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MARY BLACK
Full Tide

(3ú Records TORTVCD 1168)
12 Tracks, 53:43

Schon beim ersten Song „The Land Of Love“ ist man erleichtert, denn man hört, dass die populäre irische Sängerin ihr Niveau gehalten hat. Diese Erkenntnis ist so selbstverständlich nicht, denn Mary Black hat immerhin sechs Jahre nichts Neues auf den Markt gebracht. Beim zweiten Song, „Lay Down Your Weary Tune“, hat man dann sogar den Eindruck, dass hier eine Mary Black ins Studio gegangen ist, die besser singt denn je zuvor. Die Irin verleiht dem wunderschönen Lied, das aus der Feder von Bob Dylan stammt, mit ihrer glockenklaren Stimme das gewisse Etwas. Der Gänsehauteffekt ist vorprogrammiert. Überbieten können die verbleibenden zehn Stücke dieses Erlebnis nicht mehr, wenngleich sie allesamt schön anzuhören sind. Eingängige Lieder, die vor allem von Zwischenmenschlichem handeln. Zwei der Songs hat Mary Black übrigens zusammen mit ihrem Sohn Danny O’Reilly geschrieben. Und natürlich ist auch der 2001 verstorbene erstklassige Songwriter Noel Brazil wieder mit einigen Stücken vertreten. Ihre Wertschätzung für ihn bringt Black mit dem Bonus Track „Japanes Deluxe“ zum Ausdruck. Nein, Full Tide muss sich gewiss nicht hinter seinen zehn Vorgängeralben verstecken. Gut gemacht, Mary Black. Aber lass uns bitte nicht wieder sechs Jahre warten!

Markus Dehm

 

MARY BLACK - Full Tide


BATTLEFIELD BAND
The Road Of Tears

(Temple Records COMD2098)
17 Tracks, 71:50, mit engl. Infos und Texten

Eine der dienstältesten Bands Schottlands (s. a. Folker! 01/2006) legt ein wohlgefülltes Themenalbum vor: Emigration gestern und heute, dokumentiert durch Lieder von Keyboarder Alan Reid oder traditionelle Stücke. Selbst die Instrumentals, wo Piper Katz und Fiddler White oft kreativ tätig werden, sind nie weit von der Tragik und der Trauer der Emigration entfernt! Und weil jenes Thema den Menschen in Schottland und in Irland gezwungenermaßen gleichermaßen bekannt ist, kann sich der neue Mann Sean O’Donnell gesanglich auch gleich gut einführen. Ob es am Thema liegt oder der nie in Frage gestellten künstlerischen Meisterschaft der Band, das sei dahingestellt. Tatsache ist, dass die Batties schon lange nicht mehr so kompakt, so überzeugend, so unverbraucht geklungen haben, und das nach all den Dekaden ihres Bestehens. Die Battlefield Band ist ein echtes Phänomen, die immer noch Lieder in ihr Repertoire integrieren kann, die weit weg vom keltischen Dunstkreis sind. Hier ist es das W. Guthrie/M. Hoffman-Stück „Plane Wreck At Los Gatos“, das politisch aktuell ist und musikalisch näher an Europa geholt wird.

Mike Kamp

 

BATTLEFIELD BAND - The Road Of Tears


MILAGRO ACUSTIC
Poeti Arabi Di Sicilia

(CNI/Ludos LDL 18367/Just Records Babelsberg)
11 Tracks, 42:42, mit Texten in sizilianischem Ital./Arab. und ital. Übers.

Vor tausend Jahren herrschten die Araber über Sizilien - bis zur christlichen Rückeroberung durch die Normannen. In einer Nacht soll ihr Anführer, Graf Ruggero d’Altavilla, allein in Palermo über zweihundert Moscheen geschleift haben. Wie immer bei solchen Übergriffen schafften es die Angreifer nicht, die Hochkultur der Unterlegenen mit all ihren Schriften vollständig aus dem Weg zu räumen. Das vierte Album des Musikerkollektivs Milagro Acustico greift auf die Poesie arabischer Poeten zurück, die zu jener Zeit in Sizilien lebten. Poeti Arabi Di Sicilia ist das bislang reifste Werk der Gruppe. Wurde früher zuweilen opulent orchestriert, werden hier die Instrumente (Saiteninstrumente, Ney und andere Flöten, Saxophon und Percussion) sparsam und kraftvoll eingesetzt. Einmalig ist der in sizilianischem Italienisch und Arabisch gehaltene Gesang, der mühelos die Magie der Texte zum Ausdruck bringt. Wie etwa die Frauenstimmen im Stück „Schiavu d’Amuri“ sich in den Flamencogesang von Fabio dell’Armi einweben, ist unvergleichlich und lohnt schon die Anschaffung der CD. Wer araboandalusische Klänge im Stile eines Abed Azrié oder Radio Tarifa mag, wird von diesem arabosizilianischen Kleinod begeistert sein.

Martin Steiner

 

MILAGRO ACUSTIC - Poeti Arabi Di Sicilia


LOLA LAFON & LEVAINTERPRET
Grandir À l’Envers De Rien

(Label Bleu BP 631/Rough Trade)
13 Tracks, 56:24, mit frz. Texten

Was ist das noch mal für ein Lied? Da da da da da da ... „Paint It Black“! Den Song hinter dem Song herauszuhören, ist allerdings bei Track neun auch keine allzu leichte Aufgabe: Zeitlupentempo, Gänsehautgesang, Bauchtanzrhythmen und Balkanquetschkommode - was für ein Arrangement! Wer hätte gedacht, dass man dem alten Stones-Klassiker solch neue Seiten abgewinnen kann. Aber auch abgesehen von dieser (einzigen) Coverversion ist das Album des französischen Quintetts ganz vortrefflich. Etwas für Hör-Gourmets, die das ganze akustische Fast Food um sie herum über haben. Sängerin Lola Lafon verbrachte ihre Kindheit in Rumänien und Bulgarien, was man ihrem Gesang und den Klängen ihrer Begleitband Leva stark anhört. Aber auch, dass sie ein großer Fan von Patti Smith und Jeff Buckley ist, wenn sie gelegentlich Richtung Avantgardepop abtaucht. Gelegentlich, wie gesagt, denn insgesamt gilt: Mal abgesehen von ihren Landsleuten Bratsch hat man wohl selten so gelungen Chanson und Balkan miteinander verschmolzen gehört.

Frank Schuster

 

LOLA LAFON & LEVA - Grandir À l’Envers De Rien


EVASION
Femmes De Pleint-Vent

(Vocal 26)
17 Tracks, 50:48, mit Texten

Sechs Frauen aus fünf Ländern singen Lieder in 20 Sprachen für die ganze Welt. Mit großer Meisterschaft, viel Gefühl und politischem Bewusstsein singt das Vokalsextett Evasion aus Frankreich meist traditionelle Lieder über das Leben der einfachen Menschen und ihren Kampf für Gleichberechtigung und ein Leben jenseits des Existenzminimums. Da gibt es sardische Gesänge über den Aufstand gegen die Tyrannei des Adels, eine Anklage gegen die Mitläufer des zweiten Weltkrieges im Stil von Kurt Weil, eine als harmlose Weise verkappte Abrechnung mit der Ignoranz gegenüber Schrecken wie Auschwitz, Bangladesh, Stalingrad, Trafalgar und Bosnien und eine Gänsehaut-den-Rücken-runtergehende Version von Luis Llachs „No“. Dazu Stücke, die von Serge Besset vertont wurden, der die Damen auch gelegentlich wunderbar auf dem Piano begleitet. A capella goes world music oder besser: die Welt mit einer Stimme besingen.

Angela Isphording

 

JIM MALCOLM
Tam O’ Shanter & Other Tales

(Baltane Records BELCD104)
8 Tracks, 52:33, mit engl./schott. Infos und Texten

Neues vom Old-Blind-Dogs-Sänger Jim Malcolm, der immer noch mit Herz und Seele Solist ist. Malcolm, der Mann, der mehr Swing in der Stimme hat als jeder andere in der schottischen Folkszene, dessen Musik ebenfalls Swingelemente aufweist, ist dennoch einwandfrei Sohn seines Landes. Zentrales Stück mit einer guten Viertelstunde Länge ist die Vertonung des legendären Robert Burns-Gedichtes „Tam O’ Shanter“, wo Malcolm und Mitstreiter stilistisch und instrumentell (Drums, Keyboards, Pipes etc.) alle Register ziehen. So wild, atmosphärisch und stimmungsgeladen, dass Meister Burns mit Sicherheit anerkennend genickt hätte. Aber auch die anderen Stücke wurzeln tief in schottischer Vergangenheit und Gegenwart, ganz gleich, ob sie Eigenkompositionen oder Bearbeitungen sind. So „The Singing Cavaliers“, eine Ode an die in den letzten Jahren meist viel zu früh verstorbenen Kreativkräfte der schottischen Szene, die Malcolm unumwunden als seine Vorbilder bezeichnet. Starke Lieder und eine durchdachte Produktion; wahrscheinlich Jim Malcolms bislang beste CD.

Mike Kamp

 

JIM MALCOLM - Tam O’ Shanter & Other Tales


COMAS
Comas

(Frea Records, MWCD 4052)
10 Tracks, 47:08, mit kurzem Info

Comas ist das gälische Wort für „Power“. Kein ganz unpassender Name für das Quartett, welches aufs Neue den globalen Charakter des irischen Musikidioms dokumentiert. Vier hochkarätige Musiker aus Irland, der Bretagne, Belgien und den USA mit dem Anspruch, zur keltischen „High-End“-Liga gezählt zu werden. Neben dem sehr smoothen, millimetergenauen Zusammenspiel von Fiddle und Flute (Aidan Burke und Sylvain Barou, m. E. einer der weltbesten Flötisten des irisch-keltischen Genres) imponiert auch die Rhythmusgruppe (Jackie Moran - Bodhrán, Percussion - und Philip Masure [Urband Trad] - Gitarre, Bouzouki) durch ihren Drive und ihre Energie. Sowohl traditionelle als auch neukomponierte Reels und Jigs jagen einander wie Windhunde, in puncto Power also kein Mangel. Der Groove der Band schafft nicht ganz die Dichte von z. B. Lunasa, die Unterschiede sind aber marginal. Zwischendurch scheint die CD ein wenig hektisch, so dass der Einschub einiger langsamer Stücke unbedingt geboten war. Wir hören einen zeitgenössischen Song des irischen Sängers Daithi Rua, und die belgische Cittern- und Dulcimerlegende Guido Piccard steuert eine sehr schöne, ruhige Eigenkomposition bei, die noch einen etwas besseren Mix verdient hätte. Insgesamt ein etwas direkter Sound, der einen nicht so leicht ins Schwelgen verfallen lässt. Dennoch: Großes Lob insgesamt an die vier „Global Player“ für diese eindruck(s)volle Produktion.

Johannes Schiefner

 

COMAS - Comas


LITTLE VENUS
Florence Or Berne

(Zytglogge ZYT 4891)
12 Tracks, 42:25, mit Infos

Seit zehn Jahren sind Little Venus nun ein Geheimtipp in der Singer/-Songwriter-Szene und vielleicht werden sie das Schicksal von Richard Thompson teilen, der trotz Weltklasse niemals den angemessenen Durchbruch erzielte. Little Venus haben diesen Durchbruch jedenfalls gleichermaßen verdient. Die genialen Schweizer aus dem Umfeld von Hank Shizzoe spielen Songs von atemberaubender Schönheit. Lediglich mit Gesang, Cello und akustischer Gitarre bewaffnet erzeugen Little Venus eine unerträgliche Spannung, die für Händezittern und sehnsüchtige Schmerzen in der Seele sorgt. Der behutsame Umgang mit und bewusste Einsatz jedes einzelnen Tons sorgt für eine Intensität, die vielleicht Leonard Cohen in besseren Zeiten einmal erzeugen konnte. Die Sängerin Irina Simoneta fühlt jede gesungene Silbe der von Gitarrist Marc Rossier geschriebenen Songs. Das empathische Zusammenspiel dieser drei Musiker klingt wie eine einzige Liebeserklärung. Doch Florence Or Berne ist keine CD für Verliebte. Die CD steht für sich selbst, Musik in Reinkultur. Wer Little Venus als Schmuserock oder als Unplugged-Derivat verwendet, beleidigt dieses kleine Wunderwerk. Little Venus erzeugen großes Gefühlskino, in der Rockhalle wie im Folkclub. Ganz sicher gibt man diese CD nie wieder her.

Chris Elstrodt

 

LITTLE VENUS - Florence Or Berne


CHRIS JAGGER’S ATCHA!
Act Of Faith

(Blue/SPV Recordings SPV 7852/80000979)
Promo-CD, 12 Tracks, 40:57

Damit das gleich klar ist: Ja, Bruder Mick Jagger ist mit von der Partie, auch Pink Floyds David Gilmour und Sam Brown - aber wer daraus schließt, das neue Album des kleineren der Jagger-Brüder könne ohne derlei Unterstützung nicht bestehen, der hat sich geschnitten! Auf seinem siebten Album seit 1973 zeigt sich der Schauspieler, Journalist und Heimgärtner auf der Höhe seiner musikalischen Kunst. Zeitgemäß rund und voll und fett, wie nur wenige es dieser Tage hinbekommen, rollt sein Bastard aus Blues, Funk, Soul und Zydeco in zwölf astreinen Nummern aus den Boxen. Die Kompositionen souverän und kompakt, der Gesang kraftvoll und sachdienlich, das gesamte Spektrum zwischen überschwänglich bis entrückt so lustvoll und gekonnt durchdekliniert, dass es unmittelbar auf den Hörer überspringt, und ebenso nachhaltig. Die erwähnten Gastspiele setzen dem nurmehr Glanzpunkte auf - die es aber in sich haben: Wie augenzwinkernd die dicke Lippe im Duett mit dem kleinen Bruder auf „The DJ Blues“ den gewohnten Stones-Affen macht (und wer auch immer von beiden die fantastische Blues-Harmonika spielt - umwerfend!). David Gilmours sanfte Bluesgitarren auf „Junkman“ und „It‘s Amazing (What People Throw Away)“ - hinreißend! Wie souverän aber Chris Jagger mit solcher Klasse Berühmterer als ihm selbst umzugehen weiß - ein Dokument der Größe, die er im riesigen Schatten des Bruders entwickelt hat, in all ihrer Pracht ...

Christian Beck

 

CHRIS JAGGER’S ATCHA! - Act Of Faith


TOMÁS SAN MIGUEL
Dan-Txa

9 Tracks, 55:33, mit Infos auf Spanisch und Englisch

Dan-txa (eine Wortschöpfung aus „Tanz“ und „Txalaparta“) ist der dritte Teil des Projekts Txalaparta (nach Lezao 1994 und Ten 1998). Es ist das Zusammentreffen des Akkordeonvirtuosen Tomás San Miguel mit den baskischen Txalaparta-Spielerinnen von Ttukunak und dem Percussionisten Marlon Klein von der deutschen Ethnoexperimentalband Die Dissidenten, der die CD auch koproduziert hat. Im Vordergrund steht der Klang der Txalaparta, ein traditioneller baskischer Rhythmus, der durch das Schlagen auf Holzlatten, Steine oder Metall erzeugt wird. Man nimmt an, dass er ursprünglich den Galopp eines Pferdes imitieren sollte. Leicht zu glauben wenn das Herz bei den mitreißenden Klängen von Dan-Txa zu galoppieren beginnt. Doch es bleibt nicht beim baskischen Schlagen - mit traumwandlerischer Sicherheit klopfen die beiden Txalpartaris Samba, Fandango und schrecken auch nicht vor elektronischen Beats, Soundeffekten und Trancemusik zurück. Dabei tanzt das Akkordeon von San Miguel leichtfingrig über steinige Wege, hohe Pässe, sandige Strände und weite Ebenen. Wunderbar, außergewöhnlich und absolut empfehlenswert.

Angela Isphording

 

TOMÁS SAN MIGUEL - Dan-Txa


ROLL A PENNY
Swingin’ Hinnies

(RaP Records CD001)
10 Tracks, 39:23, mit engl. Texten und Infos

ANDREW CADIE
The Snow Tree

(Border Fray Records BF06001)
12 Tracks, 45:11, mit (nicht immer gut lesbaren) engl. Texten

Andrew Cadie? Nie gehört? Das könnte und sollte sich ändern, denn der junge, studierte Musiker aus Northumberland mit Verbindungen zu Deutschland hat so Einiges zu bieten. Da ist zum einen sein Duoprojekt mit Marc Sinclair, was aber noch nicht über den Demostatus hinaus ist. Mit Roger Purves und Katie Doherty tritt Cadie als Roll a Penny mit einer Mischung aus traditionellen und eigenen Stücken auf. Ein abwechslungsreiches Trio, das besonders durch die ausdrucksstarke Stimme von K. Doherty und ihre an traditionelle Strukturen angelegte Eigenkompositionen gewinnt.

Aber auch Cadie kann singen. Und Fiddle, Gitarre, Northumbrian Pipes, Trompete, Bass und Percussion spielen! Daher ist sein Soloalbum tatsächlich solo. Die Melodien und Lieder sind überwiegend selbst verfasst, aber traditionsverbunden mit nordbritischem Flair. Die CD klingt von vorne bis hinten stimmig und überzeugend. Von Andrew Cadie werden wir noch viel hören. Wetten?

Mike Kamp

 

ROLL A PENNY - Swingin’ Hinnies

ANDREW CADIE - The Snow Tree


AYNSLEY LISTER, ERJA LYYTINEN, IAN PARKER
Pilgrimage - Mississippi To Memphis

(Ruf Records/Inak Ruf1112)
12 Tracks, 57:59

Eine reine Marketingidee wollen wir Thomas Ruf nicht unterstellen, wenn er, wie hier geschehen, die drei jungen, bei seinem Label unter Vertrag stehenden Musiker auf eine Blues-Pilgerfahrt in den Süden der USA mitnahm. Getreu dem Labelmotto „Where Blues crosses over“ begegnen sich in der Musik seiner jungen Künstler diverse Stile, bei denen der Blues nicht immer der eindeutig vorherrschende ist. So gehört natürlich immer eine gehörige Portion Rock dazu, wenn Aynsley Lister oder Ian Parker zur Gitarre greifen, und vor allem die junge Finnin Erja Lyytinen zeigt sich musikalisch sehr vielschichtig. Sie verbindet Jazz, Folk und Pop oder streut - wie im Titelstück der CD - auch schon einmal Rapgesang ein. Überhaupt ist der Gesang, oder vielmehr die „Dreistimmigkeit“ bei den meisten Titeln ein tragendes Element - toll, wie die drei durch ihre unterschiedlichen Stimmen viel Frische und Dramatik in die Songs transportieren. Mir jedenfalls machte das hören der CD sehr viel Spaß - Ian Parker mit seinen nachdenklichen Texten, Erja Lyytinen mit ihrer wunderbaren akustischen Slidegitarre auf „Dreamland Blues“, und auch Aynsley Lister ist am Ziel der Reise angekommen - sein „Mississippi Lawnmower Blues“ ist so viel Delta, wie man es im Süden der USA überhaupt finden kann. Gespannt und neugierig bin ich jetzt auf ein Konzert der „Blues Caravan Tour 2006“, mit der die drei Musiker zurzeit (02/2006) in Deutschland unterwegs sind.

Achim Hennes

 

AYNSLEY LISTER, ERJA LYYTINEN, IAN PARKER -
Pilgrimage - Mississippi To Memphis


NOEL MURPHY
... And The Mahogany Gaspipes In „A Session“

(Fine Hairy Rope Records FHRRCD 777)
14 Tracks, 62:22, CD mit kurzem Info

Die ganz Alten werden sich noch erinnern - um 1970 wurde in der ARD häufiger von der damaligen irischen Folkszene berichtet. Dabei war auch Noel Murphy, mit wildem Bart und wilder Stimme, wilder als alle fünf Dubliners zusammen - so sah er nicht nur aus, so sang er auch, aber wenn es ihm gerade passte, konnte er auch zu Tränen rühren. Dann hörten die Sendungen auf und wir verloren ihn aus den Augen (für seine LPs von damals werden allerdings Höchstpreise bezahlt), er dagegen ging ins UK und legte sich dort eine Fangemeinde zu. Die hat er noch, heute ist kein englisches Radiowunschkonzert denkbar ohne sein „Murphy And The Bricks“, das zum Glück auf der neuen CD vorhanden ist. Die Jahre haben die wilde Haartracht gezähmt, die Stimme ist die alte, und an nachdenklichen und melancholischen Tönen hat er es ja auch damals nie fehlen lassen. Anders als früher, wo er allein zur Gitarre sang, hat er nun allerlei Begleitmusiker, weshalb es neben den Balladen, die wir mit ihm verbinden (nicht mal vor „Carrickfergus“ schreckt er zurück und zeigt, dass auch aus diesem so oft misshandelten Lied noch viel Neues herauszuholen ist), auch Instrumentals gibt (nicht genug, aber das wünschen wir uns für den nächsten Silberling). Endlich wieder Noel Murphy also, nach all den Jahren ein Genuss für die alten Fans, und eine heiße Empfehlung für alle, die gern neue Fans werden wollen.

Gabriele Haefs

 

NOEL MURPHY - ... And The Mahogany Gaspipes In „A Session“


LÉOPARLEUR
Tout Ce Qui Brille

(LéOprod/Broken Silence CD 02941/1)
Promo-CD, 15 Tracks, 47:17

„Mein Schatz ...“ seufzt Maya Martinez eingangs im Titelsong, der gleich mit ungeheurem Tempo klarmacht, wo‘s lang gehen wird. Nix da mit elsässischem Liedgut oder betulichem französischen Chanson. Die von den Brüdern Josef (Gesang, Gitarre, Trompete) und Simon Oster (Akkordeon, Gesang) 1992 gegründete Gruppe befindet sich seit dem Debütalbum Revoir La Mer (2002) in Frankreich auf einem imposanten Erfolgskurs. Die Osters stammen aus dem Straßburger Stadtteil „La Krutenau“, wo auch Sinti und Roma wohn(t)en. An sich mit Rockmusik aufgewachsen, lernten die beiden auch die betörende Musik der „Manouches“ kennen. 1996 stiegen Schlagzeuger Eddy Claudel, Kontrabassist Gregory Pernet und eben Maya, Sängerin und Multibläserin (Saxophon, Klarinette, Posaune) bei LéOparleur ein. Die Fünf vollziehen einen mitreißenden Parforceritt durch die gerade in Frankreich angesagten („Weltmusik“)-Genres: Balkan Brass Sounds und Klezmer, Sintijazz und arabisch-andalusische Melodien werden mit Folkpunk (die Pogues lassen grüßen!) „unterfüttert“, so dass eine fast durchweg tanzbare, unverwechselbare Mischung entsteht. Der Spielwitz überträgt sich wohl auch auf die Texte, die mit bissig-ironischer Kritik nicht sparen sollen. Mangels fehlenden Abdrucks derselben hat sich mir leider nicht sehr viel an Inhalt erschlossen. Anfang Januar 2006 war das Quintett erstmals auf großer Deutschlandtournee: Vor allem live dürfte die Musik von LéOparleur so richtig zünden!

Roland Schmitt

 

LÉOPARLEUR - Tout Ce Qui Brille


ABNOBA
Vai Facile

(Felmay fy 8110/Just Records Babelsberg)
9 Tracks, 54:34

Italian World Music, Nu roots, Avant-Folk - nicht nur die PR bekundet Mühe, der Musik der jungen Piemontesen einen Stempel aufzudrücken, auch der Rezensent hat damit seine Schwierigkeiten. Hier der Versuch einer Annäherung: „Andro“, das Eröffnungsstück, tönt nach instrumentalem Folkrock bretonischen Ursprungs mit jazzigem Flair. In „Tourdion“ trifft Renaissancetradition auf freie Jazzimprovisation. „Abnoba“, die Nummer drei, könnte man als piemontesischen Kammer-Funk bezeichnen. Das nächste Lied lässt Balkanrhythmen auf ein ruhiges piemontesisch-keltisches Intro folgen. Die Reihe könnte bis zum Schluss der CD fortgesetzt werden. Eines haben alle Stücke gemein: eine stupende Beherrschung der Instrumente (Diatonische Akkordeons, Whistles, Flöten, Oud, Bass, Drums, Percussion, Dudelsack, Tasten) und eine spürbar ungebändigte Musizierlust. Entscheidend ist bei Abnoba nicht, was sie machen, sondern wie sie es machen, wie sie aufeinander eingehen, wie sie ein Füllhorn neuer Ideen in die Stücke einfließen lassen. Vai Facile ist keine Hintergrundmusik, Abnobas Instrumentalmusik erfordert ein genaues, dafür umso lohnenderes Hinhören. Abnoba gehört die Zukunft.

Martin Steiner

 

ABNOBA - Vai Facile


RUE DE LA MAUVENDIÈRE
Rue De La Mauvendière

(RdlM/1, ruedelamauvendiere@club-internet.fr)
15 Tracks, 45:23, mit Texten und Infos

Nachdem die rechtlichen und technischen Probleme bewältigt sind, die jahrelang einer Wiederveröffentlichung im Wege standen, gibt es nun zum 20. Jubiläum des erstmals 1986 erschienenen Albums nun doch endlich die CD in gut restauriertem Klang, versehen mit einem ausführlichen Booklet zu den Hintergründen der Stücke. Die Platte enthält wunderschöne, mehrstimmig gesungene (meist politische) Lieder und Tänze aus Limoges, der Stadt der Porzellanmanufakturen zur Zeit der Belle Epoque. Rue De La Mauvendière ist ein Album in ganz eigenem Stil und klingt weniger nach traditioneller französischer Bordunmusik. Die Stücke erinnern eher an Kaffehaus- und (im positiven Sinne) Kirmesmusik der Belle Epoque oder an Musikstücke, die man von mechanische Musikautomaten kennt - hier jedoch keineswegs „mechanisch“ eingespielt, sondern mit großer Virtuosität. Kein Wunder, Philippe Destrem ist einer der besten französischen Drehleiernspieler und völlig zu Unrecht einer der eher unbekannten. Er hat einen delikat-dezenten Schnarrstil und war einer der ersten, der eine von der Melodie unabhängige Schnarre spielte und alternative Schnarrtechniken erforschte. Neben Philippe singen und spielen Francoise Etay, eine großartige Violinistin, sowie Jean-Jaques LeCreurer am diatonischen Akkordeon. Als Gast kam der geniale Eric Montbel an der Cornemuse hinzu („L’Arabie“). Toll!

Ulrich Joosten

 

RUE DE LA MAUVENDIÈRE - Rue De La Mauvendière


POHJANNAULA
Tätä Kaikki Kaipaa

(Hummpa Records)
12 Tracks, 45:33, plus Bonusvideo, mit Texten

Können Finnen einfach nur Musik machen? Wohl kaum und schon gar nicht, wenn sie auf demselben Label erscheinen wie die schrägen Finnen schlechthin: Eläkeläiset. Ohne eine Prise Schräglage geht es auch bei diesen fünf Herren aus dem hohen Norden nicht, und sei es auch nur, wie in diesem Fall, im Gesang. Erst im letzten Jahr debütierten sie mit Kivi, ihrem dritten Album, in Deutschland und werfen bereits jetzt ihren inzwischen vierten Longplayer überhaupt auf den Markt.

Pohjannaula, was im Altfinnischen so viel wie „Polarstern“ bedeutet - und die Herren haben mit solch schönen Objekten ganz sicherlich keine Ähnlichkeit - verpacken altfinnischen Knüppelfolkrock, instrumentiert mit Gitarren, Schlagzeug, Bass und Geige, mit einer Prise Schwermut, Popappeal und gelegentlich auch etwas Schwermut. Dabei beweisen sie durchaus Ohrwurmqualität und ordentlich Groove - und auch wenn man keine Ahnung hat, worüber die Herren singen, kommt man fast in Verlegenheit, den einen oder anderen Gassenhauer mitzuschmettern.

Claudia Frenzel

 

POHJANNAULA - Tätä Kaikki Kaipaa


NILS LANDGREN JOE SAMPLE
Creole Love Calls

(ACT 9707-2)
12 Tracks, 52:06, mit Infos

Wenn Jazz auch nur ein bisschen zur Folklore gehört, muss man diese CD kaufen. Die Zusammenarbeit des norwegischen Posaunenwunders Landgren mit Crusader-Gründer Joe Sample zeigt alles, was New Orleans an Musik zu bieten hat. Dem kreolischen Liebesruf konnte sich weder Mr. „Ghostbusters“ Ray Parker Junior entziehen, der für diese Aufnahme den Gesang und die Gitarre beisteuerte, noch Raymond Webber, der im Spielfilm Ray schon als Schlagzeuger von Ray Charles brillierte. Überhaupt kommt man an Ray Charles nicht vorbei, wenn man dieses Album würdigen möchte. Es ist vielleicht das Album, das Mr. Charles, Ry Cooder und Duke Ellington (der den Titeltrack des Albums komponierte) gemeinsam aufgenommen hätten, wäre die Chance dazu gewesen. So bleibt es bei einmaligen Interpretationen von „Dock Of The Bay“, Songs von Allen Toussaint oder eben Ray Charles - „Brightest Smile In Town“. Der überwiegende Teil der Songs stammt aber aus der Feder von Joe Sample, die „der Mann mit der roten Posaune“ in unverwechselbarer Weise interpretiert. Beinahe selbstverständlich wurde auch diese Scheibe wie alle Veröffentlichungen von Nils Landgren für den German Jazz Award nominiert.

Chris Elstrodt

 

NILS LANDGREN JOE SAMPLE - Creole Love Calls


VOJA AND HER FRIENDS
(präsentiert von Bente Kahan)

Sing With Us In Yiddish

(Midrasz TCD 011)
14 Tracks, 40:30, mit engl./poln. Infos und jidd./engl./norweg./poln./hebr. Texten

Bente Kahan, 1958 in Oslo geboren, lebte fast ihr ganzes Leben in Norwegen. Mit ihrer Familie zog sie 2001 in die Heimatstadt ihres Ehemanns, und zwar nach Breslau (Wroclaw). Alsbald hat Kahan dort einen Wunsch ihrer mittlerweile zwölfjährigen Tochter Voja erfüllt: Nämlich selbst einmal ein Album „machen“ zu dürfen. Und so singt nun Voja zusammen mit ihrer Mutter und dem Kinderchor der Breslauer Lauder-Etz-Chaim-Schule einige der jiddischen Lieder, die bereits die Großmutter Vojas Bente in die Wiege legte. Natürlich musste der polnisch-jüdische Kinderchor erst durch Bente Kahan Gleichgewicht (so ihr voller Name) mit dem Jiddischen vertraut gemacht werden und bereits 2003 gab es erste öffentliche Auftritte zu diesem Projekt. Aus verschiedenen Konzerten stammen letztlich alle 14 Titel, Liveaufnahmen auch allgemein bekannter Lieder wie „Rebe Elimeylech“, „Mir zayn ale brider“ oder „N’az der Rebe lacht“, u. a. mit Barbara Ulatowska (Violine), Robert Ruszczak (Akkordeon) und Jacek Ryszewski (Gitarre). Ein umfangreiches Beiheft gibt die Texte in gleich fünf Sprachen wieder. Übrigens befinden sich auf der CD die Gesangsnoten zu allen Liedern sowie die jiddischen Texte in original hebräischen Schriftzeichen als PDF-Dateien. Die ansprechenden Zeichnungen des Umschlages stammen von Schülern der Kunstabteilung o. g. Schule. Insgesamt ein äußerst empfehlenswertes Album für alle Freunde jüdischer Kultur.

Matti Goldschmidt

 

VOJA AND HER FRIENDS
(präsentiert von Bente Kahan)
Sing With Us In Yiddish

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