back Rezensionen Nordafrika


SUSI BOEHM
Elemental

(Intraton, www.susieboehm.com)
12 Tracks, 54:32, mit engl. Infos und Texten

Bekommt man mit vier Schwestern und sechs Brüder einen besonderen Sinn fürs Wesentliche? Kann es schaden, den kalifornischen Tellerrand aus Liebe bis nach Oberfranken zu überspringen? Ist es am Ende einfach Superprofi Mark Schulman, der Susi Boehms Solodebüt mit seinen makellos Drums zusammenhält, wie er es zuvor bereits mit der Musik der Pointer Sisters und Billy Idols, Michael Hutchence’ und Chers getan hat? Kraftvoll, ohne deshalb gleich laut werden zu müssen, die Ruhe selbst, ohne dabei wegzudämmern, singt sich Wahlnürnbergerin Susi Boehm durch ein Album zeitgenössischen Singer/Songwritings im besten Sinne: Der Verzicht auf den Harmonien- und Harmoniereichtum, der das Genre in früheren Phasen auszeichnete, führt nicht in die Ödnis; vorzugsweise zurückhaltende Performances, meist in gelassenem Midtempo, setzen willkommene Ruhepunkte in den Multimedia-Mainstream; gelegentliche Anklänge an Sirenen der Zeit wie Alanis Morissette halten die Sache, wohlverdaut wie sie nur gleichsam als Spurenelement durchscheinen, erstaunlich wohltuend im Hier und Jetzt. Das klingt nun mal immer noch amerikanisch, auch wenn der Rest der Welt sich deutlich bemerkbar gemacht hat in den letzten Jahrzehnten. Man beginnt den Dingen, die da kommen werden von Susi Boehm, förmlich entgegenzufiebern: Je weiter sie ihrer alten Heimat ent- und mit ihrer neuen Heimat verwächst - wird es ihrem Idiom eher nützen oder schaden?

Christian Beck

 

SUSI BOEHM - Elemental


JANIS IAN
Folk Is The New Black

(Rude Girl Recordings/Cooking Vinyl COOKCD364)
15 Tracks, 55:01, mit engl. Texten

Es gibt sie noch, exzellente Songschmiede! Janis Ian ist der Beweis. 15 Songs von bester Qualität in jeder Hinsicht. Zur eigenen filigranen Gitarrenarbeit singt die Singer/Songwriterin auf ihrem 20. Album in 40 Jahren feinfühlige Geschichten. Sie handeln von Politik - vom schleichenden Demokratieabbau in ihrem Land und der Aufforderung, etwas dagegen zu tun, in „Danger Danger“, „The Great Divide“ und „Life Is Never Wrong“ - von Liebe und Beziehungen - wie bei „All Those Promises“ und „Standing In The Shadows Of Love“. Eine ganz persönliche Erinnerung an den Vietnamkonflikt („The Last Train“) entpuppt sich als Appell gegen den Krieg. In „My Autobiography“ nimmt Janis Ian ihre eigene Karriere mit viel Ironie auf die Schippe: „... a thousand pages more of me ... and that’s just volume one of my autobiography.“ Nur spärlich, dafür aber umso einfühlsamer, lässt sich Janis Ian nur bei einigen Stücken begleiten, u. a. von Jim Brock (Schlagzeug, Percussion) und Viktor Krauss (Kontrabass, Gitarre). Beim letzten Stück der CD, dem Titeltrack, ruft Janis Ian nicht ganz ohne Ironie ein neues Zeitalter der Folkmusik aus: „Put your ear to the ground, there’s a buzz / About a new type of song / They call it folk ... / ... Better than crack - folk is the new black.“

Michael Kleff

 

JANIS IAN - Folk Is The New Black


DAVID ALLAN COE
Unchained/Son Of The South; plus

(Bear Family Records BCD 16129 AH)
25 Tracks, 79:04, mit engl. Infos und Texten

A Matter Of Life And Death; plus

(Bear Family Records BCD 16133 AH)
23 Tracks, 77:06, mit engl. Infos und Texten

Die Füße in weißen Strass-Cowboystiefeln mit Stetson-Applikation, über den Beinen das Sternenbanner, vom Kopf ein Vokuhila bis zum Hintern und, um dieses Sammelsurium gesammelter Geschmacklosigkeiten noch zu toppen, im Schoß ein Kleinkind, dem er auch noch ein Ohr abkaut: Ein kurzer Blick aufs Cover von Son Of The South von 1986 genügt, um sich nachhaltig zu vergewissern, wie schnell man mit Country auf abschüssiges Gelände geraten kann. Aber nicht muss, und schon gar nicht immer und ständig, wie die Wiederveröffentlichungsweltmeister von Bear Family Records seit einigen Jahren noch einmal an David Allen Coe und den Columbia-Aufnahmen aus seiner Outlaw-Ära zeigen. Die hier vorliegenden CDs Nummer 10 und 11 schließen die Serie nun mit den letzten drei Alben der Phase ab - plus Zugaben schwer zu findender Singles, „Demos et cetera“, wie in den CD-Titeln versprochen: Ein Füllhorn frecher Autorensongs zwischen Country und Southern Rock, speziell in den Liebesliedern natürlich mit ausgeprägtem Hang zum Machismo, ungewöhnlich frei von Scheuklappen dagegen gegenüber alternativen Szenen bis hin zu den Hippies oder zeitgeschichtlichen Themen wie selbst dem Watergate-Skandal. Gäste schließen Willie Nelson und Waylon Jennings, Johnny Cash und Allman Brother Dicky Betts ein, die Edition ist üppig wie gewohnt - aber die neun Unplugged-Soli zum Ende von A Matter Of Life And Death sind nicht wirklich von 2005, oder?

Christian Beck

 

DAVID ALLAN COE - Unchained/Son Of The South; plus

DAVID ALLAN COE - A Matter Of Life And Death; plus


ERIC ANDERSEN
Waves - Great American Song Series Vol. 2

(Appleseed Recordings APR CD 1092 / Fenn Music Service)
13 Tracks, 55:19, mit ausführlichen engl. Infos und Texten

Müsste einen nicht wundern, wenn die Great American Song Series mehr mit ihrem Urheber selbst zu tun hätte, als sie nominell vorgibt: Vor satten 40 Jahren neben Bob Dylan, Phil Ochs, Tom Paxton, Richard Fariña und all den anderen integraler Bestandteil des innersten Singer/Songwriter-Kreises im New Yorker Village, ist auch Eric Andersen selbst heutzutage in steter Gefahr, vom fortschreitenden musikalischen Zeitgeist in die Vergessenheit planiert zu werden. Die großen Songjuwelen glorreicher vergangener Autoren- und Interpretenzeiten, und mit ihnen ihre Urheber in die Zukunft durchzureichen, hat er sich mit dem Projekt zum Anliegen gemacht: Lou Reeds „Pale Blue Eyes“, Tim Buckleys „Once I Was“, Fred Neils „I Got A Secret“, John Sebastians und Zal Yanovskys „Coconut Grove“ und Happy Traums „Golden Bird“ etwa - neben Werken der bereits eingangs erwähnten Monolithen der Zunft, versteht sich. Die Interpretationen gelingen dem musikalischen Archäologen ausnahmslos überzeugend: kongenial originalgetreu, dabei immer mit eigener, leicht spröder Note; zurückhaltend, dabei weit davon entfernt, die Lichter aus falscher Bescheidenheit wieder unterm Scheffel zu verstecken. Man fragt sich, wie es angehen kann, dass der Großteil dieser Stücke von der Welt so vergessen wird. Es wird wohl etwas mit den Zeitläufen an sich zu tun haben, in denen nun mal alles verschwindet, zumindest für die meisten von uns ...

Christian Beck

 

ERIC ANDERSEN - Waves


WOODY MANN
Road Trip

(Acoustic Music Records/Rough Trade 319.1359.2)
15 Tracks, 47:54

Den Akustikgitarristen Woody Mann muss man wohl wahrhaftig nicht mehr vorstellen. Nach seinem Duoalbum mit der Sängerin Susanne Vogt nun wieder hauptsächlich Stahlsaiten in verschiedensten Settings. „Reisenotizen“ im besten Sinne - auch oder gerade in ihrer Flüchtigkeit und Skizzenhaftigkeit. Woody Mann swingt in „Aflenz“ begleitet von Kontrabassist Brian Glassman. Im Verein mit Danny Mallon an der Percussion blitzt in „The Rev’s Music“ einige Takte lang „We Shall Overcome“ auf. Im „Texas Reel“ verlegt er keltisches Liedgut kurzerhand in den amerikanischen Süden. Mann lässt Raum für zarte Reflektionen wie in „Closing Time“, einer wunderbaren Ballade für 12 Saiten. Auf „Back Woods“ summt er zu einer banjoartigen Begleitung selbstvergessen vor sich hin. „Night In Tbilisi“ mit David Keys am Piano erinnert natürlich an Gillespies Evergreen „Night In Tunisia“. Dann plötzlich Blues im Duo mit Mandolinenspieler Larry Wexer. Überraschend freie Improvisationen mit Saxophonist Charlie Krachy überschreiten den ohnehin weitgesteckten musikalischen Rahmen schließlich ganz. An jeder Wegbiegung ein neuer Blick auf andere Landschaften. Und doch ist da einer, der diese „Reisebeobachtungen“ in seine unnachahmliche Sprache fasst und bei aller Vielfalt einen wunderschönen Bogen spannt: Woody Mann.

Rolf Beydemüller

 

WOODY MANN - Road Trip


GRAYSON CAPPS
If You Knew My Mind

(Hyena Records/TMF 9336/Rough Trade rtd 55893362)
12 Tracks, 46:19, mit engl. Infos und Texten

Kraftvoll und zäh, scheppernd und rau - so wird der Sound von New Orleans seit Jahrzehnten von einer Generation auf die nächste weitergegeben. Unter anderem auch an die, der Grayson Capps, Jahrgang ’67, angehört. Die ist zwar auch nicht mehr die jüngste am rettenden HiFi-Tropf, aber Capps hat über das inzwischen womöglich wichtigste Musikmarketingmedium überhaupt auch das Ohr der Jüngsten: Wer wie er den Titelsong plus zwei weitere Nummern in einem Film mit Scarlett Johansson (und John Travolta) untergebracht hat, kann sich der Aufmerksamkeit von einigen Jahrgängen, die da kommen werden sicher sein! „Love Song For Bobby Long“ heißt der saubere Titeltrack (das Buch, auf dem der Film basiert, stammt übrigens von Capps’ Vater), „Washboard Lisa“ einer der beiden anderen, beide sind auf dem vorliegenden Album vertreten, und sie sind als Türöffner ins Repertoire durchaus brauchbar. Aber nicht ausreichend - denn das Spektrum ihres Schöpfers ist doch um einiges breiter als diese beiden auch fürs allgemeine Publikum eher leichter verdaulichen Stücke. Darüber hinaus reicht Capps’ Spektrum auch noch von stilechtem Deltablues bis zu Midtempo-Balladen im Stile der Stones, krachend-schnarrendem R ’n’ B bis ziemlich fettem Soul. Und es braucht mit Sicherheit weder einen handelsüblichen Kinoplot noch Gesichter wie die erwähnten Bobby-Long-Hauptdarsteller, um starke Bilder und Stimmungen zu erzeugen. Im Gegenteil ...

Christian Beck

 

GRAYSON CAPPS - If You Knew My Mind


WASTELAND GREEN
Beautiful Tonight

(acoustic concerts Berlin, fbarniske@t-online.de)
14 Tracks, 52:53, mit knappen dt. Infos

Sich die Besten zum Vorbild zu nehmen, kann nicht schaden auf dem Weg zum Autoren und Interpreten von Rang. Und sich unterwegs das eine oder andere Juwel aus der Geschichte zu picken, das nicht überall und von jedem verwurstet wird, ist auch keine schlechte Idee: Western-Swing-Sonderling Dan Hicks’ grandioses „Driftin’“ haben die wenigsten im Programm, Country-Ikone Bobbie Gentrys „Ode To Billie Joe“ ebenfalls, und zumindest im Bereich Folk und Artverwandtes ist auch Soundtrack-Gott Henry Mancinis „Moon River“ nicht Standard. Susanne Werth (Gesang, Gitarre, Percussion), Friedrich Barniske (Gesang, Gitarre) und Arne Zauber (Chromatisches Knopfakkordeon) meistern diese und weitere Fremdkompositionen wie „Luka“, „Cow Cow Boogie“, „September Moon“ oder „Who’s Gonna Stop The Rain“ nicht nur fast kongenial, sie haben sie auch gleich in ihr von der weiblichen Gesangsstimme und dem Akkordeon dominiertes Chansonidiom übersetzt und damit unwiderruflich zu eigen gemacht. Und wo sie schon einmal dabei sind, stellen sie den Vorbildern auch gleich ein paar erste Eigenkompositionen an die Seite, die sich vor diesen nicht verstecken müssen. Das soll nicht heißen, dass hier schon alles Gold ist, was unüberhörbar bereits ersten akustischen Glanz entwickelt hat, aber vielleicht wird ja eines Tages trotzdem auch die eine oder andere Wasteland-Green-Nummer das Zeug zur Inspiration für Nachgeborene haben ...

Christian Beck

 

WASTELAND GREEN - Beautiful Tonight

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