist, die in die Schlacht geschickt werden. Aber auch die übrigen Songs über gebrochene Herzen und vergebliche Träume legen Zeugnis ab von einem sich im Umbruch befindenden, wenn nicht gar dem Untergang nahen Landes.

Michael Kleff

 

JOHN STEWART - The Day The River Sang


TOMPALL GLASER
My Notorious Youth - Hillbilly Central #1
(Charlie/Take the Singer With The Song)

(Bear Family Records BCD 16187 AH)
23 Tracks, 66:19, mit ausführlichsten engl. Infos und Texten


Another Log On The Fire - Hillbilly Central #2
(Tompall Sings The Songs Of Shel Silverstein/
The Great Tompall And His Outlaw Band)

(Bear Family Records BCD 16520 AH)
24 Tracks, 77:01, mit ausführlichsten engl. Infos und Texten

Es ist natürlich auch die Musik selbst, an der sich Outlaw Country konkret festmachen lässt, in seiner unaufgeregten Beifälligkeit, im besten Falle vor allem ungleich geschmackvoller als der schrille Mainstream des Muttergenres. Wichtiger aber noch ist die Haltung dahinter, beispielhaft in „Musical Chairs“ auf den Punkt gebracht. „Every Saturday their daddy comes to pick up his kids“ singt Outlaw-Mitbegründer Tompall Glaser da, „So I leave his kids and go to pick up my kids / Whose new daddy leaves my kids and goes to pick up his kid / It goes round and around an around“. Strophe zwei rundet das Thema ab: „I know she’ll be nervous when she sees her ex / And when I see my ex she always suspects / Her husband’s ex is getting’ bigger alimony checks / It goes round and around and around“. Und damit ist auch schon das Wichtigste gesagt über Outlaw Country: ungeschminkt, humorvoll, echt. Besonders in den Songs von Glaser-Freund Shel Silverstein (wie „Musical Chairs“) und Glaser-Entdeckung Kinky Friedman, welche die Eigenkompositionen seiner hier vorliegenden vier MGM/Polydor-Alben der 70er mit ihrer schieren Klasse naturgemäß leicht in den Schatten stellen. Nicht zu toppen ist dagegen einmal mehr das editorische Niveau dieser Wiederveröffentlichungen plus Bonustracks: ebenso ausführliche wie aufschlussreiche Booklets, Faksimileabbildungen der Originalcover - und Musik, Musik, Musik, Musik satt.

Christian Beck

 

TOMPALL GLASER
My Notorious Youth - Hillbilly Central #1
(Charlie/Take the Singer With The Song)

TOMPALL GLASER
Another Log On The Fire - Hillbilly Central #2
(Tompall Sings The Songs Of Shel Silverstein/
The Great Tompall And His Outlaw Band)


JAMIE STILLWAY
Mell Of A Hess

(Caterpillar Tail Records)
12 Tracks, 40:28

Jamie Stillway? Nie gehört. Ein kryptischer Titel, Krikelkrakel auf dem Cover, eine nett dreinblickende, junge Dame mit akustischer Gitarre auf der Rückseite. Was mag das sein? Selbst nach mehrfachem, aufmerksamem Hören ist die Frage nicht leicht zu beantworten. Hier eine Art moderner Ragtime, dort in nostalgische Sepiatöne getauchte Gypsiegrooves. Mit Django Reinhardt hat es dann doch auch wieder nichts zu tun. Aha - Mandoline, Violine, Kontrabass; das klingt beinahe nach Bluegrass, aber eben nur beinahe. Moderne amerikanische Folkmusik? All die hilflosen Versuche das passende Etikett für die Musik dieser klassisch ausgebildeten Gitarristin aus Portland zu finden greifen ins Leere. Das, was sie da selbst als „höllisches Durcheinander“ betitelt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als spannende Reise durch den hochindividuellen musikalischen Kosmos einer feinsinnigen Künstlerin, die sich einen Teufel um das schert, was Rezensenten das Leben einfacher macht: Schubladen. Solistisch und in guter Gesellschaft reiht sie Bild an Bild, nimmt den Hörer mit auf eine Reise durch entlegene ländliche Regionen. Nostalgisch, originell, sensibel und sehr eigen.

Rolf Beydemüller

 

JAMIE STILLWAY - Mell Of A Hess


THE MINUS 5
The Minus 5 (aka The Gun Album)

(Cooking Vinyl COOKCD368-CDR/Indigo)
Promo-CD, 13 Tracks, 41:59

Es gibt eine Lektion fürs Leben zu lernen aus Projekten wie The Minus 5: Je leichter dahin geworfen, desto lebendiger! Zumal im Verhältnis zu den Dinos, denen die Teilnehmer am siebten Album dieser Zeitvertreibs-Supergroup entstammen: R.E.M. (Peter Buck), Wilco (Jeff Tweedy), The Posies (Ken Stringfellow), The Decemberists (Colin Meloy) und so weiter. Nicht, dass diese Monster des Alternative Rock nicht alle ihre Meriten hätten - aber so munter und fidel wie bei TM5 ist es, wenn’s zu sehr um Karriere und wirtschaftliche Sicherheit für die Familien geht, offenbar einfach nicht mehr zu bekommen! Greifen besagte Herrschaften und Co. dagegen zum eigenen Freizeitvergnügen zu Instrumenten und Mikros, geht’s ab wie damals als sie jung waren und die Fundamente ihrer Karrieren legten: Wie in den seligen 60ern! 70ern! 80ern! Britisch! Poppig! Kurz und bündig, immer wieder, dreizehn mal in läppischen 42 Minuten, also genau die berühmten dreieinhalb Minuten im Schnitt, die ein richtiger Popsong gefälligst zu dauern hat. Camper Van Beethoven und ihre Neuschöpfungen im Klassikergeiste schwingen auf der Referenzebene fast ständig mit - zu Zeiten, als die ihr verwegenes Augenzwinkerprojekt noch munter in die Auflösung jagten und noch nicht zum Zwecke der Konservierung wiedervereinigt hatten, versteht sich. Solange das Neben- nicht zum Hauptprojekt wird, ist die Gefahr der Erstarrung vermutlich überschaubar.

Christian Beck

 

THE MINUS 5
The Minus 5 (aka The Gun Album)


DIVERSE
Harbour Symphony

(Sound Arts Initiatives)
7 Tracks, 56:15, mit engl./franz. Infos

ED KAVANAGH
Weaving The Wind

(Eigenverlag)
18 Tracks, 56:54, mit engl. Infos

ATLANTIC UNION
The Whole Dance

(Blue Island Records 02-062212)
14 Tracks, 59:42, mit engl. Infos

CHRISTINA SMITH & JEAN HEWSON
August Gale

(Borealis Records BCD 170)
14 Tracks, 51:55, mit engl./franz. Infos und Texten

COLLEEN POWER
Face And Eyes

(Baygirls Music 0261082)
13 Tracks, 45:30, mit engl. Texten

PAMELA MORGAN
Ancestral Songs

(Amber Music 6550-2)
10 Tracks, 48:32, mit engl. Infos

(Bezugsinfos alle CDs über Delf M. Hohmann via delf@mun.ca)

Eine ganze CD mit dem organisierten Klang von Schiffshörnern, geht das? Natürlich, aber zum Hören braucht man eine sehr hohe musikalische Toleranzgrenze. So begrüßt uns St. John’s, das Zentrum der kanadischen Provinz Neufundland anlässlich des zweijährlich stattfindenden Sound Symposiums.

Da sind die Harfenklänge des Ed Kavanagh (plus Freunde) doch um einiges entspannter. Neue und traditionelle Instrumentalmusik aus der Provinz mit Harfe, Flöte, Fiddle, Gitarre etc., gespielt von Könnern. Lediglich der Klang der CD ist nicht so klar und transparent, wie ich mir das wünschen würde.

Und ab jetzt wird gesungen! Das Trio Atlantic Union macht das mit einer Dame und zwei Herren, mal traditionell, meist aber zeitgenössisch mit diversen Saiteninstrumenten. Wirkt ein wenig wie in den 70ern, aber gut. Newfoundland Folk eben!

Ein Fiddle- und Gitarrenduo mit ausgewogener Mischung aus Tunes und Songs. Letztere werden von Gitarristin Hewson mit klarer, kräftiger Stimme vorgetragen, während Fiddlerin Smith auch mal zum Cello greift. Natürlich hat auch das Material dieser schönen CD den Fokus Neufundland.

Nomen est omen! Frau Power hat selbige reichlich, besonders in der Kehle. Ihr Rootsrock, mal Richtung Cajun, mal Reggae, mal einfach geradeaus, ist ansteckend und von der Sorte, die live gnadenlos abgehen. Und alles selbst geschrieben. Glückliches Neufundland, du hast Power!

Pamela Morgan, ehemalige Fiffy-Duff-Sängerin, zählt zu den absoluten Größen (nicht nur) der lokalen Szene. Die zehn Songs sind in Neufundland und Labrador bekannt, stammen z. T. („Lord Bateman“ oder „Thomas The Rhymer“) jedoch aus England und wurden auch dort eingespielt. Daher wohl ist bei vier Tracks Fairport-Fiddler Chris Leslie dabei. Ansonsten werden die Songs bewusst spartanisch dargeboten: samtene Stimme und akustische Gitarre, einfach Konzentration auf das Wesentliche, genau das Richtige bei ausgereiften Balladen. Hier ist weniger mehr - wunderbar.

Mike Kamp

 

DIVERSE - Harbour Symphony

CHRISTINA SMITH & JEAN HEWSON - August Gale

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